Google This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct to make the world's books discoverablc online. It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover. Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the publisher to a library and finally to you. Usage guidelines Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying. We also ask that you: + Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for personal, non-commercial purposes. + Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the use of public domain materials for these purposes and may be able to help. + Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. + Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe. Äbout Google Book Search Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web at|http: //books. google .com/l eooog4B5ix "♦t •* ■ ^. ''• • * ^ / ■ IT- f 0 COMMENTAR '**. ÜBER DAS -^Jk" EVANGELIUM des MATTHÄUS '"'-?. VON CARL FRIEDRICH KEIL DR. UND PROF. DER THEOL. mm *i' ■ . ■ ■ • «1 LEIPZIG, . ^ DÖRFFLING und FRANKE. 1877. •i- miiiiiiiii 600094851X J» - 4. •^ .1 -.-»f * 2 Einleitung. §. 1. Wirken, überhaupt das ganze Leben Jesu auf Erden, in den Begriff TO svayyskiov zusammengefaßt. Die christliche Religion besteht nicht blos in Belehrungen über Gottes Wesen und Eigenschaften und Vorschriften für das rechte Ver- halten des Menschen gegen Gott, sondern ist wesentlich Offenbarung und Verwirklichung des göttlichen Gnadenrathschlusses der Erlösung der sündigen Menschheit von dem Verderben der Sünde und des Todes, welcher durch das Gesetz und die Prophetie des A. T. vorbereitet und angebahnt, durch die Menschwerdung des Sohnes Gottes in Jesu Christo ausgeführt und vollendet worden ist. Die Verkündigung der durch Christi Leben und Wirken in Worten und Thaten, und durch seinen Tod und seine Auferstehung von den Todten vollbrachten Erlösung bildet den Inhalt der Predigt, durch welche seine Apostel und Jünger Juden und Griechen zum Glauben an die in Christo der Welt geoffenbarte Gnade Gottes bekehrt, christliche Gemeinden gesammelt und die christ- liche Kirche gestiftet haben. Mit der Verkündigung, wie Gott Jesnm von Nazaret durch Thaten und Wunder und Zeichen legitimirt und, als die Juden ihn durch die Hände der Ungerechten getödtet hatten, ihn zum Herrn und zum Christ gemacht hat, mit dieser Predigt hat Petrus nicht nur am Tage der Pfingsten zu Jerusalem die christliche Gemeinde gegründet (Act. 2, 22—41), sondern auch zu Cäsarea den heidnischen Hauptmann Cornelius mit seinem ganzen Hause zum Glauben an Jesum als den von Gott bestätigten Heiland geführt und den Grand zur Aus- breitung des Evangeliums unter den Heiden gelegt (Act. 10). Die Ver- kündigung der geschichtlichen Thatsachen des Lebens und Wirkens Jesu Christi bildete stets die Grundlage und den Hauptinhalt der apostoli- schen Predigt des Evangeliums unter den Juden und Heiden, und die- ser Predigt ging zur Seite und folgte die gründlichere Unterweisang der Gläubiggewordenen in der evangelischen Geschichte durch Gehilfen und Schüler der Aj^ostel, welche nach diesem ihrem Berufe Evangeli- sten ievayysXiatal) hießen, Act. 21, 8. Eph. 4, 11. 2 Tim. 4, 6. Aus der mündlichen Verkündigung d^ evangelischen Heikthat- sachen entwickelte sich die EvangeUen-Literatur. Als nämlich die Generation der unmittelbaren Zeugen des Lebens Jesu anfing gelichtet zu werden, als die Apostel Palästina verliefien, um andern Völkern das Evangelium zu predigen, als ferner sich christliche Gemeinden in den Heidenländern bildeten, die weder von Aposteln noch von Apostel- schülern gegründet waren, da mußte man darauf bedacht sein, durch Ab&ssung von schriftlichen Evangelien den Gemeinden die Erkentnis der Heilsthatsachen zur Begründung ihres Glaubens zu vermitteln. — Nach altkirchlicher Ueberlieferung (bei Euseh, hist eccL III, 24 J hat der Apostel Matthäus bei seinem Weggange von Palästina zu an- dern Völkern den dortigen Gemeinden das Evangdium, welches er den- selben mündlich verkündigt hatte, in Schrift verfaßt hinterlassen. Von Markus teilt Euseh. l c. III, 39 die Aussig des Papias mit, dafr er, Dolmetscher des Petrus geworden, das was Christus geredet oder ge- than hat (rä vjiö rov XqiCtov t} XsxO-ivra fj nQaxd-ivta) nach der Die vier Evangelien. 3 Erinnerang aus den mündlichen Vorträgen des Petras sorgfältig ge- schrieben habe. Und Lukas erklärt im Vorworte seines Evangeliums: Nachdem viele unternommen haben, eine Erzählung von den unter uns vollbeglaubigten Thatsachen zusammenzustellen, me es überliefert ha- ben die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes wafen^ habe auch ich für gut befunden, es der Reihe nach dir, bester Theophi- lus, zu schreiben, damit du in Betreff der Lehren, in welchen du un- terrichtet worden, die volle Gewißheit erkennest (1, 1—3). — Dieser Uefoerlieferung über den Ursprung und Zweck der schriftlichen Evan- gelien entspricht auch Inhalt und Beschaffenheit derselben. Die Be- richte von dem Leben und Wirken Jesu Christi in den drei ersten Evan- gelien sind weder Biographien Jesu noch „wesentlich Compilationen aus der Ueberlieferung entlehnter Stoffe", sondern von bestirnten Grundgedanken beherschte und nach bestimten Gesichtspunkten aus- geführte geschichtliche Darstellungen der Person und des Werkes Jesu als des von den Propheten verheiBenen Messias (Christus). Allen vier Evangelien des N. T. gemeinsam ist der Gesichtspunkt, durch das was sie von Jesu Leben und Wirken erzählen, die Ueberzeugung zu be- gründen, dafi Jesus sich als den im A. T. geweifiagten Erlöser Israels und Heiland alier Völker erwiesen habe und als solcher von Gk)tt durch Wunder und Zeichen erwiesen worden sei. Was Johannes am Schlüsse seines Evangeliums (20, 31) sagt: „Dies ist geschrieben, daß ihr giaa- bet, Jesus sei der Christ, der Sohn Gottes, und daß ihr durch den Glau- ben das Leben habet in seinem Namen^^, das gilt für alle Evangelien. Sie wollen nicht die Geschichte Jesu erzählen, sondern das Heil ver- kündigen, welches in der Person und der Geschichte Jesu Christi auf Erden erschienen ist. Dieser Absicht dient die Geschichte. Die Aus- führung derselben gestaltet sich aber verschieden je nach d^n beson- deren Bedürfhisse der Gemeinden, für welche die einzehien Evangelien zunächst bestimt waren. Matthäus kündigt sein Evangelium als „Buch der Geschichte Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams" an (1, 1) und gibt sowol durch die Auswahl und Anordnung des geschichtlichen Stoiläs, als besonders durch den beständigen Hinweis auf die Erfüllung dw messianischen Weißagungen des A. T. deutlich zu erkennen, daß er Je- sum als den verheißenen Sohn Abrahams und als den rechten König des Hauses Davids darstellen und das von Jesu verkündigte und gestif- tete Himmelreich als die höhere Verwirklichung und die Vollendung des alttestamenUichen Gottesreiches aufweisen will. Mehr hierüber s. unten in §. 2. . Markus bezeichnet 1, 1 seine Schrift als „Anfang (a(>x??) cl^s Evan- geliums von Jesu Christo, deiQ Sohne Gottes'S Der Iiüialt und die Be- schaffenheit dieses Evangeliums bezeugen die Richtigkeit der kirch- lichen Ueberlieferung, daS dasselbe zunächst für Heidenchristen des Abepdlandes bestimt war und die Verbreitung der frohen Botschaft von der in Jesu Christo geschehenen Erlösung in der Heidenwelt voraus- sesl. Den Ursprung dieser frohen Botschaft will Markus schildern, 1* 4 Einleitung. §. 1. und „in seiner Schrift zeigen, daß das Evangelium oder das Christen- tum seinen Ausgang genommen hat von der wunderbaren Kraft oder Gewalt des Herrn Jesus Christus, welche er in Heilungen aller Art, in Sündenvergebung und auch im Lehren, im Leiden und in der Auf- erstehung von den Todten offenbarte (i^ovala 1, 22, 27. 2, 10; övra- (iig 5, 30. 6, 2. 6, 5)'^ (Grau, Entwickelungsgesch. des neutestamentl. Schriftthums I, 125). Die Geburt und Kindheit übergehend begint er, nach kurzen einleitenden Nachrichten über das Auftreten Johannes des Täufers und über die Taufe und Versuchung Jesu, mit der Schilderung des öffentlichen Wirkens Jesu, wie er die Kranken heilte, die Dämonen austrieb, das Evangelium predigte und in seinen Wunderthaten wie in seinem Lehren sich als den zu erkennen gab, der göttliche Macht und Befugnis hat, Aufsehen unter dem Volke erregt und Staunen und Glau- ben wirkt (1, 22. 27). „In keinem andern Evangelium treten die Wun- der so in den Vordergrund wie bei Markus, und selbst die Worte und Reden des Herrn werden nicht um ihres Lehrgehaltes willen mitgeteilt, sondern als wichtige Momente der geschichtlichen Entwicklung des Lebens Jesu, als bedeutende Züge im Bilde Jesu. Die Heidenwelt war alt geworden und suchte neue Kräfte des Lebens, neue Offenbarungen der Gottheit. In Jesu — so predigt dieses Evangelium — ist eine neue Gottesmacht offenbar geworden, eine wunderbare Erscheinung von überwältigendem Eindrucke und von wunderbaren Kräften zur Heilung der kranken Welt" (Luthardt, die Eigenthümlichkeit der vier Evan- gelien. Lpz. 1874. S. 15). „Die Dämonenaustreibung d. h. die Bewäl- tigung der übernattLrlichen Kräfte des Bösen ist von Markus unter allen Evangelien als das Specifische der Wirksamkeit Jesu hingestelt; in keinem Evangelium ist so stark wie in dem seinigen der übermensch- liche Eindruck des Auftretens Jesu geschildert, infolge dessen er stets von großen Volksmassen umlagert und bedrängt wird, die nicht genug bekommen ihn zu sehen und zu hören und zu preisen, und ihm fast keinen Baum zu freier Bewegung lassen." ^ An dem Auftreten und Wirken Jesu mit übernatürlicher Macht sollen die Heiden erkennen, dafi er der erwartete König Israels und Heiland der Völker, und daß er der Sohn Gottes ist.^ 1) K, R, Koestlin, d. Ursprung u. die Komposition der synopt. Evangelien. Stuttff. 1853. S. 317. Vgl. noch Grau a. a. 0. S. 144. 2) Zwar fehlen 1, 1 die W. vlov zov S^eov in Cod. Sin. u. bei vielen Kchvv., und anch das Bekenüiis des Petrus lautet 8, 9 einfach : mit dem griechischen Maxd'aloq vertauscht hat. Diese Namensände- Tung ist in den Evangelien eben so unerwähnt geblieben, wie in der Apost^geschichte die Aendernng des Namens Saulus in Paulus. Der Umstand aber, daß Mrc. und Luc. den Zöllner bei seiner Berufung mit seinem jüdischen Namen bezeichnen, in den Apostelverzeichnissen da- gegen ihn ohne weiteres Matthäus nennen, erklärt sich einfach daraus, daß sie die Identität des Zöllners Levi mit dem Apostel Matthäus als allgemdn bekant voraussetzen konten. — Der Name Matd'aloq (oder Mad^aiog nach Lachm. u. Tischend,) entspricht dem hebr. »Tnig» do- num Javae, wie Zaßöatog 3. Esr. 9, 21 dem n;*]at in (hebr.) Esr. 10, 20, wobei sich nicht ausmachen läßt, ob die griech. Form unmittelbar aus mtxa contrahirt oder durch Yermittelung einer contrahirten Form w« (v0. Gesen. thes. p. 929 J gebildet worden. Nur aus der Form hjn» läBt sich Mard^aloq nicht ableiten, weil jener Name griechisch MiXTß-Uxg (Act. 1, 23) lautet, obwol auch Marrad^lag (1 Mkk. 2, 1), dem hebr. njnn» (vgl. 1 Chr. 9, 31. 15, 18. 21. 16, 5 u. Neh. 8, 4 mit der Uebersetz. der LXX) entsprechend, bei Joseph, de bell. jud. 1, 1, 3 in Mixrd^lag contrahirt ist. — Haltlos sind die Ableitungen von '^vpa». Treumann {Ew, ausf. Lehrb. d. hebr. Spr. S. 678) oder von Tl'? eine Adjectivbildung von dem ungebräuchlichen Nomen n» in der Bed. mannhaft, märmUch {Grimm in d. Theol. Stud. u. Erit. 1870 S. 27). 1) Schon von Heradeon bei Clem. Ah ström. /K, 9 u. Origenes c, Cels. /, i3; dann von Grotiusy Michaelis, Sieffert (Ursprung des ersten kanon. Ev. S. 59), Neandery Ewald, Keim, Grimm. 2) „Im Talmud {Gittin 34^ u. Tosifta) ist es eine bekannte Sache, daß die Galiläer zwei Namen zu führen pflegten, einen gemein jüdischen und einen eigen- tümlich galiläischen d. i. gräcisirten, so daß weder der Doppelname Nathanael- Bartholomäns noch der Doppelname Levi-Matthäos auff&llig sein kann/* Delitzsch Neue ünterss. über Entstehung u. Anlage der kanon. Evangelien. I. Matthäus-Evangelium. Lpz. 1853 S. 5, 16 Einleitung. §.3. In der evangelischen Geschichte tritt MaUhms unter den Aposteln nirgend hervor. Nach kirchlicher Ueberlieferung soll er Anhänger der streng jadenchristlichen Askese gewesen sein und sich des Fleischge- nusses enthalten (Clem. AI. in Paeäag. II, Ip. 174 ed. Pott.) und sei- nen Landsleuten in Palästina das Evangelium verkündigt haben bis etwa 15 Jahre nach Jesu Himmelfahrt, dann aber sich zu andern Völ- kern begeben haben (Euseb. h. ecci. III, 24). Diese Völker weiß schon Origenes (bei Et4seb. III, 1) nicht anzugeben. Erst jüngere Schriftsteller nennen hauptsächlich Aethiopien; so Rufin M» &*,X, 9 Socrates H. E, 1, 19, Nicephor. II, 41, vielleicht nur durch Euseb. h. e. V, 10 dazu veranlaßt; oder Macedonien, das obere Syrien, Parthien, Persien und Medien. Ueber sein Lebensende bemerkt schon Meraclean bei Clem. AI. ström. IV, P, daß er eines natürlichen Todes gestorben sd; nach Socrat. in Aethiopien, nach Isid. Bispal. in Macedonien, was mit der Angabe des Clem., Orig. u. Teriull, daß nur Petrus, Paulus und Jakobus der ältere als Märtyrer unter den Aposteln gestorben sind, übereinstimt. Trozdem ist in dem Martyrologium der röipischen Kirche der 21. Sept., in dem der griech. Kirche der 10. Novb. als To- destag des Märtyrers Matthäus festgesezt worden. Vgl. Tischendorf Acta Apostot. apocr. p. 167 ss. und über die verschiedenen Sagffli die von Winer R. W. 11, 60 f. u. Güder in Herzogs R. Encykl. ÜTI^ 165 genanten Schriften. . U. Die historischen Zeugnisse über den VerDsm^ des Evangeliums. Das älteste Zeugnis bildet die aus den ältesten Hand- schriften in die gedrukten Ausgaben des Evangeliums übergegaugene Ueberschrift: EvayyiXtov xarä Matd-atov, die möglicherweise von dem Verfasser herrühren kann, sicher aber aus der Zeit stammt, in welcher die Evangelien für den kirchlichen Gebrauch zusammengestelt und mit den apostolischen Briefen vereinigt wurden, um d^n Kanon des N. Testaments anzulegen, d. i. aus dem Ende des ersten oder dem Anfange des zweiten Jahrhunderts. EvayyiXiov xazä Matd'alov be- deutet die frohe Botschaft (von Christo) nach dem Benehte des Matthäus; xccra bezeichnet den Verfasser, me in roZgvxoftPßfifeviOfiotg TOtg xarä top Nssfilap 2 Mkk. 2, 13, ^ xa^^ ^Hgodazw^ IctaQla bei Diod. Sic. u. ay xarä Mtxwcea jievrdtsvxog Epiph. haer. VIII, 4; wo- gegen ^ayyiXiov xad-^ "^Eßgalovg keinen begründeten Einwurf bildet, da auch diese Benennung nicht das Evangelium, wie es nach der Re- ception der Hebräer gestaltet ist, sondern das Ev. nach der Redaction der Hebräer bezeichnet. — Als Schrift des Matthäus finden wir unser Evangelium in griechischer Sprache von der Mitte des zweiten Jahrb. an in allen Teilen der Kirche anerkant und gebraucht. Dies bezeugen ^ für die Kirchen Galliens Irenaeus, von 177 an Bischof zu Lyon (adv. haer. III, 1); für das römische Africa der gelehrte Sachwalter der christlichen Warheit Tertullian (adv. Marc. IV, 5 u.2); für die alexan- 1) Vgl. die ausführlichen Darlegungen dieser Zeugnisse bei H. Olshausen^ d. Echtheit der vier canon. Evangelien, Kgsb. 1823. S. 267—406 u. Const. !Zt- schendorfyfBsm wurden unsere Evangelien verfaßt? 4. Aufl. Lpz. 1866. Verfasser des EyaDgelixmis. 17 drinische Kirche Clemens, der als Lehrer der Katechetenschule his zum J. 202 in Alexandria wirkte, besonders in dem Excerpte ans seinen Hypotyposen bei Euseb. h. e. VI, 14; für Rom das zwischen 160 und 170 dort angefertigte, nach Muratori benante Verzeichnis der neu- testamentl. Schriften, und die unter dem Namen Itala bekante alte la- teinische Uebersetzung des N. T., die schon Tertullian in seinen Schrif- ten gebrauchte; ftlr Syrien die in der zweiten Hälfte des 2. Jahrh. ent- standene Peschittho, ein von dem Bischöfe Theophilus zu Antiochien verfaßter Commentar, in welchem er nach einer Angabe des Hierony- mus die vier Evangelien zu einem Ganzen zusammenfügte (quaiuor evan- geUstarum in unum opus dicta compingens) und die von TaUan einem Schüler des Märtyrers JiLstin angefertigte Evangelienharmonie: „Dia- tessaron'' (Etiseb, h. e. IV, 29), Wie diese Erläuterungen und Ueber- setzungen den Gebrauch der vier Evangelien als abgeschlossener Sammlung in der Kirche voraussetzen, so bezeugen die angeführten Kirchenväter die allgemeine Verbreitung derselben als Schriften von kanonischer Geltung. Irenäus nent sie fundamentum et columen fidei nostrae, sieht in der Vierzahl eine göttliche Veranstaltung der in die vier Weltgegenden ausgegangenen Predigt und sagt adv. haer, III, II, 7: Tanta est autem circa evangelia haec firmitas, ut et ipsi haere- Uci tesHmanium reddant eis, et ex ipsis egrediens unusquisque eorum canetur suam confirmare doctrinam. Ziehen wir hiebei in Betracht, daB Lrttiftiis aus Kleinasien nach Gallien gekommen war und noch in hohem Alter mit großer Innigkeit der ihm unvergeßlichen Mitteilungen Polycarps von dem, was derselbe aus dem Munde Johannes und ande- rer Jünger des Herrn gehört hatte, gedenkt, so gilt sein Zeugnis nicht blos für die zweite Hälfte, sondern zugleich für die erste Hälfte des zweiten Jahrhunderts. Für diese Zeit haben wir außerdem einen voll- gültigen Zeugen an JtisUnm Mart, welcher in seinen uns erhaltenen Schriften nicht nur viele Stellen aus den Evangelien, die er „Denkwür- digkeiten der Apostel'' nent, anführt z. B. im Dial, c. Tryph. c. 76. 120 n. 140 (also 3 mal) die Stelle Mtth. 8, 11 u. 12, und in c. 107 auch Mtth. 12, 38 u. 39, sondern auch in seiner im J. 138 oder 139 verfaß- ten ersten Apologie c. 67 bemerkt, daß in den christlichen Gemeinde- versammlungen allsonntäglich die Denkwürdigkeiten der Apostel oder die Schriften der Propheten vorgelesen werden, worin ausgesprochen liegt, daß die Evangelien den Schriften der Propheten gleichgestelt d. h. als heilige Schriften von kanonischer Dignität gebraucht wurden. Noch höher hinauf reichen die Spuren von der Bekantschaft mit den Evangelien, welche in den Schriften der apostolischen Väter vorliegen, weniger in ausdrücklichen Gitaten, als hauptsächlich in deutlichen An- klängen und Anlehnungen an dieselben. So, um von den Briefen des Ignatim abzusehen, weil deren Echtheit und ursprüngliche Textgestalt noch streitig ist, im Briefe des Polycarp an die Philipp, c. 2 an Mtth. 7, 1. 6. 14. 6, 7. 7, 2. 5, 3. 10; in c. 7 an Mtth. 6, 13 u. 26, 41, und im Briefe des Barndbas, der warscheinlich vor dem J. 120 geschrieben Keil, Ck>mm. 2. Evan^el. Matth. 2 18 £inl6itmig. §.3. ist, 1 c. 7 wo die Worte kxoxiJC^sxo o^sl xal xoXi] aus Mtth. 27, 34 u. 38 genommen sind; vgl. ferner c. 5, 9 mit Mtth. 9, 13 und c. 12, 10 mit Mtth. 22, 43 ff., besonders aber c. 4, 14, wo die Gnome jroAAol TcXr^xoi, oXlyoi öl ixXexroi (Mtth. 22, 14) mit den Worten cag /£- yQojirat als Ausspruch der Schrift, wie sonst nur das A. Test., ange- führt ist. ' Auch schon in den beiden (7/^m^n^briefen an die Eorinther sind Xoyoi tov xvqIov ^Itjöov angeführt, wobei sich freilich nicht er- weisen läßt, daß sie aus unsern Evangelien genommen sind. ^ Während nach diesen Zeugnissen das Matthäusevangelium in grie- chischer Sprache vom Anfange des zweiten Jahrh. an als zweifellos echte Schrift des Apostels in kirchlichem Gebrauche war, überliefern Kirchenväter die Sage, daß Matthäus sein Evangelium für die Juden- christeu in hebräischer Sprache d. h. in der aramäischen Landessprache Palästina's geschrieben habe. Diese Ueberlieferung läßt sich bis auf Papias, Bischof von Hierapolis, einen Schüler 4es Presbyters Johan- nes und Freund Polykarps zurückverfolgen, welcher in einer y^nEitseb. h. e. III, 39 mitgeteilten Stelle seiner Schrift: Xoylcov tcvquxxSp ^gjy- yijocg aussagt: Max^alOQ iisv ovv ^Eßgatöi ÖLaXsxtt^ rä Xoyia cw- Bxd^axo (al. övveyQatpaxo) , ^Qfifjpevös 6' avxä cog ^v övvcctog txa- öxog. Deutlicher berichtet Irenaeus fadv. haer. III, U 1): o fihv öh Maxd-alog sv xolg ^Eßgaioig xfi löla öiaXdxxo) avx(5v xal ygaq^p s^'^vsyxev svayysklov, xov üsxqov x. xov UavXov bv ^Pdfiy svayye- Xi^Ofitvcop X. d'efisXiovpxop xrjp exxXi]olap. Die Nachricht ^on der hebr. Abfassung des Evang. wiederholen Origenes, Eusehms, (h/rill Bieros,, Epiphanius, Hieronymus, Gregor Naz, u. viele andere. AuSer- dem berichtet Euseb. h. e. V, 10, daß Paniaenics zu den Indern (war- scheinlich den südlichen Arabern) gekommen sei und der Sage nach bei den dortigen Christen das Evang. Matthäi gefunden habe, welches der Apostel Bartholomäus denselben in hebräischer Sprache hinterlassen 1) Nach A, Harnack in Patrum Apostolicorwn Opera^ recens. 0, de Gebhardt, Ad. Haimach, Theod. Zahn. Lips. 1875. fasc. I p. XL ss. 2) Die Stelle lautet: 7fQO(j£X(ofA€y [iiinote^ ms yeyganttei, noXXol xXrixoi^ oUyot de ixkexxol evQe&ttjjnsy. Dazu bemerkt Harnach 1. c. p. 17: Epist. aucto^ rem hie ad Matth. evangelium povocasse verisimillimum est, imdp. XXXIX: non Video, cur viri docti mg ysyQccnrect ülud aegre tulerint. Hadriani enim tem- pore scripta evangelica in conventibu.t Christianontm publice lecta esue, quis infl- tiabitur? Entscliieden erklärt sich auch Keim, Leben Jes. I S. 51 Not. 1 ge^ea die Meinung von Volhmar, daß (hg yeyQanxai auf eine apokryph. Schrift (4 Esr.) sich beziehe, wo der Text ein ganz anderer ist {multi creati, pauci sdlvabuntur) und macht dafür, daß es ein reines Citat ans der evangel. Schrift sei, geltend: „Die Gleichstellung N. T. mit A. T. {qxavri &eoib de anoaj. x. dia ngotp,) be- gint nicht erst, wie Volhm. nach Credner bemerkt mit Theophilus 180 n. Chr., sondern begint schon früher, ysI. Justin, apol 1,61, Tryph. 119, Dionys v.Korinth. {Eus. 4, 23), Tatian c. 13, Brief von Lyon bei Euseb. 5, i vgl. un'N. T. 1 Tim. 5, 18. 2 Petr. 3, 16." 3) Vgl. Ad. Harnach, Prolegomena zur 2. Ausg. des /. fasc. der Patrum Apostat. Opera. TAps. 1876. p. LI s., wo die verschiedenen Meinungen der Neue- ren darüber zusammengestelt sind. Verfasser des ETAngelhims. X9 hatte. Von dieser Sage über Pantänus abgesehen, ^ hat keiner der ge- nanten Kirchenväter das hebräische Matthäusevangelium gesehen auBer Hieronymus, welcher im catal de viris ilL c. 3 vom J. 392 sagt: Matthaeus, gut et Levi, ex publicano apostolus, prinms in Judaea propier eos, qui ex circumcisione crediderant, evangelium Chrisii HebrcUcis literis verhisqite composuit: quod quis postea in Graecum traTistulerii, non satis certum est Porro ipsum Hehraicum habetur usque hodie in Caesariensi bibliotheca, quamPamphilus martyr studio- sissime con/ecit. Mihi quoque a Nazaraeis, qui in Beroea urbe Syriae hoc volumine tUuniur, describendi facultas fuit. Dieses ffebraicum unterscheidet er hier deutlich von dem evangelium secundumHebraeos, von welchem er vorher (c. 3 vgl.: comment ad Mich, aas demselben Jahre) gesagt hatte, daß er es jüngst ins Griechische and Lateinische übersezt habe. Später jedoch ist er an dieser Ansicht von dem Ver- hältnisse des Hebräerevangeliums zu dem hebräischen Matthäusevan- gelium irre geworden. Im Commentare ad Mcttth. 12, 13 (vom J. 398) sagt er nur: Evangelium quo utuntur Nazareni et Ebionitae, quod nuper in Graecum de Hebraeo sermone transtulimus et quod vocatur aplerisque Matthaei authenticum; und im J. 415 bezeichnet er das auf der Oäsaräensischen Bibliothek befindliche Buch als evangelium juxia Hebraeos, welches bei den Nazaräem im Gebrauche sei: In evang. ju^xta Hebraeos, quod Chaldaico quidem Syroque sermone, sed ffebraicis literis scriptum est, quo utuntur usque hodie Nazareni, se» cunäum Apostolos sive utplerique autumant, juxta Matthaeum, quod et in Caesariensi habetur bibliotheca etc. Contra Pelag, III, 2, wie er auch sonst (vgl. comm. ad Jes. 40, 8. Ez. 24, 7) von ihm zu sagen pflegt. Hieraus ergibt sich unzweifelhaft, daß Hieronymus, als er das Hebräerevangelium genauer kennen lernte, die Ueberzeugung gewann, daß dasselbe nicht ein voü Matthäus verfaßtes hebräisches Evangelium sei, wofür es a plerisque und anfänglich auch von ihm selbst gehalten imrde; wenn man insbesondere noch berücksichtigt, daß er in seinem Ifatthäuscommentare nirgends das hebräische Original des Matthäus zur Erklärung heranzieht. 2 Hiernach sind wir vollkommen berechtigt, 1) Sie lautet nach Euseb. V, 10: *0 Ilayzaipos xai eis 'IpdovfiX&eiy Xive* X(U* ky^ti Xoyog evQeVy €$vt6y n^otpS-a^ay xiqy avTov naQcvcfiay xo xata Mtn- 0aiov »wyyiXioy naga ZMtv aitod-i %ov Xgicttby ineyyavcioi 6, 16 und xaxovg xaxcog 21, 41 und Ausdrücke wie ßaxro- Xoyslv und jcoXvXoyla 6, 1 sind für den Beweis zu schwach, da solche Bedewendungen auch, entweder absichtlich oder zufällig, vom Ueber- setzer herstammen können. — Eben so wenig läßt sich, worin ß. Weiss (Matthäusevang. S. 23 ff.) ein entscheidendes Kriterium gefunden zu haben meint, aus der häufigen Gleichheit des Ausdrucks im Matthäus mit Markus u. Lukas ein stichhaltiger Beweis für die griechische Origi- nalität unsers Evangeliums formiren, so lange die Frage über das Ver- hältnis des ersten Evangeliums zu den beiden andern nicht endgültig entschieden ist, so lange noch darüber gestritten wird, welchem von hinnes als Uebersetzer u. der Verf. der Synopsis scripturae s. in Athanasü Opera, der nach Oredner, Zur Gesch. des Kanons S. 129ir. mi 10. Jahrh. lebte, Jakobus, den Bruder des Herrn. S. die Stellen bei Oredner, Einl. in d. N. Test. 1, 1 S. 72 f. 26 Einleitung. §.3. den drei synoptischen Evangelien die Priorität zukomme. Wäre aber auch die Abhängigkeit des Markus und Lukas von Matthäus über alle Zweifel erhoben, so wtlrde noch die Annahme der Benutzung des über- sezten Matthäus denkbar bleiben, es sei denn daß die Originalität des griechischen Matthäus aus anderen Gründen bereits feststände. Den hauptsächlichsten Beweis für die griechische Abfassung nnsers Evangeliums hat man in der Eegelmäßigkeit gefunden, mit der Gitate aus dem Urtexte und solche aus den LXX abwechseln, indem dieser regelmäßige Wechsel den Gedanken einer üebersetzung schon an sich ausschließe, abgesehen davon, daß ein Uebersetzer entweder den hebr. Text, der ihm vorlag, wiedergegeben oder sich mechanisch an die LXX gehalten hätte (Holtzm, a. a. C). Dagegen hat aber Meyer S. 9 f. nicht ohne Schein eingewandt: „Abgesehen davon, daß diese Beobachtung bei den einzelnen Stellen, bei welchen sie angewendet wird, keineswegs immer unzweifelhaft ist, so läßt sich auch weder für die Freiheit und Eigentümlichkeit des Gitirens, welche in der hebr. Schrift befolgt war, noch für diejenige des üebersetzers, welcher wie überhaupt in seiner Arbeit, so auch in der Wiedergabe der Gitate mit pragmatischer Selb- ständigkeit zu Werke gehen konte, so enge Grenzen stecken, daß die üeberlieferung von der hebr. Ursprünglichkeit des Evangeliums als un- richtig ausgeschlossen würde." Dieser Einwand ist insoweit ganz be- rechtigt, als die behauptete Regelmäßigkeit des Wechsels von Gitaten unter den Kritikern noch streitig ist. Aber mit der Berufung auf die pragmatische Selbständigkeit, mit der auch ein Uebersetzer bei Wie- dergabe der Gitate verfahren konte, ist das ßäthsel auch nicht gelöst. Am sorgfältigsten hat diesen Gegenstand R. Anger in den oben ange- führten Programmen untersucht und evident nachgewiesen, daß bei den aus dem A. T. angeführten Stellen zwei Klassen zu unterscheiden sind: 1) solche, welche der alexandrinischen Üebersetzung ganz entsprechen und sofern sie in einzelnen Punkten abweichen, der Grund der Ab- weichung nicht in dem Originaltexte liege, 2) solche, die eine neue Üebersetzung des hebr. Textes bieten, von welchen aber manche auch in einzelnen Worten und Sätzen mit der LXX übereinstimmen. Die überwiegende Mehrzahl gehört zur ersten Klasse, wie denn auch die gelegentlichen Anspielungen auf alttestamentliche Stellen sich durch- weg an die alexandr. Üebersetzung anlehnen. Aus ihnen läßt sich we- der für noch wider die griechische Originalität des Evangeliums argu- mentiren, da hier der Anschluß an die LXX eben so leicht von einem griechischen Verfasser als von einem griechischen Uebersetzer eines aramäischen Originals herrühren kann. — Wichtiger für die vorlie- gende Frage sind die Stellen der zweiten Klasse, bei der wiederum zweierlei Arten in Betracht kommen, nämlich a) solche Gitate, welche den Urtext in neuer griechischer Üebersetzung bieten, weil die alexandr. Üebersetzung vom hebr. Texte so abwich, daß sie für den Gedanken- zusammenhang der evangelischen Erzählung ungeeignet oder minde- stensungenügend war, wie 2, 15. 8, 17. 27,9; b) solche, wie 12,18—21 und 13, 13, wo die alexandr. Üebersetzung den hebr. Text zwar etwas Die griechische Abfassung des Evangeliums. 27 freier ausgedrükt hat, aber die Uebersetznng für den Zweck der An- f&hrang brauchbar gewesen wäre, der Evangelist jedoch eine an den Gnindtext sich genauer anschließende neue Uebersetzung gegeben hat und nur in solchen Sätzen der LXX folgt, in welchen der von dieser ansgedrfikte Sinn für seinen Gedankengang passender war als der Grundtext; so z. B. 12, 21 in dem Satze: xal vm ovo/iari avrov Id'vrj iXxiQVOLV an Stelle des hehr. ^T, o^?^ irriini)/(Jes. 42, 4). — Auch von diesen Gitaten läßt sich die erste Art als von der LXX unabhän- gige Uebersetzung eines hehr, oder aram. Originals begreifen. Weil die alexandr. Version dem im Evangelium citirten Grundtexte nicht entsprach, mußte der griechische üebersetzer den Text neu übersetzen. Dagegen läßt sich schwer begreifen, wie bei den Gitaten der zweiten Art ein Üebersetzer des Evangeliums einen Teil des Gitates solte selb- ständig übersezt, den andern nach der LXX gegeben haben. Wenn z. B. die Weißagung Jes. 42, 1—4 in c. 12, 18—21 des aramäischen Evangeliums nach dem hebr. Grnndtexte oder dem aramäischen Tar- gum aufgenommen war, so würde der griech. üebersetzer des Evange- liums entweder die Stelle ganz nach der LXX oder ganz in neuer Uebersetzung gegeben und im lezteren Falle nicht die vom Grundtexte ganz abweichenden Worte Tcal reo ovofiaxi avrov Id-vri kXjttovoiv aus der LXX entlehnt haben. Das in diesen und ähnlichen Stellen beobach- tete Verfahren läßt sich genügend nur bei dem Verfasser des Evange- liums begreifen, der mit dem Grundtexte und der alexandr. Version vertraut Aussprüche und Weißagungen des A. T., meist nach dem Ge- dächtnisse, dem Zwecke seiner Schrift entsprechend anführte und ver- wendete. Wäre ein üebersetzer des vermeintlich aramäischen Evan- geliums mit solcher Freiheit zu Werke gegangen, so wäre seine Arbeit keine treue uebersetzung, sondern eine freie Bearbeitung des Evange- liums, deren Verhältnis zum Originale ganz unsicher bliebe. Mit vol- lem Bechte hat daher Anger in Partie, IlL p, 19 s, seiner Progr. aus den Gitaten der lezteren Art den Schluß gezogen: Tantum dbest^ utex ea ratione, qua loci Veteris Test in hoc evangelio repetuntur^ aramai- cum eius Hbri archetypum doceri possit, ut—quum eiiatn reHqua, quae pro hac senteniia prolata sunt, documenta interna nuläus essejam dudum agnitum sit — in illorum enuntiatorum indole gravissimum in- sit argumentum, quo evangelium Matthaei jam principio graece exa- ratum esse demonstretur. Endlich wird auch das Argument, welches schon Z. Hug (Einl. i. N. T. II §. 10) aus der damaligen Verbreitung der Griechischen Sprache in Palästina für die griechische Abfassung des Evangeliums geltend ge- macht hat, nicht entkräftet durch die Entgegnung von Meyer S. 8 f.: „Diese Verbreitung des Griechischen schließt, zumal bei der Vorliebe des Volks für seine eigene Sprache (Act. 21, 40. 22, 8) die Abfassung eines hebräischen Evangeliums so wenig aus, daß sie vielmehr die früh- zeitige Umsetzung eines solchen ins Griechische nur begreiflicher macht." Denn die Vorliebe des Volks für die hebräische oder aramäische Mutt/3rsprache, welche aus den angeführten Stellen erhellt, schließt. 28 Einleitung. §. 3. wie schon Hug bemerkt hat, ein gewisses Maß von Eentnis der grie- chischen Sprache nicht aus. War aber die griechische Sprache damals in allen Teilen Palästina's so verbreitet, daß auch das Volk sie eini- germaßen verstehen konte, so liegt es doch, bevor man die Notwendig- keit einer frühzeitigen Uebersetzang des angeblich hebräisch abgefaß- ten Evangeliums ins Griechische postulirt, viel näher, die Frage zu erwägen, ob Matthäus sein Evangelium blos fOr den immer kleiner werdenden Bruchteil der jüdischen Bevölkerung Palästina's, wel- cher des Griechischen unkundig war, oder für die ganze jüdische Nation geschrieben hat. Daß er selbst als ehemaliger Zolleinnehmer der griechischen Sprache soweit mächtig war, um sein Evangelium griechisch abfassen zu können, wie Jakobus der Bruder des Herrn seine Epistel, darüber kann wol kein Zweifel obwalten. Schrieb er hebräisch (aramäisch), so beschränkte er von vornherein den Gebrauch seines Evangeliums auf den kleinen Ereis der jüdischen Landbevölkerung und der Nazaräer, die eigensinnig an den Gebräuchen und der Sprache der Juden festhielten, und hinderte nicht nur seine Verbreitung unter der großen und immer größer werdenden Anzahl der Hellenisten und Hel- lenen, welche in Jerusalem und in den Städten Judäa's, Samaria's und Galiläa's, sowie des Ostjordanlandes und der Küste des mittelländischen Meeres wohnend sich zu Christo bekehrt hatten, sondern auch seinen Eingang in das benachbarte Syrien und Phönizien, wo schon frühzeitig Christi. Gemeinden blühten, deren Kern aus Hellenisten d. h. der he* bräischen Sprache unkundigen Judenchristen bestand (Act. 11, 26. 21, 3. 4. 27, 3). Schon die- Rücksicht auf die christlichen Gemeinden Pa- lästina's und des angrenzenden Syriens mußte den Apostel bestimmen, für sein Evangelium die griechische Sprache zu wählen. — Hiezu kam aber noch ein anderer Gesichtspunkt, auf den auch schon Hug hinge- wiesen hat, nämlich der Gedanke an die nahe bevorstehende Auflösung des jüdischen Staates, die ihm nach den Weißagungen seines Meisters nicht zweifelhaft sein konte, da die Vorzeichen dieser Katastrophe im- mer deutlicher hervortraten. „Wünschte Matthäus durch sein Evan- gelium auch nach der Zerstörung Jerusalems und des Tempels noch zu wirken, wenn der üeberrest der Juden ohne Tempel und Gottesdienst seine Besitzungen andern hatte überlassen müssen ; wolte er nicht etwa nur für wenige Monate oder für ein paar Jahre schreiben, so konnte er nimmermehr in der Sprache des Volkes schreiben, welches in kurzem kein Volk mehr sein würde." — Diese Instanz läßt sich durch die An- nahme, Matthäus habe mit dem hebräischen Evangelium zu gleicher Zeit eine griechische üebersetzung desselben veranstaltet, nicht besei- tigen. Denn diese Annahme ist erstlich nichts weiter als eine aus der Luft gegriffene Hypothese, um unter der Voraussetzung eines hebräi- schen Originals den ausschließlichen Gebrauch des griechischen Evan- geliums in der Kirche zu erklären, sodann aber auch mit dem oben nachgewiesenen selbständigen Verfahren des Evangelisten bei Anführung alttestamentlicher Aussprüche unvereinbar. Echtheit des EvaDgeliums. 29 §. 4. Echtheit und Abfassungszeit des Matthäus- EvangeUums. I. Echtheit. Wenn das Evangelium, welches die Kirche von jeher als apostolische Schrift gebraucht und einhellig dem Apostel Matthäus zugeschrieben hat, nicht Uebersetzung oder Bearbeitung einer hebräi- schen Urschrift dieses Apostels ist, sondern sich in der überlieferten griechischen Gestalt als Original zu erkennen gibt, so scheint seine Echtheit außer Zweifel zu stehen. Gleichwol meint die neuere Kritik sowol in seiner Beschaffenheit als auch in dem Verhältnisse, in welchem es zu den andern Evangelien steht, Gründe entdekt zu haben, welche dafür zeugen, daß das Evangelium dergestalt wie es vorliegt, nicht ur- sprünglich aus den Händen des Apostels hervorgegangen sein könne. 1. Mit der lebendigen Erinnerung des apostolischen Augenzeugen und Teilnehmers der Ereignisse sollen sich nicht nur die vielen unbe- stimten Zeit-, Orts- und sonstige Angaben, sondern auch der teilweise Mangel an Anschaulichkeit und Unmittelbarkeit der Darstellung sowie an geschichtlichen Zusammenhang in den An- und Einführungen vieler Lehrvorträge Jesu nicht vereinigen lassen. Aber diesem Einwurfe lie- gen unrichtige Vorstellungen über die Anlage und den Plan des Evan- geliums zu Grunde. Zuvörderst die irrige Meinung, daß jeder Augen- ond Ohrenzeuge von geschichtlichen Vorgängen und Lehrvorträgen die Gabe anschaulicher Darstellung des Gesehenen und Gehörten besitzen, oder diese Gabe mindestens ein unentbehrliches Kequisit eines Apostels sein müsse; sodann die völlig grundlose Voraussetzung, daß Matthäus darauf ausgegangen wäre, die Lehrvorträge und Thaten Jesu nach Zeit-, Orts- und sonstigen Umständen nach Chronisten Weise genau zu ver- zeichnen. Schon für eine vorwiegend auf sachliche Gruppirung der Heilsthatsachen abgezwekte Anlage des Evangeliums, wie sie jezt all- gemein anerkant ist, war eine sorgfältige Angabe der Zeit- und Orts- verhältnisse der Facta und Reden Jesu nicht erforderlich; noch viel weniger aber, wenn Matthäus keine Biographie Jesu schreiben wolte, sondern den höheren Zweck verfolgte, durch Schilderung des Lebens und Wirkens Jesu für die christlichen Gemeinden aus den Juden den Nachweis zu liefern, daß Jesus der im A. T. verheißene Messias war und als solcher in Thun und Leiden sich erwiesen hat. — Der Haupt- anstoß aber, welchen die Kritik an den Evangelien nimt, liegt in den Wundern, die sie erzählen. ^ So führt z. B. Meyer S. 3 als gegen die Abfassung unsers Evangeliums von dem Apostel Matthäus sprechend an: 1) Vgl. die offene ErkläruDg bei Hilgenfeld (die Evangelien 1854 S. 530): „Der Hauptgrund für die spätere Entstehung unserer Evangelien bleibt immer die Thatsache, daß sie von dem Leben Jesu zu vieles erzählen , was offenbar nicht so geschehen sein kann, wie sie sagen/' Ferner: Witiichen, das Leben Jesu nach urlrandlicher Darstellung 1876. S. 38: ,,Zudem enthält unser erstes Evan- gelium so viel Ungeschichtlicnes, dal^ es schon deshalb nicht von einem Apostel herrühren kann." • 30 Einleitung. §.4. die Aufnahme von Erzählungen, wie selbst in der Leidensgeschichte die von den Grabeswäcbtern und von der Auferstehung vieler Leich- name, deren Ungeschichtlichkeit ein Apostel selber kennen mußte, und die Aufnahme der sagenhaft ausgebildeten Vorgeschichte und des aus- gebildeten Versuchungsberichtes. Aber von keiner dieser Erzählungen ist die Ungeschichtlichkeit oder der sagenhafte Charakter erwiesen, sondern dies wird nur aus dem Axiome, daß Wunder nicht geschehen, postulirt. Bei dem Berichte von den Grabeswächtern und der Auf- erstehung vieler Leiber der Heiligen nach der Auferstehung Christi (27, 52 f.) ergibt sich die Ungeschichtlichkeit nicht aus den Unwar- scheinlichkeiten, welche Ausleger darin finden, sondern im Hinter- grunde dieser Bemängelung des Berichts liegt der dogmatische Zweifel an der Wirklichkeit des Wunders der Auferstehung Christi, der jene Vorgänge unwarscheinlich erscheinen läßt. Und die Vorgeschichte wird für sagenhaft d. h. ungeschichtlich erklärt, weil die übernatürliche Er- zeugung Jesu und Engelerscheinungen für den rationalistischen Men- schenverstand unglaubliche Dinge sind; die Versuchungsgeschichte aber, weil wenn nicht die Existenz des Teufels, so doch die Möglichkeit einer persönlichen Erscheinung desselben a priori geleugnet wirj. Die Berufung auf das Fehlen dieser Erzählungen bei Markus, womit Meyer u. A. die späte Ausbildung dieser Sagen einleuchtend zu machen ver- suchen, wird weder durch die postulirte Priorität des Markus-Evan- geliums, noch durch die Voraussetzung, daß Markus eine vollständige Lebensgeschichte Jesu gebe, beweiskräftig. — Außerdem sollen nach einigen Kritikern in der Zusammensetzung des Evangeliums aus Grup- pen von Reden und Thaten Jesu, nach anderen in der Unterscheidung eines strengeren und milderen Judenchristentums, die in dem Verbote der Heidenpredigt (10, 5 f.) neben dem Gebote derselben (28, 19 f.), in den huldigenden Magiern neben dem Messias der Juden, in dem Haupt- mann von Capernaum neben der Cananäerin u. ähnlichen Gegensätzen durch die ganze Schrift hindurchgehen {Baur, Schwegler^ Hilgenfeld)^ nach wieder andern in der abweichenden Art, Beweisstellen aus dem A. T. bald nach der LXX, bald aus dem hebr. Urtexte nach neuer Uebersetzung anzuführen, und in Unterbrechungen des Zusammenhangs durch Einschiebsel, deutliche Spuren der Abstammung des Evangeliums nicht von einer schriftstellerischen Hand, sondern seiner Entstehung aus einer kürzeren Grundschrift und deren nachherigen Ueberarbeitung und Erweiterung vorliegen. Aber keine dieser Hypothesen ist zu all- gemeinerer Anerkennung gelangt. Die Vereinigung von Reden und Thaten in Gruppen bewdst für sich allein gar nichts für ein^ Coropo- sition aus verschiedenen Schriften. Ueber den von der Tendenzkritik der Tübinger Schule in dem Evangelium aufgespürten Gegensatz eines strengeren und milderen Judenchristentums, auf welchen Hilg, die Un- terscheidung einer „particularistisch-judaistischen Grundschrift und deren universalistisch-heidenfreundlichen Bearbeitung" gründet, be- merkt aber schon Hottzmarm (in Schenkels Bibellex. IV S. 140 f.) — obgleich er selber meint, daß Okp. 5, 17—19 zum mindesten durch den Echtheit des Evangeliums. 31 versteckten Hinweis auf Paulas als „den Kleinsten ^^ im Himmelreiche über die Parallele Luc. 16, 17 hinausgehe und daß die Namenchristen c. 7, 21—23 aus Paulinischen Heidenchristen, wenigstens c. 7, 23 im Gegensatz zur Parallele Luc. 13, 27 beschrieben werden — doch ganz richtig: „In Warheit läßt sich nur behaupten, daß der Geschichts- erzählung im großen und ganzen die Absicht zu Grunde liegt, das Vor- handensein der messianischen Merkmale an Jesus nachzuweisen, und dafi die Vorliebe und Ausführlichkeit, womit in den Reden Jesu alles hervorgehoben wird, was eine bestimte Beziehung auf die Juden als Volk Gottes, auf ihr Verhältnis zum Gesetz und zum messianischen Heil hat, anschaulich macht, wie das erste Evangelium in einer sehr nahen und positiven Beziehung zum Judentum stehen muß. Daher ent- hält es so vieles, was als von speciell jüdischen Interesse von den übri- gen Evangelisten ausgelassen wurde. Gerade an solchen Stellen ist daher das erste Evangelium jezt am meisten original, wo, wie in c. 5 und 23 entweder die Einheit des Altt^stamentlichen mit dem Christ- lichen betont oder die alttest. Forderung über sich selbst hinausgeführt wird." ^ Eben so wenig läßt sich aus der abweichenden Art, die Be- weisstellen aus dem A.T. anzuführen, schon nach dem, was wir S. 26 f. darüber bemerkt haben, die Entstehung des Evangeliums aus erwei- ternder Ueberarbeitung einer Grundschrift erhärten. Daß, wie Keim (Gesch. Jesu von Nazara I S. 59) behauptet: „die objective Erzählung ganz beherscht von Beweisführungen aus dem griechischen, die subjec- tive Erläuterung des Verfassers im Ganzen beherscht von solchen aus dem hebräischen A. T." sei — dieser als „durchgreifend" bezeichnete Unterschied wird schon durch Citate wie c. 12, 18—21 als dem Sach- verhalte nicht entsprechend erwiesen. Ganz in Abrede stellen müssen wir aber die Eichtigkeit der Behauptung, daß in einer Reihe von Stel- len der Zusammenhang durch sichtliche Einschiebsel durchbrochen sei, müssen aber den Beweis hiefür auf die Auslegung verschieben. 1) Noch stärker hat sich Keim (Gesch. Jesu I, 58) gegen diese Zerschnei- dung des Evangeliums ausgesprochen. „Warhaftig — sagt er — auch der älteste Grundstock des Evangeliums, der strenge Judenchrist zeigte sich als Erzähler der Bergpredigt und so vieler anderer Beden und Thaten Jesu froh der sittlich höheren Ordnungen Jesu, erhaben über die Kleinigkeiten des Gesetzes, über Sabbat und Opfer, über Fasten und Waschung, Speise- und Ehegesetze, selbst über den ganzen alten Bund, erhaben auch über die nationale Schranke, wenn doch die ungläubige Nation so oft rund verworfen, Tyrus und Sidon und Ninive und die Königin von Saba dem J adentum dieser Zeit vorgezogen und die Kana- näeiin als Zeichen des selbst den engen Grundsatz Jesu überwindenden heidni- schen Starkglaubens gepriesen wurde. Und der sogen. Ueberarbeiter redet vom Sabbat, der nicht entweiht werden soll, von heiuger Tempelstätte, von einer verbitterten Heidenwelt, von Vorrechten, von Bekehrungen Israels, von Jerusa- lem, dem in lezter Not der Messias aufgeht und das Reich der Himmel. Diese Thatsachen zeigen, daß die Gesichtspunkte mit aller Consequenz und mit aller Gewaltsamkeit doch nicht durchreichen. Wenn der innerste ächteste älteste Kern des Evangeliums immer schon über diesen groben Gegensätzen steht, so ist es nicht möglich, von ihnen aus das Evangelium zu zerlegen, so ist auch diese Zerlegung ein Attentat gegen den lebendigen Leib des Evangeliums.'' 32 Einleitung. §.4. 2. Den Haaptbeweis dafür, daß das erste kanonische Evangelium eine spätere freie Ueberarbeitung eines ursprünglichen Matthäus- Evangeliums sei, findet die neueste Kritik in dem gegenseitigen Ver- hältnisse der vier Evangelien, einerseits in der Verwandtschaft des ersten mit dem zweiten und dritten Evangelium, andrerseits in der Ver- schiedenheit dieser drei oder des ersten vom vierten Evangelium. A. Das Verwandtschaftsverhälinis der drei ersten kanonischen Evangelien, die man, weil ihre Berichte von der evangelischen Ge- schichte so zusammenstimmen, daß sie in eine gemeinsame Uebersicht und Zusammenschau (övvoipiq) gebracht werden können, um dieser Be- schaffenheit willen, seit Griesbach die synoptischen Evangelien zu nen- nen pflegt, bietet ein Problem, zu dessen Lösung von 1780 an bis auf unsere Tage herab die mannigfachsten Versuche gemacht worden sind. Es gilt nämlich sowol die auffallende Uebereinstimmung in der Anord- nung der Begebenheiten und der Erzählung selbst bis auf den Gebrauch seltener Worte, als zugleich die neben dieser Uebereinstimmung her- vortretenden Differenzen in der Reihenfolge der einzelnen Facta und in der Wiedergabe der Reden Jesu zu erklären. Um dieses Problem zu lösen hat man zwei oder eigentlich drei Wege eingeschlagen; man hat angenommen 1) daß der zweite Evangelist den ersten und der dritte die beiden früheren oder einen derselben benuzt habe, oder, daß die drei Evangelien aus einer gemeinsamen Quelle, entweder 2) aus einem schriftlichen Urevangelium oder 3) aus der mündlichen Ueberlieferung hervorgegangen seien. Bei jeder dieser Annahmen sind dann alle denk- bar möglichen Fälle in Erwägung gezogen worden, ohne daß es bis jezt gelungen ist, einer von diesen verschiedenen Modificationen jeder An- nahme allgemeinere Anerkennung und Geltung zu verschaffen, wie die folgende kurze Uebersicht der hauptsächlichsten Erklärungsversuche zeigt. ^ a. Die Benutzungshypothese. Diese Ansicht, die man die kirch- lich traditionelle nennen kann, wird schon von Augustin, de consens. evv, I, 4 so gefaßt, daß man nach der Reihenfolge der Evangelien im Kanon dem Matthäus die Priorität vindicirte, Markus ihm folgen ließ und Lukas von beiden abhängig dachte. Erst Koppe (1782) und be- sonders Siorr (de fönte evangel Matth. et Lucae, Tuh. 1794, auch in Velthus. Commentatt. III p, 140ss.) kehrten die Ordnung der beiden ersten Evangelien um, wonach aus Mark, der hehr. Matthäus und teil- 1) Wir werden daher nnr diejenigen Erklärnngsversnche aufzählen, welche entweder neue Lösungen des Problems in Aussicht stelten oder doch zeitweilig maßgebend auf den Gang der Verhandlungen eingewirkt haben, aber auch bei diesen nicht das Detail der Begründung darlegen, sondern nur die Resultate, die sie zu Tage gefördert haben, kurz angeben. — Die Literatur des Streites gibt syste- matisch geordnet in ziemlicher Vollständigkeit Meyer. Conmient. z. Ev. Matth, S. 24—40; und noch vollständiger in geschichtlicher Entwickelung Ed. Reuss, Geschichte der heil. Schriften N. T. 5. Aufl. 1874 §. 179—205. Kurze Ueber- sichten der Geschichte des Streites haben Hollzmanrij die synopt. Evangelien S. 15ff. u. in Schenkels Bibellex. II, 207 ff. u. andere Verteidiger dieser oder jener Hypothese geliefert. Verwandtschaft der synopt. Evangelien. 33 weise auch Lukas geflossen sei, und der griech. Uebersetzer des Matth. dann Markus und Lukas benuzt habe. Dagegen machte Grieshach (commentat, qua Marci ev, totum e Matthaei et Lucae commentarüs decerpt, esse demonstratur. Jen, 1789 f,, auch in s. Opusc, ed. Gabler 11^ 385 ssj Markus zum Epitomator der beiden umfangreicheren Evan- gelien, während Büsching (1766) und Evanson (1792) die Reihenfolge: Luk., Matth. u. Mark., und Vogel (in Gablers Joum, I, 1804) die: Luk., Mark, und Matthäus aufstelten. Diesen und anderen Versuchen gegenüber hat Z. Hug (Einl. ins N. T. 1808. 4. A. 1847 II §. 17. 23. 25 ff.) das Abhängigkeitsverhältnis nach der Eeihenfolge der Evange- lien wieder mit großem Scharfsinn entwickelt und, unter Abweisung der hebr. Abfassung des Matth.-Evangeliums sowie eines schriftlichen sowol als mündlichen Urevangeliums, das Ev. des Matthäus, des aposto- lischen Augenzeugen als das Original verteidigt, nach welchem Markus, dann nach beiden Lukas mit Benutzung anderer im Proöm. erwähnter Schriften gearbeitet haben ; beide aber so, daß sie die von Matth. sach- lich gruppirten Begebenheiten nach der Zeitfolge zu ordnen suchten und in Betreff der Ausdrucksweise ihre Individualität bewahrten, Markus die Ereignisse möglichst anschaulich darzustellen bestrebt war, und Lukas sich der Kürze des Ausdrucks und schönerer Diction befleißigte. h. Die ürevangeliumshypoikese. Schon Clericus hatte zur Erklä- rung des Verwandtschaftsverhältnisses auf mehrere von Augen- und Ohrenzeugen verfaßte urevangelische Schriften , dann Semler auf eine oder mehrere syrochaldäische Urschriften hingewiesen, und Lessing das Hebräerevangelium als gemeinschaftliche Quelle bezeichnet. Nach diesen und ähnlichen Andeutungen Anderer entwarf ^tcMom (Biblioth. der bibl. Literat. 1794 S. 759 ff.) seine Hypothese vom schriftlichen ürevangelium, welches zur Zeit der Steinigung des Stephanus in syro- chaldäischer Sprache verfaßt die den Synoptikern gemeinsamen Ab- schnitte enthalten habe, bald darauf sißer eine Reihe von erweiternden Ueberarbeitungen erfahren habe, ans welchen schließlich unsere Evan- gelien hervorgingen. Da hiebe! jedoch die wörtlichen Uebereinstim- mungen im griechischen Ausdrucke unerklärt blieben, so suchte Her- bert Marsh^ durch Einschiebung einer griech. Version des Urevan- geliums und einer hebräischen ßnomologie diesem Mangel der Hypothese abzuhelfen, worauf Eichhorn selbst (Einl. ins N. T. 1804) sie folgen- dermaßen weiter ausbildete: 1) Hebr. Ürevangelium ; 2) dessen griech. Version; 3) eine eigentümliche Recension von Nr. 1 ; 4) griech. Version von Nr. 3 unter Benutzung von Nr. 2 ; 5) eine andere Recension von Nr. 1; 6) eine aus Nr. 3 u. 5 entstandene dritte Recension; 7) eine vierte Recension aus Nr. 1 mit größeren Zusätzen; 8) griech. Version von Nr. 7 unter Benutzung von Nr. 2; 9) hebräischer Matthäus aus Nr. 3 u. Nr. 7 entstanden; 10) griechischer Matthäus aus Nr. 9 unter 1) In einer besonderen Abhandlung bei seiner Einleit. ins N. T. HI, 2, 161 ff. des engl. Originals; deutsch in dessen Anmerkk. u. Zusätzen zu /. D. Michaelis Einleit. in das N. T., übers, von E. P. Ä. Rosenmüller, Gott. 1803. Keil, Comm. z. Erangel. Matth. 3 34 Einleitang. §.4. Zuziehung von Nr. 4 u. 8; 11) Markus aus Nr. 6 mit Benutzung von Nr. 4 u. 5 entstanden; 12) Lukas aus Nr. 5 u. 8. — Diese überkünst- liche Genealogie unserer Evangelien suchte später Gratz (Neuer Vers, die Entstehung der drei ersten Ew. zu erklären. Tüb. 1812) zu ver- einfachen durch Beschränkung derselben auf folgende Schriftstücke: 1) hebr. Urevangelium, 2) griech. Urevangelium aus jenem entstanden unter vielen Zusätzen-, 3) kürzere evangelische Dokumente; 4) Markus und Lukas entstanden aus Nr. 2 mit Zuziehung von Nr. 3; 5) hebräi- scher Matthäus entstanden aus Nr. 1 unter teils eigenen, teils aus einem mit der von Lukas gebrauchten Gnomologie stellenweise über- einstimmenden Documente entlehnten Zusätzen; 6) griech, Version des hebr, Matthäus unter Zuziehung des Markusevang. und mit Zn- sätzenaus demselben; 7) Interpolationen aus den Evangg. des Matthäus und Lukas durch wechselseitige Versetzungen mancher Abschnitte ans dem einen in das andere. Diese aus beliebig angenommenen Schriften construirte Hypothese fand geraume Zeit hindurch großen Beifall, bis endlich Gieseler (historisch-krit. Versuch über die Entstehung u. die frühesten Schick- sale der schriftlichen Evangelien. 1818) durch den Hinweis auf das Fehlen jeglicher historischen Begründung für die Existenz eines sol- chen, seinem Inhalte nach überaus dürftigen und mangelhaften, troz- dem aber zu hohem Ansehen gelangten Urevangeliums, auf den Wider- spruch, in welchem die Annahme desselben mit den Zeugnissen des Lukas im Proönium seines Evangeliums und des Papias über die Schriftwerke des Matthäus und Markus stehe, und auf die Unverein- barkeit eines so gehäuften mechanischen Schriftstellereibetriebes mit dem Geiste, den Bedür&issen und der Hoffnung der apostolischen Zeit, die Unhaltbarkeit der glänzenden Hypothese schlagend aufdekte, und c. die mündliche apostolische V eberlief erung und deren Fixirnng im Kreise der Apostel und ersten Christen als die Grundlage der synopt. Evangelien historisch nachwies und daraus die Verwandtschaft derselben zu erklären suchte. Die Grundzüge dieser Ansicht sind folgende : Unter den Aposteln und ersten Christen zu Jerusalem waren die Lehren, Thaten und Schicksale Jesu Christi der oft wiederholte Gegenstand ihrer Gespräche, und bei der gleichen Bildung der Apostel, dem glei- chen Standpunkte und der gleichen Aufmerksamkeit der verschiedenen Beobachter mußten die Thatsachen und Reden auf ziemlich gleiche Art aufgefaßt und wiedererzählt werden, so daß sich ein stehender Typus für die Erzählung, ein mehr oder minder gleichförmiges mündliches Evangelium bildete. Dieses prägten sich die Schüler durch mündliches Anhören ohne alle Schrift ein. Die Sprache dieser mündlichen Diegese war die aramäische. Als aber immer mehr Hellenisten in die Gemeinde aufgenommen wurden, mußte die Diegese ins Griechische umgese^st werden. Als hernach außerhalb Palästina's sich christliche Gemeinden bildeten, die zum Teil aus bekehrten Heiden bestanden, mußten die Lehrer der Heiden eine Auswahl der ihnen überlieferten Erzählungen treffen, indem sie zwar das charakteristisch Christliche unverändert Verwandtschaft der synopt. Erangelieu. 35 aafaahmen, aber das blos für Jaden Wichtige fallen ließen, dagegen andere Facta und Lehren, welche mehr die Heiden angingen, stärker urgirten. Als endlich bei den Christen das Verlangen nach einer jca- gdöocig 6yyQag)og sich kundgab, schrieben nicht nur Einzelne {ol jtoX- Xoi Luc. 1, 1) die evangelischen Thatsachen nieder, wie sie dieselben empfangen hatten, sondern auch Matthäus, Markus und Lukas erach- teten es für angezeigt, den ganzen Verlauf der evangelischen Geschichte, wie derselbe durch die mündliche nagadooig fixirt war, in Schriften zu verzeichnen, wobei sie in Bezug auf Auswahl und Darstellung sich nach den Bedürfnissen ihrer Leser richteten, so daß Matthäus ein Evangelium für die palästinischen Judenchristen, Markus aber nach den Vorträgen des Petrus ein für das Ausland, namentlich für die Rö- mer bestimtes, in dogmatischer Hinsicht mehr allgemein gehaltenes, endlich Lukas ein für die Heidenchristen überhaupt bestimtes paulini- scbes Evangelium lieferte (vgl. Giesel S. 104—130). Diese Ansicht entsprach den Verhältnissen der apostolischen Zeit, erschien aber nicht ausreichend, um sowol die übereinstimmende An- lage der drei Evangelien in der Verteilung des geschichtlichen Stoffes in die Galiläische und die Jerusalemische Wirksamkeit Jesu und die teilweise gleiche Gruppirung der Begebenheiten im Einzelnen, als auch die häufige Gemeinsamkeit der griechischen Ausdrücke in den Berichten einfach und vollständig zu erklären, so daß man zu der mündlichen üeberlieferung als der allgemeinen Grundlage des Verwandtschaftsver- hältnisses noch schriftliche Quellen hinzuzunehmen für unerläßlich hielt. Hinsichtlich der Bestimmung dieser Quellen wurde die Schleier- fTtacÄ^rsche Aufstellung über die von Papias erwähnten Xoyia des Matthäus einflußreich für die weitere Entwickelung der Evangelien- kritik. Während de Wette (in s. Lehrb. der Einleit. seit 1826) für Matthäus und Lukas eine gemeinsame mündliche Quelle annahm, und den Markus immer entschiedener als bloßen Epitomator nach (}ries- bach auffaßte, adoptirte bereits Credner (Einl. ins N. T. 1836. Th. I S. 88 ff.) die von Schleiermacher entdekte Spruchsammlung des Matthäus und faßte unser Matthäusevangelium als eine Gombination dieser Spruchsammlung mit den von Papias erwähnten Aufzeichnungen des Markus nach der Üeberlieferung des Petrus, unser Markusevangelium als eine Bearbeitung jener Aufzeichnungen des Markus durch Ordnung derselben und teilweise Ergänzung aus der Üeberlieferung, das Lukas- evangelium als eine Bearbeitung der mündlichen Üeberlieferung mit Benutzung schriftlicher Quellen, unter welchen sicher die Xoyia des Matthäus und die Aufzeichnungen des Markus, möglicher Weise auch unsere Evangelien des Matth. u. Mark, waren. Sodann Bleek in seinen isagogiscben Vorlesungen, die erst nach seinem Tode im Drucke er- schienen 1862 (3. A. hrsgg. von Mangold, 1875), fußte ganz auf Gries- bachs Ansicht über Markus, statuirte aber, um die Ueberein Stimmung des Matth. und Luk. zu erklären, wieder eine Art Urevangelium, wel- ches aber mit dem angeblichen Epitomator Markus die größte Aehn- lichkeit hatte. — Auch Lachmann (de ordine narrationum in evan- 36 Einleitung. §.4. gelns synopticis, in d. Theol. Studien u. Krit. 1835 S. 570 ff.) ging von der mündlichen Ueberlieferang aus, nahm aber eine gruppenweise schriftliche Aufzeichnung derselben an, so daß 5 Gorpuscula evangeli- scher Erzählungen entstanden, die dann zu einer Evangelienschrift ver- bunden wurden, mit der zunächst Markus stimt. Das Matthäusevan- gelium aber sei aus der Verbindung dieser Tradition mit der Spruch- sammlung des Matthäus hervorgegangen. — Bald darauf suchte WiOce (der Urevangelist, 1838) durch eine mühsam ins Detail eingehende literarische Analyse den unumstößlichen Beweis zu führen, daß Markus die gemeinsame Wurzel und Grundlage der synoptischen Evangelien sei d. Neuere Hypothesen, Einen neuen, angeblich den warhaft historischen Weg schlug die Tübinger kritische Schule ein, indem Schwegler und F, Chr, Baur * die Evangelien des Matthäus und Lukas als Tendenzschriften darzustellen suchten ; jenes aus dem die Ebioni- tische Anschauung von Christo enthaltenden Hebräerevangelium, dieses aus einem streng paulinischen Evangelium hervorgegangen, dergestalt daß jenes durch Aufnahme universalistischer Elemente seines exclusi- ven Judaismus entkleidet, dieses durch einen unionistisch gesinten Be- arbeiter mit judaistisch und ebionitisch gefärbten Zusätzen bedacht wurde, während Markus einen farblosen neutralen Auszug aus beiden Parteiwerken geliefert habe. — Dagegen trat seit 1849 Ewald auf den Plan mit einer seiner Pentateuchhypothese ähnlichen Umgestaltung der Eichhornschen Urevangeliumsdoctrin. ^ Durch scharfsichtige Analyse der Sprache und Diction der Evangelien gelangte er zu dem Resultate, daß aus der zuerst nur gruppenweise gemachten Aufzeichnung evan- gelischer Erzählungen durch Zusammenfassung des ganzen Erzählungs- stoffes 1) ein ursprünglich vom Evangelisten Philippus geschriebenes ältestes Evangelium ohne lange Reden und ohne Vorgeschichte hervor- ging, welches von Markus fast ganz aufgenommen und von Lukas in der Einschaltung benuzt wurde. Gleichzeitig bildete sich 2) die von Papias erwähnte övvra^iq t<5v Zoylwv d.i das von Matthäus hebräisch verfaßte Werk, welches die Aussprüche Christi planvoll gruppirt fast vollständig mit kurzen erzählenden Einleitungen enthielt. Von diesem Werke wurde eine griechische Uebersetzung von allen Synoptikern, am vollständigsten von Matthäus gebraucht. Auf Grund dieser beiden Schriften entstand 3) das kanonische Markmevangelium, dessen Ver- fasser aus den mündlichen Berichten des Petrus manches aufnahm, das aber in unserem jetzigen Markus nicht ganz ursprünglich, sondern nur teils interpolirt teils abgekürzt erhalten ist. Hierauf folgte 4) eine „die Höhen der Geschichte" zur Darstellung bringende Schrift, 5) aus allen 1) Schwegler, Nachapostolisches Zeitalter I S. 197 ff. 455 ff. II S. 39 ff. u. Tübinger theol. Jahrbb. 1843 S. 233 ff.; Ferd. Christ. Baur, Kritische Unter- suchungen über die kanonischen Evangelien, ihr Verhältois zu einander, ihren Charakter u. Ursprung. 1847. 2) „Ursprung u. Wesen der Evangelien" in s. Jahrbuch der bibl. Wissen- schaft I S. 113 ff. II S. 180 ff. III S. 140 ff. — Die drei ersten Evangelien über- setzt u. erklärt. 1850; und Gescliichte Christus und seiner Zeit. 1855. 3. Ausg. 1867. S. XI f. u. 188 ff. Verwandtschaft der synopt. Evangelien. 37 diesen Quellen unser Matthäus, von einem Judenchristen for Juden und Judenchristen geschrieben, und zulezt aus den genanten und noch drei andern Quellen (6—8), die eine mehr poetische Geschichtschrei- bung enthielten 9) unser Lukas, ein Sammelwerk, dessen Grundlage sämtliche genanten Quellen, mit Ausnahme des Matthäus, bilden. Diese beiden Hypothesen zogen eine Reihe von Auseinandersetzun- gen nach sich, welche darauf abzielten, die Extravaganzen derselben zu beseitigen und den Stammbaum der synoptischen Evangelien zu ver- einfachen. Mit unermüdlichem Eifer verfocht seit 1850 Hilgenfeld^ in einem fünfjährigen Streite mit Baur, und weiter gegen andere kri- tische Aufstellungen die Priorität des kanonischen Matthäus-Evange- liums, welches er für eine freiere Bearbeitung einer apostolischen streng judenchristlichen Schrift hält, vor dem zweiten Evangelium, welches Markus aus einem Petrinischen Evangelium unter Benutzung des kanonischen Matthäus bearbeitet habe, und die Entstehung des Lukas -Evangeliums aus der Verarbeitung des Matthäus und Markus mit Benutzung noch anderer Quellen. Hierauf suchte Eöstlin (der Ur- sprung u. die Composition der synopt. Evangelien. 1853), ein Schüler Baut's, alle möglichen Stellungen des Markus zu vereinigen, indem er sowol einen allen Synoptikern vorangehenden Urmarkus in der Weisß Ewalds postulirte, als auch ein Petrusevangelium in der Nachfolge Hil- genfelds statuirte, welches den Uebergang des Matthäus zum Lukas bildete, und das Matthäus-Evang. aus der Verschmelzung des (Papiani- schen) Urmarkus mit der mündlichen Tradition und der Redesammlung des Matthäus hervorgehen ließ, das Lukas -Evang. nach Matthäus hauptsächlich aber nach südpalästinischen judenchristlichen Quellen componirt sein liefi, das kanonische Markus-Ev. aber nach Griesbach- Baur'scher Ansicht als Auszug aus Matth. und Luk. und zugleich als selbständige Umarbeitung des Urmarkus faßte. Dagegen vindicirte VoJkmar (Ursprung unserer Evangelien nach d. Urkunden 1866 u. die Evangelien oder Markus und die Synopsis. 1870) von neuem dem Mar- kus-Ev. als einer „selbstbewußten Lehrpoesie auf historischem Grunde" die Priorität und erklärte das Lukas-Ev. für eine paulinische Erneue- rung der ursprünglichen Lehrschrift gegen judenchristliche Reaction, das Matthäus-Ev. aber für eine Oombination beider in universalistisch- jndenchristlichem Sinne. Andere, Holtzmann^ Weizsäcker, Reuss (Geschichte der heil. Schriften N. Test/s 5. A. §. 186 ff.) Mangold zu Bleek's Einl. §. 112, haben, von den Notizen des Papias über die Evangelien des Matth. und Mark, ausgehend, unsere drei synoptischen EvaDgelien durch Ueber- arbeitungen aus der Spruchsammlung des Matthäus (Urmatthäus) und einem Urmarkus in der Weise hervorgehen lassen, daß zuerst aus jenem 1) In den Schriften: das Markus-Evangelium. 1850; Krit. Untersuchungen über die Evangelien Justins. 1850; m den Theol. Jahrbb. 1852. S. 102 ff. 158 ff. 1857. S. 381 ff. 498 ff.; die Evangelien nach ihrer Entstehung u. s. w. 1854; das ürchristenthum 1855; Kanon u. Kritik des N. T. 1863; und in seiner Zeitschrift für wissensch. Theologie 1859. 1861. 1862. 1863. 1865. 1867. 1870. 38 Einleitung. §.4. ürmarkus durch Verkürzung der Reden und des Anfangs (Mrc. 1, 1 — 20), durch Auslassung der Bergpredigt und durch Hinzufügung einer Aib zahl von kleineren Erläuterungen das kanonische Markus-^y.^ sodann aus dem Ürmarkus und der Spruchsammlung des Matthäus das kanon. Matthäus -Ev., zulezt durch Benutzung jener beiden Urschriften und anderer Quellen das Lukas-Ev. entstanden sei. In neuester Zeit aber hat sich gegen die Yoranstellung des Markus eine starke Reaction er- hoben, indem Keim (Geschichte Jesu von Nazara 1867. I S. 46 ff. u. Ge- schichte Jesu. Dritte Bearbeit. 2. Aufl. 1875 S. 23 ff.) die altkirchliche Ueberlieferung von der Ursprünglichkeit des Matthäus-Ev. mit solchem Nachdrucke geltend machte, daß Holtzmann (in Schenkels Bibell. II S. 211 f. vom J. 1869) sich bewogen fand, seine Ansicht dahin zu re- tractiren, daß er nun nicht nur hinsichtlich der beiden von Papias er- wähnten Schriften der Spruchsammlung des Matthäus die erste Stelle einräumt und ihr den Ürmarkus als ersten Versuch, die evangelische Geschichte zu einem einheitlichen Ganzen zu combiniren, zur Seite treten läßt, sondern auch in Betreff der Abfassung der kanon. Evan- gelien den Matthäus als ein für einen jüdischen Leserkreis berechnetes Evangelium noch vor der Zerstörung Jerusalems, und erst als nach die- ser Katastrophe der Schwerpunkt der christlichen Entwickelung auf die Stadt Rom überging, daselbst das Markus-Ev. als im einzelnen dem Verständnisse und der Auffassung des Heidentums angepaßt, und noch später ebendaselbst das dritte, nach Lukas benante Evangelium von einem zur Anhängerschaft des Paulus gehörigen Manne verfaßt sein läßt. Dagegen hat B, Weiss (das Markusevangelium 1871 u. das Matthäusevangelium 1876) die Ansicht ausführlich zu begründen unter- nommen, daß unser erstes Evangelium durch seine ganze Anlage sich als eine weitere Ausführung des von Markus gegebenen Grundrisses einer Darstellung der Geschichte Jesu kundgebe. Einen Schritt weiter ist Meyer {Qomm. z. Matth. von der 3. Aufl. an) gegangen, indem er den Ürmarkus in das Reich des Nichts, aus welchem die Kritik den- selben sich geschaffen, verwiesen hat und den kanonischen Markus für das älteste Evangelium erklärt, in welchem nur die ihm vorangegangene aramäische, früh ins Griechische übersezte, und nicht blos eine Spruch- sammlung bildende, sondern stark mit geschichtlichem Inhalte versezte Urschrift des Matthäus benuzt worden sei. Ueberbiicken wir nun den eben skizzirten Verlauf der kritischen Untersuchungen über die Verwandtschaft und die Entstehung der synoptischen Evangelien, so ist zwar eine Masse von sich gegenseitig bekämpfenden, zum Teil einander diametral entgegengesezten Hypo- thesen zu Tage gefördert, aber über die zu erörternden Hauptfragen, nämlich die über die Stellung des Markus zu Matthäus und Lukas und über die Beschaffenheit der unseren kanon. Evangelien zu Grunde lie- genden Quellen, kein Resultat erzielt worden, welches irgendeinen An- spruch auf wissenschaftliche Evidenz haben könte. Die von Vielen verworfene, noch jüngst von Mangold (zu Bleeks Einl. §. 112) ausführ- lich bestrittene Abhängigkeit des Markus von den beiden andern Evan- Verwandtschaft der synopt. Evangelien. 39 gellen hat an ICeim wieder einen beredten Anwalt gefanden, der mit lebhaften Farben das jagendlich muntere Aussehen des kleinsten der Synoptiker schildert, welches „die Neuesten freilich durch Ansetzung eines weißen Bartes vom höchsten Altertum verunziert haben^^ (Leben Jesu V. Naz. I S. 83; Leben Jesu, dritte Bearb. S. 35 ff.). Und über die Frage nach den ältesten Quellen unserer Evangelien und ihrer Zusam- mensetzung fällt derselbe (I, 44) das Urteil, daß '„man darüber in Streit und Eifer kommen könte, wenn dieser nur nicht ohne festen Boden in unfruchtbare Hypothesen verlaufen müßte". Dieses Urteil muß sich jedem aufdrängen, der ohne vorgefaßte Ansicht den Wirwarr der Mei- nungen über den eigentlichen Inhalt und den historischen Wert des von Papias überlieferten Fragments prüfend durchmustert. — Wenn aber schon dieser neuere Biograph des Lebens Jesu aus den angeführ- ten Gründen von den unfruchtbaren Hypothesen absieht und sich auf die Ermittelung der Abfassungszeit und der Glaubwürdigkeit der ka- nonischen Evangelien zurückzieht, die er doch um ihres Inhaltes willen nicht als unmittelbar apostolische Schriften anerkennen zu können er- klärt, so machen sich die Vertreter des schriftgemäßen Offenbarungs- glanbens keines unwissenschaftlichen Verfahrens schuldig, wenn sie die von der neueren Kritik seit Eichhorn's Vorgange eingeschlagenen Wege als Irrwege, die nimmer zum Ziele führen, verlassen und über das Ver- wandtschaftsverhältnis der synoptischen Evangelien nichts weiter be- stimmen, als was darüber sich an der Hand der ältesten gesicherten Ueberlieferung aus dem Inhalte und Charakter derselben sicher er- schließen läßt. Dies ist folgendes: Die den drei synoptischen Evangelien gemeinsame Grundlage bildet die mündliche Verkündigung der Lehren, Thaten und Schicksale Jesu Christi, wobei ohne besondere Verabredung schon durch das oftmalige Wiedererzählen der Lehrvorträge und Thaten Jesu die Diegese nach Inhalt und Form eine ziemlich gleichmäßige Gestalt erhielt, nicht nur beim Vortrage in der aramäischen Landessprache, sondern auch bei der Verkündigung des Evangeliums im griechischen Idiome unter Helle- nisten und Hellenen. Von diesen Vorträgen mochte Manches schon frühzeitig teils von den Zuhörern für den Privatgebrauch niederge- schrieben, teils auch von den Evangelisten schriftlich aufgesezt und dann durch Abschriften verbreitet worden sein. Als dann unter den S. 2 entwickelten Verhältnissen das Bedürfnis der schriftlichen Fixi- rung der evangelischen Geschichte sich mehr und mehr geltend machte, unternahmen Viele {jtoXXol Luc. 1, 1 f.), die evangelischen Thatsachen, wie sie von Augen und Ohrenzeugen und Dienern des Worts überliefert worden waren, in Schriftwerken darzustellen. Ob zu diesen „Vielen", deren Lukas a. a. 0. gedenkt, auch Matthäus und Markus zu rechnen sind, läßt sich nicht bestimmen. Gewiß ist nur so viel, daß die Evan- gelien des Matth. und Mark, zu der Zeit, da Lukas sich zur Abfassung des seinigen anschikte, schon vorhanden waren, da kein stichhaltiger Grund vorliegt, die Richtigkeit der Ueberlieferung über die Aufeinan- derfolge der Evangelien, wie dieselbe im Kanon vorliegt, in Zweifel zu 40 Emleitang. §. 4. ziehen. Matthäus als Verfasser des ersten Evangelioms nahm den Stoff zu seiner Schrift teils aus der Erinnerung von dem, was er als Apostel in der Nachfolge Jesu gehört, gesehen und erleht hatte, teils aus Mit- teilungen der andern Apostel, sowie der Mutter und der döeXq)ol Jesu und anderer Augenzeugen verschiedener Begehenheiten. Aus dieser ge- samten Ueherlieferung wählte er dasjenige aus, was ihm f&r den bei seiner Schrift ins Auge gefaßten Leserkreis und speciellen Zweck (s. oben S. 11 f.) fiir geeignet und ausreichend erschien, und ordnete die- sen Stoff so, daß er nach vorausgeschikter Mitteilung der wichtigsten Momente über Abstammung, Geburt und Kindheit Jesu im ersten Teile das Auftreten und Wirken Jesu als Messias in (raliläa, im zweiten die Vollendung seines Werkes auf Erden in Jerusalem schildert. Zu dieser Sachordnung, die man oberflächlich daraus hat erklären wollen, daß die Synoptiker nur aus der galiläischen Sage geschöpft hätten, ließ Matthäus sich nicht blos durch den Umstand bestimmen, daß Jesus zu- erst in Galiläa als Messias aufgetreten war, dort seine Jünger gesam- melt und zu Cana auch durch Verrichtung des ersten Wunderzeichens seine Herrlichkeit geoffenbart (Job. 2, 11) und überhaupt am längsten in Galiläa und der Umgegend gewirkt hatte, sondern vomämlich durch den für sein Evangelium gefaßten Plan, Jesum als die Erscheinung des im A. T. geweißagten Messias darzustellen. Indem er zu diesem Behufe Jesu Leben und Wirken im Lichte der alttestamentlichen Weiße gung betrachtete, erschloß sich ihm die Erkentnis, daß Jesu Auftreten and Wirken in Galiläa die Erfüllung der von Jesaja geweißagten Verherr- lichung Galiläa's durch den Messias war; und diese Erkentnis führte zu dem Entschlüsse, die Erfüllung jener Weißagung durch eine einheit- liche ausführlichere Schilderung der galiläischen Wirksamkeit Jesu nachzuweisen, ohne die einzelnen Festreisen Jesu nach Jerusalem zu erwähnen, durch deren Einreihung in jene Schilderung der beabsich- tigte Nachweis nur hätte geschwächt werden können. In dieser Gruppirung des messianischen Wirkens Jesu folgten Mar- kus und Lukas dem apostolischen Vorgange des Matthäus, weil dieselbe ein so deutliches Bild von Jesu Messianität gab, daß beide Evangelisten für den Zweck, den sie mit ihren Schriftwerken erreichen weiten, näm- lich der Heidenwelt Kunde von Jesu Christo und seinem wunderbaren Wirken zu geben, und den zum Glauben an Christum gekommenen Heiden gewissen Grund der Lehren, in welchen sie unterrichtet worden waren, zu bieten, keine zweckmäßigere Gliederung der evangelischen Begebenheiten zu. wählen wußten. — Die Abhängigkeit beider von Matthäus tritt aber auch in der übereinstimmenden Anordnung einzel- ner Partien der galiläischen Geschichten zu Tage, z.B. darin ^ daß Markus von c. 6, 14—9, 48 fast durchweg die Keihenfolge des Matth. c. 14-18 einhält und Lukas in c. 9, 7 ff. beiden (Matth. c. 14—18 u. Mrk. 6, 14—9, 40) folgt, obwol beide die sachliche Gruppirung in Matth. 5-9 mit einer anderen, für den Plan ihrer Evangelien passen- deren Ordnung vertauscht und dabei einzelne Facta vielleicht chrono- logisch richtiger gestelt haben, ohne im Ganzen auf eine chronologisch Verwandtschafi; der synopt. EvaDgelien. 41 genaue Beschreibung der Ereignisse auszugehen. Denn daß diese nicht im Plane weder des Markus noch des Lukas lag, ersieht man aus dem ganzen Charakter ihrer Evangelien, und in Bezug auf Lukas, dem die- ser Plan vielfach zugeschrieben wird, besonders daraus, daß er die umfängliche Gruppe von Begebenheiten und Lehrreden des Herrn, c. 9, 51—18, 30, die teils in Samaria, teils in Peräa, Galiläa und Jadäa vorfielen und gehalten wurden, in den Rahmen der Reise Jesu von Galiläa nach Jerusalem eingefügt hat (vgl. Luc. 9, 51 mit 18, 31). Gegen die aus der gleichförmigen Anlage und Gliederung der synoptischen Evangelien gezogene Folgerung der Abhängigkeit des Markus und Lukas von Matthäus liefern auch die Abweichungen bei- der von ihrem Vorgänger keine beweiskräftige Instanz; denn diese er- klären sich teilweise aus dem besonderen Zweck, den sie bei Abfas- sung ihrer Schriften im Auge hatten, zum größeren Teile aber daraus, daß sie den Stoff für ihre Darstellungen in erster Linie aus der münd- lichen Ueberlieferung nahmen, und die schriftlichen Qaellen, die sie dabei noch benuzten, nicht einfach ausschrieben, wie man sich irriger Weise häufig die Benutzung vorstelt, sondern das geschichtliche Mate- rial mit individueller Selbständigkeit beherschten und bearbeiteten, wobei es ihnen, weil sie von der vollbewußten Ueberzeugung der War- heit der von Augen- und Ohrenzeugen überlieferten evangelischen That- sachen und Lehren durchdrungen waren, gar nicht in den Sinn kam, daß ihre Auffassung und Darstellung mit dem Berichte ihrer Vor- gänger differiren oder demselben gar widersprechen könte ^ Bei dieser Vorstellung von der Abfassung der synoptischen Evan- gelien werden auch sowol die üebereinstimmungen als die Verschie- denheiten im sprachlichen Ausdrucke begreiflich. Die Verschieden- heiten erklären sich einfach und vollständig aus der Individualität und Bildungsstufe der einzelnen Verfasser; die Üebereinstimmungen aber, selbst im Gebrauche ungewöhnlicher oder neugebildeter Wörter, wie z. B. ejtiovöiog, jcxeQvyiov u. a. darf man nicht ohne weiteres aus Be- nutzung schriftlicher Quellen oder aus Abhängigkeit des einen Evan- geliums vom anderen herleiten wollen , denn solche Ausdrücke können auch aus der mündlichen Ueberlieferung herstammen. Sogar abnorme sprachliche Bildungen , wie z. B. djcexaTSöxad^ (mit doppeltem Aug- mente) im Matth. 12, 13 = Mrc. 3, 5 = Luc. 6, 10 liefern keine stich- haltigen Beweise für schriftstellerische Vermittlung oder Abhängigkeit 1) Werden diese Momente Dach ihrer vollen Bedeutung gewürdigt, so wer- den nicht nur idle die Argumente, welche Ewald, HoUzmann, Weizsäcker, Ritschi, Plitt XL. A. mehr, auch Uodet, Comment. zum Ev. des Lucas, deutsch v. Wun- derlich 1872 S. 518 ff. für die Unabhängigkeit des Lukas von Matthäus vorge- bracht haben, sondern auch die von den Kritikern aus den gleichlautenden Wor- ten und Satzteilchen in zwei oder allen drei Evangelien entnonunenen Beweise für die Abhängigkeit unsers Matthäusevangeliums vom Markusevangelium hin- fallig. — Die Evangelisten haben ihre Schriften nicht in der Weise verfaßt, daß sie, wie manche neuere Literaten und Stubengelehrte, aus etlichen Büchern, die vor ihnen auf dem Schreibtisch aufgeschlagen lagen, ein neues zusammen- schrieben. 42 EinleituDg. §.4. des einen Evangeliums vom andern, weil die Ursprünglichkeit dersel- ben nicht nachweisbar ist, und, wenn sie besonders wie die angefahrte Form nicht in allen drei Evangelien von den ältesten Codices einhellig bezeugt sind, die Gleichförmigkeit auch von den Abschreibern herrüh- ren kann. Wenn man also, um das Ergebnis dieser längeren Erörterung kurz zusammenzufassen, für die synoptischen Evangelien neben der münd- lichen Ueberlieferung als der ihnen gemeinsamen Grundlage noch eine nicht mechanisch gehandhabte, sondern in freierer Weise, mehr ge- dächtnismäßig ausgeführte Benutzung des Matthäusevangeliums von- seiten des Markus und der beiden ersten vonseiten des Lukas annimt, so erhält man eine Lösung des Verwandtschaftsverhältnisses derselben, welche nicht allein den gerechten Anforderungen der biblischen Kritik entspricht, sondern auch mit der altkirchlichen Bezeugung des aposto- lischen Ursprungs unseres griechischen Matthäusevangeliums im Ein- klänge steht und weder Anlaß noch Grund zu Zweifeln an seiner Echt- heit darbietet. B. Die Verschiedenheit des Matthäusevangeliums vom Evangelium des Johannes, „Am durchschlagendsten" sollen nach Meyer (Comm. S. 4) gegen die apostolische Abfassung des ersten kanonischen Evan- geliums „die vielen zum Teil sehr wesentlichen Berichtigungen" sprechen, „welche unser Matthäus aus dem vierten Evangelium anneh- men muß, und von denen mehrere (zumal die, welche das lezte Mahl und den Todestag Jesu , sowie die Erscheinungen des Auferstandenen betreffen) der Art sind, daß die bezüglichen Verschiedenheiten jeden- falls (?) einerseits die apostolische Zeugenschaft ausschließen, was bei der entschieden anzunehmenden Echtheit des Johannes nur die Seite des Matth. treffen kann.*' Dieses Urteil steht nicht vereinzelt da, son- dern wird von den meisten Kritikern geteilt, welche von dem durch Breischneider' s „Probabilien" erregten Streit über das Evangelium des Johannes ab dessen Echtheit verteidigen, wogegen die Kritiker der Tübinger Schule und die Neuprotestanten das vierte Evangelium wegen seiner völligen Verschiedenheit von Matthäus und den andern Synop- tikern als unecht verwerfen. Die Verschiedenheit ist allerdings bedeu- tend. Die Synoptiker erzählen bis zum Todespascha fast nur die Wirk- samkeit Jesu in Galiläa, das vierte Evangelium vornämlich die auf den Festen in Jerusalem-, jene mehr die Wunderthaten und seine Keden in Bezug auf das Gottesreich, dieses mehr die Reden über sein Verhält- nis zu Gott; jene schildern mehr den Messias in seiner nationalen Er- scheinung, dieses den eingebornen Gottessohn und Weltheiland. Ob aber diese Verschiedenheiten der Art sind, daß die Johanneische Auf- fassung und Darstellung mit der des Matthäus, bzw. der Synoptiker un- vereinbar sei, wie die negative Kritik vermeint, oder ob dieselben nur zwei Seiten von Christi Person und Wirken darbieten, die sich gegen- seitig fordern und ergänzen, und erst in ihrer Vereinigung ein voll- ständiges Bild von Christo liefern, diese Frage ist noch lange nicht zu Gunsten der ersten Ansicht entschieden. Wir sind mit den Kirchen^ Verschiedenlieit des ersten und vierten Eyangelhuns. 43 Vätern und den offenbarnngsglänbigen Theologen überzeugt, daß die Yerschiedenheit der beiderseitigen Darstellung sieb teilweise schon daraus erklärt, daß das Johannes-Evangelium viel später als die synop- tischen geschrieben ist und den Inhalt dieser als bekant voraussezt, vollständig aber aus der Yerschiedenheit des Zweckes, welchen die Synoptiker einer- und Johannes andererseits bei Abfassung ihrer Evangelien verfolgten. Vgl. hierüber die gründliche Erörterung von Luthardt, Der Johanneische Ursprung des vierten Evangeliums. Lpz. 1874. S. 164—203. Darüber, daß im vierten Evangelium die Heilsthatsachen als bekant vorausgesezt werden, besteht wol kaum noch ein Zweifel. Johannes erzählt weder die Geburt noch die Taufe Jesu. Wenn er aber berich- tet, daß der Logos in Jesu Christo Fleisch geworden und zugleich Maria die Mutter Jesu neut (2, 1), so ist klar, daß er sich die Fleisch- d. i. Menschwerdung des Logos als Geburt gedacht hat, nicht als Mar- kionitische Erscheinung in Menschengestalt , also die Geburt Jesu als bekant voraussezt. Eben so deutet er die Taufe Jesu an, wenn er das Zeugnis des Täufers mitteilt, daß der heil. G^ist wie eine Taube auf Jesum herabgekommen sei, und der Täufer daraus infolge göttlicher Offenbarung Jesum als den Sohn Gottes erkant habe (1, 32— 34). Johan- nes erwähnt auch die Einsetzung der Taufe und des heil. Abendmahles nicht, obwol er sie gekant und auch anerkant haben muß, da auf der Taufe der ganze Bestand der christlichen Kirche ruht und das heil. Abendmahl den Mittelpunkt des christlichen Oultus bildete. Statt der Einsetzung dieser beiden Sacramente hat er das Gespräch Jesu mit Nikodemus (c. 3) und die Rede in der Synagoge zu Gapernaum (c. 6). Jenes verhält sich zur Taufe wie dieses zum Abendmahle, obwol Jesus dort eben so wenig von der christlichen Taufe redet als hier vom heil. Abendmahle. Aber jenes Gespräch gibt die Voraussetzung der Taufe, diese Rede die Voraussetzung des heil. Abendmahls. Weil niemand, ohne aus dem Wasser und Geist geboren zu sein, in das Reich Gottes ein- gehen kann, darum ist die Taufe mit dem heil. Geiste d. i. die Wasser- taufe auf den Kamen Jesu Christi oder des Vaters, Sohnes und heil. Geistes die Bedingung^ für die Aufnahme in die christliche Gemeinde; und weil nur der das ewige Leben in der Gemeinschaft mit Christo hat, der das Fleisch des Menschensohnes isset und sein Blut trinket (6, 53 ff.), darum hat Jesus das heil. Abendmahl eingesezt zum Gedächtnisse sei- nes für das Leben der Welt in den Tod gegebenen Leibes und vergos- senen Blutes. Die drei ersten Evangelien erwähnen die Einsetzung die- ser Gemeinde gründenden und erhaltenden Gnadenmittel, Johannes sezt den Gebrauch derselben in der Gemeinde voraus und weist ihre tiefere Bedeutung nach. In ähnlicher Weise die evangelischen Heilsthatsachen und Lehren ergänzend und dadurch das Bild von Christi Person und Werk vervoll- ständigend verhält sich das vierte Evangelium durchweg zu den synop- tischen. Diese sind für die Zwecke der Missionspredigt verfaßt, sind ,4hrer Entstehung und ihrem Wesen nach Missionsschriften^^ {Grau\ 44 Einleitung. §.4. welche der Verkündigung des Evangeliums in der Juden- und Heiden- welt Eingang und Fortgang sichern sollen-, das vierte Evangelium da- gegen ist geschrieben, um die zum Glauben an Christum gekommenen Juden und Heiden im Glauben an Jesum den Christ und Sohn Gottes fester zu gründen (20, 31). Johannes stelt daher seine Erzählung auf den Geschichtsboden der Synoptiker. Dieser ist vor der lezten Reise Jesu nach Jerusalem, um dort durch Tod und Auferstehung sein Werk zu vollenden, fast ausschließlich Galiläa. Zu dieser Gliederung der mes- sianischen Wirksamkeit Jesu wurde Matthäus durch den Plan, in Jesu Leben und Wirken die Erfüllung der prophetischen Weißagung nach- zuweisen, veranlaßt, und Markus und Lukas folgten dieser Sachordnong (s. S. 40). Dadurch aber werden die Festreisen Jesu nach Jerusalem gar nicht ausgeschlossen. Solte Jesus nur als 12 jähriger Knabe (Luc. 2, 41) und nicht auch nach seinem Auftreten als Messias Jerusalem und den Tempel zu den Festen besucht haben? Solte der, welcher ge- kommen war das Gesetz und die Propheten nicht aufzulösen sondern zu erfüllen, sich von dem Gesetze des Tempelbesuches dispensirt haben? Schon aus diesem Grunde müßten wir es warscheinlich finden, wenn auch nicht in Matth. 23, 37. Luc. 13, 34 der Klageruf Jesu über Jerusalem : „wie oft" zu lesen wäre, der voraussezt, daß Jesus oft ver- sucht hatte, Jerusalem zu sich zu rufen, also auch oft dort gewesen sein mußte. Im vierten Evangelium dagegen steht die Wirksamkeit Jesu in Jerusalem und Juda im Vordergrunde der Geschichte, weil Johannes, um den Conflict der Offenbarung Jesu Christi als des eingebornen Sohnes Gottes, der in sein Eigentum gekommen war, aber von den Seinen nicht aufgenommen wurde (1, 11), mit den Obersten des jüdischen Volks darzustellen, die geschichtliche Entwicklung desselben an den Faden der Festreisen Jesu angereiht hat. Denn Jerusalem und Judäa waren die Heimat der jüdischen Orthodoxie und der Feindschaft wider Jesum, auch nach den synopt. Evangelien. Von Jerusalem kamen nach Mrc. 3, 32 die Schriftgelehrten, die Jesu in Galiläa entgegentra- ten. Aber Johannes beschränkt auch Jesu Wirken nicht auf Judäa. Er teilt nicht nur in c. 6 einen Abschnitt aus seiner galiläischen Wirk- samkeit mit, sondern weist auch durch die Bemerkung 6, 2, daß die galiläischen Volkshaufen Jesu nachfolgten, ort scigcov tä öfjfista, ä kjtolei kjtl Tcov dod'SVOVVTcov^ u. 7, 1 ; xal jcegtsjcaTsi 6 'If]öovg (lera rama hv rfj FakcXala (wie die Imperfecta zeigen), auf einen länger dauernden Zeitraum der Wunderwirksamkeit Jesu in Galiläa hin, und in den Worten : daß Jesus um der Pharisäer willen (4, 1) Judäa ver- ließ xai djtrjXd^sv jtdXiv siq xrjv FaXiXalav (4, 2), auf Jesu Auftreten und Wirken in Galiläa vor der ersten Festreise zum Pascha (2, 12), worüber er c. 1, 44—2, 12 Mehreres erzählt, was die Synoptiker über- gangen haben. Diese Ergänzungen, welche somit das vierte Evangelium zu den synoptischen liefert, sind nicht „Berichtigungen", sondern nur eine Vervollständigung der synoptischen Erzählungen, die in keinem wesent- lichen Punkte mit denselben in Widerspruch tritt. Wenn Johannes Verschiedenheit des ersten und vierten Evangeliums. 45 eine Tempelreinigung bei Jesu erstem Auftreten in Jerusalem erwähnt (2, 13 ff.)) die andern Evangelisten aber eine solche am Todespascha erzählen (Matth. 21, 12 ff. Mrc. 11, 15 ff. Luc. 19, 45 ff.), so müßte, bevor man den johanneischen Bericht für eine Correctur des synopti- schen erklärt, erst bewiesen sein, daß Jesus mit einem solchen „that- sächlichen Bußzeugnisse, wie es die Tempelreinigung war", seine mes- sianische Wirksamkeit nicht eben so gut schließen als beginnen konte. Sein Ausspruch über den Tempel lautet aber bei der ersten Reinigung anders als bei der zweiten — „so verschieden wie eben die erste An- deutung und der tragische Ausgang eines Conflictes verschieden sind" {Luth, S. 166). Was aber den Widerspruch zwischen Johannes und den Synoptikern über die Feier des lezten Paschamahls mit der Ein- setzung des heil. Abendmahls und den Todestag Jesu betrift, worauf die neuere Kritik so großes Gewicht legt, so bemerkt darüber selbst K, Hase, Geschichte Jesu, nach akad. Vorlesungen 1875. S. 38: „Die Synoptiker berichten mit voller Gewißheit, daß Jesus das jüdische Paschamahl als Abschiedsmahl gehalten und dabei das Abendmahl ein- gesezt habe. — Aus dem vierten Evangelium ergibt sich erst durch eine Reihe von Schlußfolgen , daß Jesus die Paschamahlzeit gar nicht mehr halten konte", und am Tage vor dem Anbruch des Pascha ge- storben ist. Der Widerspruch liegt also nicht offensichtlich vor, son- dern wird erst durch eine Reihe von Schlußfolgen d. h, durch Folge- rungen aus Stellen des Johann. Evangeliums, die verschiedene Deutung zulassen, gewonnen. Auf die Lösung derselben werden wir erst bei der Auslegung eingehen ; hier können wir um so eher davon absehen, als, wenn der Widerspruch in der That unlösbar wäre, daraus noch keines- wegs die Ungeschichtlichkeit der synoptischen Erzählung folgen würde, sondern der Irrtum auch im vierten Evangelium liegen könte. ^ — Bei der Auslegung werden wir auch die Widersprüche von untergeordneter Bedeutung in Betracht ziehen, und hoffen da nachweisen zu können, daß sie die Abfassung des ersten Evangeliums durch den Apostel Matthäus nicht zweifelhaft machen. — Von den Verschiedenheiten endlich, die in Bezug auf die Form und den Inhalt der Reden Jesu zwischen den Evangelien des Matthäus und des Johannes obwalten, können wir hier ganz absehen, weil diese von den Kritikern, welche darin unvereinbare Widersprüche entdekt zu haben meinen, mehr zum Erweise der Ungeschichtlichkeit des johanneischen als des Matthäus- Evangeliums angeführt zu werden pflegen. In eingehender Weise hat dieselben übrigens auch Luthardt a. a. 0. S. 178 ff. besprochen und überzeugend nachgewiesen, daß auch in dieser Hinsicht ein wirklicher 1) Wie nach dem Vorgange von Baw und der Tübinger Schule auch Keim (III, 476) findet, daß hinsichtlich der Zeitbestimmung des letzten Mahles Jesu „der Vorteil sich auf die Seite der alten Evangelisten wendet", und dazu be- merkt: „Es gehört zum Sichersten in der Welt, dafi Jesus v,or seinem Tode das Passahmahl gehalten, daß er es mit dem Volke am gesetzlichen Tage gefeiert hat, daß er äso nur an diesem Tage d. h. am 15., nicht am 14. (Nisan) ster- ben konte'*. 46 Einleitung, g. 4. Widersprach anter den vier Evangelien nicht besteht, sondern das vierte die drei ersten voraassezt, Johannes aber dabei mit großer Un- abhängigkeit von denselben in großartiger Weise verfährt, anbeküm- mert um (Ue, sei es nnn scheinbaren oder wirklichen, Unvereinbarkei- ten mit den Berichten der ersten Drei, welche bei der Zusammenfassung der vier Berichte zu einem Bilde Jesu entstehen; „aber dies gerade des- halb, weil er nicht ein späterer Erdichter war, der sich an die bereits feststehende Form der synoptischen Tradition gebunden sah. Da der Einklang des Bildes Jesu ihm vor der Anschauung seiner Seele stand, so war er gewiß, daß auch den Lesern die Verschiedenheit der Darstel- lungen sich' zu einem zusammenstimmenden Bild von Jesu zusammen- schließen würde" (S. 199). U. Abfassungszeit des Matthäus -Evangeliums. Nach alt- kirchlicher Ueberlieferung ist das Evangelium Matthaei vor den drei andern Evangelien verfaßt worden (Origen, bei Emeb, h, e. VI, 25. Epiph. Haeres, 51, 4, Hieron, de vir, ill, 3J. Irenaeus fadv. haer. III, tf. vgl. Euseh, V, 8) sagt: Matthäus habe es geschrieben, während Petrus und Paulus in Rom predigten (xov nitgov xal IlavXov sv ^Pc6iii;i BvayysJii^ofiavcov), und Emeb, h, e, III, 24: als Matthäus zu andern Völkern gehen wollte (cog sfieZXs xal h(p^ hegovg livai). Mag diese leztere Angabe immerhin sehr unbestimt sein, da über die Zeit, wann Matth. Palästina verlassen, nichts überliefert ist, so läßt sich doch mit Sicherheit annehmen, daß dies wenn nicht früher, doch beim Aus- bruche des römischen Krieges geschehen sein wird. Mit dieser Ueber- lieferung steht der Inhalt des Evangeliums im Einklänge, sofern das- selbe durchweg den jüdischen Staat und den Tempelcultus als noch bestehend voraussezt. Aus diesem Grunde setzen die meisten Neueren, die nicht durch dogmatische Gründe oder kritische Hypothesen sich genötigt sehen, den Ursprung des Evangeliums tiefer herabzudrücken, seine Abfassung in die Jahre 60—68 n. Chr. oder doch kurz vor der Zerstörung Jerusalems So nicht nur L, Bug (Einl. II §. 5), Baumg.- Crusius (Comm. S. 24), Bleek (Synopt. Erkl. I S. 9), Grau (Entwicke- lungsgesch. I S. 266) u. A., welche die griech. Originalität des Evan- geliums anerkennen, sondern auch Olshausen (Comm. S. 14 d. 3. A.), Ehrard (wissensch. Kritik S. 1005 ff. d. 3. A.) u. A., welche die hebräische Abfassung annehmen und den kanonischen Matthäus für eine Ueber- setzuDg des hebr. Originals halten. Auch Keim (I, 47) sagt: „Das erste Evangelium ist in der Hauptsache — vor der Zerstörung Jerusalems (im J. 70) geschrieben. Man kann dieses angezeigt finden in der Ab- wesenheit aller Andeutungen darüber, daß das Jerusalem der Tage Jesu, welches die Stadt eines großen Königs ist, welches die Gold- und Steinpracht des Tempels, Altar und Opfer, wandelnde Priester und re- ligiöse Parteien besizt, zur Zeit des Schriftstellers nicht mehr ist." ^ 1) Auch in der dritten Bearbeitung des Lebens Jesu (1875) sezt Keim S. 24 die Abfassung des Evang. in die J. 66-69 und zwar in die Zeit kurz vor der Zerstörung Jerusalems, wofür alle Anzeichen seines Ursprungs überwiegend sprächen. Eine einzige Stelle, meint er nur, störe diese Bechnung, nämlich das Abfassnngflzeit des Evangelinins. 47 Zwar wird die Zerstörung des Tempels und die Verbrennung der Stadt in Aussicht gestelt (24, 2. 22, 7); aber nur in Weißagungen und Gleich- nisreden, und ohne irgendeine Hindeutung darauf, daß dies schon in Erfüllung gegangen wäre. Außerdem hat man besonderes Gewicht auf c. 24, 29 ff. gelegt, wo die Parusie als gleich (€vß'ia)g) nach der Ver- wüstung Palästina's eintretend geweißagt sei, während in den Parallel- stellen Mrc. 13, 24 u. Luc. 21, 24 f. das svO^iwg (f/srä xfjv d^Xtrpiv) fehlt, und hat daraus gefolgert, daß Matthäus nicht nach der Zerstö- rung Jerusalems und des Tempels die Parusie als avß^ecog nach dieser Drangsal eintretend hätte darstellen können. Allein daraus folgt wei- ter nichts, als daß Matthäus die Weißagung Christi so mitgeteilt hat, wie sie ausgesprochen war, ohne durch Weglassung des evO^ioog oder andere Aenderungen des Wortlautes ihren perspectiyischen Charakter zu verwischen. Eben so wenig läßt sich aus den Stellen 23, 35 u. 24, 15 (mit Bug, Credner, Weiss u. A.) schließen, daß bei Abfassung dieser Capitel die Kömer schon Galiläa eingenommen hatten und gegen Jeru- salem vorgerükt waren (s. den Comm. z. beiden St.). Ueberhaupt finden sich in dem Evangelium weder Andeutungen zur näheren Bestimmung der Abfassungszeit, noch über die Oertlichkeit, wo es geschrieben ist. Daß der Schreibende sich im Ostjordanlande aufgehalten, läßt sich aus 19, 1 nicht folgern. Gleichnis G. 22, 1 ff., welches so geartet sei, daß man die Abfassung des Buchs nicht allein nach der Verbrennung Jerusalems, sondern sogar Jahre und Jahr- zehende tiefer in die Zeiten der allmäligen Berufung der Heidenwelt in die Kirche und eines yielleicht nach einem Menschenalter, nach 30 Jahren erfolgten ersten Abschlusses dieser Einströmung setzen müßte. Da aber einer solchen Annahme sonst Alles, das ganze Evangelium und der ganze Proze!^ der ferneren Evangelienbildung widerspreche, so könne dieses Gleichnis unmöglich von Jesu 80 gesprochen sein, sondern müsse der Hand eines späteren Ueberarbeiters an- gehören, der um das J. 100 seine Ergänzungen in aas viel ältere Evangelium eingetragen habe. — Dieser Schluß wäre vielleicht richtig, wenn das neuprote- stantisehe Dogma: Jesus ist ein bloßer Mensch gewesen, vor dessen G^istesauge die Zukunft des Reiches Gottes eben so verborgen war, wie vor den Pharisäern und Schriftgelehrten, die ihn ans Kreuz schlugen, ausgemachte Warheit wäre. — Auch D. Weisen (Matth.-Ev. S. 40 ff.) schließt aus 22, 7, daß das Evang. nach der Verbrennung Jerusalems geschrieben sei, aber wegen 24, 29 kurz nach die- ser Katastrophe. Die Beihe von Stellen, welche den Bestand des jüdischen Volkslebens u. des Tempelcultus voraussetzen (5, 23. 35. 8, 1. 15, 5. 23, 2. 16 — 21), sollen sämtlich aus der ältesten Quelle herrühren und nur die Geschicht- lichkeit der überlieferten Worte Jesu beweisen. „Nach 23, 35 war der Tod des nach der Eroberung von Gamala ermordeten Baruch noch in frischem Andenken''. Daß das Ev. von keinem Apostel verfaßt sei, glaubt W. aus der Abhängigkeit desselben von dem Werke eines Anostelschülers (des Markus) erwiesen zu haben, besonders aus der Art, wie Sjprücne von ihrem geschichtlichen Zusammenhange losgelöst, versezt, in unrichtige Beziehung gebracht und falsch gedeutet seien. Auch ein Palästinenser könne der Verf. nicht gewesen sein, weil er Pharisäer undSadducäer ungeschichtlich zusammenstelle, mit den Localitäten in Palästina nicht näher bekant sei u. s. w. u. s. w, 48 Einleitmig. §. 5. §. 5. Exegetische Literatur. Von den exegetischen Schriften der Kirchenväter über die Evan- gelien sind beachtenswert, aus der griechischen Kirche : Origenes, T6(iol X— XVII zum Evang. des Matthäus, und Series veteris inierpreiaiionis commentariorum Origenis in Maithaeum, in Opp, ed. Lommatzsch, Tom. IIIu. IV, Joh. Chrysostomi in Matthaeum commeniarii (91 Homilien), Opp, ed, Montfauc. Tom. VIT, Theophylact (Erzbischof der Bulgaren im 12. Jahrh.) Commentarias in IV evangg., von Oecolamp ad Mhormzi Cöln 1536; griech. Rom 1552; griech. u. lat. in Opp. ed, de Ruh eis. Vened, 1754. Euthymius Zigabenus (Mönch zu Konstantinopel im 12. Jahrh.) Commentarius in IV evangg, ed. Chr. F. Matihaei. Lips. 1792. 4 Tomi 8. Beide mehr Sammler als gelehrte Forscher. Aus der latainischen Kirche: Hilarius Pictaviensis (um die Mitte des 4. Jahrh.) Commentar. in evang. Matihaei. Opp. ed. Oberthür. Wirceb, 1785. T. III. — hat Origenes stark benuzt. Hieronymus, Comment. in Matthaeum. Opp. ed. Vallarsi Tom VII. P. 1, Vened, 1766 ss. Augustinus De consensu evangelistarum libri IV; Desermone Ro- mini in monte libr, II; Quaestiones evangeliorum Uhr. II; Quaestio- num XVn in ev. sec. Matthaeum. Opp, ed, Bened, Tom, III; ed. MigneT.IIIu.IV. Aus dem Mittelalter: Reda Venerabilis, Comment. in Matthaei evang. libr. IV. Opp. ed. Colon. 1647. T. V. Thomas Aquinas, Comment. in evangg, Matth. et Joann. und Ca- tena aurea in IV evangg. Opp, ed. de Rubeis. Vened. 1745 ss. T.ÄIVn,ÄV. Aus der Reformationszeit: Mart, Luther' s Auslegungen zum Matthäus — in Bd. VII der Walch'- schen und Bd. XLIII— XLV der Erlanger Ausg. seiner Werke. Mart, Rucer, Enarratio in IV evangg, Argentor. 1527 u. ö. Jo. Calvini Comment. in harmoniam ex tribus evv. Matth. Mard et Lucae compos. Genev. 1553 u. ö., zulezt ed. Tholuck, Halle 1836. 2 Tomi 8. Henr. Rullinger, Comment. in IV evangg. Tiguri 1561. Theod. Reza, Annotatt. majores in N. Test. Genev, 1565. Aus der katholischen Kirche: Erasmus Reter od. Annotatt. in N. Test. Rasil, 1516 und Paraphra- sis in N. Test. Basti. 1517 u. ö. Maldonatus, Commentarii in IV evangg. 1596. Neueste Ausg. Mainz 1852. Exeget. Literatur. 49 Jansenius, Comment. inharmoniamevangg. LeydenJ589, zalezt 1825. Cornelius a Lapide (Jesuit 1 1637) Commentarii in IV evangg. Antwerp, 1636 u. ö., zulezt Lyon 1838, Aus dem 17. u. 18. Jahrh. verdienen Erwähnung die AnnotaUones von Joh. Drusius 1612; u. von Hugo Grotius 1641\ die Ohserva- tiones von Jac. Cappellus 1656 (alle drei auch in den Critici sacri)-, Abrah. Calovii Bihlia Novi Test, iiltisir. T. I. Lips. 1719; Jo, Chrp, Wolf, Curae philoL et crit in IV evangg, Hamb. 1725; ed, III, 1739; Gtfr, Olearius Ohservatt, sacrae in ev. Matth, Lips, 1713; Jac. Eisner, Comment, crit, philoL in ev. Matth, Utr, 1767; und J, A. ß enget, Gnomon Novi Test. mb. 1742, ed, III 1773. 4.; Keue Ausg. von Steudel 1835. 2 Bde. 8, zulezt Berlin 1854. Die neuere Zeit eröffnete H. Eb. G. Paulas, philoL krit. u. histor. Commentar üb. d. N. Test. Th. 1—3 die drei erstell Evangg. 1800. 2. A. 1804. Neu bearbeitet als: Exeget. Hdb. ttber die drei ersten Evangg. 3Thle. 1830—33 (natürliche Wundererklärung). Dann folgten Chr. G. Euinoel, Comment. in Ubros hist. N. T Vol. I, Ev. Matth, Lips. 1807, ed. IV. 1828 (philologisch u. theologisch schwach). C. F. A. Fritzsche, Quatuor evangg. recens. et c. comment. perpetuo edid. T. I Ev. Matthaei. Lips. 1826 (einseitig philologisch). Herrn. Olshatcsen, Bibl. Commentar üb. sämmtl. Schriften des N. T. Erster Bd. : die 3 ersten Evangg. bis zur Leidensgeschichte. Königsb. 1830. 3. A. 1837. 4. A. revid. v. Ebrard 1853. Die Leidensgeschichte im 2. Bde. synoptisch nach den 4 Evangg. (theologisch anregend). H. Aug. W. Meyer, Kritisch exeget. Komm^tar über das N. Test. Erste Abth. auch unter dem Titel: Kritisch-exeget. Hdb. üb. das Ev. Matth. Gott. 1832. 6. A. 1876 (philologisch bedeutend). Conr. Glöckler, die Evangg. des Matth., Mark. u. Luk. in Ueberein- stimmung gebracht. Frkf. a. M. 1834. 2 Thle. W. M. Lebr. de Wette, Kurzgef. exeget. Handbuch zum N. T. Bd. I Th. 1. Evang. Matth. Leipz. 1836. 4. A. bearb. v. H. Messner. 1857. L. Fr, 0. Baumgarten- Crusius , Comment. über das Ev. des Matth., hrsgg. von J. C. Theod. Otto. Jena 1844. Hevnr. Ewald, die drei ersten Evangg. übersetzt u.erkl. Gott. 2.A. 1871. Fr. Bleek, Synopt. Erklärung der drei ersten Evangg., hrsgg. v. Hnr. HoUzmann. Leipz. 1862. 2 Bde. H. Sevin, Synopt. Erklärung der drei ersten Evangg. Wiesb. 1873 (nur Compilation). Bemh. Weiss, das Matthäusevangelium u. seine Lucas-Parallelen er- klärt. Halle 1876. Joh. Wichelhalts, Akadem. Vorlesungen über das N. Test. Bd. II; das Evang. Matthäi; hrsgg. u. ergänzt von Dr. Ad. Zahn. Halle 1876. In die Erklärung der Evangelien schlagen ein die neueren Schriften über das Leben Jesu, von welchen folgende als die wichtigsten zu nen- nen sind: Dav. Friedr, Strauss, das Leben Jesu kritisch bearbeitet. Tüb. 18^5. 2 Bde. 4. A. 1840. (Versuch, das Leben Jesu in Mythen aufzulösen). Keil, Comm. z. Evangel. Matth. 4 50 Einleitung. §. 5. Dagegen erschienen: Wilh, Hoffmann, das L. J. kritisch bearb. t. D. Fr. Strauß; geprüft fttr Theologen u. Nichttheologen. Stuttg. 1886. /. E, Oslander, Apologie des Lebens Jesu. Tüb. 1837, u. A. Thohck, die Glaubwürdigkeit der evang. Geschichte. Hamb. 1837. (1858). — Aug, Neander, das Leben Jesu Christi in sein, geschichtl. Zusam- menhang u. sein, geschichtl. Entwickelung dargestellt. Hamb. 1837. 4. verb. Ausg. 1845. 5. A. 1852. und 0. Krabbe, Vorlesungen üb. das Leben Jesu. Hamb. 1839. Chr. Herrn. Weisse, die evang. Geschichte kritisch u. philosoph. bear- beitet. Leipz. 1838. 2 Bde. (Mythus, Allegorie u. Geschichte amal- gamirend). Bruno Bavsr, Kritik der ev. Gesch. des Johannes. Brem. 1840. Kritik der ev. Gesch. der Synoptiker. Leipz. 1841. 2 Bde. Kritik der ev, Gesch. der Synoptiker u. des Johannes. Braunschw. 1842. Kritik der Evangg. u. Geschichte ihres Ursprungs. Berl. 1850. 3 Bde. (sucht Strams zu überbieten\ /. Peter Lange, das Leben Jesu nach den Evangelien dargestellt in 3 Büchern. Heidelb. 1844—47 (5 Bde.). Ernest Renan, ViedeJisus. Par.1863. Ed. 13. 1867. Auch für da« Volk bearbeitet. Ins Deutsche flbersezt. Leipz. 1863 u. ö., und: das Leben Jesu für das Volk von Renan. Berl. 1864 u. ö. Dagegen er- schien: ^^191. de Pressense, JSsm-Christ, son temps, sa vie, son Oeuvre. Par. 1865. Deutsch v. Fabarius. 1866. Da». Fr. Strauss, das Leben Jesu für das deutsche Volk bearbeitet. Leipz. 1864. 3. A 1875. Dan. Schenkel, Charakterbild Jesu. Wiesb. 1864. 4.umgearb.A. 1873; u. ein Auszug im Bibellexicon IH S. 257- 300. — Vgl. über diese 3 Werke: Luthardt^ die modernen Darstellungen des Lebens Jesu. 2. A. Leipz. 1864. und Mar. v. Engelhardt, Schenkel u. Strauß. Zwei Zeugen der Wahrheit. Ein Beitrag z. rechten Verst&ndniß n. zur Ermittelung des Werthes ihrer neuesten Schriften über das Le- ben Jesu. Erlang. 1864. — Eine scharfe, ziemlich derbe Kritik sämtlicher modernen Darstellungen des Lebens Jesu lieferte /. H. A. Ebrard, Wissenschaftl. Kritik der evangelischen Geschichte. Frkf. a. M. 1842; 3. gänzl. umgearb. Aufl. 1868. Das von Christ. Carl Jos, Bunsen vorbereitete Lebensbild von Jesu ist in seinem Bibelwerke Bd. IX durch Hoitzmann veröffentlicht wor- den unter dem Titel: Die Bibel in der Weltgeschichte oder Jesus von Nazareth. Ein Lebensbild. Leipz. 1865, und scheint an Schleier^ macher's Vorlesungen über das Leben Jesu, zulezt 1832 in Berlin ge- halten, aus seinem Nachlasse von Rütenick, Berl. 1864 herausgg., an- geschlossen, nach Hose's Urteil „mit derselben Vorliebe u. Vertrauens- sicherheit für das Johannesevangelium, mit demselben sinnigen Schwanken zwischen Natürlichem und Uebematürlichem ; dazu noch unfertig, manches höchst ausführlich, andres nur angedeutet.^^ Endlich hat Theod. Keim die rein menschliche Entwickelung Jean aus dtü synoptischen Evangelien mit g&nzlicher Beseitigung des Johan- Exeget. Literatur. 51 neseyangeliums darzustellen unternommen; zuerst in 2 Schriftchen: Die menschl. Entwicklung Jesu Christi. Ztlr. 1861. Die geschichtl. Würde Jesu. Zur. 1864. Beide umgearbeitet verbunden in 2. Aufl.: Der geschichtl. Christus. Zur. 1865. 3. A. 1866; sodann in einem umfäng- lichen Werke: Geschichte Jesu vonNazara in ihrer Verkettung mit dem Gesammtleben seines Volkes frei untersucht u. ausführlich erzählt. Zur. 1867— 72, in 3 Bden.; endlich in kürzerer Fassung: Geschichte Jesu nach den Ergebnissen heutiger Wissenschaft für weitere Kreise übersichtlich erzählt. Dritte Bearbeitung. 2. vielf. veränderte, mit krit. Schlußwort vermehrte Aufl. Zur. 1875. — Hiezu hat Carl Wittichen unter dem Titel: „Das Leben Jesu in urkundlicher Darstellung, eine kritische Bearbeitung der Evangelien nach Marcus, Matthäus u. Lucas mit Einleitung u. Erläuterungen^' Jena 1876 geliefert, in welcher der Verf. aber das Leben Jesu nicht — wie der Titel vorgibt — in urkund- licher Darstellung, sondern nach einem durch Ausscheidung aller wun- derbaren Züge der evangelischen Geschichte, selbst der Erankenhei- Inngen, und vieler geschichtlichen Data, die ihm unpassend erscheinen, castrirten und beliebig gemodelten Texte der synoptischen Evangelien in deutscher üebersetzung componirt hat. — Schließlich ist noch zu erwähnen: Karl Hase, Geschichte Jesu; nach akadem. Vorlesungen. Leipz. 1876 — die Ausführung des in „das Leben Jesu. Ein Lehrbuch zunächst für akad. Vorlesungen. Leipz. 1829. 5. A. 1865" entworfenen Grundrisses. In §. 19 u. 20 der Gesch. Jesu gibt H. eine lichtvolle, lehrreiche Uebersicht der Darstellungen des Lebens Jesu in alter und neuer Zeit. Außerdem sind noch zu beachten: Karl Wieseler, ChronologischeSynopseder vier Evangelien. Hamb.1843^, und desselben Beiträge zur richtigen Würdigung der Evangelien u. d. evang. Geschichte. Gotha 1869. Joe. Lichtenstein, Lebensgeschichte des H. Jesu Christi in chronol. Uebersicht. Erl. 1856. H, Sevin, Chronologie des Lebens Jesu. Wiesb. 2. A. 1874. AUSLEGUNG. Von der Gheburt und Kindheit Jesu Christi. Cap. I u. IL Aas der Kindheit Jesu Christi hat Matthäus nur die Thatsachen in sein Evangelium aufgenommen, welche ihm geeignet erschienen, die Ueberzeugung zu begründen, daB Jesus sowol durch seine Abstammung als auch durch die wunderbaren Umstände vor und nach seiner Geburt als der im A. T. verkündigte Messias erwiesen worden; nämlich die Genealogie (1, 2—17), die wunderbare Empfängnis und Geburt Jesu von einer Jungfrau und in Bethlehem (I, 18 — 25), die Ankunft der Weisen aus dem Morgenlande, um Jesu als dem Heilande der Völker bald nach seiner Geburt zu huldigen (II, 1—12) und die Bewahrung des Eändes Jesus vor den Nachstellungen des Herodes durch die Flucht Josephs mit dem Kinde und seiner Mutter nach Aegsrpten und nach der Eük- kehr von dort durch seine Auferziehung in dem galiläischen Städtchen Nazaret (II, 13—23). Cap. I. Abstammung und Geburt Jesu Christi V. 1. Ueherschrift^ „Buch der Geschichte Jesu Christi, des Sohnes Davids des Sohnes Abrahams.'' BlßZog ysvdcsoog, anerkanter- maßen dem nHVin ^fio Gen. 5, 1 (ßlßXog yavioscog LXX vgl. 2, 4) ent- sprechend, übersezt Hieron, richtig liber generationis , minder gut Luther im Hinblicke auf v. 18: „das Buch von der Geburt; und von Beza u. Calvin ab fast alle Neueren bis auf Weiss herab: Ursprungs- buch, obwol Calvin, Flac. u. A. noch richtig liber generationis über- setzen, aber diese Uebersetzung in catalogus seu enumeratio majorum Jesu umdeuten. An sich zwar bedeutet yiveoig sowol transit. genera- Uo, Erzeugung, Schöpfung, nach dem obsoleten /eVco, yslv(D=ysvpda}, als intrans. Entstehung, Ursprung, Geburt; ganz unerweislich ist da- gegen für ßlßXog yeviaeojg die Bed. von ysvsaXoyla, Geschlechtsregi- ster, und die Deutung: catalogus nwjorum Jesu. Zwar folgt von 1) lieber die dem Evangelium in den Handschriften nhd Ausgaben vorge- sezte üeberschriffc EvayyiXtoy »«ra Max^aXov s. oben S. 16. Matth. 1, 1. 53 V. 2—17 das Verzeichnis der Vorfahren Jesu; aber dasselbe ist an vhv ^Aßgadfi angeschlossen, und mitgeteilt als Beleg dafür, daß Jesus ein Sohn Abrahams, des Stammvaters der Israeliten und des Königs David war. Und daß Matthäus mit der Genealogie v. 2— 17 nicht die ydvsaig "Ivjö, Xq. erzählen will, das beweist unstreitig die üeberschrift v. 18, mit der er den Bericht von der yiveöiq Jesu einleitet. — Die richtige Bed. von ßlßXoq yeviaecog läßt sich nur aus Gen. 5, 1 vgl. mit 2, 4, wober Matth. den Ausdruck genommen, und dem constanten Gebrauch des hebr. nnbin in der Genesis entnehmen, n^iin nur Gen. 2, 4 u. 5, 1 durch den Sing, yivsöig, sonst im Plural ysvsai oder ysviöeig über- sezt, bezeichnet nicht die Ahnen, von welchen jemand abstamt, sondern die Generation desselben, die Söhne, Enkel u. s. w. d. h. die Geschlech- ter, die von ihm ihre Abstammung herleiten. Die ßlßXog ysvdascog ^Addfi Gen. 5, 1 enthält die Geschlechter, die von Adam durch Seth bis auf Noah herab gezeugt worden sind; die yeviösig Noah's sind seine Söhne und die von diesen abstammenden Geschlechter u. s. f. Wie aber schon in die genealogischen Verzeichnisse kurze Nachrichten über das Leben einzelner berühmter Männer aufgenommen wurden, so sind in der Genesis nicht nur die Geschlechtsfolgen, sondern auch denkwürdige Ereignisse aus dem Leben der Urväter unter die t^'i^n derselben mit befaßt worden; und in Gen. 2, 4—4, 6 ist sogar die Geschichte der Protoplasten im Paradies mit dem Sündenfall, das Leben Eains und Abels und das Geschlecht der Kainiten unter die üeberschrift nnbin n|« yjKm D^Ätsrt avTi] ^ ßlßXog ysviösog ovgavov xäl yijg gestelt; und in Gen. 37, 2 heben die ysviöeig (n^iVtn) Jakobs nicht mit der Genea- logie Jakobs an, sondern gleich mit der Erzählung der Geschichte Josephs, dessen Abstammung von Jakob schon vorher berichtet war. In dieser weiteren Bedeutung, womachy^j^eöf^ dem hebr. M^iri entsprechend nicht blos die Erzeugung von Kindern, sondern zugleich das bezeichnet, was ein Mann im Leben hervorbringt, schaffend wirkt, will ßlßXog yBviCBcog auch hier verstanden sein. Da nun in solchen Zeugungen und Hervor- bringungen die Vollziehung der Lebensaufgabe besteht, die Geschichte des Menschen verläuft (vgl, Hof mann, Weißag. u. Erfüll, n S. 37 f.), 80 läßt sich ßlßXog ysviöscog deutsch nicht passender als durch Ge- schichte ausdrücken. Demnach hat Matth. weder blos die nachfolgende Genealogie, noch blos Cap. 1 u. 2: ßlßXog ysvdoscog ^tjö. Xq. über- schrieben, sondern sein Evangelium oder die Darstellung des Lebens Jesu Christi von der Geburt an bis zur Himmelfahrt , indem er nicht blos den Ausdruck ßlßXog yavia, aus Gen. 5, 1, sondern mit dem Aus- drucke auch den Begriff aus der Genesis genommen hat; doch nicht um damit nur anzudeuten, ,daß er ganz die theokratische Weise der Ge- schichtschreibung befolgen und die Geschichte Jesu als Ausführung sei- ner Genealogie betrachten wolle' (Ebrard, wiss. Krit. S. 116), sondern um das Leben Jesu Christi in eine Parallele mit dem Leben Adams zu stellen, um anzudeuten, daß wie von Adam durch Zeugung nach seinem Bilde alle Geschlechter der Erde seine Sünde überkommen haben und durch die Sünde dem Tode verfallen sind, so von Jesu, dem vom heili- 54 Mattb. 1, 1. gen Geiste ^zeugten and von der Jungfrau Maria empfang^ien uni geborenen Christus ein neues aus dem Geiste geborenes Geschledit ge- zeugt wird, welches von der SOnde und dem Tode erlöst das ewige Le- ben ererbt. — Bedeutsam ist der Doppelname ^rjöov Xqiotov hier u. v. 18. Mrc. 1, 1 u. Joh. 1, 17 im £ingange der Evangelien, sonst nicht weiter in den Evangelien. Als Eigennamen sind beide Worte ohne Artikel ge- braucht, und die Verbindung besagt: Jesus welcher Christus ist und heißt, vgl. V. 16 mit c. 16, 20 u. 22, 42. Ir^öovg hebr. ?w;, die später für $^in*] in Gebrauch gekommene Form, bed. Jahve ist Heil, als Personname den, an dem oder durch den Jahve Heil verwirklicht oder verwirklichen möge; ein bei den Juden häufiger Name, dessen Inr halt in Christo zur vollendeten Erscheinung gekommen ist (Mey,).^ XQcöTog ist die griech. Uebersetzung des hebr. n*^^^ Gesalbter, tdls von Priestern (Lev. 4, 3. 5, 16. 6, 15. Ps. 105, 15), teils von Könige (1 Sam. 24, 7. 11), namentlich von David (Ps. 18, 51. 20, 7 u. a.) ge- braucht, sodann speciell von dem Könige aus dem Geschlechte Davidfl, den Gott seinem Volke erwecken und mit Macht und Herschaft über die Völker bekleiden werde, Ps. 2, 2 vgl. Dan. 9, 25 f., wodurch n*^a, aram. »n-^u)» griech. Meöolag zum Eigennamen des von den Propheten verkündigten Königs der Zukunft ausgeprägt wurde, durch welchen Gott sein in Israel gegründetes Reich in Herrlichkeit vollenden werde. So wurde XQiorog (MeöoLag) Amtsname des in der Person Jesu erschiene- nen Eetters und Heilandes des Volkes Israel und aller Völker, und wird in der Apostelgesch. u. den apostol. Briefen häufig, nach Art dar Eigennamen mit und ohne den Artikel, als solenner Name des Erlösers gebraucht, während in den Evangelien, welche die geschichtliche Ent- wickelung der Offenbarung Jesu als des von den Propheten verkündig- ten und von den Frommen in Israel erwarteten Messias erzählen (vgl. 16, 16 u. 20), XgiOTog als Eigenname mit ^Irjaovg verbunden nur in den Ueberschriften (Mtth. 1, 1. 18. Marc. 1, 1) und im Eingange des Ev. Joh. 1, 17 vom Staudpunkte der vollendeten Thatsache aus ge- braucht wird. — Wichtig für die richtige Auffassung des Inhaltes und Zweckes unsers Ev. ist die Apposition zu ^Itjoov Xg. : vlov Aavtö vlav 'Aßgadfi, die Luther richtig faßt: „der da ist ein (richtiger: der) Sohn Davids des Sohnes Abraham'^ Nach der prophetischen Verheißung solte der Messias ein Sohn (Nachkomme) Davids sein. Ohne die Ab- stammung von David wäre Jesus vom Volke nicht als Messias anerkant worden, vgl. Joh. 7, 42. Rom. 1, 3. Act. 13, 22 f. 11.5 l? heißt der Mes- sias vorzugsweise Mtth. 12, 23. 21, 9. 22, 42. Luc. 18, 38. vlov 'Aßg. ist nicht Apposition zu Aavtö i Sohnes Davids und Sohnes Abraham (de W.y Wichelh, u. A.), sondern von Aavtö abhängiger Genitiv. Nicht Jesum , sondern David bezeichnet Matth. als Nachkommen Abrahams, weil die Verheißung mit Abraham begint (Gal. 3, 16), Abraham der 1) Vrf. Fraiiz Delitzsch^ der Jesus-Name, in d. Ztsohr. f. die Luth. Theol. u. Kirche XXXVn (1876) S. 209 ff. Mattii. I, 2—6. ^ Stammvater des Volkes ist, aus dem der Heiland der Völker erstehen solte. Mit der Bezeichnung Jesu Christi als Sohn Davids, des Sohnes Abrahams deutet Matth. schon in der Ueberschrift an, daß er in seinem Evangelium Jesum Christum als den von den Propheten verheißenen Davids-Sohn, durch welchen die dem Patriarchen Abraham gegebenen Verheißungen erfüllet worden, darzustellen beabsichtige. Anders Lucas u. Johannes s. oben S. 5 ff. V. 2—17. Geschlechtsregister Jesu Christi; vgl. Luc, 3, 23—38. Die folgende Genealogie ist in 3 Beihen von je 14 yspsoL oder 3 Tes- sarodekaden gegliedert: 14 Geschlechter von Abraham bis David, 14 von David bis zur Wegführung nach Babel und 14 von da bis auf Je- sum (vgl. V. 17). Die erste Reihe zeigt den verheißenen Samen Abra- hams in aufsteigender Entwickelung bis zum Königtume Davids ; die zweite die Entfaltung des Königtumes von Salomo bis Jechonja, der ins Exil abgeführt wurde und in Babel starb; die dritte die Erhaltung des Samens Davids in seiner Erniedrigung bis auf Jesum, den Wurzel- schößling aus dem abgehauenen Stamme Isai's (Jes. 11, 1), welcher als XQiöToq xvQiog den Thron seines Vaters David wieder aufrichtet und ein Königreich ohne Ende gründet (Luc. 1, 32 f. 2, 11). Diese Glie- derung der Genealogie rührt von Matthäus her. Denn daß er nicht ein schon fertiges Geschlechtsregister einfach in seine Schrift aufgenom- men, sondern dasselbe für den Plan seines Evangeliums selbständig ans dem A. T. und andern Urkunden angefertigt hat, das ergibt sich unzweifelhaft sowol aus den, einzelnen Geschlechtsgliedern beigefügten Notizen über Brüder und Frauen, als auch aus der Weglassung ver- schiedener Zwischenglieder in der zweiten und dritten Reihe, um die Zahl der ersten Reihe nicht zu überschreiten. Die Einteilung der gan- zen Genealogie in drei Reihen ergab sich einfach aus den drei Ent- wiokelungsstadien, welche die Verheißung von Abraham bis auf Chri- stum durchlief, und die Zahl 14 daraus, daß nach den Urkunden des A. T. der Zeitraum von Abraham bis David mit 14 Geschlechtern aus- gefOlt war. Dieser Zahl hat Matthäus, nach der im A. T. befolgten Sitte, längere genealogische Reihen durch Weglassung minder wichtiger Zwischenglieder zu verkürzen, die Geschlechter der beiden folgenden Beihen conformirt, um durch die so dargestelte Gleichmäßigkeit der drei Reihen anzudeuten, daß die Zeit der Erscheinung Christi von Gott geordnet und bemessen war, und Christus geboren wurde, ors r^Xd-BV To jcXfJQOfia Tov xQOi^ov, wie Paulus Gal. 4, 4 sagt (vgl. ffofin. Weiss, u. Erf. II S. 44). V. 2—6. £rsie Reihe der Geschlechter. In v. 2 ist zu tov ^lovöav hinzugesezt: xal rovg dösJigxyvg ovtov, anzudeuten, daß die Ver- heißungen der ganzen Nachkommenschaft Jakobs galten. Promissiones fuere infamilia Israelis. Beug, — Die yBveal v. 3—6 stimmen mit 1 Chr. 2, 4—12 u. Rut. 4, 19—22 überein. Die Zwillingssöhne Juda's waren unehelich, in Blutschande mit seiner Schwiegertochter Thamar erzeugt, Gen. 38, 16-30. 'Agä^ nach LXX für P"; Ram. SaX/icip nach LXX für n»b«3 oder &<^^V9 neben yi'oh^ü Roi. 4, 20. 21. ix v^g 56 Matth. I, 5—6. ^Paxaß findet sich im A. T. nicht, weder Rut. 4, 21 noch 1 Chr. 2, 11. Gemeint ist sicher die Jos. 2, 5 ff. erwähnte Hure Rahdb, obwol deren Name dort wie in Hebr. 11, 31 n. Jak. 2, 25 "^Padß geschrieben ist. Die Nachricht, daß Salmon dieselbe geehelicht habe, ist aus der Tra- dition geschöpft. Die Schwierigkeit aber, daß Bahab die Zeitgenossui Josoa's, Gattin des Sohnes des Stammfärsten Nahasson (Num. 2, 3) ge- worden und die Mutter des Boas gewesen sein soll, erledigt sich einfiach dadurch, daß in der aus Rut 4, 18 ff. entnommenen Genealogie Zwi- schenglieder übergangen sind (s. meinen bibl. Oomm. z. d. St.); und Salmon der Sohn des 4 Mos. 2, 3 erwähnten Nahasson kann bei der Eroberung Jericho's schon gegen 50 Jahr alt gewesen sein, da Nahas- son, im zweiten Jahre des Auszugs aus Aegypten als StammfOrst Jnda's erwähnt, damals gewiß ein Mann von 60 Jahren war, und einen Sohn (Salmon) von 10 Jahren haben konte. — V. 6. David wird durch den Beisatz rov ßaoiZia als ein Epoche machendes Glied der Genealogie hervorgehoben. Der Artikel vor dem nomen propr., dem eine articu- lirte Apposition folgt, ist hier nicht demonstrativisch vorgesezt (Mey. nach Kühneres ausführl. Gramm. 11 S. 520), sondern nur der Gleichför- migkeit wegen, indem der Name des Erzeugten immer den Artikel hat Ebenso bei Ycööt/^) v. 16. Mit David trat die messianische G^schlechts- linie in die Königsnmrde ein, daher auch b ßaöiXevg mit Nachdruck hinter Aavtd wiederholt wird, hx ri^q rov Ovglov vom Weibe des Urias. Durch den elliptisch gebrauchten Genitiv r^g wird das Abhän- gigkeitsverhältnis als ein bekantes vorausgesezt; vgl. Winer Gramm. S. 178 f. der 7.A. — Die Erwähnung der vier Frauen (Thamar, Bahab, Buth und Bathseba) in dem Stammbaume Christi, gegen die jüdische Sitte, Frauen in den Genealogien aufzuführen, ist bedeutsam, aber die Bedeutung nicht darin zu suchen, daß diesen Frauen sittliche Makel anhafteten und in der Erwähnung dieser Sünderinnen die Andeutung läge, daß durch Sünde hindurch die sündlose Geburt Jesu von der Maria vorbereitet sei. Denn abgesehen davon, daB die Buth sittlich unbescholten war, so wird auch bei der Bahab im N. T. nicht das un- sittliche Gewerbe , das sie ehedem getrieben hatte, sondern die Auf- nahme der israelitischen Kundschafter als ein Werk des Glaubens, wo- durch sie Gerechtigkeit erlangte, hervorgehoben- (Hebr. 11,31. Jak. 2, 25). Und bei der Thamar war es die dem Weibe natürliche Sehn- sucht, Samen d. h. Kinder zu erlangen, die sie zu dem unsittlichen Mittel, diese Sehnsucht zu befriedigen, greifen ließ; die Buth aber ver- ließ im Glauben an den Gott Israels das Land ihrer Väter, um ihrer Schwiegermutter nach Bethlehem zu folgen. Daher genügt es auch nicht, den Grund der Aufnahme dieser Frauen in das Geschlechtsregi- ster Jesu (mit de W,, Mey,, Weiss u. A.) darin zu suchen, daß diesel- ben auf außerordentliche Weise in den Beruf, die Geschlechtsreihe für den künftigen Messias fortzuführen, eingetreten waren und deshalb dem Evangelisten als iypi Mariae erschienen, sondern wir müssen hinzu- nehmen, daß sie um ihres gläubigen Vertrauens auf Gott den Herrn willen gewürdigt wurden, zur Verwirklichung der göttlichen Ver^ Matth. I, 7—10. 57 heiBnng mitzuwirken, und aus diesem Grunde von Matthäus in der Ge- schlechtslinie Christi erwähnt sind. V. 7—11. Zweite Ä^Ä^ der Geschlechter. Dazu vgl. 1 Chr. 3, 10—16. Zwischen ^Icogdfi und t)^lav (=Usia) v. 8 fehlen drei Könige: Ahasja, Joas und Amazja (1 Chr. 3, 11 f. 2 Kön. 8, 24 u. 12, 1. 22), auch in Y. 11 fehlt Jojakim zwischen Josia und Jechonja. Um die Zahl von 14 Gliedern, gleich der ersten Eeihe nicht zu überschreiten, mußte Matth. in der Geschlechtsfolge der Könige Juda's vier Glieder übergehen. Warum er aber die drei genanten weggelassen hat, hievon ist der Grund nicht sicher zu erkennen. Die Meinung, daß er sie als Nachkommen der Heidin und Götzendienerin Isabel aus Mangel an theokratischer Legalität, weil er sie der theokratischen Thronfolge für unwürdig ge- halten, ausgeschlossen habe (Lightf., Ehr, Riggenh. u. A.), ist mit der Anschauung vom A. Test., welche Matth. in seinem ganzen Evangelium bekundet, unvereinbar. Hätte sich der Evangelist durch die Rücksicht auf den Götzendienst bestimmen lassen, so würde er statt des Joas und Amazja wol eher Ahas und Manasse ausgelassen haben. Eben so wenig kann der Grund der Auslassung in der Aehnlichkeit der Namen '0;^og/a$ (LXX 2 Chr. 22, 1 für Ahasja) und 'OC^laq (üsia) liegen (Paul, Fritz. u. A. ^), also auf einem Versehen beruhen oder, wie Mey, sich ausdrükt, nicht als bewußt zu betrachten sein, weil sie widrigenfalls mit Uaöai V. 17 streiten und auf eine Fälschung hinauskommen würde. Denn näoac ist v. 17 nicht absolut, sondern relativ zu fassen und der Ge- danke an Fälschung wird schon dadurch ausgeschlossen, daß Verkür- zungen von Genealogien durch Auslassung von Mittelgliedern bei den Juden üblich waren. So sind z. B. in der Genealogie Esra's (Esr. 7, 3) 1) Gegen die Annahme, daß die Weglassung durch Abirrung des Auges von Vxo^iag auf das ähnliche 'O^lag entstanden sei, macht Weiss S. 76 Anm. 2 mit Becht ^Itend, daß, wenn wie warscheinlich eine BenutzuDg der Chronik statt- fand, die Auslassung nicht auf diese Weise entstanden sein kömie, weil die LXX 1 Chi. 3, 12 n-^-tr (— üsia) nicht durch 'OClae, sondern durch 'ACagias wieäei- geben. Da sie aber in 3, 11 irr^Tr« nicht durch üxo^iag, sondern durch 'OClccs gegeben haben, wie nach Mai u. der ed. Rom von 1870 auch der Vatic. liest, so memt W. , daß diese Verwechslung für den Evangelisten, der sie schon in den LXX vorfand, sehr leicht der Anlaß werden konte, von dem hier VCias genan- ten Ahasja gleich &xd den Sohn und Nachfolger des üsia (Asarja), der sonst V^ias heißt (vgl. Jes. 1, 1) überzugehen. Aber „sehr leicht" können wir diese Vermutung nicht finden, da in der von dem Evangelisten benuzten Genealogie des Chronisten der König Usia unter diesem Namen (VCicte) gar nicht vorkomt, nnd Matthäus doch sicher mit der Geschichte der Könige Juda nicht so unbe- kant war, daß er von den Königen Joas und Amazja nichts gewußt haben, son- dern den König üsia für den Sohn und Nachfolger Jorams gehalten haben solte, selbst wenn der Schreibfehler VCing 1 Chr. 3, 11 schon in seinem Exemplare der LXX fi^estanden wäre. Ganz verfehlt ist aber die andere Vermutung von Weis'f, daß Abasjai Joas u.- Amazia sämtlich ermordet wurden (2 Kön. 9, 27. 12, 22. 14, 19), und so die yBve« des Ahasja auf dem natürlichen Wege erst abgelöst wurde, als üsia mit seinen Vätern entschlief und ihm sein Sohn Jotham folgte (2 Kön. 15, 7)", da es sich bei Genealogien ja nicht um die Ablösung der Ge- schlechter auf natürlichem Wege, sondern um die Aufdnanderfolge derselben handelte. 58 MattL 1, 11. sechs Glieder übersprungen, um die Genealogie abzukürzen. Y^^. Su- renhus. BißXog xaraXXay. Amst 1713p, 97. — In v. 11 fMtJojOr kirn, dessen Sohn Jechonias war. Auch diese Auslassung ist weder daraus zu erklären, daß unter Jojakim das Land unter fremde Bot- mäßigkeit kam (2 Eon. 24, 4), also das theokratische Königsrecht er- losch (£br.)^ noch aus einer Verwechselung der Namen ^Icoaxelfi und ^hxovlav 1 Chr. 3, 15. 16 (de W., Mey. u. v. A.). Für die leztere An- nahme hat man zwar geltend gemacht, daß wol von Jojakim mehrere Brüder genant werden (drei, s. iChr. 3, 15), aber nicht von Jechamas» Allein gegen eine Verwechselung der Namen spricht entscheidend schon der zwiefache Umstand, daß a. die Zeugung Jojakims nicht ixl xijg (iBTOixeolag während der Wegführung nach Babel, sondern Tor der- selben, vor dem Erscheinen Nebucadnezars in Juda stattfand; b. daß in Y. 12 die Genealogie mit der Zeugung Jechonja's fortgeführt wird, folglich nach der ganzen Anlage des Geschlechtsregisters in v. II schon Jechonias erwähnt sein muß. ^ Der wahre Grund der Weglassung Joja- kims ergibt sich aus der richtigen Auffassung der Worte: kyipvriOBV... BJtl r^q fiSTOix, B er zeugte während (zur Zeit) der Uebersiedelung nach Babel, fieroixsola dem hebr. nbiü entsprechend bed. Wegführung ins Exil, lieber den Genitiv BaßvXcivog nach Babel vgl. Winer Gr. S. 176. Mit eyivvTjOB xrX. ist natürlich nicht gesagt, daß das Zeugen gleichzeitig mit der Deportation erfolgte, sondern wie sich bei einer Genealogie von selbst versteht, daß die Generation, welche Jechonja und seine Brüder bilden, in die Zeitepoche fält, welche durch die baby- lonische Deportation charakterisirt wird (vgl. Weiss), Nun begann aber die Deportation schon 4 Jahre nach Josia's Tode mit der ersten Einnahme Jerusalems durch Nebucadnezar, bei der nach Dan. 1, 3 schon Jünglinge von königlichem Geblüte, also königliche Prinzen, zunächst wol nur als Geiseln nach Babel abgeführt wurden, und wurde fortgesezt bei der zweiten Eroberung Jerusalems unter Jojachin mit dessen Weg- führung, und vollendet bei der Zerstörung Jerusalems mit der Weg- führung Zedekia's, so daß das ganze von Josia gezeugte Geschlecht in die Zeit des Exils fält, und alle Söhne und Nachkommen Josia's außer Joahas, den Necho nach Aegypten deportirte, und Jojakim der zu Je- rusalem starb, und den königlichen Prinzen, die etwa in den Kämpfen gegen Nebucadnezar fielen, ins Exil nach Babel wandern mußten. 1) Diese Grande könten zwar entkräftet werden durch die von Ew. adoptirfce Goigectar des Epiphaniua, daß die jetzige Gestalt des Textes v. 11 ein alter Schreibfehler sei und v. 11 ursprünglich gelautet habe: 'laoalag Je iyiyyrj^^y Toy *I(oax€ifj. xai zovg ctdeXfpovg avioo' iwaxufA da iyeyyijaey zoy 'I^yorittr ini rfjg (jtexoix, Baß. Aber durch diese Conjectur wird die Gliederung der G^ea- logie in 3 Tessarodekaden zerstört. Denn in diesem Falle mü&te naph Analogie von V. 6 Jechonia zur zweiten Beihe der Geschlechter gezählt werden, wodutdbi diese Beihe 15 Glieder erhalten würde. Die Zeugung Jojachins vonseiten Joja- kims aber zur dritten Reihe zu zählen verbietet die Zeitbestimmung ini zris ^e- roixeaiag Baß. vgl. mit dem folgenden /abtcc rr,y fxetoix, Baß. v. 12, wodurch so deutlich wie nur möglich die uexoixBaia Baß. als Grenzscheide zwischen der zweiten und dritten l^ihe der Geschlechter gesezt ist. Matih. 1, 1?. 69 Wenn also Matth., um die Zahl von 14 Gliedern nicht zu überschreiten, die zweite Reihe von Geschlechtern mit dem Könige schließen weite, der selbst ins Exil wanderte, so mußte er mit Uebergehung Jojakims dessen Sohn oder Enkel Josia's, Jechonias nennen, weil durch diesen das Geschlecht Davids während des Exils fortgepflanzt wurde. Der Zu- satz xal Tovg döeX^ovq avxov, während doch im A. T. leibliche Brü- der Jechonia's nicht genant sind, erklärt sich aus dem weiteren Ge- brauche des hebr. n^ wie des griech. ddeX^oq von Vettern oder nahen Blutsverwandten überhaupt. Erwähnt sind aber die döslipol, um an- zudeuten, daß mit Jechonia das ganze königliche Haus Davids ins Exil wanderte. V. 12—17. Die dritte Reihe der Geschlechter. V. 12. Nach der (erfolgten) Wegführung nach Babel d. i. während des Exils, nicht nach demselben, zeugte Jechonia den Salathiel, Salathiel aber zeugte den Zorobabel. Zorohabel ist im Exile gezeugt, da er nach Esr. 2, 2. 3, 2 u. a. aus dem Exile zurükkehrte. Salathiel wird 1 Chr. 3, 17 neben ^AoIq r^'^y^) auch als Sohn Jechonia's aufgeführt und auch Esr. 3, 2. 5, 2. Hag. 1, 1 so genant; dagegen heißt er Luc 3, 27 Sohn Neri's und £kikel des Malchi, welcher durch die Linie Nathans, nicht Salomo's von David abstamte. Und Zorobabel war nach 1 Ohr. 3, 18. 19 ein Sohn Phedaja's, eines Bruders des Salathiel. Diese Differenzen gleichen sich so aus: Jechonia hatte außer dem 1 Chr. 3, 16 genanten Sidkia, wel- cher kinderlos starb, noch einen Sohn Namens ^AoIq, der nur eine Tochter hinterließ, welche nach dem Gesetze über die Erbtöchter (4 Mos. 27, 8. 38, 8 f.) einen Mann aus dem Geschlechte ihres väter- lichen Stammes heiratete, nämlich den Neri vom Geschlechte Davids in der Linie Nathans. Aus dieser Ehe entsproßten Schealthiel, Malchiram und die übrigen 1 Chr. 3, 18 genanten Söhne, eigentlich Enkel Jecho- nia's. Von diesen trat der älteste (Schealthiel oder Salathiel) in den Erbbesitz seines mütterlichen Großvaters ein und galt nun gesetzlich als dessen legitimer Sohn. Als solcher ist er bei Matth. als von Jecho- nia gezeugt aufgeführt, in der Genealogie des Lukas hingegen nach seiner leiblichen Abstammung als Sohn des Neri. — Die Differenz über Zorobabels Abstammung erklärt sich aus dem Gesetze über die Levi- ratsehe und der Annahme, daß Sahxd-irjX ohne männliche Nachkom- men mit Hinterlassung einer Witwe starb. In solchem Falle lag nach dem Gesetze 5 Mos. 25, 5—10 vgl. Mtth. 22, 24 ff. einem der Brüder des Verstorbenen die Pflicht ob, die Witwe seines Bruders zu heiraten, um dem verstorbenen Bruder Nachkommenschaft zu erwecken; und der erste in dieser Schwagerehe erzeugte Sohn wurde gesetzlich in das Kjreschlecht des gestorbenen Oheim eingetragen und als dessen Sohn verzeichnet. Nach Schealthiels Tode hatte sein zweiter Bruder Phe- dqfa dieser Leviratspflicht Genüge geleistet und in der Ehe mit seiner Schwägerin den Zorobabel gezeugt, der nun in erbrechtlicher Beziehung als Sohn Schealthiels galt und als dessen Erbe sein Geschlecht fort- pflanzte (vgl. m. Comm. zur Chron. S. 57 u. zu Hag. 1, 1). Nach diesem Erbrechte ist Zorobabel bei Matth. wie schon Esr. 3, 2 u« a. als Sohn 60 Matth. 1, 13—16. Salathiels genant, obgleich Salathiels Bruder Phedaja ihn gezeugt hatte. — y. 13ff. Die Geschlechtsglieder vonZorobabel bis auf Joseph herab sind sonst nirgends erwähnt. Der als Zorobabels Sohn genante Abiud findet sich anter den 1 Chr. 3, 19 f. aufgezählten Söhnen Zoro- babels nicht und ist warscheinlich nicht Sohn, sondern Enkel desselben gewesen. — Nach Zorobabel sank Davids Familie zur Niedrigkeit herab. Da jedoch auf ihr die messianische Verheißung der einstigen Wiedererhebung zu königlicher Macht und Herrlichkeit ruhte, so wurde das Geschlechtsregister sorgfältig fortgeführt, so daß die Evangelisten (Matthäus und Lukas) von den Verwandten Jesu Auskunft darüber er- halten und Genealogien Jesu mitteilen konten. ^ — V. 16. Das Ge- schlechtsregister geht herab auf „Joseph den Mann der Maria^'. top ävÖQa nicht den Verlobten, sondern den Ehemann, Gatten, da Joseph bei Jesu Geburt die Maria schon als Eheweib in sein Haus genommen hatte, vgl. V. 24. — Hieraus erhellt klar, daß Matth. den Stammbaum Josephs geben wolte und gegeben hat. Nach v. 20 war Joseph vlög Aavtö Nachkomme Davids. Eben so klar bezeugt aber der folgende Satz: Ig fjq sYSVvfjdTj ^If/öovg^ daß Jesus nicht Josephs leiblicher, von ihm gezeugter, Sohn, sondern nur in der Ehe mit der Maria geboren war, so daß er nach israelitischer oder gesetzlicher Anschauung als sein legitimer Sohn galt. 6 Zeyofisvog Xqiotoq welcher Christus heißt, den Namen Christus führt. Durch diesen Znsatz wird Jesus historisch von andern Personen desselben Namens unterschieden, und kein Urteil über seine Messianität gefällt. Es ist daher wie sachlich verkehrt, in dem Zusätze die Andeutung eines Zweifels, ob Jesus wirklich der Mes- 1) In der Erzählung des Julitut Africanus bei Euseb, h. eccl. /, 7 werden die Stammbäume Jesu ausdrücklich auf die Verwandten desselben zurückgeführt; und nach Hegesipp. bei Eus. Ill^ 11 tl TV, 22 lebten Klopas oder Alvhaeus, ein Bruder des Vaters Jesu, und seine Söhne Jakobus und Simeon, der Nachfolger des vorgenanten, lange in Jerusalem. Das Vorhandensein von Geschlechtsregi- stem des Hauses David läßt sich daher nicht zweifelhaft machen durch den £m- wand von Winer, Bibl. B. W. I, 564: ,In der heruntergekommenen Familie Jo- sephs mochten sich, besonders nach so vielem Unglück, das über Land und Yolk ere^angen war, gar keine schriftlichen Elemente zur Anfertigung eines Ge- scnlechtsregisters bis auf David finden/ Eonte doch der berühmte Babbi Hillel, der zur Zeit Jesu in Jerusalem lebte, nach Beresch. rahha 98 aus einer zu Jeru- salem vorhandenen Geschlechtstafel nachweisen, daß er, so arm er war, von Da- vid abstamme. Auch die Nachricht des Heqesip. bei Euseh. /, 7, daß Kaiser Do- mitian sich Enkel des Judas, des Bruders des Herrn, als Abkömmlinge Davids {(Lg ix yivovg ovtag Javtd) vorführen ließ, liefert einen Beweis daför, daß Ge- nealogien des Geschlechtes Davids existirten. Wir brauchen daher gar kein G^ wicht auf die Angabe des Joseph, c, Ap. /, 7 zu legen, daß die Priester behufis der Anfertigung von Geschlechtslisten aus allen Ländern legitimirte Geburts- scheine ihrer !^der nach Jerusalem schickten, und daß Josephus (vüa $. 1) selbst seinen Stammbaum, wie er ihn iv xatg ^rifxoaLaig deXtoig gefunden habe, mitteilt; obgleich was bei den Priesterfamilien geschah, wol auch bei dem kö- niglichen Geschlechte, aus dem der Messias hervorgehen solte, geschehen sein wird. Dagegen läßt sich auch die Notiz des Jul. AJric. bei Euseb, /, 7, daß der Köni^ Herodes die Geschlechtsregister der Juden habe verbrennen lassen, nicht als eme triftige Instanz anführen, da diese Nachricht, wie schon Wetstein ge- zeigt hat, offenbar nur aus Haß gegen Herodes ersonnen ist. Matth. 1, 17. 61 Sias sei, zn suchen, so sprachlich anstatthaft, dem Xsyofisvog die Bed. genant werden und wirklich sein, vindiciren zu wollen, wie wol oca- Islüd-ai aber nicht X^eöd^at gebraucht wird, vgl. Winer S. 571. — V. 17. Schlußfolgerung (oi)v). Aus den v. 2—16 aufgezählten Namen ergibt sich, daß jede der drei Perioden in 14 Geschlechtern verlief, worauf der Evangelist auteerksam machen will. Diese Summirung komt aber nur dann richtig heraus, wenn man mit Augustin u. vielen Neueren Jechania doppelt zählt, so daß er, als kjtl r^ (leroix. zur Zeit der Uebersiedelung nach Babel von Josia gezeugt, die zweite, bis zur liSTOiX, reichende Epoche abschließt, und weil er nach der Uebersie- delung oder im Exile zeugte, zugleich die dritte Beihe eröffnet.^ Hier- nach ergibt sich folgende Tafel : L IL III. 1 Abraham Salomo Jechonia {fiszä rijq fiezoix.) 2 Isaak Behabeam Salathiel 3 Jakob Abia Serubabel 4 Juda Asa Abiud 5 Perez Josaphat Eliakim 6 Hezron Joram Azor 7 Bam Usia Zadok 8 Aminadab Jotham Achim 9 NahäSBon Ahas Eliud 10 Salmon Hiskia Eleazar 11 Boas Manasse Matthan 12 Obed Ammon Jakob 13 Isai Josia Joseph 14 David Jechonia (ijtl tijg (leroix,) Jesus Eine andere Genealogie Jesu gibt Lukas 3, 23 — 38, die sich von der des Matth. nicht nur darin, dalS sie das Geschlecht Jesu in aufsteigender Linie ver- zeichnet und bis auf Adam zurückfahrt, sondern hauptsächlich dadurch, daß sie von David bis auf Jesum herab ganz verschiedene Namen enthält, wesentlich unterscheidet. Von der Voraussetzung, daß auch Lukas den Stammbaum Josephs geben wolle, die schon Julius Afric. hegte und die in neuester Zeit Hof mann (Weiß. u. Erf. II, S. 35 ff.) wieder geltend zu machen versucht hat, ausgehend hat die neuere negative Kritik aus dieser Verschiedenheit ein Haupt- argument dafür entnommen , daß beide Genealogien nicht aus geschichtlichen Documenten geflossen, sondern willkürlich componirt seien, um den Glauben an 1) Andere weiten David doppelt zählen (Beng^ Fritzsche, de W„ BJeek u. a.). Allein David ist zwar durch das Prädicat o ßa nur andeuten, daß Joseph, der für Jesu Vater gehalten wurde, aber es nicht war, als ein völlig unstatthaftes Auskunftsmittel kritischer Ver- legenheit verwerfen. ,Solte Luk. — so fragt mit Kecht Goclet — so sorgfältig die Beihe von 73 Namen überlie'ert haben, nachdem er durch seine Bemerkung: wie num glaubte, den ersten Bing der langen Eette mit eigener Hand zerbrochen hat. — Welcher vernünftige Mensch könte sich darin gefallen, eine solche Ahnenliste aufzustellen, nachdem er erklärt hatte, daß sie auf keinem realen Grund beruhe. — Wenn eine Kritik, um sich zu halten, den heil. Schriftstellern ein Verfahren zuschreiben muß, von dem man bei keinem verständigen Schrift- steller ein Beispiel findet, so ist sie gewiß an dem Ziel ihrer Entwickelung an- gelangt.' Hiezu komt, daß die Abstammung der Maria von David nicht nur von Justin, Diät. c. Tryph. 23, 45, 100, Iren. ITl^ 21, 5, Jul. Afric. bei Eus. /, 7, TertuTl. u. a. Vätern, auch Apokryphen des N. T. z. B. Protev. Jac. 10. de natiü. Mar, 13 gelehrt, sondern auch imTalmude Chagig. 74, 4 Maria, die Mutter Jesu, Tochter Eli^s genant wird. — Die exegetische Begründung dieser Ansicht ge- hört üi den Comment. zum Lukas ; wir halten die Erklärung von Wieseh (Eeitrr.), und Crodet, daß nach der Lesart des Cod. Alex. u. Sinait. wy vlog ws ipofu^eto '/aiinm. s. Erangel. Matth. 5 66 Matth. I, 22. 23. durch Vergebung und Tilgung derselben die Befreiung von den Sünden- strafen in sich schließt, avrciv auf den Collectivbegriff Xaop bezogen. Der Satz ist nicht sprachliche, sondern sachliche Erklärung des Na- mens: Jesus d. i. Heiland soll er heißen, weil er seinem Volke Heil, Errettung von den Sünden bringen wird. V. 22 u. 23 sind nicht noch Rede des Engels (Weiss nach Chrys., Theoph, Euih, u. A), sondern pragmatisirende Bemerkung des Evange- listen {de W,, BL, Mey, u. A.), wie 21, 4 u. 26, 56 u. in den fthnlichoi Stellen 2, 15. 4, 14 u. a. Dies fordert schon tovto oXov ysy, dies alles ist geschehen, was im Munde des Engels nicht passen würde, weil bis dahin nur das Eine (die Empfängnis oder das Schwangersein der Maria) geschehen war, nicht auch schon die Geburt und Namengebung — die in dem angeführten Prophetenwort mit voraus verkündigt waren. Dagegen kann der Einwand, daß die Bemerkung des Evangelisten nicht so ungeschickt zwischen dem Befehl des Engels und seiner Ausführung stehen würde {Weiss\ nichts verschlagen, weil das „ungeschickt^^ erst zu beweisen wäre. Tovto oXov bezieht sich sowol auf das Ereignis der jungfräulichen Schwangerschaft der Maria als auch auf die Weisung, welche Joseph durch einen Engel darüber erhalten hat. Dies alles ist geschehen, auf daß (oder damit) erfült würde. Xva den Zweck, die Ab- sicht angebend, niemals vom bloßen Erfolge = so daß {Kuin. u. v. Aeltere). jtZfjQOvv erfüllen ein Wort, ein Versprechen, eine Weißagung heißt: das Gesprochene oder Geweißagte verwirklichen. Die Verwirklichung des Geweißagten ist von Gott beabsichtigt. Gott offenbart den Prophe- ten seine Bathschlüsse, die er in der Zukunft ausführen will, damit die Ausführung oder der Vollzug derselben als sein Werk erkant, nicht vom Zufall oder irgendwelchen menschlichen Plänen hergeleitet werde. vjto KvqIov vom Herrn (^^n)^ dem Urheber; öiä rov ütQoqyqTOv durch den Propheten als Organ und Vermittler des göttlichen Rathes. — Die Weißagung v. 23 steht in Jes. 7, 14 und ist nach LXX mit unwesent- lichen Abweichungen angeführt, fj nagd'ivoq ist Uebersetzung des hebr. ^"^^^ die Jungfrau d. i. virgo nubilis, ein mannbares unverehe- lichtes, jugendliches Frauenzimmer, nicht aber junge Frau, wofOr Gesen., Knob, u. A. sich mit Unrecht auf Prov. 30, 19 berufen; s. dagg. Delitzsch z. dieser St. Die Uebersetzung ist richtig, trozdem daß zur Bezeichnung der Jungfräulichkeit im strengeren Sinn des Worts nbvi& das sprachgemäße Wort ist und fi^^? mehr dem deutschen Jungfer ent- spricht. 1 Für xaZioavöi man wird nennen, steht in Jes. nx^^;; sie wird nennen (LXX: xaZiasig als Apostrophe an die Jungfrau). ^(i(iapavjjX = b« «ä? Mit'UnS'ist'Goit, ein symbolischer Name, durch welchen im historischen Sinne der Weißagung das Kind als Unterpfand des gött- 1) Die Uebersetzung fj nag&eyos (LXX) hebt den jungfräulichen Charak- ter hervor, yrie Gen. 24, 13. Die Uebersetzung fi veavts (Aquil. Symm, Theod) ist aus antimessianischer Tendenz geflossen; denn veavig entspricht eigentlich dem hebr. ny^\ vgl. Deut. 22, 26. 27. Jud. 21, 12 u. 1 Kon. 1, 2 (LXX), obwol an Stellen wie^ Ex. 2, 8. Cant. 1, 3. Ps. 68, 26, wo der Begriff der Jungfräulich- keit zurücktritt, nttb? auch in LXX durch veavig übersezt ist. \ Matth. I, 23. 67 liehen Beistandes zur Rettang vor dem drohenden Untergange hezeich- net, nach der messianiscben Erfüllung aber die übernatürliche Erzeu- gung Jesu und seine gottmenschliche Natur ausgesagt ist. Der messia- nische Charakter dieser Weißagung wird gegenwärtig wieder fast all- gemein anerkant; nur darüber herscht noch Streit, ob dieselbe direct messianisch oder nur typisch zu verstehen sei. Da nämlich im N. T. nicht nur direct messianische, sondern auch typische Weißagungen auf Christum bezogen und als in ihm und durch ihn erfült angeführt wer- den, so läßt sich aus der Citationsformel tovto yiyovev iva jtXriQcod^ nicht ohne weiteres schließen, daß dieselbe unmittelbar oder direct auf Christum sich beziehe; sondern die Entscheidung hierüber läßt sich nur aus dem Inhalte der Weißagung und den geschichtlichen Verhält- nissen, unter welchen sie ausgeprochen worden, entnehmen. Die typisch- messianische Weißagung unterscheidet sich von den direct messiani- scben dadurch, daß jene ihrem zeitgeschichtlichen Inhalte nach auf eine Person oder einen Vorgang des A. T. von vorbildlicher Bedeutung auf Christum, sein Leben, Thun und Leiden sich bezieht. Von den neueren Ansll. erklären die meisten die vorliegende Weißagnng des Jesaja für typisch , teilen sich aber in Bezug auf die Bestimmung des typi- schen oder heilsgeschichtlichen Inhalts derselben in zwei Klassen.^ Die Einen finden darin die Geburt eines Sohnes entweder des Ahas oder des Propheten oder einer nicht näher bezeichneten jungen Frau geweißagt, der durch seinen bedeutsamen Namen den Zeitgenossen des Propheten ein Unterpfand der Bettung des Beiches Juda vor der vonseiten der verbündeten Syrer und Ephraimiten ihm drohenden Zerstörung werden soll. Diese Ansicht wird aber schon durch den Umstand, daß mb? YiolpueUam nubilem, aber nach Etymologie und Sprach- gebrauch nimmermehr eine verheiratete Frau bedeutet, als unhaltbar erwiesen, abgesehen davon daß der Gedanke an einen Sohn des Ahas durch den Contezt ausgeschlossen , und die Annahme eines Sohnes entweder des Propheten oder eines unbekanten Frauenzimmers dadurch widerlegt wird, daß in Jes. 8, 8 der Immanuel als der Herr des Landes Juda bezeichnet ist. ,Nichts kann — sagt schon Ewahl (die Propheten des A. B. 1 S. 344 d. 2. A.) — ungereimter erdacht werden , als daß der Prophet mit der Jungfrau auf ein Weib des Königs oder gar sein eigenes hingewiesen habe.' Ew. faßt daher die Weißagung als ,eine Ahnung, welche im Augenblicke der höchsten Spannung wie ein Blitz den Geist des Propheten durchzuckt, daß die Wunderzeichen, welche Jahve eben in dieser noch geheimnisvollen Geschichte des Kommenden, des Mannes und Königs der Zukunft dem damaligen Könige geben werde , klar vor seinem Blicke stehen. Ein paar an einem bald zu gebärenden Kinde vorkommende seltsame Wahr- zeichen sollen dem Ahas, er mag sie sehen wollen oder nicht, zur rechten Zeit gegeben werden: die Wahrzeichen der Geburt und des Jugendalters jenes wun- derbaren Kindes — damit er erkenne, wie gewiß in der nächsten Zukunft Heil 1) Vgl. die Aufzählung u. Kritik der verschiedenen Ansichten bei Hengsten- herq; Christologie des A. T. 1 S. 70 ff. d. 2. A.; außerdem TholucJc, die Prophe- ten S. 170, Riehm, die Messianische Weißagung (Gotha 1875 j S. 181 ; W. Schultz in den Theol. Studien u. Krit. 1861. S. 713 ff. 68 Matth. I, 23. bevorstehe' o. s. w. (S. 341). Diese Ansicht, die noch Mey, f&r die richtige halten zu müssen erklärt, entzieht sich durch den dichten Nebel, in welchem Ew. die Ahnung des Propheten gehüllt hat, jeder kritischen Beurteilung. Wenn der Spruch des Propheten für den Ahas und das Volk zu einem Yon Gott ihn^ gegebenen Zeichen dadurch werden solte, daß ein paar an einem bald zu gebä- renden Kinde vorkommende seltsame Wahrzeichen sich erfülten, so mußte ent- weder Gott ein Wunder thun und in der nächsten Zeit einen Knaben von einer Jungfrau wunderbar geboren werden lassen, um das Wort seines Propheten zu beglaubigen, oder Jesaja wurde, wenn dies nicht geschah, als Schwärmer und Lügenprophet blamirt. Welche von diesen beiden Eventualitäten Ew. bei seiner , Ahnung' sich gedacht hat, darüber hat er weislich geschwiegen. Viel tiefer hat Hofmann ( Weiß. u. Erf. I S. 221 ff. und bestimter in dem Schriftbeweis II, 1 S. 85 ff. d. 2. A.) den typischen Charakter der Weißagung erfaßt und zu begründen versucht. Hofm. hält den Spruch des Propheten für eine Gleichnisrede, jedoch nicht eine Gleichnisrede, welche nur in einem Vor- gänge des gewöhnlichen Lebens nahe bringen soll, was dem Gebiete des höhe- ren Lebens angehört, sondern ein wunderbares Begebnis werde gleichnisweise veranschaulicht, so daß also auch der Vorgang, welcher zur Veranschaulichung dient, ein wunderbarer sein müsse (S. 87). ,Das Wunder des Heils, in welches Israels Geschichte ausgeht, ist in eine Bildrede gefaßt' (S. 91). Der Sohn der Jungfrau, der Immanuel ist das nicht auf dem Wege natürlicher Fortsetzung der Gegenwart, sondern wunderbar erstehende Israel, dem Gott sich wieder gnädig zuwendet (S. 92). Doch sei die Jungfrau nicht etwas für sich allein, daß man etwa Israel darunter verstehen könte, sondern ,nur die Jungfräulichkeit der Empföngnis will bezeichnet sein, mit welcher das Leben dieses Kindes an- hebt.' Was mit dem Kinde und seiner Geburt gemeint ist, gehört in ferne Zu- kunft; auch seine Empfängnis will als eine Thatsache der Zukunft verstanden, sein (S. 93). — Schärfer und klarer hat sich Kahnis (Luther. Dogm. I S. 345) unter Abweisung der Hofmann^schen Fassung, welche unter der Jungfrau ein bloßes Bild Israels und unter Immanuel ein bloßes Bild des Heilsvolkes sehe, über den typischen Charakter der Weißagung ausgesprochen (ähnlich, nur kür- zer in d. 2. Aufl. I S. 151) : ,Die Jungfrau und Immanuel sind bestimte Perso- nen, welche Jesaja's Seherauge im Geiste sieht, aber keine wirklichen, sondern ideale Gestalten. Der Prophet stelt die Zukunft unter dem Bilde eines Jxmg- frauensohnes dar, dessen Kindheitsgeschichte die Geschichte seines Volkes spie- gelt. Die Schwangerschaft bedeutet die Frist, innerhalb der Gott Eettxmg brin- gen wird, die Namengebung die eingetretene Bettung; die Entwicklung bis zu den Unterscheidungsjahren die Zeit, innerhalb welcher Samarien und Syrien unterliegen werden; die Wüstenspeise, welche Immanuel dann genießen wird, ist eine eintretende Verwüstung zunächst von Israel, dann aber auch von Juda.— ,Inmianuel ist das Israel der Zukunft nach seiner idealen Seite» wie die Jungfrau das Israel der Gegenwart und Vergangenheit nach seiner idealen Seite ist. Israels idealer Beruf ist der jungfräuliche Leib zu sein, welcher kraft des Geistes Got- tes den heil. Samen gebiert.^ — ,Das jungfräuliche Israel, welches den Samen der Verheißung zu gebären hat, wird einst in einer Jungfrau zu seiner Warheit kommen, welche den Messias gebären wird. Immanuel, das Israel der Zukunft, mit dem Gott ist, wird einst in dem Sohne der Jungfrau, in welchem Gott und Matth. I, 23. 69 seih Volk zu persönlicher Einheit kommen werden, Gestalt gewinnen/ — So habe denn Matth. mit Becht in dieser Stelle eine Weißagong auf die Geburt Christi von einer Jungfrau gefunden. Wir wurden diese Auffassung unserer Weißagung unbedenklich uns aneig- nen, wenn sie die Schwierigkeit, um deretwillen Kahn, die direct messianische Auffassung nicht festhalten zu können meint und sich mit vielen schriftgläubi- gen Ausll. (wie Bengel, Fr. v. Meyer, 0. v. Gerlach, Olsh., Csdwer Bibelw., Dach'- sei u. A.) für die typische entschieden hat, wirklich löste, nämlich die Schwierig- keit, daß in Jes. 1, 15 u. 16 die Geburt und das Heranwachsen des Immanael als Zeitmaß für die eintretende Verwüstung des Landes der Könige Yon Syrien und Israel, und weiter auch you Juda dargestelt ist, woraus man schließt, daß ,der Knabe, der yon der Bettung seines Volks den Namen hat, die Strafe desselben aber sozusagen mitessen muß, zur Zeit der Bettung und der Bestrafung seines Volks leben muß — dies fordere der Menschenyerstand'. — Aber hat denn das von Jesaja im Geiste als Jungfrau geschaute ideale Israel der Vergangenheit und Gegenwart wirklich zur Zeit des Ahas den Immanuel == das Israel der Zu- kunft geboren? Oder ist dieser Immanuel wirklich ein zur Zeit der Bettung und der Bestrafung seines Volkes unter dem Könige Ahas lebender Knabe gewesen? Wenn nämlich diese ,Forderung des Menschenverstandes' zum Bichtmaße für die Deutung unserer Weißagung gemacht wird, so muß man die Geburt eines Knaben zur Zeit des Ahas als den zeitgeschichtlichen Inhalt der Weißagung an- nehmen und die Jungfrau für eine Frau des Ahas oder des Propheten oder für eine andere unbekante Person jener Zeit halten. Kann man sich aber, um der diesen Annahmen entgegenstehenden sprachlichen und sachlichen Schwierig- keiten willen, dazu nicht entschließen, so bleibt nur die bildliche oder conditio- nelle Auffassung: ,wenn eine Jungfrau jezt empfangen würde' . . . (Mich., Paul,, Eichh., Stähtl.) als Auskunftsmittel übrig. Außerdem aber erheben sich gegen die Erklärung des Jesaj. Ausspruches von dem idealen Israel noch andere Be- denken. Zunächst das Wort nisb9 welches, von Israel verstanden, nur Israel im Stande seiner Q^^ntibs;, wo es wie in Aegypten zur Bundesvermählung mit Jahve heranwuchs (Jes. 54, 4 vgl. Jer. 2, 2) bezeichnet, nicht aber das in den Bund mit dem Herrn eingetretene Israel. Wenn die Propheten das Bundesvolk Israel nach seiner idealen Seite als Jungfrau personificiren, so nennen sie es nbiinsi , nicht tvab^ vgl. Jer. 31, 4. 21. Am. 5, 2 u. a. Hiezu komt, daß Jesaja in den Weißa- gungen c. 7—11 aus der Zeit des Ahas den Messias als Nachkonmien Davids, als Herscher auf dem Throne Davids (9, 5 f. vgl. 8, 8), als Sproß aus dem abge- hauenen Stamme Isai's (11, 1) verkündigt, nicht als Sohn Israels oder Abra- hams, und daß überhaupt die Idee: das ideale oder jungfräuliche Israel, oder die Stillen im Lande oder der bessere, für das Thun des Herrn empfängliche Teil der Gemeinde ( W. Schultz) werden kraft des Geistes Gottes den heiligen Samen oder den Messias gebären, keinen Boden in der Schrift hat. Auch in Mich. 5, 2 ist die mhi'^ des Messias nicht , das in Geburtswehen schwebende Israel. — Aus diesen Gründen können wir die typische Erklärung unserer Wei- ßagung nicht für haltbar erachten. Es bleibt also nur die direct messianische Auffassung übrig, für die sich Drechsler. Hengstb,, Oehler (in Herzogs Realencykl. IX, 414 f. u. Bibl. Theol. II S. 261), Delitzsch (im Comm.), Küper (Prophetenth. 70 Matth. I, 23. S. 215 ff.) u. Ed. Engelhardi (Luther. Ztschr. 1872 S. 622«) entschie- den haben. Nämlich die Ansicht, daß Jesaja in der Jungfrau, die er im Geiste schaute und von der er verkündigte, daß sie einen Sohn gehft- ren und ihn Immanuel nennen werde, die Mutter des Messias geschaut hat, und daß er unter der Leitung des Geistes Gottes die Geburt und das Heranwachsen des Immanuel dem ungläubigen Ahas als Zeichen einerseits der zukünftigen Rettung Israels, andrerseits aber der dieser Rettung voraufgehenden Drangsal und Demütigung des Königshauses und des Reiches Juda verkündigt hat, so daß das Zeichen, welches Gott dem ungläubigen Hause Davids und Volke Juda's gab, dem Zeichen des Propheten Jonas glich, auf welches Jesus das ungläubige Geschlecht seiner Zeit verweist, d. h. ein Zeichen war, dessen Eintreten in der Zu- kunft lag, aber in dem Eintreffen der an die Geburt des Immanuel ge- l(nüpften Drohung schon in der nächsten Zeit eine unverkennbare Bürgschaft für seine volle Erfüllung durch die zukünftige Geburt des Jungfrausohnes erhielt; den Ungläubigen zur Warnung vor gänzlicher VerStockung, den Gläubigen zur Stärkung ihres Vertrauens auf den Herrn in den über das Reich und Volk zuvor hereinbrechenden schwe- ren Gerichten. Wann Immanuel werde geboren werden, sagt Jesaja nicht aus; nur was geschehen sein wird, ehe er in das reifere Knaben- alter eintritt, nämlich die Verödung des Landes Ephraims und Syriens und dann die Verödung Juda's selber durch die Assyrer. Wenn Jesaja hiernach die Kindheit Immanuels mit der Zeit der assyrischen Drang- sale znsammenschaut , so hat dies seinen Grund in dem complexen Charakter der Prophetie, demzufolge die einzelnen Momente der Wei- ßagung, deren geschichtliche Verwirklichung successiv in bald kürzere, bald längere Zeit auseinander liegenden Begebenheiten erfolgt, in der geistigen Anschauung der Propheten nicht gesondert, sondern einheit- lich zusammengefaßt erscheinen. Dieser complexe Charakter der WeißaguDg hängt zwar formell betrachtet mit der dem Fernblick der Propheten gezogenen Schranke zusammen, hat aber seinen tiefeii9n sachlichen Grund in dem realen Zusammenhange der durch den Geist Gottes dem Geiste des Propheten zur Verkündigung geoffenbarten, für jedes einzelne Zeitalter besonders wichtigen Momente des göttlichen Hcilsrathes. Wie die durch den Unglauben des Königs Ahas über das Reich Juda gebrachte assyrische Drangsal nur den Anfang der Unter- jochung des israelitischen Gottesstaates durch die heidnischen Welt- mächte bildet, und die vier Weltreiche vom babylonischen bis zum rö- mischen nur das von Assur begonnene Werk fortsetzen und vollenden: so ist auch die Geburt des Messias das Ziel der Entwickelung des alt- testamentlichen Gottesreiches, zu welchem der Keim schon in der Aus- sonderung Abrahams aus den Völkern gelegt war, und das Hervorgehen des Heilandes aus Juda, näher aus dem Samen Davids, der unerschüt- terliche Grund für das Fortbestehen des Reiches Juda und des Ge- schlechtes Davids bis zur Erscheinung des verheißenen Sohnes Davids in der Person Jesu Christi. — Die weitere Begründung dieser Auffas- sung von Jes. 7, 14 ff. s. bei den oben genanten Auslegern. Matth. I, 24. 25. 71 Y. 24 n. 25. Der göttlichen Weisung folgend nahm Joseph nun sein Weib za sich, erkante sie aber nicht bis sie ihren Sohn geboren hatte. d:nd Tov v:^vov von dem Schlafe, in welchem ihm die Traumoffenba- rong znteil geworden war. ovx eylvcoöxsv avtijv er pflegte keine Ge- schlechtsgemeinschaft mit ihr. yivcioxsiv hier im Sinne des hebr. ^J^^ wird anch bei den Klassikern der späteren Zeit, oft bei Plutarch in die- ser Bedentang gebraucht; ebenso cognoscere bei Justin, 5, 2, 27, 3. Ovid, Metam, IV, 594. ecog ov bis daß wird zuweilen so gebraucht, daß die Fortdauer einer Sache oder Handlang über die angegebene Frist hinaus nicht ausgeschlossen ist (vgl. 12, 20. 28, 20. 1 Tim. 4, 13 u. a.); aber nur in solchen Fällen, wo das Eintreten einer Veränderung weder erwartet wird, noch der Natur der Sache nach warscheinlich ist; hier dagegen, wo vermöge der Natur des ehelichen Verhältnisses das Gegenteil warscheinlicher ist, kann ao^g ob nur exclusiv gemeint sein. Statt xov vlov avrfjg tov jtQmxoxoxov haben Lachm, u. Tisch, blos vlov nach i^PZ. 1. 33, Copi, Sahid, Syr. Da jedoch die Zeugen für die recepia überwiegend sind und bei dem in der alten Kirche her- schenden Glauben an die beständige Virginität der Maria, gegen die man nach Hieron, aus dem xov jcgayvoxoxov Zweifel hernahm, die Tilgung desselben näher lag als die Hinzufügung, so halten wir mit Mey. die recepta für ursprünglich. Uebrigens steht xov jcqcoxoxoxov in Luc. 2, 7 ohne eine Variante. In dem Satze emg . . . jcqcoxoxoxov liegt ohne Zweifel der Sinn, daß nach Jesu Geburt Joseph mit Maria ehelichen Umgang pflegte; woraus aber nicht mit Sicherheit folgt, daß Maria noch andere Kinder gebar; da es auch unfruchtbare Ehen gibt, und der erste in einer Ehe geborene Sohn jcQcoxoxoxog genant wird in der Voraussetzung oder Erwartung, daß Nachgeborene folgen werden, ohne, wie aus Exod. 13, 2 zu ersehen, das gewisse Eintreten dieser Vor- aussetzung zu verbürgen. Kai exdXsösv nämlich Joseph nach v. 21, nicht Maria. — Die Geburt Jesu selbst wird nicht erzählt, sondern nur als in der angedeuteten Frist eingetreten vorausgesezt. Der Bericht von dem übernatürlichen' Urspmnge Jesu Christi bildet für den älteren und neueren Eationalismus und Pantheismus einen Stein des Anstoßes, den aus dem Wege zu räumen alle Hebel in Bewegung gesezt worden sind. Die zwei Argumente, welche in de Wette's Comment. an der Spitze seiner Bestrei- tung der Geschichtlichkeit des evangelischen Berichtes stehen, nämlich 1) daß die Berichte des Matth. und Lukas sich ausschließen, indem Matth. die Engel- eracheinxmg nach der Empfängnis, Luk. sie vor derselben stattfinden lasse, 2) daß das Geheimnis der Zeugung nicht im gewöhnliche^ Kreise historischer Kunde liege und von Johannes, welchem die Maria am nächsten stand, nicht be- zeugt sei — hat Keim (Gesch. Jesu v. Naz. I, 338 ff.) als zu schwach und un- brauchbar fallen gelassen ; und nur Folgendes geltend gemacht: 1) daß die Juden und selbst Apostel, wie Philippus Job. 1, 46, Jesum für den Sohn des Zimmer- manns Joseph halten; 2) daß die Geschlechtsregister nur von dem Glauben aus, daß Jesus Josephs Sohn war, entworfen sein können, und daß auch Paulus den Ursprung Jesu von einem Weibe (Gal. 4, 4) und aus dem Samen Davids (Eöm. 1, 3) lehre; 3) daß Kerinth und die Gnostiker, sowie die Clementinen, Nazaräer 72 Matth. I, 25. und Ebioniten dasselbe lehren; 4) daß die Erzählnng Yon der wunderbaren Ent- stehung der Person Jesu durch die Geburt von einer Jungfrau auf judencbrisfc- lichem Boden entstanden und nachapostolischen, nachpaulinischen Ursprungs sei, da Paulus und das übrige neue Testament von einer wunderbaren Geburt Jesu keine Ahnung haben; 5) dalS der in den paulinischen Briefen und auch in den Johanneischen Schriften yertretene Glaube an eine dem zeitlichen Leben Yoranliegende höhere himmlische Existenz der Person Jesu lediglich das Resul- tat dogmatischen Denkens, keineswegs einer yorgefundenen Ueberlieferung sei, der ältesten Ueberlieferung widerspreche, und diese Schriftsteller daneben audi die menschliche Geburt nicht leugnen; 6) daß auch das Denken bei der Theorie des Paulus sich wenig befriedigt finde, denn sie muthe demselben die Anerkenn nung eines ganz vereinzelt stehenden Bruchs der bestehenden göttlichen Welt- ordnung zu, und reiche doch nicht aus, da einerseits durch Ausschließung des männlichen Factors bei der Entstehung Jesu dem Geborenen die Ebenbürtigkeit mit der Menschheit, die Mitgift männlicher Menschennatur, die Bestimmung ein Mann zu sein, fehlen würde, andrerseits durch den Anteil der Mutter doch das verunreinigende Uebel hereinkomme, welches im Anteil des Vaters gesucht und ausgeschlossen werde; daher auch alle dogmatischen Versuche über die Einheit der göttlichen und menschlichen Natur in Jesu Christo zu keinem befriedigen- den Besultate geführt haben. Denn ,die Gottheit paßt zu keinem Embryo und der Embryo wächst zu keinem Gott, und er will nicht dazu, sondern zu einem Menschen wachsen' u. s. w. (S. 353). — Dagegen folgendes: In Nr. 6 tritt der eigentliche Grund des Anstoßes offen heraus. Der gemeine Menschenverstand kann das Geheimnis der Vereinigung der göttlichen und der menschlichen Na- tur in einer Person nicht begreifen, folglich kann die Schriftlehre von der gott- menschlichen Persönlichkeit Christi nicht wahr sein. Aber hat denn dieser Menschenverstand überhaupt das Geheimnis der Zeugung eines Menschenlebens schon ergründet und begriffen? Und ist denn die von Gott geordnete Fortpflan- zung des menschlichen Geschlechts durch Zeugung ein so starres Naturgesetz, welches Gott nicht , durchbrechen' könte? Entweder sind die Naturgesetze von einem persönlichen und lebendigen Gott geschaffen und geordnet; dann wird Gott auch die Macht besitzen, sie für die Zwecke seines Gnadenreiches modifi- ciren oder suspendiren zu können; oder die Naturordnung steht über Gott und Gott ist nicht allmächtig, und der Begriff Gottes des Schöpfers und Eegiereis der Welt ist nur ein Produkt des Aberglaubens oder kindischer Vorstellungs- weise ! Die neuere Kritik argumentirt von dieser leztgenanten Anschauung aus, sucht sie aber durch bizarre Entstellung der Schriftlehre, wie ,der Embryo wächst zu keinem Gott, er will zu einem Menschen wachsen' u. dgl. zu ver- decken. Mag es auch der dogmatischen Forschung noch nicht gelungen sein, die communicatio der göttlichen und menschlichen Natur Christi richtig und vollständig erfaßt zu haben, so liefert dies keinen Beweis für die Leugnung der göttlich-menschlichen Persönliclikeit Christi. — Die übrigen Einwürfe wiegen sehr leicht, und sind zum Teil schon in der Erklärung dieses Cap. erledigt. Der Hinweis in Nr. 1 u. 3 auf die Ansicht der Juden, Gnostiker und Ebioniten über Jesum beweist weiter nichts, als daß das Geheimnis der Zeugung Jesu den Ju- den nicht bekant geworden war, und von den Gnostikem und judenchristlichen Sekten nicht geglaubt wurde, weil sie, gleich den Rationalisten unserer Zeit Matfch. n, 1. 73 ihren MenschenYerstand zum Eichter über Glaubenssachen machten. Das in Nr. 2 über die Geschlechtsregister Vorgebrachte findet seine Erledigung durch unsere Erörterung S. 62. Aus Gal. 4, 4 u. Eom. 1, 3 folgt aber nicht entfernt, daß Paulus lehre, Joseph oder ein anderer Mann habe Jesum gezeugt; das Ge- borensein Yon einem Weibe schließt weder die übernatürliche Zeugung noch die Abstammung von David aus, da Maria eine Nachkommin Davids war. Warum hebt aber die Kritik bei Eöm. 1, 3 blos das yBvofxsvov ix aneg/Äatog Javtd her- vor mit Yerschweigung des unmittelbar voraufgehenden tov vlov avtov (d. i. vov ^€oif)? Gehört etwa das Ignoriren unliebsamer Schriftworte zu den Attributen exacter Wissenschaft? — Nr. 4 u. 5 endlich enthalten geschichtswidrige Be- hauptungen, bei welchen der Schluß, daß die neutestamentlichen Schriftsteller, weil sie die menschliche Natur Jesu nicht leugnen, die Zeugung Jesu durch den heiL Geist im Schöße der Jungfrau Maria nicht gekaut haben können, wider die einfachsten Eegeln der Logik verstößt. • Cap. II. Ankunft der Magier. Flucht nach Aegypten vor Herodes. Kindermord zu Bethlehem. Rükkehr nach Galiläa. Gottesfürchtige Heiden kommen aas dem Morgenlande, am den Heiland bald nach seiner Gebart aufzusuchen and anzabeten; dagegen der jüdische König Herodes erscbrikt über die Gebart desselben und will das Jesuskind umbringen, daß Gott es vor ihm in Aegypten bergen muß. Diese verschiedene Stellung der frommen Heiden und des gott- losen Judenkönigs zum Messias ist von vorbildlicher Bedeutung für die künftige Stellung der Heidenwelt und des Judentums zu Christo und seinem Reiche. Deshalb hat Matth. diese Geschichten aus der evange- lischen üeberlieferung von der Kindheitsgeschichte Jesu in sein Evan- gelium aufgenommen. V. 1 — 12. Die Ankunft der Magier, um Jesum anzubeten. V. 1. „Als Jesus geboren war zu Bethlehem JudäaV. ßethlehem,Auch£phrata genant oder zubenant (Gen. 35, 16. 19 u. ö), der Stammort der Familie Davids, 6 r. M. südlich von Jerusalem, jezt ein Städtchen Namens Beit Lahm (s. Robins. Paläst. H, 379 ff.). T^g 'lovöalag dient zur Unter- scheidung des Ortes von Bethlehem im Stamme Sebulon Jos. 19, 15. SV ^(iSQaig = "^»"^a in der (Regierungs-)zeit 'f^pcödot; d. i. Herodes des Gr., welcher vom J. 37— A ante aer. Dionys. (717 — 750 a. u. cj re- gierte. Da kamen Magier vom Morgenlande her nach Jerusalem. Mdyoc (o-iao). Die Magier sollen nach Herod, 1, 101, Plin, V, 29 ein Stamm der Medier gewesen sein, erscheinen aber schon unter den Babyloniem oder Chaldäern (Jer. 39, 3. 13) als eine Gelehrtenkaste von Astrolo- gen, Zeichendeutern, Warsagern, Zauberern und Beschwörern (Jer. 2 7, 4 vgl. Jes. 44, 25. 47, 9. 12 f.) und sind in Dan. 2, 4 ff. unter dem Namen Chaldäer zusammengefaßt und die „Weisen Babels" genant (Dan. 2, 12 ff. 4, 3 f. 5, 7 f.). Für ihre Modische Herkunft spricht der Name, der sich nicht aus dem Semitischen, sondern nur aus den arischen 74 Mai«h. n, 2. Sprachen erklären läßt. ^ Als Priesterkaste kommen sie im Zendavesta noch nicht vor, sondern erst im Beiche der Achämeniden. In persi« sehen Keilinschriften heißen die Priester maghmh, Magier, welche, wie die chaldäischen Weisen sich mit Astrologie, Traum- und Zeichen- deutung abgaben; und unter den Parthern und in dem hellenischen Diadochenreiche tritt das zauberische Treiben der Magier noch be- stimter hervor, so daß in der älexandrin. Uebersetzung des A. T. nicht blos die babylonischen oiaü'^n, die Erklärer der heil. Schriften und Zeichen deuter, sondern auch die Todtenbeschwörer, Warsager und Zauberer [iccfot genant werden. In diesem Sinne wird Act. 8, 9 der falsche Prophet Simon als fiayBV(x>v d. h. magische Künste treibend er- wähnt, und der Goät Barjesus heißt Act. 13, 6. 8 Magier und falscher Prophet. Vgl. J, G. Müller, Magier in Herz.'s Realencykl. VIII, 675 ff. Die (lar/oi unserer Erzählung sind hauptsächlich Astrologen. OTib dpa- ToZcop von den Ostgegenden, aus den östlichen Ländern, worunter so- wol Arabien (vgl. Gen. 10, 30. Hi. 1, 3) als Babylonien (Num. 23, 7) begriffen sein kann. An Persien oder Parthien oder gar Aegypten zu denken, ist gegen den biblischen Sprachgebrauch. An Arabien dachten schon Just. Mart, fertulL und die meisten Kchvv. u. späteren Aus- leger, hauptsächlich wegen der mitgebrachten Geschenke, welche Pro- dukte Arabiens waren. Nach dem dreifachen Geschenke hat man in der Folgezeit die Magier auf drei bestimt und auf Grund der Weißa- gungen Ps. 68, 30. 72, 10. Jes. 49, 7 60, 3. 10 sie sich als Könige ge- dacht. Sicher ist nur so viel, daß sie nicht für Juden (Munter, Paulus u. A.), sondern für fromme Heiden zu halten sind. Dies wird mit Recht aus ihrer Frage: wo ist der neugeborene König der Juden? geschlos- sen. Mit der Zerstreuung der Juden seit dem Exil in alle Länder des Orients wurden ihre messianischen Erwartungen auch unter den Hei- den verbreitet (vgl. Sueton, Vesp. c. 4. Tacit hist, V, 13. Joseph b.jud. VI, 5, 4P und bei dem zunehmenden Verfalle der heidnischen Religio- nen wurde bei ernster gesinnten Heiden die Erwartung auf das Erschei- nen des Erlösers gewekt. Die Magier kamen nach Jerusalem, der Hauptstadt, wo sie vermut- lich den Geborenen zu finden meinten. Wie lange nach der Gebart Jesu? läßt sich nicht genau bestimmen, da bei der allgemeinen Bezeich- nung ihrer Herkunft (djtb dvaxoX) weder ihr Wohnland noch die 1) Die von Eh. Schrader (Keilinschr. u. A. T. S. 274) vorgeschlagene Ab- leitung aus dem Assyrischen Umga tiefandächtig, tiefgelehrt, von p739 sich ver- tiefen, ist sicher haltlos, und üia mit fjtsyay sanskr. mahät zu combiniren, wor- nach mngavan die Mächtigen, Vermögenden bezeichnet, die durch die Kraft ihrer Sprüche und die Wirkung ihrer Opfer mächtig sind; vgl. Dtmckerj Gesch. des Alterthums H S. 506 der 3. A. 2) Suet. : Percrebuerat Oriente toto vetua et constans opinio esse infatis^ tU eo tempore Judaea profecti rerum potirentur, — Tacit. : pluribus persuasio inerat^ aniiquis sacerdoium literis contineri, eo ipso tempore fore ut valesceret Oriens profectique Judaea rerum potirentur, — Joseph.: fi^ XQV^f^^^ ^f*' (flßoXos ofAoicog iv xotg Ugotg ergrifzevos ygaf^fjiaaiv, (hg xocrä tov xotiqoy ixeU vov ano t^g x^^gccg xig avx&v äg^ei r^c oixovfABvrig, Matth. n, 2—4. 76 Daner ihrer Reise sich auch nur annähernd ermitteln läBt. Nach y. 2 scheinen sie sich auf den Weg gemacht za haben, als sie die Erschei- nung des Sternes erblikt hatten, und nach v. 7 ist wol das Erscheinen des Sternes gleichzeitig mit der Geburt zu denken. Aus v. 16 aber läßt sich bei Berücksichtigung der Absicht des Herodes recht sicher zu gehen, nichts weiter schließen, als daß die Magier ein, höchstens andert- halb Jahr nach der Geburt Jesu ankamen; jedenfalls aber nicht vor, sondern erst nach der Darstellung Jesu im Tempel (Luc. 2, 22), während Joseph mit Maria und dem Kinde noch in Bethlehem weilte (v. 9 ff.). — V. 2. Sie fragen nach dem König der Juden. So nennen sie den Mes- sias gemäß der jüdischen Auffassung der messianischen Weißagungen. sldofiev ydg denn wir haben seinen Stern gesehen; er muß also gebo- ren sein, amov vor rov doxBQa mit Nachdruck : seinen d. i. den seine Geburt anzeigenden Stern, kv rfj dvazoXfj im Morgenlande. ^ dva- toX'q das Aufgehen der Sonne, dann die Gegend des Sonnenaufgangs, der Orient; in dieser Bed. zwar gewöhnlich im Plur. dvaroXal, aber auch im Sing. Apok. 21, 13 u. 7, 2 vgl. mit 16, 12. Herodian. III, 5, /. //, 8, 18. Es hier so zu fassen, nicht: im Aufgehen (mit Paul, Fritz. Ew. Mey. u. A.), dafür spricht teils der Artikel t^ dvar., während ,im Aufgehen' wol durch ev dvazoX^ ausgedrükt sein würde, teils v. 9, wo iv T^ dvax. dem kjcdvoo ov i^v x6 natdiov entgegengesezt offenbar örtHch gemeint ist. dorriQ Stern ist ursprünglich von äöZQOV Gestirn, Gonstellation unterschieden, im späteren Sprachgebrauche aber dieser Unterschied nicht festgehalten, so daß man rov dözaga eben sowol von einem Sterne, als von einer Gonstellation verstehen kann; s. später. jcQOöxwstv = rijnnwn durch Niederfallen mit dem Angesichte zur Erde jemandem seine Ehrfurcht bezeugen, dann anbeten, s. Hoelemann, Bibelstadien I S. 96 ff. Die Gonstruction mit dem Dativ ist späteres Griechisch. V. 3. Herodes erschrak, weil er den Untergang seiner Herschaft fürchtete ; die Bewohner Jerusalems aber erschraken mit ihm, weder aus Furcht vor den dem Auftreten des Messias voraufgehenden schwe- ren Zeiten, den „Wehen des Messias" (vgl. Lightf. ad Marc. 13, 19 J, noch weil sie tyrannische Maßregeln des grausamen Herodes fürchte- ten. Beide Annahmen entsprechen dem ovv avztp nicht. Erschrak Jerusalem mit Herodes, so kann das Erschrecken der Bevölkerung der Hauptstadt nicht füglich als andersartiges gedacht werden. Die Haupt- stadt wird vielmehr als dem Könige Herodes ergeben und gleich ihm Jesu feindlich gesinnet (23, 37) gedacht, so daß auch sie mit Schrecken an den Sturz des ihren Interessen zusagenden Regimentes deTikt{fVeiss,). ^laQOöoXvfia (plur. neutr.J ist hier u. 3, 5 als fem. sing, construirt, ad sensum, weil die Einwohnerschaft als feminines CoUectivum gedacht ist. — V. 4. Um den Ort der Geburt Christi zu erforschen, versammelte Herodes jcdvzaq zovg dQXtsgelg xal ygafifiaztlq zov Xaov d. i. nicht eine unvollständige Umschreibung des Synedriums, zu welchem außer den Hohenpriestern und Schriftgelehrten noch die Aeltesten (jigsoßv- TSQOi) des Volks gehörten, wegen des zov Xaov, welches in Beziehung 76 Matth. n, 5—7. auf das Sanhedrin bei Matth. nur zar Näherbestimmung der jiQeaßvre- Qoc dient (21, 23, 26, 3. 47. 27, 1). ,Herodes ließ alle Theologen des Volks zusammenkommen, weil er ein theologisches Responsnm bedurfte' (Mey.), rov Xaav gehört zu beiden Worten, wie das Fehlen des Arti- kels vor YQafifi. zeigt, ol dgxi^SQElg sind der fungirende Hohepriester (6 (XQXiBQsvg) und die welche früher dieses Amt bekleidet hatten, deren Zahl bei dem damaligen häufigen Wechsel unter den Herodianern nicht gering war. Ob auch Mitglieder der bevorzugten Familien, aas welchen die Hohenpriester genommen wurden, ist fraglich; gewiß aber nicht die Vorsteher der 24 Priesterklassen. Vgl. m, bibl. Archäol. S. 715 f. u. Schürer Neutestamentl. Zeitgesch. S. 407 ff. ygafifiazelg bei Luc. öfter vofiixol (Luc. 7, 30. 11, 45 f. 14, 3 u. einmal vofiixog Matth. 22, 35) und pofioöiddoxaXoi (5, 17) genant, hebr. d^^ibiö Schriftgelehrte (Esr. 7, 6. 11), die in hohem Ansehen stehenden Ausleger des göttlichen Ge- setzes von der Partei der Pharisäer, zum Teil auch gelehrte Beisitzer des Synedriums. yevvaxaL Präs.: geboren wird, nicht im Sinne des Fu- turums. Herodes will nur den Geburtsort des Messias von ihnen et- fahren, wobei er von der Zeit absieht {Mey.), — V. 5. Sie antworten: in Bethlehem Judäa's, und begründen die Antwort mit der Weißagung des Propheten Micha c. 5, 1. Die Stelle ist frei nach dem Gedächtnisse citirt. Bei Micha lautet die Weißagung: „Und du Bethlehem Ephrata, zu klein um zu sein unter den Alaphim Juda's (d. h. zu klein, daß ihre Einwohnerschaft ein selbständiges Aleph d. i. Geschlecht bilden könte, s. m. bibl. Comm. z. d. St.) ; aus dir wird einer hervorgehen der Her- scher in Israel sein wird." Der Beiname Ephrata ist durch yrj 7ov6a Land Juda st. im Lande Juda wiedergegeben. t)XiyooTdg sl rov elvai SV x^^täöiv ^ovöa, wie der Prophet Bethlehem im Hinblick auf seine irdische Kleinheit bezeichnet, wird von Matth. im Hinblick auf die die- ser xcifiTi durch die Geburt Jesu zuteil werdende Verherrlichung durch ovöa/idg iXaxiot^ ei sv xolg ^ys/ioöiv 'lovöa „mit nichten die kleinste unter den Fürsten Juda" ausgedrtikt. Die Wiedergabe des hebr. '*ß^»a durch SP xolg ^ysfiooip wurde schon durch die Personification Bethle- hems, noch mehr aber im Hinblick auf das folgende ^yovfcevog nahe gelegt, und ändert den Sinn nicht, da ja die Geschlechter (o'^öbtc Tau- sendschaften, Unterabteilungen der Stämme, s. m bibl. Archäol. §. 140) ihre Häupter hatten, die sie repräsentirten und führten. Es bedarf da- her weder der Coiyectur xalg ff/efioöLP in primariis familiarum in Ju- daea sedihm f Fritz J, noch der Annahme von Mey» u. Weiss, daß der Evangelist oder sein üebersetzer ^'B^k von tfk»» Stammfürst abgeleitet oder *^^\^^ gelesen habe. sgeXevoexai (wS^"^) hervorgehen durch die Ge- burt oder Herkunft. Der lezte Satz ooxcg jtoifiapsl "lOQcajX ist frei nach Mich. 5, 3 (n^'i'j "iä^i) mit Anlehnung an 2 Sam. 5, 2 gebildet, als Umschreibung des ^«^i^?^, um das typische Verhältnis des zu Beth- lehem geborenen David zum andern David, dem Messias, anzudeuten. V. 7 f. Alsdann erfragte Herodes heimlich von den Magiern die Zeit, seit wann der Stern scheine. Warum Xdd^Qa, das nur Verdacht erregen konte? ,weil geheim* zu verfahren der Schlechtigkeit na ttlrlich' Matth. n, 8—10. 77 (Met/.). Herodes hegte ohne Zweifel schon Gedanken des Mordes gegen den neugeborenen Messias und suchte sichere Anhaltspunkte für sein weiteres Vorgehen zu erlangen. jJTCQlßcoöe erklären Theophyl. u. Euth. richtig dxQcßcog ifia&sp, Luth. „erlernete genau"; nicht = dxQiß<3g i§i]TaO€ (Grot\ obwol der von Mey, dagegen erhol3ene Einwand, daß dxQißoco mit dem accus, dies nicht heißen könne, nicht stichhaltig erscheint; auch nicht: , genau feststellte', (Weiss) ^ wozu jtOQ^ avr<5v nicht paßt. t. xQ^^ov xov q>aivofiivov dazigog die Zeit da der Stern scheint d. h. seit wann er im Morgenlande erschienen ist, indem Herod. voraussezt, daß die Zeit des Erscheinens des Sternes mit der Geburt des Messias coincidire. Hierauf sandte sie Her. nach Bethlehem mit dem Auftrage, wenn sie das Kind gefunden haben würden, es ihm an- zuzeigen, damit er auch kommen und es anbeten könne. — Y. 9. Als die Magier dann nach Bethlehem zogen, nämlich des Nachts, wie man im Oriente zu reisen pflegt (vgl. Hasselquist, Reise nach Paläst. S. 152), siehe da ging der Stern, den sie im Oriente gesehen hatten, vor ihnen her, bis er da, wo das Eindlein war, oben überstand, jtgo^ev ist nach dem optischen Scheine erzählt. Von Jerusalem südwärts gen Bethlehem ziehend sahen sie den Stern in südlicher Richtung vor sich her sich be- wegen bis über dem Orte, wo das Kind war. Gemeint ist nach v. 11 T^r oixlav. Die Beziehung des sjtdvco ov auf Bethlehem als den Ort, wo das Kind war, wobei die Magier das Haus erst erfragt hätten (Ebr.)j entspricht dem Texte zu wenig. Nach dem optischen Scheine kann ein sich fortbewegender Stern eine Zeitlang über einem Hause stehend ge- sehen werden. Biese Warnehmung reichte für die Magier hin, ihnen das Haus, über dem der Stern bei ihrem Eintreten in Bethlehem stand, als das zu suchende zu bezeichnen. Die Uebersetzung des eotf^i er nahm Stellung (Mey.) trägt ein. Die Lesart eorädTj in ^ßCD. Orig. Eus. u. a. Lachm. u. Tisch, ist glossematische Näherbestimmung des Begriffs wie 27, 11 bei fast denselben Codd. (Mey.). — V. 10 f. lieber das Wiedersehen des Sternes, woran sie erkanten, daß sie nach Bethle- hem wandernd auf dem rechten Wege zam Messias seien, hoch erfreut traten sie in das Haus ein und sahen das Kind mit seiner Mutter, fielen anbetend vor ihm nieder und huldigten ihm durch Darbringung wert- voller Gaben. Die Construction sxdQfjOav x^Q^^ f^^Y- <^^oÖQa ist hebraisirend (namentlich das ftaydkrjv ag)6dQa vgl. 1 Kön. 1,.40. Jon. 4, 6. Gen. 27, 33), während die Verbindung von verbis neutr. mit no- mmibus corijugaüs, um den Begriff durch ein Beiwort zu erweitem, auch im Griechischen sehr gewöhnlich ist; vgl. Winer §. 32, 2. slöov ist vollständig bezeugt, wogegen ^qov (Elzev,) sich nur in einigen Mi- nuskeln findet. Daß das Kind mit seiner Mutter in einem Hause sich befindet, streitet nicht mit seiner Geburt in einem Stalle, da die Magier erst geraume Zeit nach der Geburt gekommen sind. In rrjv oixlav liegt nicht, daß das Haus Joseph gehörte und Bethlehem seine Heimat war. Tovg d^oavgovq die Schatzkästchen, Schatzbehälter, 1 Makk. 3, 29. Xenoph. Anab. F, 4, 27, Die Darbringung von Gaben entspricht der morgenländischen Sitte, vor Fürsten nicht ohne Geschenke zu 78 Matth. U, 12. kommen, Gen. 43, 11. 1 Sam. 10, 27. Gold, Weihrauch und Myrrhe waren kostbare Produkte Arabiens. Die symbolische Ausdeutung der Geschenke bei Kchvv., Luih. u. älteren Theologen, z. B. Gold hätten sie ihm geschenkt als König, Weihrauch als Gott, Mjrrrhen in Hindeutung auf sein Todesleiden (Luth. nach Theophyl.) u. ähnliche sind als homi- letische Anwendung nicht zu tadeln, aber exegetisch nicht zu rechtfer- tigen, auch wenn mit Tertull u. Chrysost. Weihrauch und Myrrhe, weil man diese Spezereien teils zum Salböl teils zum Räucherwerk ver- wandte, auf Gott bezogen werden. Die Unterscheidung von König und Gott lag sicher den Magiern sehr ferne. V. 12. Infolge göttlicher Offenbarung lenkten die Magier nicht wie- der zu Herodes zurück, sondern zogen auf einem andern Wege in ihr Land. xQrniaxiod^ivTsq Vulg, responso accepto. Diese Uebersetznng ist der Wortbedeutung gemäß, aber nicht (mit Fritz, u. Mey,) als allein zulässig zu bezeichnen. Im N. T. ist zwar bei xp^iKior/geo^a^ hie und da eine vorhergegangene Auftrage vorausgesezt, z. B. Luc 2, 26. Act 10, 22; aber nicht überall, nicht in Hehr. 8, 5. 11, 7 u. beim Activ. nicht Hehr. 12, 25. Jer. 26, 2. 30, 2 LXX, wo es göttliche Offenbarung überhaupt bezeichnet, dvaxdfitpai den Gang. zurücklenken; dvaxfO' QBlv hinweg ziehen. Herodes solte von den gottesfürchtigen Magiern nicht Auskunft über das Messiaskind erhalten, um dasselbe umbringen zu können. Die Arglist, mit der er die Magier hintergangen hatte, rechtfertigt die Nichterfüllung seines Verlangens, auch wenn sie es ihm zugesagt hatten. Das unter der Voraussetzung seines Vorgebens, dem Kinde auch huldigen zu wollen, arglos Versprochene solte nach gött- licher Ordnung ihm nicht als Mittel zur Ausführung der bösen Ge- danken seines Herzens dienen. Mit diesem zunächst liegenden Zwecke der göttlichen Weisung läßt sich die weitere Absicht der göttlichen Traumoffenbarung, die Magier im Glauben an die Geburt des Heilan- des der Welt zu bestärken, unschwer vereinigen. Das Kind, über des- sen Erhaltung Gottes Vorsehung so wunderbar waltete, konte nur der durch den Wunderstern ihnen angekündigte Messias sein. So drükte diese Traumoffenbarnng ihrer astrologischen Combination das Siegel göttlicher Bestätigung auf. Ueber die Erzählung von den Magiern urteilt die moderne Theologie, daß sie ihre sinnvolle Warheit im idealen Gebiete habe; ob aber und wie viel bei der- selben wirklich Geschehenes zu Grunde liege, sei nicht näher zu ermitteln. Aller- dings können nach göttlicher Bestimmung morgenländische Asti ologen die G6- burt des Jüdischen Messias, welcher das Licht der Heiden sein solte, in doi Ge- stirnen gelesen haben; aber wie leicht nahm die weitere wunderbare G^estaltung der Geschichte ihren Anhalt in dem volkstümlichen Glauben an die Erscheinuig eines Wundersterns bei der Geburt des Messias, welcher Glaube warscheinlieh in Num. 24, 17 vgl. mit Jes. 60, 1 ff. seinen Grund hatte, sowie aus der messia- nischen Erwartung, daß fremde Völker dem Messias Geschenke bringen würden (Ps. 72. Jes. 60). Der sagenhafte d. h. ungeschichtliche Charakter der Erzählnng soll sich teils aus dem abenteuerlichen tStemphänomen an sich und aus der Optik, teils aus der unklugen List und Lüge des sonst so schlauen und ver- MattL n, 12. 79 sehmizten Herodes ergeben, sowie aus dem TöUig onTereinbaren Widerspruche niisers Berichts mit der Geschichte des Lukas, nach welcher das Eind Jesu ganz anderartige Huldigxmgen empfangt und von keinerlei Verfolgung bedroht ist, in der Zeit aber, da die Magier gekommen sein müßten, schon längst nicht einmal mehr in Bethlehem war (Luc. 2, 39). So Meyer nach dem Vorgange von Strausa, Keim, welcher I S. 376 das Benehmen des Herodes gar ,nicht denkbar' und gegen alles geschichtliche Zeugnis findet, u. A. mehr. — Allein von Luc. 2, 39, worauf wir am Schlüsse dieses Cap. zurükkommen werden, abgesehen, läßt sich gar nicht begreifen, wie die Huldigungen, welche nach Luk. dem Kinde Jesu zu Bethlehem yonseiten der Hirten und in Jerusalem bei seiner Darstellung von dem Greise Symeon und der Prophetin Hanna zuteil worden, mit unserem Be- richte Yon den Magiern und den Mordgedanken des Königs Herodes in Wider- sprach stehen sollen. Was aber die ,unkluge List und Lüge' des Herodes be- Irift, so würde die ünklugheit dieses Tyrannen, wenn sie wirklich erwiesen wäre, doch die Geschichtlichkeit unsers Berichts nicht im mindesten zweifelhaft machen, da die Weltgeschichte nicht wenige Fälle verzeichnet hat, wo kluge und yerschmizte Männer zur Erreichung ihrer Pläne Mittel gewählt und Wege eingeschlagen haben, die sich hinterher als verfehlt und unklug erwiesen. Es bleibt also nur der Wunderstem übrig, der für die, welche a priori jedes Wun- der leugnen, die Erzählung wol zweifelhaft machen mag; aber für alle, die an emen lebendigen persönlichen Gott glauben, der mit allmächtiger, nicht durch starre Naturgesetze gebundener Hand die Welt regiert und die natürliche Ord- nung der Dinge für die Zwecke seines Reichs sich dienstbar macht, begründet die Stemerscheinung, welche den frommen Magiern den Weg zur Krippe des Heilandes weist, kein Object zur Leugnung der Wirklichkeit dieses Phänomens. Die mesdanischen Erwartungen, welche durch die von den Magiern dem Mes- sias nach seiner Geburt erwiesene Huldigung in Erfüllung gingen, enthalten nichts, was unsere Erzählung verdächtigen könte. Wenn Gott die Sendung des Messias durch Propheten hatte verkündigen lassen, so dürfen wir seiner Weis- heit auch zutrauen, daß er nach der Geburt desselben sowol den Frommen in Israel als auch den auf sein Heil harrenden Heiden sein Erscheinen auf Erden in erkennbarer Weise offenbart haben wird. Die Verbreitung der Messiaserwartung im ganzen Oriente ist ja durch die S. 74 angeführten Zeugnisse des Sueton, Tacitus u. Josephus gegen alle Zweifel sicher gestelt; und selbst für die Erwartung, daß ein am Himmel aufgehender Stern die Erscheinung des Messias anzeigen werde, liegt in dem Testamente der- 12 Patriarchen (Testam. Levi c. 18 in Fabricii Cod pseudep V. T. /, 584: s,) ein bestimtes Zeugnis vor, indem der Verf. dieses aus dem Ende des ersten Jahrh. stammenden Apokryphums den Patriarchen Levi seinen Söhnen verkündigen laßt: ävaxBXBt änxQov avtov (d. i. des als Ugevs xaivog bezeichneten Messias) Bv ovgavm d)S ßaaMtog^ cpmxi^ov q>(og yvtüasmg xtX. Diese Idee ist offenbar aus dem Spruche Bileams über den Stern aus Jakob (Num. 24, 17) geflossen, wenn dieselbe auch diese ihre bestimmtere Fassung der Bekantschaft des Verf. jenes Testamentes mit der evangelischen Geschichte verdanken mag. Die Erzählung des Matth. aber kann schon darum nicht für ein aus der Weißagung Bileams und anderer Propheteu geflossenes Gebilde dichtender Sage gehalten werden, weil in diesem Falle Matth. den Znsammenhang der mitgeteilten Geschichte 80 MAtth. n, 12. mit jenen Weißagungen nicht nnterdrfikt, sondern Tielmehr nach dem Plane seines Evahgelioms die darin hervortretende Erfüllung prophetischer AuflfprfidM aufgezeigt haben würde. Da er dies hier nicht gethan hat, so müssenirir urtei- len, da& in der Quelle, aus welcher er schöpfte, dieser Zusammenhang nidit Mh gezeigt war. Er selbst aber, wenn er denselben auch erkante, unterlieB es, M. hervorzuheben, weil die typische Bedeutung der Begebenheit erst in der Zufamft sich realisirte. — Auch für das Phänomen des Sternes, welcher den Magiern die Qebnrt da Messias anzeigte, liefert die Geschichte der Astrologie und Astronomie That- sachen, welche unserer Erzählung viel mehr zur Bestätigung gereichen, als An- laß zu Zweifeln an ihrer Warheit geben. Den Astrologen galt die Ooigimdi» der oberen Planeten, Saturn, Jupiter und Mars, als besonders bedeatsam. Auf Grund dieses astrologischen Glaubens- und Lehrsatzes hat der berühmte Astro- nom Kepler ^ eine Conjunction des Saturn und Jupiter, die am 17. Decbr. 1608 im Stembilde des Schützen eintrat und zu der im Sptb. 1604 der Mais hinCTVyni und im October desselben Jahres zwischen dem Mars und dem Jupiter am Ört- lichen Fuße des Schlangenträgers ein neuer fixstemähnlicher Körper, der bis zum October 1605 gesehen wurde , dann allmälig wieder verschwand, — mit dm Sterne der Weisen combinirt, da sich ihm aus astronomischer Berechnung etgtib, daß eine solche Conjunction im J. 747 a. u. c. , also um die Zeit der Geburt Christi oder nicht lange vor derselben, im Zeichen der Fische stattgefunden habe. Diese Combination suchte in neuerer Zeit Munter (der Stern der Weiaen. Eopenh. 1827 1 weiter zu begründen durch eine Notiz in AharhaneU Oommentar zum Daniel (rtr^itzr^n ^r?^)» ^^^ ^^ größte aller Planetenconjunctionen zu der Zeit, als Israel in Aegypten war, 3 Jahre vor Mose's Geburt stattgefunden und die Zeit der Erlösung Israels aus der Knechtschaft Aegyptens angezeigt habe» und daß dieselbe Conjunction im J. 14 >4 wiedergekehrt sei im Zeichen der Fische, woraus Aharbanel schloß, daß die Ankunft des Messias zu erwarten stehe. Munter hielt daher die große Planetenconjunction im J. 747 a. ti. c. für den Stern der Weisen, während Kepler einen, dem zu der Planetenconjunction seiner Zeit hinzugekommenen Fixsterne, ähnlichen neuen Stern für den in der evangelischen Erzählung erwähnten Stern hielt, welcher den Magiern den Weg nach Jerusalem und nach Bethlehem gewiesen habe. Dieses Phänomen reicht vollkommen zur Bechtfertigung des geschichtlichen Charakters unserer Erz&hr lung aus, indem es zeigt, daß dieselbe kein mit der Naturordnung unvereinbaree Wunder voraussezt. Nun hat zwar R. Anger (der Stern der Weisen u. das Ge- burtsjahr Christi; eine chronol. Untersuchung, in der Ztschr. für histor. TheoL von lUgen. u. Niedner 1847. S. 347 ff.) dagegen eingewandt, daß bei dem Evan- gelisten außer dem Phänomen, welches Kepl als den natürlichen Beweggrund betrachte, von einem anderen nicht die geringste Spur sich zeige, und daß über* haupt die Annahme besonderer Wichtigkeit der Conjunctionen der oberen Pla- neten nicht vor dem 8. oder 9. Jahrb. bei arab. Astrologen, der Glaube an met- siamsche Bedeutung einer Conjunction von Saturn und Jupiter aber nicht vor dem 11. Jahrb. u. s. w. vorkomme. Aber der erste Einwand ist schon als argw 1) De Jesu Christi vero anno natalitio. Prof. 1606. 4 De nova Stella in pede Serpentarii. 1606. 4. und De vero anno, quo aeternvs Det ßlius humanam naturam in utero bened, virginis Mariae assumpstt. Ibid. 1614. Matth. n, 12—15. 81 mentum e sileniio ohne alle Bedeutung. Der Eyangelist berichtet nichts von der [lonstellation, sondern nur das in die Augen fallende Phänomen des Sternes; die mdem beiden Einwände aber hat schon Winer (E W. II, 526) beseitigt durch lie Bemerkung: »daraus folgt nicht, daß solche Co^junction den alten chald. )der asiat. Astrologen nicht bereits bedeutungsvoll erschienen sei (muß denn Jles gerade nur so alt sein, als seine Erwähnung in Schriften?) ; ja es ist höchst mwarscheinlich, daß Jene auf ein so merkwürdiges Phänomen bei ihrer Nativi- ätstheorie gar nicht geachtet haben solten. Alle übrigen Einwendungen ver- ichwinden, wenn man nur nicht im Texte des Matth. eine vollkommene astrono- fusche Beziehung auf jene Conjunction finden will; denn mag auch darriQ in »opnlärer Bede recht wol von einer Stemgruppe gesagt werden können, so ist loeh unverkennbar, daß Matth. ein wunderbares Phänomen erzählen will. ' Ein olches war aber ein Stern, wie der von Kepl. beobachtete neue fixstemartige Cöiper. Vgl. Ehrard, wissensch. Kritik S. 282 ff. u. Wieseler^ chronol. Synopse J. 57 ff u. Beiträge S. 149 ff. Auf Grund der erwähnten Constellation haben schon Kepler und Munter, Ann auch Idekr^ Hdb. der Chronol. II S. 399 ff., Wieseler, Ehrard, Lichtenstein Lebensgesch. des Herrn Jesu Christi, u. in Herzogs Eealencjkl. VI S. 564 f.), Veigl u. A. das Geburtsjahr Christi genauer zu bestimmen gesucht. Hiefur sieht freilich unsere Erzählung nicht aus, weil in ihr die Zeit, wann die Ma- ier nach Jerusalem kamen, nicht näher angegeben ist. y. 13—18. Flucht Josephs mit dem Jesuskinde naoh Aegyp- en, Eindermord zu Bethlehem. Y. 13. Nach dem Wegzage der lagier erhielt Joseph durch eine Tranmoffenbarang von einem Engel es Herrn die Weisung, mit dem Kinde und der Maria nach Aeg3rpten a fliehen und dort bis auf weitere Weisung zu bleiben, weil Herodes AS Kind umzubringen beabsichtige. q)alveTac ist historisches Präsens. ^d-c ixst sei d. i. bleibe dort. Den Ort des Aufenthalts in Aeg3rpten ent die Sage Matarea bei Leontopolis, wo der Oniastempel erbaut war. i. Paulus merkw. Reisen in den Orient III, 256 u. v. Schubert Reise iB Morgenl. II, 170. icog av ehcco ooi bis (eintretenden Falls äv) ich's ür gesagt haben werde. (liXXst C,i]retv ist im Begriffe, beabsichtigt auf- isachen. rov dnoXioat der genit inftn. die Absicht ausdrückend, vgl. Vmer §. 44, 4 S. 306 u. Kühner ü, S. 604. — V. 14 f. Sofort zog oseph wxrog des Nachts weg nach Aeg3rpten und blieb daselbst bis un Tode des Herodes (re^Ävr?^ Lebensende). — In diesem Ereignisse rblikt Matth. eine ErfttUung {iva ütXrjQm^ wie 1, 22) der Weißa- ong Hos. 11, 1: „Aus Aegypten habe ich meinen Sohn gerufen'^ So ach dem hebr. Grundtexte. In LXX lautet die Stelle: fistsxdXeöa rä hcva avTOv seine (Israels) Kinder. *^3^ viov (lov ist bei Hosea das olk Israel kraft seiner Erwählung zum Eigentumsvolke des. Herrn, orch welche Israel zum erstgeborenen Sohne Jahve's erhoben wurde Ixod. 4, 22. Die Berufung desselben (d. i. die Ausführung Israels) aus .egypten bildet das erste Stadium der Verwirklichung des Heilswerkes, elches in der Menschwerdung des Sohnes Gottes seine YoUendung er- ficht. Vermöge dieses Zusammenhanges mit dem göttlichen Heilsplane ewint die Ausftlhrung Israels aus Aegypten messianische Bedeutung, Keil, Comm. z. Erangel. Matth. 6 82 Matth. II, 15-18. insofern als was Gott fOr imd an Israel gethan hat, auf Christum ab- zwekt und in seiner Erscheinung vollkommen realisirt wird. Hiedurch wurde die Führung Israels nach und aus Aeg3rpten zu einem Typus auf die Lebensführung Christi. Israels Erwählung zum Sohne Jahve's be- reitet die Erscheinung dessen vor, der als Gottes eingeborener Sohn in die Welt kam und Mensch wurde, um alle, die ihn als Heiland auf- nahmen, zu Gottes Kindern zu machen. Auf Grund dieses typischen Verhältnisses zwischen dem zum erstgeborenen Sohne Jahve's erwäUr ten Israel und dem in Christo erschienenen eingeborenen Sohne Gottes führt Matth. den Ausspruch des Hosea als Weißagung auf Christum an, weil der Aufenthalt in Aegypten und die Ausführung aus diesem Lande für Christum dieselbe gottgeordnete Bedeutung hatte wie für das Volk Israel. Wie Israel in Aegypten vor den Einflüssen des gottlosen Wesens der Canaaniter bewahrt zum Volke heranwuchs, so wurde das Jesuskind vor der Feindschaft des Herodes in Aegypten geborgen. Vgl. m. Comm. zu Hos. 11, 1. V. 16—18. Als Herodes sah, daß er von den Magiern getäuscht worden, gerieth er in Zorn und ließ alle Knaben zu Bethlehem and sei- nem ganzen Gebiete vom zweijährigen an und abwärts tödtcn. kfuca^m illudere, hier wol: zum Besten haben, täuschen; dagegen 20, 19. 27, 41 u. a. verspotten, sv Jtäöt xolq oglocg avr^g (vgl. n^^n^a^-isa Num. 34, 2. 12) in allen seinen Grenzen, der Sache nach: in allen Häusern und Höfen, die außerhalb Bethlehems noch zum Grenzgebiete des Städt- chens gehörten, djto öcstovg xal xat, erklärt Mey,: vom zweyährigen Alter an und weiter herab, dcstovg als neutr. ötexig fassend, wegen des sing, öcerovgy nicht cbco dcsrcov, obwol von Mehreren die Bede sei, und nach Analogie von ejtl öiBxiq Dem. 1135 u. a. m. Aber diese Gründe sind nicht entscheidend, wie 1 Chr. 27, 31 zeigt, wo ts'^^toj-T^oi fi}^ obtb slxoöasrovg übersezt ist, und elxoöastovg, obwol von Melureren die Bede, ohne Zweifel als masc. zu fassen ist; vgl. noch ixvog r^g ixir yov7]g xSv agösvcxSp (= &*''??t) cbüo XQisxovg 2 Chr. 31, 16. — xcetä xbv xQOvov nach Maßgabe der Zeit. '^Tcglßcoöev wie v. 7. Von den Magiern hatte er genau erfahren, daß zufolge des Erscheinens des Ster- nes das Kind nicht älter als höchstens zwei Jahre sein könne. Um aber sicher zu gehen, ließ er als grausamer Tjrrann auch die Knaben in Bethlehem, die unter zwei Jahren waren, tödten. — V. 17. Da wurde erfült das durch Jeremia geredete Wort, öid haben Lachm. u. Tisch. nach ^BCDZ, Verss., Chrys. Hieron., der recepta vjto vorgezogen, der stehenden Citationsweise bei Matth. entsprechend, s. 1, 22. Die Stelle Jer. 31, 15 ist frei nach der LXX citirt, aber in xkalavca xä xixva avxrjg den Grundtext treuer wiedergebend. d-Qfjvog xal xXavd-fiog %dk o6vQ/i6g jtoZvg umschreibt das hebr. öi*isnon *isa »^ns Wehklage, bit- terliches Weinen, in LXX d'Q7]vov x, xZavd'fiov x. odvQfiov dem gpaii^ untergeordnet. ^Pa)mX xXalovöa (LXX cbtoxXacofisvTj) hat nach Mey. seine Bection mit fjxovödT] (Fritz.) oder mit ovx ij&eXSy wobei xal auch zu fassen ist (Babel weinend . . . war auch unzugänglich der Trö« stung). Aber diese leztere Auffassung ist als höchst gezwungen ent- Matth. II, 18. 83 schieden abzuweisen, und auch die erste, wenngleich in der klassischen Grftcität gültig (wiewol nicht ohne Ausnahmen, s. Kühner II S. 665 vgl. mit S. 37) , läßt sich doch im Hellenistischen nicht durchfahren. Denn da ,die Umschreibung des Verb, fin, durch Participia mit sein im Aramäischen sich fest gestelt hatte, so mochte bei palästinischen Autoren eine Hinneigung zu solcher Ausdrucksweise vorwalten^; und ,in solcher GoDstruction das Verb, substant. auszulassen, so daB Parti- cipium geradezu für Verb. fin. steht, erlauben sich auch griechische Prosaiker — obschon selten und nur in einfachen Tempus- und Mo- dusformen' {Wmer §. 45, 5. 6. S. 327 ff.). Wir fassen daher xkalovöa dem hebr. Partie. niDS» entsprechend im Sinne des Verb, fin., um den Begriff des andauernden Weinens auszudrücken, woran dann xal ovx ^d-slev ohne Künstelei sich anreiht. Die angeführten Worte sind im Contexte der Weißagung Jeremia's dichterischer Ausdruck der Hoffnungslosigkeit Israels bei Wegführung der zehn Stämme ins assyrische Exil (nicht, wie Viele meinen: der Weg- führung Juda's nach Babel), wodurch dieselben vom Volke Gottes aus- geschlossen und unwiederbringlich verloren zu sein schienen. Diesen Schmerz der Frommen über dieses schwere dem Bundesvolke wider- fahrene Unglück zu schildern, stelt Jer. die Mutter Josephs und Stam- mutter Ephraims, Bahel, als über das Geschick ihrer Kinder, der ins Exil weggeführten Ephraimiten bitterlich und untröstlich weinend dar, als ideale Bepräsentantin des Volks und persönliche Vertreterin des mütterlichen Liebesschmerzes über den Verlust ihrer Kinder. Dieses Weinen wird vernommen zu Rama, gegenwärtig er-Räm 2 '/4 M. nörd- lich von Jerusalem, weil von diesem hochgelegenen Grenzorte der bei- den Reiche die Klage weithin hörbar war; nicht weil das Grab der Bahel in der Nähe von Bama gelegen war, wie viele Ausll. in Wider- spruch mit Gen. 35, 16 u. 19, wonach Bahel südlich von Jerusalem in der Nähe von Bethlehem gestorben und begraben war, meinen, oder weil nach Jer. 40, 11 die nach Babel Exilirenden sich in Bama sam- melten; vgl. m. Gomm. zu Jer. 31, 15. — Matthäus faßt die Klage der Bethlehemiten über die Ermordung ihrer Söhne durch Herodes als eine tjrpische Erfüllung jener Worte des Jeremia-, zwar nicht im Sinne einer durecten Weißagung dieses Ereignisses durch den Propheten, aber auch nicht als bloße Anwendung jenes Prophetenwortes auf den vorliegen- den Fall, um den Gedanken auszudrücken, daß der Jammer der beth- lehemitischen Mütter über ihre getödteten Söhne eben so groß war als die Wehklage Israels bei Wegführung des Volks ins Exil. Denn ein sachlicher Typus wird nur durch einen Bealnexus zwischen zwei Er- eignissen begründet. Diesen Nexus haben wir hier darin zu suchen, daß, wie der assyrische König bei der Wegführung der 10 Stämme das in Israel gegründete Beich Gottes zerstören wolte, so Herodes bei Tödtung der bethlehemitischen Knaben den von Gott gesandten König dieses Beiches umzubringen trachtete. Wenn schon jener Versuch der Vernichtung des Volkes Gottes von den Frommen bitterlich beklagt wurde, so erhielt diese Klage ihre volle schließliche Erfüllung bei dem 6* 84 Matth. II, 18. Attentate desHerodes gegen den neageborenenEönigder Juden. Diesen typischen Znsammenhang beider Klagen hebt Matth. heraus durch An- führung jener Prophetenworte mit der Formel rore sjtXrjQcid^, um an- zudeuten, daß die Wehklage der bethlehemitischen Mtltter ihrem tief- sten Grunde nach der Tödtung ihres Heilandes galt. Wie aber der treue Bundesgott der Klage der Bahel ein Ende machen und sein ver- stoßenes Volk in der Zukunft wieder in sein Beich aufnehmen will (Jer. 31, 16 fP.), so hat er auch die Absicht des Herodes vereitelt, um das Werk der Erlösung Israels zum Siege tlber alle feindlichen Mächte dieser Welt hinauszuftlhren. Zum Erweise, daß der bethlehemitische Kindermord imgeschichtlich, nur aus einer rniverbürgten Sage geflossen sei, macht Mey. mit Strauss u. a. Kriti- kern sowol das Schweigen des Josephus von diesem Ereignisse, als auch den Umstand geltend, daß der Kindennord nicht nur eine ganz überflüssige^ sondern auch eine sehr unkluge Maßregel gewesen wäre. Ueberflüssig, da nach der auf- fallenden Huldigmig der Magier der außerordentlich Neugeborene in dem klei- nen und gewiß auch kleinstädtischen Bethlehem allbekant gewesen sein mußte oder durch polizeiliche Nachforschung leicht und sicher ausfindig zu machen war; unklug, da gerade ein summarischer Kindermord die absolute Gewißheit, den zu treffen auf den es abgesehen war, nicht geben konte. Aber diesem Ba- sonnement liegt die Vorstellung von einem wolwollenden und gerechten, beson- nenen und weisen Sachwalter zu Grunde, oder die Voraussetzung von Eigen- schaften und Eegententugenden desHerodes, die mit dem geschichtlich bekanten Charakter dieses grausamen Tyrannen völlig unvereinbar sind. Konte der sei- ner Grausamkeit wegen von allen Juden gehaßte Tyrann darauf rechnen, daß die Einwohner von Bethlehem seinen Häschern warheitsgemäße Auskunft über das gesuchte Jesuskind geben und das Haus, in dem es zu finden, anzeigen wtbr- den? — Das Schweigen aber des Josephus über diese That des Herodes erklärt sich hinreichend daraus, daß die Zahl der zwei- und einjährigen Ejiaben in dem Städtchen Bethlehem nicht groß sein konte, und die Ermordung von höchstens 15 — 20 Knaben hinter den übrigen weit größeren Greueln dieses Wüterichs ver- schwand, wie ein Tropfen im Meere (vgl. Ebrard S. 292), wobei noch in Betracht zu ziehen, daß Jos. es überhaupt vermeidet, von der Messiaserwartung seines Volkes zu erzählen. * Selbst Keim (in Schenkels Bibellex. UI S. 37), der die Matthäische Erzählung nicht buchstäblich festhalten zu können erklärt, weil es ganz unmöglich sei, ,daß der gewiegteste (?) Polizeimeister (?) so naiv und stümperisch seine Maßregeln solte getroffen haben', führt als „merkwürdig'' an: „in jenen lezten ünglückszeiten war die messianische Erwartung wirklich eine Sorge des Königs, damals war er überhaupt ängstlich um die Krone, wachsam, spürsam, grausam. Häuser mit allen Bewohnern, also mit den Kindern, hatte er schon früher ausgerottet, sogar Weiber auf die Folter gespannt {Joseph, Alterth.XV, 8, 4. XVU, 4, 1) ; neuestens die Wüterei in der Familie und am Hof und darüber hinaus mit Hinrichtungen, mit Verbrennungen, mit Foltern, mit Mordgelüsten gegen ganz Israel über alles Menschenmaß getrieben; nicht zu 1) Josephus hat auch noch vieles Andere unerwähnt gelassen. Vgl. die Zn- sammenstellung der Omissa varia a PI, Josepho mJ.B. Ottii animdw. in Fl. Jos., in Josephi Opp. ed. Haverc. II, 2, p. 305 ss. Matth. II, 19—23. 85 yergessen, daß gerade um das vorausgesetzte Geburtsjahr Jesu Bagoas mit den andern für messianische Träume büßtet (Kann man einen solchen Wüterich wqI einen gewiegten Polizeimeister nennen?) — Den angeführten Einwänden gegen- über yerdient immerhin die Notiz des heidnischen Schriftstellers Macrobiusy Saturn. II<, 4 von Attgttstus Beachtung: Cum audisset, inter pueros, guos in Syria Herodesrvex Judaeorum intra himatumjussit interfici, filium quoque ejus occi' sum, ait : melius Herodis poi'cum {vv) esse quam filium (vloy), obschon in dersel- ben die Ermordung des Antipater, des eigenen Sohnes des Herodes (Joseph. XVII, 7) mit dem bethlehemitischen Kindermorde vermengt ist, da beide Er- eignisse in die lezte Zeit des Herodes fielen, und Macroh, seine Notiz nur aus der unter christlichen Einflüssen entstandenen Sage geschöpft haben mag. Vgl. Wieseler Bdtrr. S. 152 f. Ohne einen historischen Kern konte sich übrigens eine solche Sage gar nicht bilden. y. 19—23. Bükkehr aus Aegypten nach Nazaret. Y. 19. f. Als Herodes gestorben war, wurde Joseph durch einen Engel angewie- sen, mit dem Kinde Jesu und seiner Mutter ins Land Israel zurückzu- kehren, denn wie der Engel mit unverkennbarer Erinnerung an Exod. 4, 19 LXX sagt: xsdvi^xactv ol ^f^tovvreg otxX. Gemeint ist Herodes, und der in Reminiscenz an Ex. 4, 19 gewählte Plural nicht die Zahl, sondern die Kategorie ausdrückend, vgl. Winer §. 27, 2. Qtjrelv xtjv fpvx^jp = *5fi?'^'? ^? nach dem Leben trachten. Das Particip mit dem ' Artikel steht substantivisch, vgl. Winer §. 18, 3. Herodes starb an Würmerfraß der Genitalien und Eingeweide (Joseph, b. jud. I, 33, /. 5. Anti. XVII, 8, 5) im 37. Jahre seiner Regierung und im 70. seines Lebens unter furchtbaren Qualen, nachdem ein Selbstmordsversuch mißliingen war (Joseph, Antt. XVII^ 8, 1 u. 9, 3). — V. 21. Joseph kam alsbald ins Land Israel. Für ifld-sv haben Lachm. n. Tisch, nach t^BC eioijZd-ev recipirt. y^ ^öQorjX (v. 20 u. 21) ist nicht weite und nnbestimte Bezeichnung des Landes, so daß Joseph ohne der Weisung entgegen zu handeln nachher sich nach Galiläa wenden konte (Mey.\ sondern Land Israels ist im Gegensatz gegen Aeg3rpten das Land des Bandesvolks oder der göttlichen Offenbarung. Nicht in Aegypten solte Jesus der Christ, der Sohn Davids aufwachsen, sondern in Israel dem Lande des Herrn, wo er geboren war und als Messias sich offenbaren solte. Zum Lande Israels gehörte aber nicht allein Judäa, sondern auch Galiläa, auf welches die Pharisäer verächtlich herabsahen. — V. 22. Als Jos. aber hörte, daß über Judäa Archelaus herschte, fürchtete er sich dorthin zu ziehen und zog infolge göttlicher Traumoffenbarung (X^ficcriöd-slg xcn ovag wie v. 12) in die Gebietsteile von Galiläa. — Nach dem Tode des Herodes machte AugiLstus den Wirren und Strei- tigkeiten über, das hinterlassene Erbe dadurch ein Ende, daß er des Verstorbenen Testament bestätigend das Reich unter dessen drei Söhne teilte, nämlich dem Archelaus die Hälfte des Reichs, Judäa, Idumäa und Samaria^ mit dem Titel Ethnarch, dem Antipas Galiläa und dem Philip- pus Batanäa, Trachonitis und Auranitis, beiden mit dem Titel Tetrarch, verlieh; vgl. Schürer Neutest. Zeitgesch. S. 223 ff. Archelaus solte den Königstitel erst erhalten, wenn er sich desselben würdig erwiese. Aber 86 Matth. U, 23. schon nach 9 Jahren wurde er wegen seiner Grausamkeit von Augustus nach Vienne in Gallien verbannt, woselbst er hernach starb, sein Reich aber unter der Verwaltung eines Procurators zur römischen Provinz Sjrrien geschlagen. ßaOcXsveiv steht also hier im weiteren Sinne für regnare, wie oft auch bei den Klassikern, kjtl fehlt in t^B u. Minusk., ist deshalb von Lachm, u. Tisch, 8 weggelassen und kann nach klas- sischem Sprachgebrauche fehlen, ist aber warscheinlich ursprünglich*, vgl. Luc. 1, 33. 19, 14. ETCsl cbtBXd-elv, die Verbindung von Adverbi^ der Ruhe mit Verbis der Richtung, eine sehr gewöhnliche Attraction; vgl. Winer S. 439 f. 6g)oßi]d7] er fürchtete sich; denn Archelaus glich an Argwohn und Grausamkeit seinem Vater. Diese Bemerkung berech- tigt zu der Annahme, daß Joseph ohne diesen Beweggrund sich in Judäa niedergelassen haben, nach Bethlehem zurückgekehrt sein würde, um dort dauernd zu wohnen. Zufolge göttlicher Weisung zog er also von Judäa weg slg ra fiiqrj xi^q FaX, in die zu Galiläa gehörenden Ge- bietsteile (des Landes Israel). Zu xä fidgi] vgl. 15, 21. 16, 13. Act. 2, 10. Antipas, der Tetrarch von Galiläa war klug, ehrgeizig und prachtlie- bend wie sein Vater, aber weniger tyrannisch (dyajtmv xijv ^öü^tav. Joseph. Antt XVIII, 7, 1), vgl. Schürer S. 233 ff. V. 23. Nach Galiläa gekommen ließ Jos. sich in der Stadt Namens Nazaret wohnhaft nieder. Das Fehlen des Artikels von xoXiv erklärt sich einfach daraus, daß Matth. die Stadt bisher noch nicht genant hat, wie bei kx jtoXecog Na^. Luc. 2, 4. Bei jtoXiq lassen auch die Klassi- ker den Artikel oft weg, wo der Zusammenhang keinen Zweifel darüber läßt, welche Stadt gemeint ist, vgl. Winer §. 19, 1. Statt des einfachen Namens hebt Matth. durch XByoftevrjp den folgenden Namen hervor, weil er auf die typische Bedeutung des Namens dieser von Joseph zum Wohnorte gewählten Stadt hinzuweisen beabsichtigt. Aus diesem Grunde unterläßt er auch, Nazaret als die Stadt zu bezeichnen, wo Joseph und Maria früher gewohnt hatten. Na^agsx, weder im A. T. noch bei Josephus erwähnt, lag im Stamme Sebulon, nicht weit vom Berge Thabor, an einem Bergrücken malerisch gelegen (Luc. 4, 20), in einer anmutigen Gegend; vgl. Rohins. Pal. III S. 419 ff. 7b&/^ Naza- ret in Palästina. Berl. 1868 u. Furrer Wanderungen in Palästina S. 267 ff. Der alte Name hat sich in dem heutigen Städtchen en-Nasira erhalten. — Mit der Bemerkung: „damit erfült würde u. s. w." sezt Matth. nicht nur voraus, daß der Name NaC^coQaZoq mit dem Namen Na^agix zusammenhänge, sondern auch daß die Propheten von diesen Namen Jesu geweißagt haben und diese Weißagung durch die göttliche Fügung, nach welcher Jesus nicht in Bethlehem, dem Stammorte seines Ahnen David, wo er geboren war, sondern in Nazaret aufwachsen solte, erfült worden ist. Der Name Na^cogatog, mit dem Mrc. 1, 24. 14, 67. 16, 6 u. Luc. 4, 34 Na^aQfjvog alternirt, wird im N. T. Jesu bei seinen Lebzeiten nur von solchen Juden beigelegt, die außerhalb des engeren oder weiteren Jüngerkreises stehen. So von einem Besessenen in Ca- pemaum Mrc. 1, 24. Luc. 4, 34; von dem blinden Bartimäus zu Jericho Mrc. 10,47. Luc. 18,37; von der Magd des Hohenpriesters Mtth.26,71. Matth. n, 23. 87 Mrc. 14, 67; in der Ueberschrift des Kreuzes Job. 19, 19. Erst nacb der Auferstebong Jesu finden wir den Namen im Munde der nacb Em- maus wandernden Jttnger Luc. 24, 19; bei Petrus in der Rede an die Juden Act. 2, 22 und bei der Heilung dies Labmen vor der Tempeltbüre 3, 6 o. 4, 22. Endlicb gibt sieb der Auferstandene dem Saulus in der Nabe von Damaskus mit den Worten: ,Icb bin Jesus 6 Na^cogatog' zu erkennen Act. 22, 8. Mit demselben Beinamen bezeicbnet dann Paulus Jesum in seiner Verteidigungsrede vor Agrippa Act. 26, 9. Daß in allen diesen Stellen Na^cogatog nur die Herkunft Jesu von Nazaret bezeicbnet, das erbellt unzweifelbaft daraus, daß Petrus in der Bede zu Gäsarea vor Kornelius Jesum top djto Na^agh statt top iVagcö- QaZop nent; äbnlicb wie Pbilippus dem Natbanael Jesum durcb top ccjto Na^. nftber bezeicbnet, um ibn von anderen Personen dieses Namens zu unterscbeiden, Job. 1, 46. Die Gentilitia Na^oQatog und Na^a- Qf/vog sind frellicb nicbt von der Namensform iVaga()^ (oder Na^agi^) abgeleitet, von der nur Na^agsTaTog gebildet werden konte, was nie vorkomt, sondern Na^oQrjPog von der Form Navaga, welche einige Codd. an etlicben Stellen bieten und Tisch, $ in 4, 13 u. Luc. 4, 16 in den Text aufgenommen bat, und Na^ogatog von einer dumpferen Aus- sprache des Namens oder durcb Vermittelung des bebr. '^'^i^eb. Aus Navaga sind entweder durcb Verhärtung des n fem. in n oder als ara- mäische Form des stat emphat. die Namen Na^agcid' und Na^agar in verschiedenen Codd. des N. T. entstanden; während ^teron. im Onomast, p. 297 ed. Lars, et Pdrth. bemerkt, daß Nazareth noch zu seiner Zeit in Galiläa als vicuhis — juxta montem Thdbor, nomine Na zara existire. Nazara aber ist unstreitig Femininbildung von '^^ea. Dies bestätigt die von Z. de Dieu, crit. s. zu Mttb. 2, 23 angefahrte Stelle des R, David de Pomis: Wan 'i^s i-^^n •^wi ^» ^^n» „Nazaräer ist derjenige, welcher geboren ist in der Stadt Nezer in Galiläa'', und aus den talmud. Stel- len, in welchen Christus mit dem verächtlichen Namen Ben Nezer (der Nazarener) belegt wird (bei Hengstenh. Christol. H S. 124 fF.). Diesen Namen hat das Städtchen wol wegen seiner geringen Anfänge erhalten, da "^^ca ein schwaches Reis im Gegensatz zu einem stattlichen Baume bezeichnet, vgl. 11, 2. 14, 19. Und Nazaret scheint auch über seine anfängliche Kleinheit und Unbedeutendheit nie hinaus gekommen zu sein, wie daraus zu schließen, daß Josephus, der so viele Städte und Flecken Galiläa's nent, nie dieses Städtchens erwähnt. Außerdem zeigt auch die Frage Nathanaels Job. 1, 46: was kann aus Nazaret Gutes kommen? daß der Ort bei den Juden in Verachtung stand. Die Schmach, die aus nicht näher bekanten Ursachen auf Nazaret ruhte, übertrugen später die Judeü auf Jesum, indem sie ihn 12C p oder auch wol in An- spielung auf Jes. 14, 19 aa>n» 'isti nanten, um ihn als ii>p»ri •^•130 ,den verfluchten Nazaräer' zu bezeichnen. S. die Belege hiefür aus Buxt., Lightf. u. Eisenmenger bei Hngsib. a. a. 0. S. 125. Wenn nun Matth. die Benennung Na^cogalog^ welche Jesus von sei- ner Herkunft aus Nazaret erhielt, durch die Propheten geweißagt findet, so hat er dabei hauptsächlich Jes. 11, 1 im Auge, wo der Messias als 88 Matth. II, 23. "^^J , der aus den Wurzeln des Stammes Isai hervorgehe, verkündigt ist, zugleich mit den verwandten Stellen Jes. 53, 2, wo derselbe mit «J'jö n;u y^^TQ verglichen ist, und Jes. 4,2. Jer.23,5. 33, 15. Zach. 3, 8. 6,12, wo er m:| heißt, um den Gedanken auszudrücken, daß der Messias nach der Verkündigung der Propheten [öca x(5v jtQOtjprjxSv) aus der in Niedrigkeit herabgesunkenen Familie Davids abstammend ohne äußere Zeichen von Hoheit und Würde auftreten werde. Diese WeiBagnng wurde erfült durch die göttliche Fügung, nach welcher Jesus nicht in Bethlehem oder Jerusalem, überhaupt nicht in Judäa, sondern in dem verachteten Nazaret der von den strengeren Juden verachteten Provinz Galiläa erzogen werden solte. ^ Der Bericht v. 21 — 23 von Josephs Eükkehr aus Aegypten nach Nazaret in Galiläa wird von der neueren Kritik so aufgefaßt, daß nach Matth« Bethlehem nicht blos der Geburtsort Jesu, sondern auch der heimatliche Wohnsitz Josephs und der Maria gewesen sei, den sie bei der Eükkehr aus Aegypten nur aus Furcht vor Archelaus aufgaben und sich der göttlichen Weisung gemäß zu Nazaret in Galiläa wohnhaft niederließen. Darin wird dann ein unvereinbarer Widerspruch mit der Erzählung des Lukas gefunden, der zufolge Nazaret der ursprüngliche Wohnort Josephs und der Maria war, von wo sie nur durch die vom Kaiser Augustus angeordnete Schätzung genötigt wurden, nach Bethlehem, dem Stanmi- orte des Davidischen Geschlechts zu reisen, wo dann Jesus geboren wurde, da- her sie auch, nachdem sie mit der Darstellung Christi alles nach dem Gesetze des Herrn vollendet hatten, in ihre Stadt Nazaret zurükkehrten. So nicht nur de W,^ Dav. StrausSf Schenkel, Keim, sondern auch Bleek^ Meyer, Weiss u. A. mehr. Diese Argumentation mit der daraus gezogenen Folgerung würde f&r richtig zu halten sein, wenn a) die beiden Evangelisten rein historische Be- schreibungen alles dessen hätten liefern wollen, was sie über Jesu Kindheit ver- nommen oder erkundet hatten, und b) in v. 21— 23 wirklich enthalten wäre, was diese Kritik darin findet. Aber diese beiden Annahmen sind entschieden irrig. Weder Matth. noch Luk. geht darauf aus, alles mitzuteilen, was über Jesu Ge- burt und Kindheit überliefert war. In Betreff des Matth. ist ja allgemein an- erkant, daß er sich bei der Wahl des in sein Evangelium aufzunehmenden ge- 1) Andere Ableitungen des NaCüjgaiog xXrjd^i^aetae, entweder nach Ps. 22. Jes. 53 von der verachteten traurigen Lage des Messias (OZ.9A., Ehr., Longe), oder von in« {Calv. Grot. Hilgenf. u. A.), oder von i^a Bewahrer nach Exod. 34^ 6 f. (Zuschlag in d. Luther. Ztschr. 1854 S. 417 ff.), oder nach Ps. 31, 24 (Riggenr dach in cl. Theol. Stud. n. Krit. 1855 S. 606 f.), hat schon Mey. mit BecHt als unzulässig abgewiesen, weil sie den Zusammenhang des Namens mit Nazaret verkennen. Noch unzulässiger ist die Erklärung von v. Hofm. (Schriftbew. II, 1 S. 119 vgl. Weiß. u. Erf. II, 66), welcher xXin&r^ffetac im Gegensatz zu elt^ai faßt und auf die ungläubigen Juden bezieht, aenen die Herkunft Jesu aus Na- zaret, dem in der Schrift un^enanten Orte, dazu diente, ihn als einen zu bezeich- nen, von welchem die Schrift nichts wisse, womit sich dann alle Weißagungen der Schrift von der Verkennung und Verachtung des Messias erfülten. Diese Deutung des xXri&i^aetac verstößt gegen den bibl. Sprachgebrauch, vgl. z. B. Luc. 1, 32. 76. Mtth. 5, 9. 19 u. a., und die des Na^cogaios scheitert schon an Act. 3, 6, wo Petrus doch gewiß nicht sagen wolte: Im Namen Jesu, von dem die Schrift nichts weiß, stehe auf. Matth. n, 23. 89 schichtHchen Stoffes von der Bücksicht auf die Weißagung des A. T. Yom Mes- sias leiten ließ tind nur die Thatsachen erwähnt, ans welchen sich ergab, daß Jesn Leben nnd Wirken der prophetifchen Verkündigung entsprach; daher er anch in der Eindheitsgeschichte nur die Ptmkte berührt, durch welche Weißa- gnngen erfült wurden. Matth. erzSiilt nicht einmal die Oeburt Jesu, sondern sezt sie nur Yoraus und erwähnt Bethlehem als Geburtsort nur wegen der Weißa- gung Mich. 5, 1. üeber den heimatlichen Wohnort Josephs sagt er kein Wort; nur yermöge wunderlicher Logik kann Weiss (Matth. -evang. S. 98) aus der y. 5 angeführten Weißagung Micha's den Schluß ziehen, daß Bethlehem die „eigent- liche Heimat" desselben war. Nur Bethlehem als der Ort der Geburt Christi und Nazaret als das Städtchen, wo er aufwuchs, hatten für Matth. nach dem Plane seines EYangeliums heilsgeschichtliche Bedeutung; nicht aber die Angabe der ,eigentlichen Heimat' Josephs und der Maria, daher er auch bei 2, 23 unter- läßt, eine Andeutung darüber zu geben. Und was er y. 21—23 anführt, um die Niederlassung Josephs in Nazaret zu moÜYiren, beweist nicht, daß Bethlehem «ein eigentlicher Wohnsitz war, sondern zeigt nur, daß er aus Aegypten zurük- kehrend sich in Judäa wohnhaft niederlassen wolte, weil er glauben mochte, daß nach Gottes Willen der Messias in Judäa aufwachsen solte, wo er durch beson- dere göttliche Fügung geboren, und sowol in Bethlehem als in Jerusalem bei der Darstellung im Tempel you den auf das Heil Gottes harrenden Frommen freudig aufgenommen worden war. Hatte Joseph in Nazaret Grundeigentum besessen, so hatte er dasselbe ohne Zweifel bei oder nach der Flucht nach Aegypten Yeräußert, da er nicht wissen konte, wie lange er in Aegypten würde bleiben müssen. Ohne den Bericht des Lukas über die Heimat Josephs und über die besonderen Umstände, welche Jesu Geburt in Bethlehem herbeiführten, könte man wol nach dem EYang. des Matth. Yermuten, daß Joseph in Bethlehem an- sässig war; aber einen sicheren Anhalt für diese Vermutung liefert der Bericht des Matth. nicht. Ziehen wir aber den Bericht des Lukas näher in Betracht, so enthält c. 1, 5 — 2y 38 nichts, was dem Berichte des Matth. widerspräche; und nimt man an, daß Joseph und Maria nach der Darstellung des Kindes im Tempel zunächst nach Bethlehem zurükkehrten, so läßt sich auch die Erzählung des Matth. Yon den Magiern und der Flucht nach Aegypten an Luc. 2, 38 anreihen oder zwischen y. 38 u. 39 einfügen. Die Bemerkung y. 39, ,als sie alles nach dem Gesetze Yollendet hatten, kehrten sie nach Galiläa zurück' würde einen da- mit unYcreinbarcu Widerspruch nur unter der Voraussetzung begründen, daß Luk. alles habe erzählen wollen, was ihm aus Jesu Kindheitsgeschichte bekant geworden war, so daß die in Matth. 2 berichteten Begebenheiten durch sein Schweigen negirt würden. Wolte hingegen Lukas mit seinen Mitteilungen aus Jesu Kindheit nur zeigen, daß Jesus, obgleich durch seine wunderbare Empfäng- nis imd Geburt als Sohn Gottes erwiesen, doch als yBvofAevog ix anig^axog ^avW xttTcc aagxa (Bom. 1, 3) unter das Gesetz gethan wurde, um die Erlösung der Menschen Yon dem Joche des Gesetzes Yollbringen zu können (Gal. 4, 4 f.), 80 konte er für die Absicht, zu der er sein EYangelium schrieb, nämlich die Hei- denchristen in dem Glauben an Jesum Christum als den Sohn Gottes und Welt- heiland festzugründen, sowol die Anbetung der Magier als die Flucht nach Ägypten übergehen, weil beide Ereignisse, auch die Anbetung der Magier, ohne 90 Matth. II, 23. sichtbaren Einfloß anf die Ausbreitung des Evangelioms in der Heidenwelt vor- übergegangen waren. In diesem Falle aber konte er an die Darstellnng Christi im Tempel, mit der alles vollbracht war, was nach dem Gesetz bei der Grebnrt eines Sohnes zu thun war, nor die Bükkehr nach Nazaret anreihen und mit einei Bemerkung über das Aufwachsen und Erstarken des Kindes am Geiste zum Fol- genden übergehen (v. 39 ff.). Peinliche Sorgfalt, jeden Schein eines Widerspruchs mit anderweitigen Berichten zu vermeiden, wie die Kritik bei ihren Operationen voraussezt, lag den Evangelisten und überhaupt den Geschichtschreibem des Altertums ganz ferne. — Wenn aber Keim (Gesch. Jes. 3. Bearb. S. 1171) beide evangel. Berichte noch durch die Bemerkung zu verdachtigen sucht: ,Es ist deutlich, daß Matth. einen heidnischen Willkommruf, Lukas wie zur Ergänzung einen israelitischen schildert; eine Verteilung, nicht blos sonderbar im Blick auf die Schriftsteller, von denen jeder aus seiner eigensten Eolle zu fallen scheint, sondern geradezu widersprechend, weilJerusalem das eine Mal so warm, das andere Mal so kalt, und weil die Unwissenheit und das Erschrecken Jeru- salems und seines Königs, wie sie Matth. gegenüber dem Zweijährigen zeigte völlig immöglich ist, wenn Bethlehem und Jerusalem dem Eintägigen und dann dem Sechswöchigen so feierlich, so öffentlich wie Lukas zeigte, gehuldigt hätte', so- erhellt die Schwäche dieses Einwurfs schon daraus, daß K. erst durch rheto- risirende üebertreibung den Bericht des Luk. entstellen muß, um einen Wider- spruch mit MattL herauszubringen. Oder sind etwa die paar Hirten, die bei Bethlehem des Nachts ihre Herden auf dem Felde hüteten, ganz Bethlehem und der greise Symeon mit der 84 jährigen Hanna, die nimmer vom Tempel kam, die ganze Einwohnerschaft Jerusalems, daß man die Huldigung, welche diese we- nigen frommen Seelen dem Jesuskinde erwiesen, eine Huldigung Bethlehems und Jerusalems nennen könte ? ,Sonderbar' kann aber die Verteilung des Will- kommrufes bei Matth. und Lukas nur solchen Kritikern dünken, die sich um die Erkentnis der innem Oekonomie der Evangelien nicht bekümmern. — Was man sonst noch teils aus dem Fehlen der Kindheitsgeschichte bei Markus, teils aus den Wundem, den wiederholten Engelerscheinungen, gegen die Geschichtlich- keit derselben vorgebracht hat, gründet sich entweder auf höchst zweifelhafte kritische Hypothesen, oder auf dogmatische Voraussetzungen, mit denen ge- schichtlich ausreichend beglaubigte Thatsachen nicht beseitigt werden können. — Vgl. zu dem Gesagten noch die gediegene Widerlegung der angeblichen Wi- dersprüche von Godetf Comm. zum Ev. Luk. S. 66 ff. Matth. m, 1. 91 Vorbereitungen fixr Jesu messianisches Wirken. cap. m, 1 — rv, II, Dieser Abschnitt unsers Evangeliums umfaBt drei Geschichten: 1. das Auftreten Johannes des Täufers, um durch Büßpredigt und Was- sertaufe das jüdische Volk auf die Nähe des Himmelreiches und die Ankunft des verheißenen Messias vorzubereiten (3, 1^12); 2. die Taufe Jesu durch Johannes (3, 13—17); 3. die Versuchung Jesu (4, 1—11). Diese drei Begebenheiten stehen nicht nur zeitlich, sondern auch sach- lich im engsten Zusammenhange. Johannes war von Gott gesandt, um durch Predigt der Buße und durch seine Taufe den Anbruch einer neuen Ordnung der Dinge in Israel anzukündigen, dem Volke die Not- wendigkeit der Sinnesänderung ans Herz zu legen und dadurch sowie durch sein Zeugnis von Christo dem verheißenen Erlöser den Weg zu bahnen. Die Taufe und die Versuchung Jesu bilden die persönliche Vorbereitung Jesu Christi für die Ausrichtung seines Amtes, das Him- melreich auf Erden zu gründen. Die objective Vorbereitung des Volkes auf das Erscheinen Christi und die subjective Vorbereitung Jesu für die Vollbringung des Werkes der Erlösung bilden in den Evangelien des Matth. u. Luk. passend den Uebergang von der Kindheits- und Ju- gendgeschichte des Herrn zur Geschichte seiner messianischen Amts- wirksamkeit. Cap. in. Auftreten und Wirken Johannes des Täufers. Jesu Taufe. V. 1—12. Die Busspredigt und Taufe des Johannes. Vgl. Luc. 3, 1 — 18. Mrc. 1, 2—8. Vergleichen wir diese drei Berichte 'über das Auftreten und Wirken Johannes des Täufers, so stimmen sie in dem Hauptpunkte, nämlich darin, daß sie seine Bußpredigt und Taufe als eine Erfüllung der prophetischen Weißagung und als Vorbereitung auf die Erscheinung des Messias darstellen, mit einander überein; im ein zelnen aber weichen sie darin von einander ab, daß Matth. und Luk. im Vergleiche zu Mark, den Inhalt der Bußpredigt specialisiren, Matth. die Strai^redigt, welche der Täufer den Pharisäern und Sadducäem hielt, mitteilt, Luk. diese Predigt an die Volksscharen gerichtet sein läßt und die Aufforderung zur Sinnesänderung durch Belehrung der einzelnen Volksklassen über die Frucht derselben weiter ausgeführt hat. Hieraus erhellt deutlich, daß jeder Evangelist nur ein kurzgefaß tes klares Bild von dem Wirken des Täufers als Wegbereiters des Messias geben wolte. — V. 1 f. In jener Zeit trat Johannes der Täufer auf predigend in der Wüste Judäa's. ^Ev ratg ^fiigaig exelvaiq wie DTjn D*^»ja Ex. 2, 11. 23.* Jes. 38, 1 ist eine allgemeine Zeitbestimmung, durch welche das Nachfolgende an das Vorhergehende angeknüpft und in die Zeit, von der vorher die Bede war, gesezt wird; ohne die Zeit, 92 Matth. m, 2. die zwischen beiden Begebenheiten verflossen ist, näher zu bestimmen, und nar in solchen Fällen gebraucht, wo in dem zwischenliegenden Zeiträume kein Ereignis eingetreten ist, durch welches eine Aenderung der bezeichneten Sachlage herbeigeführt wäre. Hier knüpft sie an xat- cixfjasv slg jtoXcv Na^, 2, 22 an: in jener Zeit, da Joseph mit dem Jesuskinde in Nazaret sich niedergelassen hatte und Jesus dort heran- wuchs. — lieber die Jugendzeit Jesu d. h. über den Zeitraum, welcher Yon der Uebersiedelung seiner Eltern nach Nazaret bis zu seinem öffent- lichen Auftreten verstrichen ist, hatte Matth. nichts für den Plan sei- nes Evangelium Wichtiges zu berichten. Denn die Reise des zwölf- jährigen Jesus mit seinen Eltern zum Osterfeste nach Jerusalem, welche Luk. 2, 41—51 aus der Jugendgeschichte Jesu mitteilt, brachte in Be- zug auf die Stellung Jesu zu seinen Eltern keine Veränderung hervor, da Jesus nach der Reise wieder in die Stille des Familienlebens zurük- kehrte und seinen Eltern unterthan war (Luc. 2, 51 f.). Richtig schon Bengel nach ChrysoH, u. A. : Jesu habitante Nazarethae 2, 23 : notor tur non breve, sed nuUa majori mutatione notabüe intervalium. IlaQu- ylvsTac praes. hist. wie 2, 13: er komt an (vgl. v. 13), hier absolut: tritt auf (wie Hebr. 9, 11 u. Luc. 12, 51 von Christi Erscheinen und Auftreten in der Welt). Johannes wird durch den Beinamen 6 ßcactv- arng der Täufer als eine bekante historische Person eingeführt. h> ry iQflficp TTiq lovöalag = m^tr^^ ^^1^^ Rieht. 1, 16. Jos. 15, 6 in der Steppe Judäa's — eine weniger für Ackerbau als für Viehzucht geeig- nete Gebirgslandschaft im Westen des todten Meeres; hier so gebraucht, daß das für Ackerbau gleichfalls wenig geeignete Jordanthal mit dar- unter befaßt ist, während Luk. in 3, 2 f. vgl. mit 1, 39. 80 die Wüste (Steppe) von der jtsglxcoQog rov ^loQÖdvov unterschieden hat und den Täufer aus Antrieb des (Geistes Gottes in die Jordangegend gehen läßt, um dort seine Amtsthätigkeit zu beginnen. Matth. nent nur die Wüste (^ 6Qf]fiog) in Rücksicht auf die Weißagung, welche dadurch erfült wurde (v. 3), und konte sich so ausdrücken, da die Wüste nicht nur bis in die Gegend von Jericho ohne Unterbrechung reicht (Joseph, b. jud. IV, 8, 2f,), sondern auch am Westrande der Oase von Jericho sich nordwärts fortsezt und oberhalb Jericho's in der Wüste Kuruntel wieder bis an den Jordan sich erstrekt, und der westliche Rand der Jordanaue bis zum Kum Sartabeh hinauf in einer Reihe von ganz un- regelmäßigen, schroff abschüssigen Klippen besteht, überall nackt und wüste ist und den Eindruck einer großartigen Oede macht {Robms. phys. Geogr. von Pal. S. 77). xriQvoomv predigend; im N. T. der tech- nischiB Ausdruck für die Verkündigung der Heilsbotschaft von Jesu Christo. MsTavoetre bezeichnet die sittliche Sinnesänderung, die zur Teilnahme am Messiasreiche erforderlich ist. fisravostv steht in LXX für 0)1? Reue über die Sünde empfinden; im Munde des Täufers: Buße thun d. h. seine Sünde erkennen und bekennen mit dem ernsten Vor- satze, der sittlichen Forderung des Gesetzes in Leben und Wandel ent- sprechen zu wollen. „Denn nahe gekommen ist das Himmelreich'^ ^^^ sen Aufrichtung vom Messias erwartet wurde, v. 11 vgl. 4, 17. 10, 7. Matth. III. 2. 93 Der Ansdrnck fj ßaöiXsla xmv ovgavwv ist ein nnserem Evange- lium eigentümlicher Begriff, welcher in demselben 32 mal vorkomt, und daneben nur 4 mal (12, 28. 19, 24. 21, 31 u. 43) ^ ^ ßaodela rav d^sov, welchen Ausdruck Markus und Luk. constant dafür gebrauchen. Im A. T. findet man diesen Begriff nicht. Dort bezeichnet ^ ßaoiXela rov ocvqIov (trw^) oder rov ß-sov das Königtum d. h. das Regiment Got- tes (Sap. 10. 10. 6, 4) oder das über die ganze Welt sich erstreckende Gebiet der Gottesherschaft (Ps. 103, 19. 22. Dan. 3. 33. 1 Chr. 30, 10. Tob. 13, 1). Gleichwol ist die Idee des Reiches Gottes schon im A. T. vorbereitet. Ein Gottesreich d. i. ein organisirtes Gemeinwesen, in welchem der Wille Gottes das normirende, alles besti^lmende Princip ist, solte die Gottesherschaft in Israel werden, indem Gott das Volk Israel zu einem Königreiche von Priestern (O'^artiD ^\'^^ Ex. 19, 6) er- wählte und ihm nicht nur in dem Gesetze eine Lebensordnung gab, durch welche es in innige Gemeinschaft mit seinem Gotte gesezt wurde, sondern auch als Regent und König seine Geschicke leitete. Aber für die volle Verwirklichung des Reiches Gottes war Israel noch nicht reif, sondern solte durch die Oekonomie des A. Bundes für seine Bestim- mung, Gottes Volk zu sein, erst erzogen werden. Da es aber in seiner Herzenshärtigkeit den mit dem Herrn seinem Gotte geschlossenen Bund immer wieder brach, so wurde es, als die einzelnen Züchtigungen keine dauernde Frucht der Sinnesänderung zuwege brachten, in die Gewalt der heidnischen Weitherscher dahingegeben; mit dieser Hingabe jedoch die Verheißung, daß Jahve der Gott Israels sein wolle und Israel sein Volk werden solle, nicht aufgehoben, sondern die Aufrichtung des Reiches Gottes als Gegenstand der Hoffiiung durch die Propheten auf- recht erhalten und die Erfüllung dieser Hoffnung auf Grund der dem Könige David erteilten Verheißung (2 Sam. 7, 12 ff.) an die Erschei- nung eines Nachkommen aus seinem Geschlechte geknüpft, auf welchem der Geist des Herrn ruhen werde (Jes. 11, 1 ff.), daß er als Wunder, Rath, starker Gott, Ewig- Vater, Friedefürst die Herschaft und den Frieden ohne Ende auf dem Throne Davids mehren und durch Gericht und Gerechtigkeit sein Reich auf ewig befestigen werde (Jes. 9, 5 f. Mich. 5, 1—4. Jer. 23, 5 f. u. a.). Angesichts der Zerstörung des Reiches Juda und Jerusalems samt dem Tempel weißagt Jeremia in c. 31, 31 ff., daß der Herr einen neuen Bund mit Israel schließen werde, darin be- stehend, daß er sein Gesetz in ihr Inneres geben und auf ihr Herz schreiben werde, daß er ihr Gott sein wolle und sie sein Volk sein sol- len. Als sodann Israel im Exile unter dem Drucke der Weltmächte schmachtete, offenbarte Gott dem Propheten Daniel das Geheimnis des von Nebucadnezar im Traume geschauten Monarchienbildes, daß er dem dermaligen Weitherscher das successive Erscheinen und Vergehen 1) In 6, 33 fehlt rov &eov in KB u. ist nach i^t^y ßaaiXeiay x. xijy dixato- evytjy etvtov zu lesen; dagegen in 19, 24 iatßaa. zoo &€ov (gegen Tisch,) mit den heaten Hdschr.(KBCDu.a.) auch als schwerere Lesart statt des wiederholten p, r. ovgayaiy festzuhalten, im Ev. Johannes ist 3, 5 ßaa. xojy ovQuyiöy zu schwach bezeugt, um als ursprünglich gelten zu können. 94 Matth. Uly 2. der vier Weltreiche deuten nnd ihm Yerkttndigen konte, der GoU des Himmels werde nach denselben ein Reich aufrichten, welches in Ewig- keit nicht zerstört werde, welches alle jene Beiche. zermalmen und ver- nichten, selbst aber ewig bestehen werde (Dan. 2, 44). Weiter zeigte Gott dem Propheten Daniel im ersten Jahre Belsazars in einem nächt- lichen Gesichte unter dem Bilde von vier furchtbaren Thieren die vier Weltreiche und das Gericht, welches der Alte der Tage d. i. der ewige Gott über das lezte Thier halten werde, und ließ ihn schauen, wie einer wie ein Menschensohn mit den Wolken des Himmels kam und vor den das Gericht auf Erden haltenden Alten der Tage gelangte, der ihm Herschaft, Majestät und Königtum verlieh, daß alle Völker und Natio- nen ihm dieneten und seine Herschaft ewig, unvergänglich, sein König- tum unzerstörbar sei (Dan. 7, 13. 14). Aus diesen beiden Stellen ist fttr das Reich, welches der Gott des Himmels aufrichten und dem mit den Wolken des Himmels kommenden d. h. vom Himmel herabkom- menden Menschensohne verleihen werde, der Name Himmelreich gebil- det worden, entweder von Johannes dem Täufer, der denselben zuerst gebraucht, oder von Jesu Christo gewählt und in diessm Falle von dem Evangelisten proleptisch in der Bede des Täufers erwähnt, um damit den Anbruch des von Daniel geweißagten neuen Gottesreiches anzu- kündigen. Das Reich des Himmels ist also zunächst das Beich, welches der Gott des Himmels durch den vom Himmel gekommenen Menschensohn auMchtet, nicht ,das Beich, in welchem der Himmel die Herschaft fahrte 1 lieber den Begriff dieses Beiches läßt sich aus den Stellen des 1) Diese Deutung, welche E. Schüret' (der Begriff des Himmelreichs aus jüdischen Quellen erläutert, in d. Jahrbb. f. protest. Theol. 1876. S. 166 ff.) nach dem Vorgänge von de Wette nnd Wittichen als die einzig zulässige zu begrün- den sucht, ist ganz verfehlt. Aus der Scheu der Babbinen, den Namen Gottes auszusprechen, und dem daraus hervorgegangenen Gebrauche des Wortes Him- mel f&r Gott, der sich schon im ersten JB. der Makkab. findet (vgl. m. Oomm. üb. d. BB. der Makk. S. 20 f.j, die Wahl des Ausdrucks Hunmelreich für Gottes- reich erklären zu wollen, heißt: Feigen von den Disteln lesen wollen. Aus der kanonischen Schrift A. u. N. Testanients hat Schür, für den metonymen Gebrauch des Wortes Himmel für Gott nur zwei Stellen beizubringen vermocht: Luc. 15, 18. 21 die Worte in dem Bekentnisse des verlorenen Sohnes: nateg, fifjutgxop Bisxoy ovQavov xai iydmtbv ntt$ niab» in jüdischen Schriften nach Dan. 4, 23 sich gebil- det haben, wie ich in m. Oonun. zu Dan. 4, 23 angenommen habe, so würde sich doch daraus der Gebrauch von ßaaiXtia rwp olgavü^v anstatt ßaaiXela xov &eov in unserem Evangelium nicht erklären lassen, weil 17 ßaatXsia x. ovq. in dem Evang. nicht das Königtum des Himmels, sondern das Königreich des Himmels bezeichnet, in dieser Bedeutung aber, wie Seh. selbst S. 18O zugibt, die Fonnel Difi^ ni3^73 in der rabbinisdien Literatur zuföllig (?) nicht vorzukommen scheint, wenigstens bis jezt nicht nachgewiesen ist. Wenn der Begriff Himmel' reich nicht ma in der rabbinischen Literatur nicht nachgewiesen ist, sondern auch im A. Test, nicht vorkomt, so kann ihn Matthäus weder aus Dan. 4, 23 Matth. III, 2. 95 B. Daniel nichts weiter entnehmen, als daß es wesentlich anders als die vergänglichen Reiche dieser Welt geartet sein wird. Bestirntere Aas- sagen über die Natur des vom Messias aufzarichtenden Gottesreiches finden wir bei den anderen Propheten, welche dasselbe nicht allein als WiederauMchtung der Herschaft Davids zu ewigem Bestände und als ein Reich der Gerechtigkeit and des Friedens schildern, sondern aach in der messianischen Zeit eine Ausgießang des Geistes Gottes über alles Fleisch (Jo. 3, 1 ff.) und die Schließang eines neuen Bundes, in welchem das Gesetz des Herrn in das Herz des Volkes geschrieben und die Sünde vergeben werden soll, ankündigen, so daß die Frommen in Israel von dem Messias nicht blos die Aufrichtung der Herschaft Davids, son- dern zugleich eine geistliche Erneuerung des Volks erwarteten (vgl. Luc. 1, 77—79). Daher konte Johannes der Täufer von dem Himmel- reiche als einem seinen Zeitgenossen bekanten und von ihnen ersehnten Heilsgute sprechen und die Aufforderung zur Sinnesänderung mit der Ankündigung, daß das Himmelreich nahe gekommen sei, motiviren. Mit der nämlichen Aufforderung begann auch Jesus die Predigt des Evangeliums (Mtth. 4, 17). Während aber Johannes nur auf den Mes- sias als den Kommenden hinwies, kündigt sich Jesus alsbald durch Wort und That als den an, der gekommen ist, das Himmelreich zu gründen. In der Bergrede legt er seinen Jüngern die Grundzüge dieses Reiches dar, indem er in den Seligpreisungen, mit welchen diese Rede anhebt, die Heilsgüter des Himmelreiches entfaltet und in der Forderung einer besseren Gerechtigkeit, als die der Schriftgelehrten und Pharisäer ist, die Grundbedingung für den Eintritt in dasselbe aufstelt. Ferner er- weist er sich durch Wunderthaten als den Retter aus jeglicher Not, als den Heiland der Sünder, der die Macht hat, die Sünde zu vergeben, und erschienen ist, unsere Schwachheiten auf sich zu nehmen und unsere Sünden zu tragen, und vereinigt einen Kreis von Jüngern um sich, die er in das Geheimnis des Himmelreichs lehrend einführt und zu Ver- kündigem des Evangeliums mit Kräften des göttlichen Geistes ausrüstet, mit welchen sie die dämonische Macht des Bösen überwältigen können; endlich nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt gründet er durch Ausgießung des heiligen Geistes über seine Jünger die Gemeinde (^ ix- xXf]ola\ in welcher das Himmelreich für seine zeitliche Entwickelung die sichtbare Gestalt erlangt, in der es sich mittelst der Predigt des Evangeliums und des Gebrauches der von Christo gestifteten Sakra- mente auf Erden ausbreitet. Gekommen ist das Himmelreich mit der Offenbarung Jesu als Messias, als des eingeborenen Sohnes Gottes, welcher Mensch geworden ist, und in seiner Person Gott- und Mensch- heit vereinigt, um durch sein Leben und Wirken auf Erden die Ver- söhnung der Menschheit mit Gott zu vollbringen. In die Wirklichkeit aber angetreten ist es mit der Sammlung einer Schar von Jüngern, noch ans der Bede des verlorenen Sohnes geschöpft haben. Es ist ein spezifisch neutestamentlieher Begriff, welchen nur der Täufer Johannes oder Christas selbst gebildet haben kann, am damit die neue Gestaltung des Reiches Gottes zu bezeichnen, welche von Jesu Christo begründet worden ist 96 Matth. m, 2. welche das Zeugnis Jesu Christi gläubig aufnahmen und durch den Glauben wiedergeboren wurden (Joh. 3, 3. 5), und mit der Ausrüstung dieser Jünger mit der Kraft des heiligen Geistes zu Aposteln, mit dem Auftrage, alle Völker zu Jüngern zu machen durch Taufe und Lehre, durch Wort und Sakrament (Mtth. ,28, 19). Mit der Geistesausgießung am Tage der Pfingsten gewann das be- reits vorhandene Himmelreich die sichtbare Gestalt der durch Wort und Sakrament mit Christo verbundenen Heilsgemeinde des Glaubens. Diese Gemeinde, ^ exxhjala, als das durch Wort und Sakrament ge- stiftete Gemeinwesen der mit Christo ihrem Haupte im Glauben v^- bundenen Bekenner seines Namens die Kirche genant, ist das Reich Gottes in seiner irdischen Erscheinungsform vom ersten Pfingstfeste bis zur Wiederkunft des Herrn. Diese Erscheinungsform schildert Je- sus in den Gleichnissen Mtth. c. 13. Mit dem Samen des Wortes Got- tes breitet es sich aus auf dem Acker der Welt, obwol es nicht von dieser Welt ist (Joh. 18, 36f.). Die S^at sproßt, wächst auf und trägt Frucht Als eine geistige Macht, die von innen heraus wirkt, gleicht es dem Sauerteige, der den ganzen Teig durchsäuert; von kleinen Anfängen, nämlich von dem kleinen Jüngerkreise ausgehend, erwächst es zu einer Weltmacht, die für allerlei Volk der Erde zur schützenden Zufluchts- stätte dient, dem Senfkome gleich, das als der kleinste Same zu einem großen Baume aufwächst, unter dessen Zweigen die Vögel des Himmels wohnen. — In der Zeit des allmäligen Wachstums aber entspricht seine irdische Erscheinung noch nicht seinem himmlischen Wesen. Auf den Acker der Welt säet der Feind Unkraut unter den Weizen, welches mit demselben aufgeht und bis zur Ernte wächst. Zur Zeit der Ernte aber d. i. am Ende der gegenwärtigen Weltperiode tritt mit der Wiederkunft des Herrn das Gericht der Scheidung der Gottlosen von den Frommen ein (Matth. 25, 36 ff.) und nach dem Gerichte die Vollendung des Him- melreiches durch Erneuerung Himmels und der Erde. Alsdann wird auch die äußere Gestalt des Reiches seine innere, jezt noch vor Men- schenaugen verborgene Herrlichkeit abstralen (Rom. 8, 19—22. Mtth. 19, 28. Kol. 3, 5. 2 Petr. 3, 13. Offb. 21). ^ Diese beiden Phasen des 1) Treffend bemerkt v. Hofm. (Schriffcbew. II, 2 S. 146): „Es gibt hn Sinne der Schrift keine andere Gegenwart des Reiches Gottes auf Erden zwischen Jesn Auffahrt und Wiederkunft, als in Gestalt der christlichen Kirche. Mit der Wie- derkunft Christi aber erscheint das Reich Gottes nicht im Unterschiede von der bloßen Kirche, wie Auberlen sich ausdrückt, als Einheit von Kirche und Staat, f geschweige als vollendeter Staat, in welchem die Kirche verschwunden ist Rothe)j sondern eben die Kirche ist es, deren Heiligkeit sich dann in Herrlich- keit offenbart (Rom. 8, 19).'^ Damit vgl. Ah v. Oettingen Antiultramontana. Erlang. 1876. S. 99 ff. — Auch 0. Pfleiderer (die Religion, ihr Wesen u. ihre Geschichte, Lpz. 1869. Bd. II S. 419 ff.) hat die Zweiseitigkeit in der Idee des Himmelreichs, daß es ebensowol ein gegenwärtiges ist als ein zukünftiges, ge- kommen und erst noch kommend, geistig- innerlich und sinnlich -äußerlieh — aus den Gleichnissen Matth. 13 gut erläutert und dabei treffend hervorgehoben, daß die Vollendung desselben mittelst eines supranaturalen göttlichen Actes erfolgen wird, nicht durch allmälige Umbildung des Aeußeren von innen heraus — dieser Froceß falle in die Zeit des Wacbsttuns, sei also nicht mit der Ernte zu verwechseln; die als einmaliger Act auf jenes folgt. Matth. m, 3. 4. 97 Himmelreiches: seine allmälige Entwickelang auf Erden in geistiger weltemeaemder Gotteskraft und seine zukünftige Vollendung in Herr- lichkeit sind in dem Begriffe der ßaöiXela ttSv ovQavdiv zusammen- gefaßt, und zwar so, daß im Hinblicke auf die jetzige unscheinbare Gestalt des Reichs sein Eingetretensein gelehrt, im Hinblick auf seine Vollendung aber sein Kommen d. i. seine volle Offenbarung in der Zu- kunft erwartet wird. Hiernach besagt der Name ,Himmelreich^ nicht blos, daß dieses Reich yom Himmel herab erscheint (Mey. u. y. A.), sondern daß es im Gegensatze gegen die Reiche dieser Welt von Gott mit Kräften des Himmels gegründet wird, um die himmlischen Güter der Gerechtigkeit, des Friedens und der Seligkeit der Erdenwelt zu bringen, die Versöhnung ^er Menschheit mit Gott herzustellen und schließlich durch die Welterneuerung die Erde zur Herrlichkeit des Himmels zu verklären. ^ Durch diese Benennung wurde das durch Christum aufgerichtete Reich Gottes im Gegensatz gegen die irdisch- sinnlichen messianischen Vorstellungen der Juden von vornherein als die gottgeordnete Vollendung des im A. Bunde angebahnten Gottes- reiches gekennzeichnet. Die Benennung aber ist sicher nicht erst von Matth. eingeführt, sondern von Christo selbst gebraucht worden ; bei der Uebersetzung des hebr. o*'»«? niste ins Griechische aber behielt Matth. den Plural r<5v ovQavcov bei, um den vollen Begriff des Him- mels auszudrücken. Johannes der Täufer aber hat, indem er das Nahe- gekommensein des Reiches Gottes verkündigte, den Begriff desselben nicht in dem äußerlich-politischen Sinne der jüdischen Schriftgelehrten gefaßt, sondern in dem Sinne der alten Propheten, die von seinem geistig-ethischen Charakter gezeugt hatten. Dies erhellt aus der For- derung der fisrdvoia als Bedingung für den Eintritt in dasselbe. V. 3 u. 4 enthalten eine Bemerkung des Evangelisten, um das Auf- treten des Täufers zu motiviren. Denn dieser (Johannes) ist der, von welchem Gott durch den Propheten Jesaja geredet hat. ydig zeigt die Berechtigung dazu, daß Johannes das Nahegekommensein des Reiches Gottes als Motiv für seine Bußpredigt geltend machte. Aus dem hrlv läßt sich nicht mit Fritz,, Paul. u. A. folgern, daß v. 3 noch zur Rede des Täufers gehöre, obwol derselbe in Job. 1, 23 die Worte des Jesaja von sich aussagt. §arl ist praes. hist, dem jtaQaylvsrai v. 1 entspre- chend. Weil Johannes die von Jesaja geweißagte Stimme eines Predi- 1) Nicht nur einseitig, sondern auch irrig ist die Meinung, daß der Aus- druck Himmelreich in unserem Evang. die Vorstellung involvire, daß die Heils- vollendung ausschließlich im Himmel verwirklicht wird in dem erst dort voll- endeten Gottesreiche ( Weiss, Mtth.-Ev. S. 102), oder wie es S. 39 heißt, daß unser Evang. die volle Verwirklichung des Gottesreichs im Jenseits sezt und im Dies- seits die Verwirklichung^ desselben nur in der Form der ixxXri.9(Mtth.-Ev. S. 103 f.) dafür beibringt, daß auch Matth. hier nicht ursprünglich sei, stüzt sich auf unhaltbare kritische Voraussetzungen. 102 Matth. m, 9—12. Y. 9. Um ihnen aber das falsche Yertrauen auf die äußere Zage- hörigkeit zum Bundesvolke zu entziehen, fügt Johannes hinzu: f£fjö6§r)Te xtX. meinet, wähnet nicht bei euch zu sagen {Xiyeiv hv hcaycoZq = "^o« D2ba das Denken als innerliches Sprechen gefaßt; und über öotcbTv s. Winer S. 570): Wir haben Abraham zum Vater d. h. als Nachkom- men Abrahams haben wir auch an dem verheißenen messianischen Segen Teil. Diese Meinung nent Johannes einen Wahn, weil die so Denkenden die physische Abstammung von Abraham für hinreichend hielten und die religiös-ethische Bedingung, an welche Gott seine Ver- heißung schon bei den Patriarchen geknüpft hatte Gen. 17, 1 vgl. 15, 6, ganz außer Acht ließen. Vgl. hiemit die Rede Christi Joh. 8, 33 ff. u. die Ausführung des Apostels Rom. 4 u. 9, 6 ff. ort övvaxac hyslQai xxX, „daß Gott aus diesen (daliegenden) Steinen dem Abraham Kinder erwecken (hervorbringen) kann^^ Sinn: Troz eurer Eindschaft Abrahams kann Gott euch aus dem Himmelreiche ausschließen und vermöge seiner Schöpferallmacht aus dem Gestein der Erde sich Bür- ger seines Reiches erschaffen. Damit droht Johannes nicht nur deo Pharisäern und Sadducäern die Ausschließung aus dem Reiche Grottes, sondern deutet auch schon die Möglichkeit der Berufung der Heiden an. — V. 10. Mit i^öri öi aber schon wird ein neuer Gredanke einge- führt,^ nämlich der: das Gericht der Entscheidung und Ausschließung der Unwürdigen aus dem Reiche Gottes steht unmittelbar bevor. Die Präsentia exxojirerai und ßdXXerai drücken das sofort und unfehlbar Geschehende aus, nicht im Allgemeinen was zu geschehen pflegt (jFW/z.); dagegen hat Mey. mit Recht das ovv geltend gemacht, welches andeu- tet, was aus dem Angelegtsein der Axt an die Wurzel der Bäume un- verzüglich folgen wird. Das Bild selbst ist leicht verständlich aber in- haltsschwer. Es sagt nicht blos die Verwerfung, sondern auch die Ver- dammnis der Unbußfertigen aus. — V. 11 f. Ich freilich bin es nicht, der das Gericht vollzieht-, das wird der Größere thun, der nach mir komt. Ich taufe euch mit Wasser zur Buße, slg (iBTavotav den Zweck der Taufe angebend -, aber nicht in dem Sinne : ,welche zur fisrdv. ver- pflichtet' {Mey,\ sondern: welche a^ni fierdv. abzwekt, indem sie unter Voraussetzung des Bekentnisses der Sünde zur Sündenvergebung ge- reicht (Mrc. 1, 4. Luc. 3, 3). Uebrigens sagt Johannes mit ßcucrl^o) iv v6, eig fier. nicht, ,wozu seine Taufe dem gereicht, welcher sie empfängt, sondern was zu wirken er als Täufer bestelt sei' {Hofm. Schriftbew. II, 2 S. 159). vfiäg bezieht sich nicht blos auf die zu Joh. gekommenen Pharisäer und Sadducäer, sondern auf die Juden insge- mein. Der nach mir Kommende ist der Messias, Jesus der Christ IcXVQOveQoq fiov ecrlv hat größere Macht, vermag viel mehr als icL Wie dies gemeint sei, sagt der Satz avxog i[JL, ßajtr. xrX. — Mit den W. : ov ovx slfil ßaordöac ordnet sich Joh. dem Messias tief un- ter. Die Sandalen ihrer Herren zu tragen, sie zu- und wegzutragen, 1) Das yMi nach ^s haben Lachm. u. Tisch, nach ^BCDMy Veras, u. Kchw. fetilgt, und ist obschon stark bezeugt, doch wol nur aus Luk. 3, 9 hereinge- ommen. Matth. in, 12. 103 oder sie aufzubinden (Mrc. u. Luk.) war Geschäft der niedrigsten Skla- ven, ixavog geschikt, würdig — in ethischer Beziehung. Mit Christo verglichen achtet sich Joh. nicht für wert, sein geringster Diener zu sein. avTog Er, der Stärkere, wird euch mit dem heil. Geiste und mit Feuer taufen. Diese Worte beziehen sich nicht auf die christliche Taufe, die als Geistestaufe zur Wassertaufe hinzukomt, so daß der hei- lige Geist das neubelebende göttliche Princip, das Feuer die demselben inhärirende Kraft, das sündige Wesen der Natur zu verzehren, und bei üCk)Ql etwa an die feurigen Zungen Act. 2, 3 zu denken wäre, wie Beng., Olsh,, Ew., Godet nach Chrysost. u. A. meinen, sondern ßccjitl^w ist bildlich gebraucht von der messianischen Läuterung des Volks, durch welche die Bußfertigen mit dem heil. Geiste, die Unbußfertigen mit dem Feuer der Gehenna, wie Täuflinge mit dem Wasser überströmt werden. So nach Origen. die älteren luth. Dogmatiker und die meisten neueren AusU., im Einklänge mit v. 12, wobei nur nvgi nicht auf das Feuer der Hölle zu beschränken ist , indem nach der Schriftlehre das Gericht schon in diesem Leben begint und in der ewigen Verdammnis nach dem Tode sich nur vollendet. Vgl. Joh. 3, 18 u. 36: wer nicht an den Sohn glaubt, auf (über) dem bleibt (^ivet) der Zorn Gottes. — V. 12. Ov x6 üttvov kv r^ X^^Q^ avTOv ist kein Hebraismus für: in dessen Hand die Wurfschaufel ist, oder: dessen Wurfschaufel in seiner Hand {Grot, Beng. u. A.); auch nicht ev xfj X^^Q^ avxov mit Friz. epexegetisch zu fassen, sondern das relat. ov dient zur Anknüpfung an das Vorher- gehende: Er dessen Wurfschaufel in seiner Hand ist d. h. der seine Wurfschaufel in seiner Hand hat (vgl. Winer S. 147) ; dem Sinne nach begründend: denn er ist der, welcher . . . aXoov, bei den Griechen äXwq die Tenne, ein festgestampfter Platz auf dem Felde, wo man das Ge- treide entweder durch Ochsen austreten oder durch Dreschwagen oder Dreschschlitten ausdreschen ließ ; vgl. m. bibl. Archäol. S. 581 f. — öiaxad'aQl^siP durchreinigen, ganz oder völlig reinigen. Die Tenne steht nicht für das Getraide auf der Tenne (de W. u. A.); die Tenne wurde gereinigt dadurch, daß man das Korn und die Spreu von einan- der sonderte und wegräumte, das Getraide (die Körner) in die dno- d-jjxsj den Aufbewahrungsort, bei den Hebräern entweder Scheunen (Luc. 12, 18) oder trockene unterirdische Gewölbe, brachte, die Spreu {zö ax^QOv) teils auf dem Felde mit den Stoppeln verbrante (vgl. PaiU- sen, vom Ackerbau der Morgenländer S. 150 f.), teils zur Feuerung verbrauchte (vgl. Mischna tr. Schabb. 3, 1. Para 4, 3). rfjv aXova avTOv seine (des Messias) Tenne d. i. nicht das jüdische Volk C^ff'' Grus.), nicht die zu reinigende Menschheit (de fV.\ sondern der Be- reich der Wirksamkeit des Messias; in der Vorstellung des Täufers zunächst das alttestamentliche Gottesreich, aber in seiner von den Propheten geweißagten Ausbreitung über alle Völker, also die Eorche in ihrem ökumenischen Umfange. Sinn: der Messias wird durch (jei- stes- und Feuertaufe sein Volk läutern, die Scheidung (jy tcqIöu;) der Frommen von den Gottlosen vollziehen, die würdig Erfundenen in das Himmelreich aufnehmen, die Unwürdigen aber der ewigen Verdammnis 104 Matth. III, 13—16. übergeben; vgl. 13, 30). äößeöTog anverlöschlich, das ewig brennt, ohne zu verlöschen, vgl. Jes. 66, 24. Matth. 25, 46. V. 13—17. Die Taufe Jesu. Vgl. Mrc. 1, 9-11. Luc. 3, 21. 22 n. Joh. 1, 32—34. In der Taufe Jesu erreicht die Thätigkeit des Jo- hannes ihren Culminationspunkt. Bei derselben ward ihm Jesus als der von Gott gesandte Erlöser Israels offenbaret, so daß er fortan vor sei- nen Jttngern und vor dem Volke von Jesu als dem Sohne Gottes und dem Lamme Gottes, welches der Welt Sünde trägt, Zeugnis ablegen konte. Jesus selbst aber trat mit seinem Gange aus Galiläa an den Jordan, um sich von Johannes taufen zu lassen, aus seinem bisherigen Stilleben im Eltemhause in die Oeffentlichkeit, um das Werk zu be- ginnen, das er nach dem Willen seines himmlischen Vaters auf Erden vollbringen solte. Zur Ausführung dieses Werkes empfing er durch die Taufe die göttliche Weihe. V. 13. „Damals kam Jesus von Galiläa her an den Jordan, um sich von ihm (Johannes) taufen zu lassen.^' Tors damals als Johannes durch Bußpredigt und Taufe das Volk auf die Nähe des Himmelreichs vorbe- reitete. V. 14. Johannes aber verhinderte ihn (öuxciXvsv im N. T. nicht weiter, auch in LXX nur Judit 4, 7. 12, 7 öfter aber bei den Glassikem vorkommend; Verstärkung des Simplex: hielt ihn angelegent- lich ab), sprechend: iyco XQ^l^^^ ^ '^- ^- wenn einer von uns getauft werden soll, so bedarf ich, habe ich nötig von dir getauft zu werden, xal ov EQXil ^Qog fts und du komst zu mir, um getauft zu werden? Verneinende Frage. Johannes kante wol Jesum persönlich, da Maria und Elisabet befreundet waren (Luc. 1, 39), und mochte auch von den wunderbaren Umständen bei Jesu Geburt so viel erfahren haben, daß er in ihm die Erscheinung des Messias ahnete. Als Jesus nun vor ihn trat, um getauft zu werden, wolte er ihn als den Ioxvqotbqov nicht taufen. Damit steht der Ausspruch des Täufers Joh. 1, 33, daß er erst infolge göttlicher Offenbarung Jesum bei der Taufe durch das Herab- kommen des Geistes auf ihn als den erkant habe, der mit dem heiL Geiste taufe, nicht in Widerspruch. Denn durch dieses göttliche Zei- chen wurde nicht nur seine Ahnung, daß Jesus der Messias sei, zur (Ge- wißheit, sondern es wurde ihm dadurch auch die göttliche. Natur Jesu und die tiefere Bedeutung seines Werkes erst geoffenbart, daß er davon vor dem Volke und seinen Jüngern zeugen konte — V. 15. Jesus ant- wortete: atpBq agri laß (gestatte) es jezt. Auf agri liegt der Nach- druck. Jesus erkent damit das Bedenken des Johannes, ihn als den Höheren (vgl. v. 11 f.) zu taufen, im allgemeinen an, und weist nur die Geltendmachung dieses Bedenkens für den vorliegenden Fall ab; mit den Worten: „denn also geziemt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. 7i[ilv ist weder mit Frtz, u. Bg.-Cr. communicativ auf Jesum allein, noch mit BL vorzugsweise auf ihn zu beziehen. Richtig Mey,: dir und mir. jiXfjQwCai jtao. öix. erfüllen alles was Gesetz und Recht erheischt oder was zur Rechtbeschaffenheit gehört. ,Laß ich mich nicht taufen oder taufest du mich nicht, so bleibt etwas, was von uns nach gött- lichem Willen geschehen soll, unerfüllt' (^Mey.), Die Notwendigkeit der Matth. III, 16. 105 Taufe, die in jtXtjQcoöat jt. öix, ansgesprochen ist, ergab sich für Je- sum daraus, daß er als der im Fleisclie erschienene Logos dnrch die fieschneidung unter das Gesetz gestelt war, somit als gottmenschliche Person den Willen Gottes in jeder Beziehung zu erfüllen hatte. Die Johannestaufe war zwar kein Gebot des Sinaitischen Gesetzes, aber doch ein göttliches Gebot, da Gott Johannes als Propheten an das Volk gesandt hatte, um es durch seine Taufe ftlr die Aufnahme des Messias vorzubereiten. War die Taufe also für Jesum eine Erfüllung des gött- lichen Willens, so war auch Johannes vermöge seines von Gott empfan- genen Amtes verpflichtet, sie an Jesu zu vollziehen. Da ließ er ihn sc. zur Taufe zu. V. 16. Als aber Jesus getauft war durch Untertauchen im Jordan, süeg er alsbald vom Wasser herauf. svBvg ist nicht als Hyperbaton zu fassen und mit ßajcriod'slg zu verbinden (Frlz.)] Matth. würde xal sv^g ßojtr. oder bei der von Lehm. u. Tisch, vorgezogenen Lesart nach »ßC u. a. sv&vg öh ßajtx. geschrieben haben (vgl. Kühner 11, 642); noch weniger läßt es sich auf den folgenden Satz xal löov xrL beziehen (Grot. ßg.-Cr. u. A.). Seiner Stellung vor dveßri gemäß ge- hört svd^g zu diesem Verbum, die rasche Aufeinanderfolge veranschau- lichend. „Siehe es that sich ihm der Himmel auf und er sah den Geist Gottes auf sich herabkommen." Diese Worte sind eigentlich zu ver- stehen von einer Oeffnung des Himmels, aus welcher der Geist herab- kam; vgl. Ezech. 1, 1. Joh. 1, 52. Apok. 4, 1. Act. 7, 56. avT(3 von Lehm, nach B eingeklammert, von Tisch. 8 nach ^B u. einigen Verss. u. Kchw. gestrichen, hat die Mehrzahl der Zeugen für sich und ist nur, weil man seine Bedeutsamkeit verkante, weggelassen worden. Es be- zieht sich nicht auf den Täufer {Beza, Bl, de W. u. A.), sondern auf Jesum und ist Dativ der Bestimmung. ,Ihm that sich der Himmel auf, denn auf ihn solte der Geist herabkommen^ (Mey.). Auch zu slöev ist nicht Johannes SuCject (Luth. Calv., Grot. u. A.), sondern Jesus, ohne daß ijt avTOP für £0" avrov steht; vgl. Kühner II, 489 f. u. Winer S. 143. Damit stimt Mark. 1, 10, und schon das Hebr.-Ev. bezog elös auf Jesum. Dem steht auch Joh. 1, 32, wo der Täufer bezeugt, er habe den Geist her abkommen sehen, nicht entgegen. Denn das eine schließt das andere nicht aus. Der Evangelist Joh. sezt das Factum der Taufe als bekant voraus und erwähnt nur, daß der Täufer den Geist auf Je- sum habe herabkommen sehen, weil dies Gott als Zeichen, an dem er Jesum als den Messias erkennen solte, ihm geoffenbart hatte, (hoel jtSQLOrsQav wie eine Taube; bei Luc. v. 22: aofiarixS stösi coael jteg. in körperlicher Gestalt wie eine Taube. In taubenähnlicher Gestalt offenbarte sich der heil. Geist nicht blos für Jesum, sondern hauptsäch- lich für den Täufer. Die Beschränkung der Vergleichung des Geistes mit einer Taube auf die Weise des Herabkommens, wobei man teils an die Schnelligkeit {Frtz.\ teils an die sanfte ruhige Bewegung {BL) und Wirksamkeit (Neand.), u. dgl. gedacht hat, bezeichnet Mey. mit Becht als Versuche, das Wunderbare des Vorgangs zu vermindern. Doch darf man die Worte auch nicht von einer leiblichen Taube verstehen wollen, 106 Matth. m, 17. die auf Jesum als Symbol des heil. Geistes herabgeschwebt wäre; denn auch Luk. vergleicht die Gestalt des Geistes nur mit der einer Taube {coasl jcsQiöT.). Durch acofiazixcp ecösi wird nur die objective Realität des Factums bestirnt hervorgehoben und die Ansicht des Orig in Geis. I, 10 §. 9, daß der Bericht hieher gekommen sei {Mey,), allein der Aorist, den Moment des Stellens ausdrückend, macht die Darstellung lebendiger. Matth. IV, 6. 6. US mirum est, si Christus a Diäbolo se permittit circumduci, gui a mem^ bris illitcs se permisit crudfigi, ^ ayla jtoXiq heißt Jerusalem wegen des Heiligtums des Tempels Jes. 48, 2. 52, 1. Neh. 11, 1. Diese Be- zeichnung ist hier wie 27, 53 gewählt, um den Contrast zwischen dem dämonischen Yorhahen des Versuchers und der Heiligkeit der göttlichen Cultusstätte (vgl. das folgende x&v legov) anzudeuten. Der Teufel wählte aber das Centrum des alttestamentlichen Gottesreiches zum Schauplätze seiner zweiten Versuchung mit Btlcksicht auf die Bestim- mung Jesu zum Messias Israels. Hätte Jesus von der Tempelzinne sich unversehrt herabgestürzt, so würde das Volk ihn sicherlich als Messias proclamirt haben, ro jnsQvyiov rov Isqov die Zinne des Heiligtums. jcTSQvyiov als Deminutiv von jctigv^ bed. im archrtectonischen Sinne die Zinne oder Dachfirste, als den an der Seite herabhängenden Teil des Giebels, VuJg, pinnaculum. x6 Ibqov im Unterschiede von 6 vaog ist der ganze Complex des Tempelbaues, nicht das eigentliche Tempel- haus im engeren Sinne; hier ist wol eine Zinne der den Tempel umge- benden Säulenhallen gemeint, aber nicht näher zu bestimmen, ob die östliche oder Salomonische Halle oder die südliche ^ ßaoiXix^ öroa mit ihrem Schwindel erregenden Blicke in das tiefe Thal Josaphat (Joseph, Antt. XV, 11, 5). — V. 6. Den Vorschlag, sich von der Tempelzinne herabzustürzen, sucht der Satan durch einen Spruch aus der Schrift Jesu als ungefährlich zu insinuiren. Wenn Jesus Gottes Sohn, so werde Gott ihm auch den Schutz seiner Engel zuordnen, daß er sich dabei nicht den geringsten Leibesschaden zufüge. Die Worte sind aus Ps. 91, 11. 12, welcher von dem göttlichen Schutze handelt, dessen sich die Frommen, die Gott zu ihrer Zuflucht machen, in allen Fährlichkeiten dieses Lebens getrösten können. Sie sind nach der mit dem Grundtexte übereinstimmenden Uebersetzung der LXX angeführt; nur mit Weglassung der Worte rov öiaq)vXd§ai ös kv jcdoaig xatq oöotg öov hinter jzegl oov nach Mtth., oder blos des kv utdoaiq ratg oöotg aov nach Luk. In dieser Weglassung vermuteten ältere Ausll. eine absichtliche Verstümmelung des Schriftworts vonseiten des Satans, wol nicht ohne Grund, da die Worte „auf allen deinen Wegen" die Zu- sage der göttlichen Bewahrung auf die Wege, die der Mensch zu gehen hat, beschränken, und halsbrecherische, aus Eitelkeit unternommene, nicht zum Berufe des Menschen gehörende Wagnisse ausschließen. Gott errettet die Seinigen oft wunderbar aus den größten Gefahren, in welche sie auf ihren Berufswegen, sei es unvermeidlich oder auch aus Mangel an der nötigen Besonnenheit und Vorsicht hineingerathen, aber nicht aus Gefahren, in die sie sich mutwillens, aus Eitelkeit und für selbstsüchtige Zwecke stürzen. In eo est fallacia, quod angelorum custodiam ad vagum et temerarium cursum trahit — Acsi diceret: H teprojicias in mortem invito Deo, angelivitam tuam defendent. CaTif. Auf eigen gewählten gefährlichen Wegen auf Gottes Schutz hoffen, heißt Gott versuchen. Mit dem Spruche: „Du seist den Herrn deinen Gott nicht versuchen", weist daher Jesus das Ansinnen des Teufels ab. jidXiv rursus, abermals-, nicht: hing^en oder dagegen. Diese Bedeu- Keil, Ck>mm. s. Evangel. Matth. 8 114 Matth. IV, 7-9. long von JcdXiv ist im N. T. nicht erweislich. Jesus führt dieses Schrift- wort nicht als ein der vom Satan citirten Psalmstelle entgegengeseztes An, sondern nur als ein anderes Gotteswort, welches auch zu erwägen «ei und für den vorliegenden Fall gelte, nach dem Grundsatze: Scripiura scripturam illustrat (Hoel). Das Wort ist aus 5 Mos. 6, 16 und ent- hält eine Warnung, durch ungläubiges Murren Gott zu versuchen, wenn er in irgend welcher Not nicht alsbald hilft, wodurch Israel zu Baphi- dim bei eingetretenem Mangel an Trinkwasser (Exod. 17, 1 — 7) sich versündigt hatte. In der Anwendung auf den vorliegenden Fall hat Je- sus diesen Ausspruch in seiner allgemeinen Bedeutung aufgefeißt: Gott auf die Probe stellen, indem man ihn durch eigenwilliges Yerlangen oder Handeln nötigen will, seine Allmacht oder Wundermacht zu manifestiren. V. 8—10. Die dritte Versuchung. V. 8. „Wiederum nimt ihn der Teufel auf einen sehr hohen Berg und zeigt ihm alle Reiche der Weit und ihre Herrlichkeit." Ueber jtaQaXaftßdvsi s. d. Bem. zu v. ö. Der ,8ehr hohe Berg' läßt sich geographisch nicht näher bestimmen, ob.wol einzelne Ausll. an den Tabor, den Zion oder Moria, den Oelberg, auch an den steilen Berg Quarantana, oder gar an den Nebo gedacht haben. Auch von dem höchsten Berge der Erde können nicht alle Reiche der Welt überschaut werden. Das Zeigen derselben beschreibt Luk. durch den Zusatz kv ötiyft^ ^(^di^oi; puncto temporis, in einem Augenblicke als ein magisches, als eine zauberhafte Phantasmogorie; woraus jedoch nicht folgt, daß diese wie die vorige Versuchung nur ekstatische Vor- gänge waren. Zur Ekstase paßt nicht das jtaQaXofißdvei, ganz abge- sehen davon, daß im Leben Jesu Ekstasen sonst nicht vorkommen und an sich nicht warscheinlich sind. Andrerseits aber darf man auch die wörtliche Auffassung des Hergangs nicht nach rein menschlichem Maß- stäbe kritisiren wollen. Die handelnden Personen hiebei waren nicht einfache Menschen, sondern Jesus der eingeborene Sohn Gottes in menschlicher Natur und mit göttlichen Eigenschaften begabt, und der Teufel ein höheres Geistwesen. Bei beiden sind Lebensäußerungen und Erlebnisse möglich, die für bloße Menschen unmöglich sind, und von denen wir uns, weil Erfahrung und Analogie im gewöhnlichen Men- schenleben fehlen, keine sachgemäße Vorstellung machen können und deshalb auch nicht befugt sind, diese über die Grenzen menschlicher Leistung und menschlichen Vermögens hinausgeheuden Vorgänge zu leugnen. — „Dies alles — spricht der Satan zu Jesu — will ich dir geben, wenn du niederfälst und mich anbetest." Luk. gibt dieses Wort ausführlicher: „Ich will dir geben alle diese (egovolä) d* h. die Her- schaft über alle Reiche und die Herrlichkeit derselben; denn mir ist fiie übergeben und ich gebe sie wem ich will; wenn du vor mir nieder- fälst, soll alles dein sein." Das öoiöa) ooi nent Vict, S tri gel ein im^ pudens mendacium Didboli, besonders im Hinblick auf den Zusatz bei Luk.: denn mir ist sie übergeben. Allein eine so plumpe Lüge dürfen wir dem Teufel nicht zutrauen. Die Warheit seiner Behauptung, meint dagegen Godet, gehe schon aus den Worten: dies alles ist mir über- Matth. IV, 10. 115 geben, hervor, weil er damit der Obergewalt Gottes die £hre gebe und sich als seinen Vasallen anerkenne. Dabei ist freilich zu beachten, daß er Gott nicht nent, nicht sagt, von wem diese Macht ihm übergeben sei. Gleichwol wird die Vorstellung von der Herschaft des Satans über die sichtbare Welt in gewissem Sinne von Christo selbst bestätigt, in- dem er ihn den Fürsten dieser Welt nent. Nur läßt sich daraus nicht mit Godet u. A. folgern, daß der nun gefallene Erzengel ursprünglich die Erde und das Planetensystem, in das sie gehört, als sein Herscher- gebiet bekommen habe. Diese theosophische Idee läßt sich aus der Schrift nicht erweisen. Die Herschaft über die Welt hat der Satan er- langt durch die Verführung der ersten Menschen, dadurch daß er die zu Herschem der Erde bestirnten Menschen sich zu dienstbaren Knech- ten gemacht hat. Die göttliche Zulassung des Sündenfalles der Men- schen oder, richtiger ausgedrükt, die in der Schöpfung der Menschen als persönlicher Wesen begründete Möglichkeit, daß der Mensch durch Mißbrauch seiner Freiheit sich vom Satan zur Uebertretung des gött- lichen Gebotes verleiten ließ und dadurch in den Dienst der Sünde und des Satans gerieth, diese Möglichkeit mit ihren geschichtlichen Folgen betrachtet und bezeichnet der Versucher als Uebergabe der Herschaft über die Welt und ihre Herrlichkeit an ihn. Da Gott den Satan nicht sofort nach Verführung der Ureltern unsers Geschlechts gebunden und in die Hölle gestoßen, sondern ihm Eaum gelassen hat, seinen Einfluß über die Menschen weiter auszubreiten, so hat er sich zum Fürsten dieser Welt erhoben und herscht noch jezt in dem außerchristlichen Bereiche der Menschen weit, so daß er diejenigen, welche seiner Ver- suchung sich hingeben, auf den Gipfel irdischer Macht und Herrlich- keit erheben kann. Das Anerbieten also, das er Jesu macht, ist nicht rein erlogen, aber auch nicht in der Warheit begründet. In hoffärtiger Selbstverblendung verspricht er mehr als er leisten kann, weil er unge- achtet der in dem oxl ifiol nagaÖBÖorai ausgesprochenen Abhängig- keit von einer höheren Macht sich doch als allmächtigen Herrn oder Gott dieser Welt betrachtet und nicht bedenkt, daß die Herschaft, wenn sie ihm übergeben ist, ihm auch, wenn er sie mißbraucht, wieder genommen werden kann. Diese Vermessenheit dekt ihm Jesus auf, in- dem er mit dem Worte: hebe dich weg, Satan! als Sohn Gottes ihm entgegentritt und ihm dann mit dem Schriftworte 5 Mos. 6, 13 an seine Abhängigkeit von Gott dem Herrn und an seine Pflicht, Gott zu dienen, erinnert. Das ojtlöco /lov hinter vjtays fehlt in i3 'a Ort der Anmut, villa pulcherrima (Hieron,), Die Stadt lag am galiläischen Meere (^ jcagaO-aZaCöla) d. i. am See Genezaret. Die folgende Bestimmung: „auf den Grenzen oder in den Gebieten von Zebuion und Naphtali^' hat Matth. im Hinblicke auf die folgende Weißa- gnng (y. 15 ff.) gewählt, sie reicht aber zur genaueren Fixirung der Lage nicht aus, weil die Grenzlinie der beiden Stammgebiete nirgends näher verzeichnet ist. Das Städtchen oder richtiger der Flecken ist im A. T. nicht erwähnt, wird auch von Joseph, nur einmal vita 72: xcifirj Es- q)aQV(Dfii] genant, war zu Jesu Zeiten ein blühender Ort, hatte eine Synagoge (Luc. 7, 5), eine Zollstätte (9, 9. Mrc. 2, 14. Luc. 5, 17) und eine Garnison, seit Konstantins Zeit eine Kirche oder Basilika, ist aber seit dem 8. Jahrh. vom Erdboden verschwunden, und die Oertlichkeit noch jezt streitig, warscheinlich mit v. de Felde Memoir p. 301 s, an der Stelle des Tell-Hum am nordwestlichen Rande des Genezaret-See's zu suchen, während Robins. (Pal. HI, 542 ff. u. N. bibl. Forsch. S. 457 ff.) die Stätte weiter südwärts bei Khan Minyeh sucht. Vgl., dagg. Furrer in Schenk: s Bibellex. HI, 493 ff. y. 14 ff. Diesen Flecken wählte Jesus zum Mittelpunkte seines Wirkens in Galiläa nach götttlicher Bestimmung. Es geschah, damit erfült würde das Wort des Propheten Jesaja: „das Land Zebuion und das Land Naphtali am Wege des Meeres, das Jenseits des Jordan, Ga- liläa der Heiden — das Volk, welches in Finsternis sizt, schauet ein großes Licht und den imLande und Schatten des Todes Sitzenden, denen ist Licht aufgegangen". Die Worte stehen im hebr. Texte Jes. 8, 23 u. 9, 1 (nach LXX u. Luth, Jes. 9, 1 u. 2); sind aus dem Gedächtnisse nach dem Grundtexte, ohne Eücksichtnahme auf die LXX angeführt und aus einem Cyclus prophetischer Eeden genommen, welche das Volk anleiten sollen, ,bei der bevorstehenden Ueberflutung durch die Welt- macht seinen Blick unverwandt auf den himmlischen Erlöser zu rich- ten, der statt des Streites zu seiner Zeit Frieden bringen wird, statt der Knechtschaft Herschaft' (Hngsih. Christel. II S. 80). Die ange- fahrte Stelle ist messianischen Inhalts und lautet im Zusammenhange der Weißagung also : „Denn nicht finster bleibts wo jezt Bedrängnis ist*, um die frühere Zeit hat er in Schmach gebracht das Land Zebuion und das Land Naphtali, und in der Folgezeit bringt er zu Ehren die Straße am Meere, das Jenseitige des Jordan, den Kreis {Galil) der Hei- den. Das Volk, welches in Finsternis wandelt, siehet ein großes Licht, die im Lande des Todesschattens Wohnenden, über denen gehet Licht auf." Dies geschieht, wie v. 5 ff. verkündigt wird^ durch die Geburt eines Kindes, auf dessen Schulter die Herscbaft ruhen und das man nennen wird: Wunderbar, Kath, starker Gott, Ewig- Vater, Friedefürst. Matth. hat aus dem ersten V. der angef. Stelle nur die das Land be- zeichnenden Worte aufgenommen und mit denselben den folgenden V. 6 Xaoq xrX. in Apposition verbunden, indem er den messianischen Ge- 126 Matth. lY, 16. halt der Stelle als aus der Schrift des Propheten bekant voraussfizt r^ Zaß, ist nicht Yocativ, sondern Nominativ, entsprechend dem blaßt; etc. y. 16. Der Accus, oöov d-aX, läßt sich nicht anders als adverbial fassen, wie 'n'71 u^ Hebr. öfter gebraucht wird, in der Bed. versus %,'^, IKg. 8, 48, wo LXX öX'nj* '^'^^ 666v yijg avrdov übersezt hab^i. Hie^ nach dient oödv d^aX, zur näheren Bestimmung der Lage des Landes Zebuion und Naphtali und darf nicht, wie in den meisten Textausgaben geschieht, durch ein Komma davon getrent werden. Das Komma ist vielmehr hinter d^aXdaOfjg zu setzen, und mit jcdgav rov ^OQÖcoHn) folgt eine neue Ortsbestimmung: das Jenseitige des Jordan d. i. Per&a.^ FaXiXala rcov hd-vciv hebr. ö'^'i^n i**i»Ä Kreis der Heiden, ist bei Jes. ein engerer Begriff als die Landschaft Galiläa, und bezeichnet auch hier nur den nördlichen an Syrien und Phönizien grenzenden Teil von GalUäa. Es sind demnach vier Landschaften genant: 1. das Land Zebnlon, der untere, 2. das Land Naphtali, der obere Teil der damaligen Provinz Galiläa, 3. Peräa, 4. der nördliche Grenzdistrikt von Galiläa. Diese Landschaften waren schon in der Eichterzeit dem Eindringen des Hei- dentums am stärksten ausgesezt, da die ehemalige canaanitische Be- völkerung derselben bei der Besitznahme des Landes durch die Israe- liten meist nur dienstbar gemacht wurde (vgl. Rieht. 1, 30 — 35); und hatten in der Folgezeit bei den fast unaufhörlichen Kriegen Israels mit den Syrern, später mit den Assyrern am meisten zu leiden. Schon Tig- latpileser führte die Bewohner von Galiläa und Gilead ins Exil 2 Kg. 15, 29. Unter der griechischen Herschaft gewann durch Anlegung vie- ler Städte das Heidentum mit griechischen Sitten und Einrichtungen so sehr das Uebergewicht, daß in 1 Makk. 5 Galeaditis und Galiläa als die Gegenden erscheinen, wo die Existenz der Juden durch die dort wohnenden Heiden fast heillos gefährdet war. Dazu konten diese Ge- genden dem Eindringen heidnischen Wesens nur geringen geistigen Widerstand leisten, weil sie durch bedeutende Entfernung von dem religiösen Mittelpunkte, dem Tempel, und von der Hauptstadt, in der sich das geistige und geistliche Leben der Nation concentrirte, geschie- den waren {ffngstb,). Dadurch war die Bevölkerung dieser Gegenden ein Volk geworden, welches in Finsternis und Todesschatten saB. ^0 Xabq 6 xaßTjfi, versteht Matth. von der Bevölkerung Galiläa's, 1) Auch im Grundtexte des Jes. ist y^n'^'n ^n? nicht mit d^h *^*yri als nähere Bestimmung desselben zu verbinden; ^1. Delitzsch z. d. St. — Anders Hngsth, Christol. II, 85, welcher bei rj-n^ das W. yy^ supplirt, wie bei dem folgenden yrw^ "n^^ : das Land nach dem Meere hin nnd das Land jenseit des Jordan, und die Angabe so versteht, daß die Gegend am Meere dann in ihre Bestandteile zerlegt werde: negav xov *Toq^. das Land am östlichen Ufer des Jordan und Galilaea, lezteres dem Lande Zebuion u. Naphtali entsprechend, weil das Gebiet dieser beiden Stämme den Kern von Galiläa bildete. — Schwerlich richtig, in- dem die Voraussetzung, daß Galiläa der Heiden eine schon zur Zeit des Prophe- ten gangbare Bezeichnung der späteren Landschaft Galiläa nach ihrem ganzen Ummnge war, sich aus 2 £g. 15, 29 nicht erhärten läßt; s. m. Conmu z, d. St. Matth. IV, 17. 18. 127 während bei Jes. in diesem Verse der prophetische Gresichtskreis sich erweitert und über Gesamtisrael aasbreitet. Td öxotog ist geistliche Finsternis, Entbehrung des Lichtes der göttlichen Warheit und Ver- sankensein in Sflnde und geistigen Tod, der seinen Schatten über das ganze Land geworfen hatte, er x^oQo. xäi öxiä ß^avdtov sind als Hen- diadys zu fassen. Durch die Apposition xal oxca wird die in Betracht kommende Eigenschaft der x^Q^ nachdrflcklicher als durch Unterord- nang im Genitiv hervorgehoben. — Das große Licht, welches über die in Finsternis Wohnenden aufgeht, ist Jesu Auftreten und Wirken als Heiland und Erlöser Israels. Der Grund, warum Jesus seine Heilands- thätigkeit in Galiläa begann und den größeren Teil seines öffentlichen Wirkens in Galiläa und der Umgegend des See's Genezaret zubrachte, ist nicht blos in der Absicht zu suchen, die Weißagung des Propheten zu erfüllen, sondern liegt tiefer, nämlich in dem geistlichen Elende die- ser Landschaft. Da in Galiläa das äußere und das geistliche Elend des Bundesvolkes sich besonders concentrirte, so war es auch der geeig- netste Boden für das Wirken dessen, der zu den verlorenen Schafen vom Hause Israel gesandt war, und war empfänglicher für die Predigt des Evangeliums und für die Aufnahme des Erlösers von Sünde und Tod als Jerusalem und Judäa. Deshalb wählte Jesus auch seine meisten Jünger aus Galiläa. V. 17. Von damals an d. h. seit der Rükkehr nach Galiläa (v. 12) fing Jesus an zu predigen : Thut Buße u. s: w. Wie Johannes der Täu- fer (3, 2) begann Jesus seine Predigt ganz allgemein mit Ankündigung der Nähe des Himmelreichs, ohne sich sofort als den Gründer dieses Reichs darzustellen, womit er nur den irdischen Messiaserwartungen der Juden Nahrung gegeben haben würde. Es ist daher ganz verkehrt, wenn Straujf, Schenkel, Pfleid. u. A. daraus folgern , Jesus habe sich anfangs selbst noch nicht für den Messias, sondern nur für einen Vor- läufer desselben gehalten und erst später die Ueberzeugung, selbst der Messias zu sein, gewonnen. Diese Meinung steht in Widerspruch mit allen vier Evangelien, welche einhellig bezeugen, daß Jesus von Anfang an seines messianischen Berufs sich bewußt war und nur in der mes- sianischen Selbstbezeugung stufenweise zu Werke ging. V. 18—22. Berufung der Brüderpaare Simon und Andreas, Johannes und Jakobus zu Jüngern desHerrn. Vgl.Mrc. 1, 16 — 20r — Am galiläischen Meere wandelnd sah Jesus zwei Brüder, Simon ge- nant Petrus und Andreas, ihre Netze ins Meer werfend, da sie Fischer waren. ^B d^dXaooa xfiq FaX, ist der See Genezaret (Luc. 5, 1), auch Meer von Tiberias genant (Job. 21,1), im A. T. Meer Kinnerei (4 Mos. 34, 11. 5 Mos. 3, 17 u. a.), in den Targums '^ö^^a {FewriCaQ 1 Mkk. 11, 67), jezt Bahr Tabariyeh, ein gegen 3 Meilen langer und in der Mitte ohngefähr 1% M. breiter See, dessen Wasserspiegel gegen 650 FuB unter dem Niveau des Mittelländ Meeres liegt und dessen größte Tiefe »165 Fuß beträgt, mit süßem trinkbaren Wasser und reich an Fischen ; ripgs umher von höher liegendem Lande umgeben , welches sich an der Westseite in eine gegen 20 Minuten breite und eine Stunde 128 Matth. IV, 19—22. lange Ebene ausbreitet, deren Natnrschönheit und Fruchtbarkeit von Joseph, gerühmt wird. Am westlichen Ufer lagen die Städte Caper- naum, Bethsaida und Chorazin; vgl. Rohins, Phys. Geogr. des heil. Lan- des S. 196 ff. u. Furrer im Bibellex. H, 322 ff. — Tov Xsyofi. Ubxqov ist kein Hysteronproton; denn Jesus hatte Simon schon früher kennen gelernt und ihm diesen Namen gegeben Joh. 1, 48; s. noch zu 16, 18. 6 ocirgoi; bed. Siein (bei Born.), später auch für Fels ^ jtizQa ge- braucht, ist also die griech. Uebersetzung von «6*^5 {Krig)äg Joh. 1, 43). dfig)lßXrj(SXQOv eine größere Art Fischernetz, das Zugnetz. — V. 19. Abvvb ojclom fim) herzu mir nach = ^^'^rix tob 2 Kön. 6, 19 d. h. folget mir nach, werdet meine Jünger. „Ich will euch zu Menschenfischem machen" — ein leicht verständliches Bild: ich will euch in den Stand setzen, daß ihr Menschen für das Eeich Gottes gewinnet. Y. 20. Darauf verließen sie alsbald ihre Netze und folgten ihm nach. V. 21 f. Von dort weiter gehend, nach Mrc. oXLyov ein wenig weiter, sah er zwei andere Brüder, Jakobus und Johannes, mit ihrem Vater Zebedaeus im Schiffe die Netze ausbessernd und rief sie sc. ihm nachzufolgen, worauf sie alsbald das Schiff und ihren Vater verließen und ihm nachfolgten. Jakobus wird durch den Beisatz rov rov Zsßedalov von einem andern Jünger Jesu, Jakobics Alphäi Sohn (10, 3) unterschieden, xaragrl^stp zurecht machen, hier wol ausbessern, flicken. Die hier erzählte Bemfimg der genanten vier Jünger ist weder mit der Er- zähluDg Joh. 1, 35 ff. noch mit Luc. 5, 1 ff. zu identificiren, wie mit Batfr, de W., Hilgenf. u. a. Eritikem auch Mey. thut und aus der Nichtübereinstimmung die- ser drei Berichte Folgerungen gegen die Glaubwürdigkeit derselben zieht. Jo- hannes erwähnt 1, 35 ff. nur die erste Zusammenkunft und Unterredung des An- dreas, Johannes und Simon mit Jesu, auf welchen der Täufer die beiden ersiige- nanten, die seine Jünger waren, durch sein Zeugnis von Christo hingewiesen hatte. Daraus folgt nichts weiter, als daß dieselben mit Jesu bereits bekant waren, als er sie laut unserer Erzählung zu seiner Nachfolge berief. Daß aber Matth. auf diese frühere Bekantschaft derselben mit Jesu keine Rücksicht nimt, so daß es den Anschein gewint, als hätten sie, ohne Jesum vorher gekaut zuha- ben, durch seinen Euf einen so mächtigen Eindruck von seiner göttlichen Per- sönlichkeit empfangen, daß sie unverzüglich als Jünger sich ihm anschlössen, das hängt mit der Eigentümlichkeit unsers Evangelisten, nur die folgereichen Thatsachen ohne nähere Darlegung der sie erklärenden Umstände zu erzählen, zusanmien. — Aber auch die von Matth. hier (n. Mark.) erzählte Berufung der Genanten ist nicht so zu verstehen, daß diese vier Jünger von diesem Momente an ohne irgend eine Unterbrechung bei Jesu blieben, so daß die Erzählung Luc. 5, 1 ff. sich auf dasselbe Factum bezöge, welches Matth. berichtet hat, und uns darüber in beiden Evangelien nur zwei von einander unabhängige, aus getrüb- ter mündlicher Ueberlieferung geflossene Berichte vorlägen, von welchen der des Luk. als der genauere zu betrachten wäre (Bl). Denn Luk. erzählt a. a. 0. nicht die Berufung dieser Jünger, ob wol sein Bericht v. 11 mit den Worten schließt: „Sie führten die Schiffe ans Land und verließen alles und folgten ihm''; jDudem Luk. erzählt nur den wunderbaren Fischzug, welchen Simon und seine Gesellen auf Jesu Wort machten, mit dem überwältigenden Eindrucke dieses Wunders Matth. IV, 22—24. 129 anf Petrus, daß er vor Jesu auf die Knie niederfiel und sich ihm gegenüber als sfindigen Menschen bekante. Diese wunderbare Offenbarung der göttlichen Machtherrlichkeit Jesu mit ihrem Eindrucke auf die Jünger ging der Berufung derselben nicht vorauf, sondern folgte auf dieselbe als die sinnbildliche Weihe für den Beruf, zu welchem Jesus sie bereits berufen hatte, indem dieses Wunder ihnen das Wort des Herrn als die wunderbare Geistesmacht kundthat, auf welche der Erfolg ihres Wirkens in seinem Dienste sich gründen muß. Dies ist der Sinn der Antwort Jesu: „fürchte dich nicht, denn von nun an wirst du Menschen fahen''. Denn so sagt Jesus Luc. 5, 10 zu Simon und seinen Gesellen, nicht aber: 4ch will euch zu Menschenfischem machen', wie Godet irriger Weise behauptet, um die Identität der Erzählung Luc. 5, 1 ff. mit der des Matth. 4, 18 ff. gegen Riggenbach zu verteidigen. y. 23--25. Uebersiolitlioli zusammenfassende Sohilderung der messianisohen Wirksamkeit Jesu in Galiläa, die nicht blos der Bergpredigt zur Einleitung dient (Mey.), sondern den Uebergang von dem ersten Auftreten Jesu zu seiner weiteren Bezeugung als den im A. T. geweißagten Erlöser Israels vermittelt, und bis c. 9, 34 sich erstrekt, wo v. 35 eine ähnliche zusammenfassende Formel wieder- kehrt. — Y. 23. Jesus zog umher in ganz Galiläa, jcegiayeiv bei den Griechen gewöhnlich transitiv: umherführen, so auch 1 Eor. 9, ö; hier nach späterem Sprachgebrauche intrans.: umhergehen, umherziehen vgl. 9, 36. 23, 16. Mrc. 6, 6. Die Thätigkeit Jesu wird als eine drei- fjache beschrieben: a. öiödöxcov lehrend in den Synagogen, b. xrjQva- öcov predigend das Evangelium, c, d^6Qajteva)v heilend allerlei Krank- heit und Schwachheit, war aber sachlich angesehen nur eine zweifache, im Lehren und Heilen bestehend, da der Unterschied zwischen öcöd- öxsiv und TCfjQvaösiv ganz relativ ist, öiödöxsiv als der allgemeinere Begriff das Lehren des Gesetzes und des Evangeliums in sich begreift, das XTjQvaasiv des Evangeliums nur den hauptsächlichsten Inhalt der Lehre noch besonders hervorhebt. Die awayar/al waren jüdische Bet- häuser d. h. Versammlungsorte zum Anhören der Yorlesung biblischer Abschnitte und zu gemeinsamen Gebete und anderen gottesdienstlichen Acten, welche nach dem Exile in allen Städten und Flecken Palästina's und des Auslandes, wo Juden ansäßig waren, eingerichtet worden wa- ren; vgl. m. bibl. Archäol. §. 30 u. 88. avrcov ist ad sensum auf die Bewohner Galiläa's bezogen, xtiqvööcov t6 evay, t. ßao. verkündigend die fpohe Botschaft vom Reiche Gottes. d'SQOJtevcov jtaöav vooov hei- lend jede Art von Krankheit. fiaXaxla Schwäche, Kränklichkeit, in LXX öfter für ''in und fiin»; ähnlich fiaXüxl^söß-ai Aelian v. hisi. III, 19 und fiaXaxcog exsiv (Lud.) für: kränklich sein. — V. 24 f. Der Erfolg dieses Wirkens: Sein Ruf verbreitete sich nach ganz Syrien. dxo^ avrov das Hören, das Gerücht von ihm. Syrien war das nörd- liche Grenzland von Galiläa, wo auch viele Juden, besonders in den Städten, Damaskus, Antiochia am Orontes u. a. wohnten. Man brachte zu ihm jtdvrag xovg xaxcog eyiptnaq alle die krank waren (nicht: ,allerlei Kranke' (luth.), wobei jidvxaq nicht zu pressen ist. Solcher Kranken werden 4 Arten genant: 1. jcoixlXaig avvexofiivovg Keil, Conun. as. Evangel. Mattb. 9 130 Matth. IV, 24. mit mancherlei Krankheiten and Qualen, nämlich natürlichen oder wohnlichen Krankheiten Behaftete; 2. öaifiovi^Ofievoi Besessene, derei^r: Leiden von Vergewaltigung durch einen bösen Geist herrührte odei doch damit zusammenhing, so daß es durch Austreibung des Dämoi gehoben wurde. Die Krankheit bestand teils in physischer, teils i: physisch-psychischer Vergewaltigung, erscheint daher als Gebundenhe: gewisser Organe, Stummheit (9, 32) oder Stummheit und Taubheit Convulsionen verbunden (Mrc. 9, 17. 25) oder Blindheit und Stummh&jf/ (Mtth. 12, 22); oder in epileptischen Zufällen (Luc. 9, 38. Mtth. 17; 15. 18), oder in Raserei und Tobsucht, bei den Besessenen zu Gadarü (Mtth. 8, 28 ff. Mrc. 5, 2 ff. Luc. 8, 27 ff). 3. UsXfjvca^ofisvoi Mond- süchtige, solche deren epileptische Anfälle dem Einflüsse des Mondes zugeschrieben wurden. Bei dem mondsüchtigen Knaben Mrc. 9, 17£ Luc. 9, 38 war das Leiden zugleich dämonischer Natur. 4. üagakmi" xol oder jcaQaXeXvfisvoc (Luc. 5, 18. 24) übersezt Luih.: Gichtbrücbige d. h. an Gliedern Gebrochene, daß sie nicht gehen können, eig. Glieder- lahme, an Lähmung einzelner Glieder, besonders der Extremitäten La- dende, entweder infolge von Schlagfltissen oder von Gicht oder auch allmälig vom Rückenmark ausgehend; vgl. Leyrer in Herz/s Real- encykl. VIII, 47 f. u. m. bibl. Archäol. S. 561 f. Alle diese Krankheiten heilte Jesus. — V. 25. Und es folgten ihm viele Volksscharen [ßx^oi) nach, teils um seine Predigt zu hören, teils um Heilung von Krankhd- ten und Gebrechen bei ihm zu suchen, aus allen Gegenden des Landes. Außer den Landschaften Galiläa, Judäa und Peräa nent Matth. noch die Dekapolis und Jerusalem, die Hauptstadt des jüdischen Landes. AexajtoXLq eig. Zehnstadt. So hieß ein District oder wol richtiger eine Conföderation von zehn Städten im Nordosten Palästina's mit überwie- gend heidnischer Bevölkerung, die wie es scheint bei der von Pomp^ns vollzogenen Neuordnung der Verhältnisse Palästina's vom jüdischen Lande abgetrent (Joseph. Antt. XIV, 4, 4) und direct unter römische Oberherschaft gestelt worden waren. Zahl und Namen derselben we^ den verschieden angegeben, waren auch vielleicht nicht immer gleich. Sicher ist nur, daß Skythopolis im Westjordanlande dazu gehörte, die Joseph, (b, Jud. III, 9, 7) die größte Stadt des Landes nent. Die übri- gen lagen im Ostjordanlande, wo Hippos am Stidostufer des See's Ge- nezaret, Pella der Zufluchtsort der Christengemeinde zur Zeit des jü- dischen Kriegs (das heutige Takakat Fahil), Gadara, Philadelphia (das alte Rabbat-Amman) und andere (vgl. Plin. h. n. V, 16) dazu ge- hörten. Vgl. Winer RW. u. Riehm, Hdb. der bibl. Altertumsk. s. v. Dekapolis. Cap. V — VII. Die Predigt des Himmelreichs oder die Bergrede. In dieser Rede entwickelt Jesus die Grundzüge des Himmelreichs, Cap. 5, 3—16 bilden den Eingang, in welchem a. die geistlich-sittliche Beschaffenheit der Bürger des Himmelreichs (v. 3—12), b. dieBemüsh Matth. V, 1. 2. .131 "bestimmung der Jünger Christi für die Welt (v. 13—16) dargelegt wird. Dann folgt v. 17—20 das Thema der Rede: die Stellung Christi und seiner Jünger zur Gesetzesoffenbarung des A. Bundes. Dieses Thema wird von 5, 21—7, 12 so ausgeführt, daß zuerst a. das Wesen der Ge- rechtigkeit des Himmelreichs (v. 21—48), b. die Ausübung derselben (6, 1—18) an Beispielen gezeigt wird, darauf c. die wichtigsten sub- jectiven Erfordernisse für die Erlangung dieser Gerechtigkeit angege- ben werden (6, 19-7, 12), worauf die Rede 7, 13—27 mit Ermahnun- gen zu ernstlichem Streben nach dem Eingange in das Himmelreich schließt. — Eine ähnliche, nur viel kürzere Rede hat Lukas c. 6,20—49 geliefert. lieber das Verhältnis derselben zu unserer Bergpredigt und über deren Authenticität s. die Erörterung am Schlüsse der Auslegung. ^ Cap. V, 1 u. 2. Veranlassung und Oertlichkeit der Rede. Als Je- sus die Volkshaufen, die aus allen Teilen des Landes ihm nachfolgten (4, 25), sähe, ging er auf den Berg; und als er sich gesezt hatte, traten seine Jünger zu ihm. Aus der Anknüpfung der folgenden Rede an 4, 25 folgt nicht, daß Jesus dieselbe ganz im Anfange seines galiläischen Wirkens gehalten habe, da der Abschnitt 4, 23—25, an welchen Matth. die Rede anknüpft, eine übersichtliche Schilderung der galiläischen Wirksamkeit Jesu, nicht blos der ersten Zeit seines Auftretens enthält. Der Evangelist bestirnt weder Zeit noch Ort näher. Inhalt und Zweck der Rede aber setzen offenbar die Wahl von zwölf Jüngern zu Aposteln (Luc. 6, 13 ff.) voraus, während Matth. erst die Wahl von vier Jüngern berichtet hat (4, 18—22) und seine eigene Erwählung erst später (9, 9) erwähnt, die Wahl der übrigen sieben aber übergangen hat und sie nur bei der Nennung der Zwölfe c. 10, 1 ff. als geschehen voraussezt. — Eünsichtlich des Ortes weist zwar tb OQoq der Berg (mit dem bestirn- ten Artikel; nicht das Gebirg oder die Höhe [_Bl~\ oder der dort befind- liche Berg [Thol, Mey,']^ weil in Galiläa viele Berge sind) auf einen bestimten Berg hin; aber die Lage desselben ist nicht näher bezeich- net, sondern als durch die Ueberlieferung bekant vorausgesezt. — Aus 8, 1. 5 erhellt, daß der Berg nicht weit von Capernaum entfernt war, welches warscheinlich in Teil Hum zu suchen (s. zu 4, 13}. ,Hinter der Ruine Teil Hum — bemerkt Rohins. Pal. HI, 554 — steigt das Land eine beträchtliche Strecke sehr sanft zu mäßiger Berghöhe hinan, von der aber höchstens in allgemeinem Sinne der Name eines Berges gilt^ Die Tradition der lateinischen Kirche bezeichnet die circa 15 Kilome- ter südwestlich von Teil Hum entfernte Anhöhe Kurun (d. i. Hörner) JSättin, fast in der Mitte auf einer Linie zwischen Capernaum und dem Berge Tabor,^ als den Berg der Seligkeiten d. i. das Local der Berg- 1) Zur Auslegung vgl. A. Tholuck, die Bergrede Christi ausgelegt. Fünfte, verb. Aufl. zweiter Abdr. Gotha 1872, wo S. 30—40 die zahlreiche exegetische Literatur verzeichnet ist. Femer: Ernst Achelis, die Ber^redigt nach Matth. und Luk. exegetisch und kritisch untersucht. Bielef. u. Leipz. 1875. x 2) Woher haben doch Mey. u. Achet. die Notiz, daß Kurun Hatiin nahe bei der Stadt Saplief lag? Eine Stadt Saphet ist nicht bekant, sondern nur Sofed^ das aber über 3 geogr. Meilen oder 5 Beisestunden nördlich davon liegt. 9* 132 Matth. V, 2. 3. predigt. Ein Bergrücken mit je einer 40—60 Fuß hohen Kuppe am östlichen und westlichen Ende, die dem Bücken in einiger Entfernung das Ansehen eines Sattels geben. Dieser Bergrücken senkt sich nach der südlichen Ebene von HaiUn ab, so daß man von dieser die nörd- liche Seite des Teil nicht weniger als 400 Fuß steil emporsteigt (Roh, ni, 485). Von diesem Berge sagt schon Korie (Reise S. 308): ,Es ist gewiß, daß der Berg sehr gelegen ist; auf seiner Höhe macht er eine mäßige Fläche als eine Schüssel gestaltet, und auf den Seiten ist er ge- mach abhängig und allenthalben geschickt zu einer Kanzel oder einen Ort, wo viel Volk zuhören konteS Da nun außerdem der sattelartige Raum zwischen den beiden Kuppen die Möglichkeit zur Vereinigung des dvißij elg x6 OQog bei Matth. und des xazaßäg /ist avrcov eöwy sjcl TOJtov jtsöivov nach Luc. 6, 17 bietet, so hat diese Tradition viel Beifall gefanden. Obwol aber Lage und Gestalt dieses Berges der Sache entsprechen, so ist doch zu erwägen, daß diese Tradition zuerst bei Brocardus um 1283 sich findet, und ,es in der Nähe des (galiläi- schen) See's yielleicht ein Dutzend anderer Berge gibt, welche den ge- schichtlichen Umständen eben so gut entsprechen würden (^o&.in,485). KaMöavTog avxov steht mit bottj bjiI xojcov juö. des Luc. nicht in Widerspruch. Lukas erwähnt das Stehen auf dem Blachfelde nur, in- dem er Yon Heilungen berichtet, die Jesus natürlich nicht sitzend ver- richten konte (Caiv,, Grot. Calov. u. A.). Daß Jesus die Rede stehend gehalten, sagt Luk. nicht, sondern erwähnt hier nur das Sitzen, als der Sitte der jüdischen Lehrer entsprechend, nicht ausdrücklich, wie bei anderen Vorträgen Jesu (Luc. 4, 20. 5, 3. Mrc. 9, 35). Die (lad^ci^ welche zu Jesu traten und an die er zunächst seine Rede richtet, sind nicht die zwölf Apostel, sondern ein größerer Kreis yon Anhängern Jesu d. h. von empfänglichen Seelen, die sich ihm anschlössen; vgl. fOr diesen Gebrauch von fiad^xijg Mtth. 8, 21. Aus den fiad7]xal hat Je- sus zwölf zu Aposteln gewählt Luc. 6, 12. Von den [lad^xal sind zu unterscheiden die oxXol, die von allen Gegenden her zu Jesu kamen, ihn zu hören und Heilung von allerlei Gebrechen bei ihm zu suchen. Nach 7, 28 waren diese auch Zuhörer der Bergpredigt. Luk. nent da- her ox^og fiad^xcop avxov xal jtX^ß^og jtoXv xov Xaov 6, 17. Hier- nach haben wir drei Klassen von Zuhörern zu unterscheiden, die ohne Zweifel in drei Kreisen um und vor Jesu standen, a, in der nächsten Um- gebung die 12 Apostel, b. hinter diesen die übrigen (ladTrcal u. c. im weiteren Umkreise die Volkshaufen. — V. 2. Hvol^ag xo oxofia bez. an sich zwar nur das Aufthun des Mundes zum Reden, wird aber stets gebraucht zur Einführung längerer und feierlicher Reden, nicht nur Hi. 3, 1. Dan. 10, 16. Act. 8, 35. 10, 34, sondern auch Act. 18, 14 (gegen Mey.), um die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf die Rede zu lenken. V. 3—16. Eingang der Bede, in welchem Jesus zuerst die geistig- sittlichö Beschaffenheit der Bürger des Himmelreichs schildert (v. 3—10). Diese Schilderung kleidet er in die Form von Makarismen ein, indem er diejenigen selig preist, welche für die Teilnahme am Himmelreich MattL V, 3. 183 erforderliche Eigenschaften besitzen, nnd jede Seligpreisung mit einer ihrem Inhalte entsprechenden Verheißung begründet. Schon dieser In- troitns ist bezeichnend für den Charakter des von Christo begründeten Himmelreichs. Treffend bemerkt darüber Luther (Werke Erl. A. Bd. 43 S. 10): ,Das ist ja ein feiner, süßer, freundlicher Anfang seiner Lehre und Predigt. Denn Er föhret nicht daher, wie Moses oder ein Gesetz- lehrer mit Gebieten, Dräuen und Schrecken, sondern aufs allerfreund- lichste, mit eitel Reizen und Locken und lieblichen YerheißungenS — Streitig ist unter den Ausll. die Zahl der Seligpreisungen. Neunmal wird das fiaxccQioi wiederholt, aber das neunte in v. 11 hat nicht nur kein besonderes Object und gibt sich nur als Ausführung von v. 10 zu erkennen (ThoL)^ sondern unterscheidet sich auch dadurch von den Yorhergehenden, daß die Rede sich direct an die Jünger wendet, und dadurch zur folgenden Entwicklung des Berufs der Jünger überleitet. Wir zählen demnach mit den meisten Ausll. 8, nicht 7 (mit Mey. Erv. u. A.) Seligpreisungen, da der Umstand, daß die achte die nämliche Ver- heißung hat wie die erste, keinen triftigen Grund dafür abgibt, daß die- ser Makarismus für eine Recapitulation des ersten zu halten und nicht mitzuzählen sei. Noch weniger läßt sich mit Delitzsch x(xIq^^ ^ccl dyaXXiäöd'e v. 12 als Umschreibung eines zehnten fiaxoQioc betrach- ten, um zehn Makarismen zu gewinnen. Dagegen hat schon ThoL rich- tig bemerkt, daß v. 12 nur die Verheißung zu dem fiaxagioi y. 11 hin- zufügt. — In den Seligsprechungen läßt sich eine ethische Stufenfolge nicht Yorkennen. Die Yier ersten handeln Yon den Bedingungen des Eintritts in das Himmelreich, die Yier anderen Yon den Gesinnungen, welche das Bleiben in demselben Yerbürgen (Ygl. Godet znLuk,)'^ oder jene beziehen sich auf das Verlangen nach dem Heile, diese setzen das Heil als bereits erlangt Yoraus. V. 3. Selig sind die geistlich Armen, denn ihrer ist das Bimmel- reich, MaxoQiOL entspricht dem '^'^ttJ« Seligkeit des = Heil dem (Ps. 1, 1), nicht als Wunschformel, sondern als Aussage, wobei der Begriff des Heils oder der Glückseligkeit nach dem Inhalte und der Begrün- dang der Aussage zu bemessen ist. Im A. T. waltet die Idee des irdisch- theokratischen Heils und Wolergehens Yor ; im Munde Christi aber tritt das geistige Heil, die Seligkeit des Himmelreichs herYor. Ol jcrcoxol TCO j€vsvfiarc die geistlich Armen d. h. die Armen am Geiste oder in Rücksicht auf den Geist, rä jtvsvfi, gehört zu jtxwxol nicht zu [laxd- Qioi, schon nach Analogie Yon rfj xagöla y. 8, hauptsächlich aber, weil /laxaQWi wie '^'^ttf« nie mit einem Zusätze Yerbunden ist. T(p jcvevfiari ist auch nicht gleichbedeutend mit ix xagölaq oder tpvxcxcog, die Frei- willigkeit der Armut ausdrückend, wie kathol. Ausll. es deuteten und auf diepaupertas voluntaria des Mönchgelübdes bezogen; sondern rö jivevfia ist der göttliche oder heilige Geist als Princip des ethisch- religiösen Lebens, welchen der Mensch Yon Natur nicht besizt, sondern als Gnadengabe empföngt«, der Geist nicht blos der Gotteserkentnis, sondern zugleich der Erneuerung und Heiligung des Lebens. Jtrcoxog schließt das Bewußtsein der Armut in sich-, jn(X)xog bed. bettelarm, 134 Matth. V, 3. 4. bettelhaft, mendicus, eig. den der sich duckt and4}ückt, vgl. Passaw Lexic. s. V,, dagegen jr^^g pauper, ol jttcoxol T(p Jtv. sind demnach solche, die nicht nur arm sind, sondern auch arm sich fühlen am Geiste d. h. an geistlichen Heilsgütem, wie ThoL weiter ausfahrt: ,der Er- kentnis nach arm an Warheit, dem Willen nach arm an HeiUgkät, dem Gefühl nach arm an Seligkeit'. In diesem Sinne steht jtxwxo% Apok. 3, 17 im Gegensatz zu jtXovacog reich an geistigen Gütern; vgl 2 Kor. 8, 9. Mit dieser geistlichen Armut kann Reichtum an irdischen Gütern verbunden sein. Gewöhnlich aber wird das Gefühl der geist- lichen Armut gewekt durch irdische Not und Mangel, durch Trübsale und Leiden. So sind schon im A. T., besonders in den Psalmen und Sprüchen l^« pauper und '^s? miser synonyme Begriffe; und die nie-, deren und gedrükten Klassen des Volks die, welche zunächst und zu- meist Trost in ihrem Elende, Hilfe und Rettung bei Jesu suchten. Aus diesen Gründen dürfen wir auch bei den jczcoxol reo Jtv, die leibliche Armut von der geistlichen nicht trennen, ohne daß man deshalb mit ThoL anzunehmen braucht, daß Jesus bei diesem Ausspruche von der leiblichen Armut ausgehend dieselbe auf das geistige Gebiet übertragen habe und solche Arme selig preise, die sich auch geistig arm fühlten. Schon im A. T. lassen sich bei li"'^x und '^35 geistliche Armut und gei- stiges Elend von leiblicher Not nicht scheiden, nicht blos in messiani- schen Stellen wie Ps. 72. 4. 12. 13. Jes. 57, 13, sondern auch in Stel- len wie Ps. 37, 14. 40, 18. 86, 1 u. v. a. — Die Verheißung lautet: „denn ihrer ist das Himmelreich'' d. h. sie haben Teil am Himmelreiche. Ueber ßaöiXsla tc5v ovq. s. zu 3, 2. In unserer Verheißung ist der Ausdruck in seinem umfassenden Sinne gebraucht, in welchem dasselbe mit Christi erlösendem Wirken auf Erden gegründet worden ist, in sei- ner Gemeinde sich ausbreitet und bei seiner Wiederkunft vollendet wer- den wird, so daß es die Seligkeit des Lebens im Glauben hienieden und das Schauen Gottes in der Ewigkeit umfaßt. — Aus dieser Verheißung erhellt deutlich, daß Jesus schon bei diesem ersten Spruche^ nach der richtigen Bemerkung von AcheL , ,an eine der durchgreifendsten Ver- heißungen des A. T., an eine der höchsten, mit dem geweißagten Mes- sias und seinem Reiche innigst verbundenen Hoffnungen Israels anknüpft Von Joel an, der (3, Iff.) die Ausgießung des Geistes Jahve's über alles Fleisch weißagt, ist die Mitteilung des Geistes Gottes an das Bundes- volk ein stehendes Merkmal der messianischen Zeit oder des N. Bundes bei fast allen Propheten; vgl. Hos. 14, 6 ff. Jes. 11, 3. 32, löff. vgl. mit 44, 3 ff. 54, 13 ff. Jer. 31, 13 ff Ez. 36, 26; vgl. 11, 19 ff. 18, 31. 37, 14. 39, 29 u. Zach. 12, 10'. Die Wirkung dieser neuen Geistesgabe wird von den älteren Propheten wesentlich als Weißagen, als Vertie- fung und Erleuchtung der Gotteserkentnis dargestelt, allmälig aber zur Idee der Erneuerung des ganzen inneren Menschen entwickelt; vgL Ez. 36, 26 ff. 11, 19 f. 18, 31. V.4. Selig sind die Leidtragenden, dennsie sollen getröstet werderu^ 1) Nach Cod. D u. 33, Vulg. u. mehrem Kchw. haben Lehm, u. Tisch, v. 4 und 5 umgestelt, zuerst als v. 4: fxaxuQioi oi n'Qaeis x, t. ü., sodann als v. 5: Matth. V, 4. 5. 135 IIst^Btv ist ein stärkerer Aasdruck als Xvjtelod'ai, bezeichnet die Trauer nicht blos ttber die Sünden, sondern über Not und Elend jeg- licher Art; in diesem Zusammenhange aber selbstverständlich nicht die blos irdische Trauer über zeitliche Not, Unglück und Trübsal, welche der Apostel Xvjir} xov xoOfiov nent (2 Kor. 7, 10), sondern die Trauer, welche aus der Erkentnis der eigenen und anderer Sünden fließt, in dem irdischen und zeitlichen Unglücke oder Elende Folgen und Strafen der Sünden erkent. Wie Jesus im ersten Makarismus an die alttestamentliche Idee der jcrcoxda anknüpft, so kündigt er in diesem zweiten die Erfül- lung der prophetischen Verheißung an, daß der Knecht des Herrn (der Messias) alle Trauernden trösten werde (Jes. 61, 2). In dieser Verhei- ßung gipfelt der Inhalt des zweiten Teils des Jesaja, welcher 40, 1 mit den Worten: „Tröstet, tröstet mein Volk" anhebt. Und daß Jesus die- selbe bei dieser Seligpreisung im Auge hatte, das wird schon durch die Anlehnung an den Wortlaut Jes. 61, 2, vollends aber durch die Predigt Jesu in der Synagoge zu Nazaret Luc. 4, 16 ff. außer Zweifel gesezt. Die Tröstung aber, welche der Prophet verkündigt, besteht darin, daß Gott den Leiden seines Volks im Exile ein Ende machen wird, nach- dem seine Sünde gesühnet sei (Jes. 40, 2), daß er es nicht nur aus Ba- bel erlösen und nach Zion zurückführen, sondern überhaupt allem Drucke, aller Mühsal, allem Elende ein Ende machen und sein Reich zu ewiger Herrlichkeit verklären und vollenden werde. Auf diese Weißagung gründete sich die Erwartung des Messias als der Trost Israels (Luc. 2, 25) und die Bezeichnung desselben als ons» bei den Rabbinen (vgl. Lighif, horae hebr, et talm, ad Joh. 14, 16), Hiemach dürfen wir weder bei jtsp&ttv die Trauer über die Sünde noch (mit Mey,) bei ütaQaxaXelod^ai den Trost durch Verheißung der Sündenvergebung ausschließen. Die Erfüllung dieses Makarismus hat begonnen mit dem Auftreten Jesu als Heiland seines Volks; sie sezt sich fort in seiner Gemeinde, die sein Evangelium im Glauben aufnimt und die dargebo- tene Gnade ergreift, und wird sich vollenden bei der Wiederkunft Christi zum Gerichte über die antichristische Weltmacht und zur Auf- richtung seines Reiches in Herrlichkeit, in welchem alle Trauer der Beseligten wird in Freude verwandelt werden (Apok. 21 u. 22). V. 5. Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden die Erde zum Erbe erhalten, Inhalt und Begründung dieses Makarismus ist aus Ps. 37, 11 (LXX: ol 6h jigaetg xXr]QOvo/i?joovoi yrjv) genommen, wobei nur der Artikel zu yi]v hinzugefügt ist. Ugaog dem ij? entsprechend bed. sanftmütig; Jakobus sezt 3, 13 der jiQamrjg den $^>log mxgog und die kQi&ela entgegen; nicht auch: demütig, obwol Mtth. 11, 29 Tajceivog dem JtQccvg coordinirt ist und beide Begriffe nahe verwandt (xaxagioi ol nsv&ovvteg x. t. A. Allein fast alle älteren Codd. ^BCEfCMSU u. a., Syr., Copt. n. A. bieten die Ordnung des textus rec, die daher festzuhalten ist, da die Umstellung warscheinlich nur geschehen ist, weil man, wie Origenes, die Erde als das niedere Gut unmittelbar auf den Himmel glaubte folgen lassen 2U müssen (vgl. Thol.), oder vielleicht auch, um ngaeis mit ntcoxoi r^ nvevfica:i als anscheinend passender zusanmienzubiingen. 136 Matth. y, 5. sind, so daß man, besonders mit Bücksicht auf Ps. 37, wo die b^^J^ den Gegensatz bilden zu den Bösen und Frevlern, welche die Armen and Gerechten bedrücken, oi jcgastg fassen kann ,als die in Grott gelassenen, sanften Dulder, welche ohne Erbitterung und Bache als die xcatBixuk xal fjOvxiOi (Jes. 66, 2) den Frevel ihrer Dränger und Unterdrücker tragen' (Mey.), Die Begründung dieses Makarismos bezieht sich ihrem ursprünglichen geschichtlichen Sinne nach auf den Besitz des Landes Ganaan, welches Gott den Patriarchen zum Erbe verheißen hatte und den Israeliten unter der Bedingung treuer Erfüllung des Bundes zu ewigem Eigentum verlieh (Gen. 12, 7. 13, 15 u. a. Ex. 20, 12. Lev. 26, 3 vgl. Deut. 4, 1. 40. 5, 33 u. a.), so daß jeder Stamm, jedes Ge- schlecht, jede Familie einen bestirnten Anteil am Grund und Boden des- selben als unveräußerliches Erbe erhielt. ^ Da nun der Besitz dieses Erbes mit dem Genüsse seines Ertrags die Basis irdischer Glückselig- keit der Israeliten bildete, so wurde der Besitz des Landes zum Inbe- griffe der irdischen Wolfahrt des Volks, wie seiner einzelnen Glieder. Mit der Entziehung dieses Erbteils wurde der Fortbestand der Fami- lien gefährdet, die Grundlage ihres Lebensglückes zerstört. Als aber Sünde und Ungerechtigkeit überhand nahmen, wurden häufig die From- men von den Gottlosen bedrükt und ihres Erbeigentums beraubt. Die- sen stillen Duldern wird in Ps. 37 der Trost dargeboten, daß das Glück der Gottlosen nicht dauernd sein, sondern Gott sie plötzlich vertilgai werde, dagegen die auf den Herrn Vertrauenden das Land zum Erbe erhalten und an der Fülle des Heils sich ergötzen werden. — Diese Lehre, welche den endlichen offenbaren Sieg der frommen Dulder über die Gottlosen in Aussicht stelt und als allgemeine Warheit in der Welt- geschichte sich bewährt, erhielt in Israel eine ganz concreto heilsge- schichtliche Bedeutung nicht nur durch die im Gesetze ausgesprochene Bedingung, an welche der dauernde Besitz des Landes Canaan geknüpft war, an die Bedingung treuer Befolgung der göttlichen Gebote mit der Drohung, daß Gott die Abtrünnigen mit Entziehung der Güter dieses Landes und bei beharrlichem Abfalle mit Verstoßung aus dem ihnen verliehenen Erbteile unter die Heiden strafen werde, sondern noch deut- licher und eindringlicher durch die geschichtliche Vollziehung der Ver- heißung wie der Drohungen an dem Volke. Als Gott das immer mehr in Götzendienst versinkende Volk mit Hingabe in die Gewalt der Feinde, welche die Früchte des Landes verzehrten und verwüsteten, und end- lich mit der Verbannung unter die Heiden strafte, da weißagten die Propheten nicht nur in Grundlage der göttlichen Verheißung von der ewigen Dauer des Bundes und dem ewigen Besitze des verheißenen Landes die Zurückführung des zur Erkentnis seiner Sünde gekomme- nen, bußfertigen Volkes in das Land seiner Väter und die Wiederauf- richtung der Herschaft Davids, sondern zugleich die Ausbreitung der Erkentnis und Verehrung des Herrn unter allen Völkern und die Voll* 1) Zu xXrjQovofiety vgl. Vitrinqa Ohservatt. sacr. l, V c.6: De vera Intel'- Ugentia beneßcii haereditatis terrae {T. II p, 66 ss,). Matth. V, 5. 6. 137 endung des Gottesreiches im heiligen Lande durch Ausscheidung der Gottlosen, und die Erneuerung Jerusalems auf der neuen Erde zu ewi- ger, unYergänglicher Herrlichkeit; vgl. Jes. 60. 62. 65. 66. Jer. 30 u. 31. Ez. 36 u. 37. Zach. 14, 7 ff. Dadurch wurde der Begriff Canaans als des von Gott seinem Volke verheißenen und zum Erbe gegebenen Landes allmftlig zum Begriffe der Erde erweitert oder richtiger gesagt, vertieft, entsprechend den schon in den patriarchalischen Verheißungen gegebenen Andeutungen, und damit Canaan, welches für die Zeit des A. Bundes das Local des Gottesreiches war, in der messianischen Weißagung zum Typus der irdischen Gebietes des Reiches Gottes im N. Bunde erhoben, sowie Zion oder Jerusalem zum Typus der Central- stätte dieses Eeiches. Es ist daher nicht schriftgemäß, mit Acheh S. 15 zu sagen, daß ^ /^ in allen Stellen des A. T. das Land Canaan heiße; sondern hieran ist nur so viel richtig, daß in der messianischen Weißa- gung das Land Canaan, welches der Herr seinem Volke Israel zum Erbe gegeben, als der irdische Boden des Reiches Gottes genant und be- trachtet wird; nirgends aber wird, wenn wir von dem visionären Bilde Ezech. 40—48 absehen, dieser Boden auf den geographischen Umfang Canaans beschränkt. Demnach ist es dem Geiste der messianischen Verkündigung ganz entsprechend, in unserem Makarismus xrjv yijv von der Erde zu verstehen, so daß Jesus hier die Psalmworte nach ihrem messianischen Sinne auf die Jünger seines Reiches übertragend den Sanftmütigen den Besitz nicht des Landes Canaan, sondern der Erde verheißt Dies aber nicht blos in der eschatologischen Bedeutung die- ser Verheißung, d. h. nach ihrer noch zukünftigen, über den gegenwär- tigen Weltbestand hinausreichenden, erst nach Erneuerung Himmels und der Erde eintretenden Vollendung im himmlischen Jerusalem (Apok. 21 f.), sondern auch schon in Bezug auf die zeitgeschichtliche Entwickelung seines Reichs auf Erden von seiner Himmelfahrt an bis zu seiner Wiederkunft, während welcher die Verheißung sich so erfült, daß die Gemeinde der Jünger und Bekenner Christi von den gottfeind- lichen Gewalten dieser Erde nicht unterdrükt und ausgerottet werden kann, sondern in allen Kämpfen durch den Geist der Sanftmut ihres Meisters (11, 29) die Welt überwindet und den Sieg behält. In der Erhaltung und siegreichen Ausbreitung der Kirche Christi auf Erden erfült sich fort und fort das Wort des Herrn, daß die Sanftmütigen die Erde zum Besitz erhalten. Schon jezt, da noch der größte Teil der Erde von Muhammedanem und Heiden bevölkert ist, kann man sagen, daß die Christenheit die Erde besizt, indem die christlichen Völker die ganze Erde beherschen. Diese Macht des Christentums besteht aber nicht in der Zahl derer, die Christi Namen tragen, sondern liegt in dem Geiste der gläubigen Bekenner und treuen Jünger Christi. V. 6. Seüg sind die da hungert und dürstet nach der Gerechtig- keit, denn sie sollen gesättiget werden. Heiväv und öitp^v werden im Griechischen gewöhnlich mit dem Genitiv construirt, aber auch mit dem Accusativ, indem das Object als das die Thätigkeit Erleidende gedacht ist {Mey.). Hungern und Dürsten sind Ausdruck sehnlichen Verlangens, 138 Matth. V, 6. 7. hergenommen von dem, was für die Lebenserhaltung anentbehrlich ist, vgl. Jes. 55, 1. Ps. 42, 1 f. Am. 8, 11. r^v dixaioövvijv die Rechtbe- schaffenheit, der dem göttlichen Willen entsprechende sittliche Zustand des Menschen. Diesö ötocaioövvrj in dem sündigen Menschen hervor- zubringen ist das Ziel der göttlichen Heilsanstalt. Im A. B. war sie in dem Gesetze als dem zeitlichen Ausdrucke des ewigen Gotteswillens niedergelegt und bestand in dem Achten auf alle Gebote des Herrn, sie zu halten und zu thun, Deut. 6, 25. 30, 16, 19. Lev. 18, 5 u. a. Dieser Weg führte aber nicht zum Ziele, weil der sündige Mensch das Geset« Gottes nicht vollkommen erfüllen kann. Dies erkanten und fühlten schon die Frommen des A. Test, und flehten daher zum Herrn, daß er sie leiten wolle in seiner Gerechtigkeit, Ps. 5, 9. 25, 4 f. Aus dieser Erkentnis entwickelte sich die Weißagung, daß der Herr selbst die Grerechtigkeit seines Volkes schaffen werde durch einen Sproß, welchen er David erwecken werde (Jes. 11, 5. 9. 4, 2—4. Jer. 23, 5 f. 33, 15 f. vgl. Ps. 72), durch seinen Knecht, der als der Gerechte den Vielen Ge- rechtigkeit schaffen und ihre Missethaten tragen werde (Jes. 53, 11). Auf diesen Sproß Davids war die Sehnsucht der Frommen im Volke zu Christi Zeiten gerichtet Luc. 1, 69—73. — Denen, die nach der Ge- rechtigkeit hungern und dürsten, wozu — wie Luther sagt — ,ein großer Ernst, Begierd und Brunst, dazu ein unablässiger Fleiß gehört*, ihnen soll Sättigung zuteil werden (zu x^Q'^ccOß^öoirvai ist aus dem Contexte öixaioovj^g zu ergänzen). lieber das Wie der Befriedigung ihres Verlangens spricht Jesus sich hier nicht näher aus. Gemeint ist die Gerechtigkeit des Reiches Gottes 6, 33. Rom. 14, 17, die dixaio- övvri d-EOv öiä jtlöTsmg ^Irjöov Xqiöxov slg ndvxaq xal sjtl ütavraq Tovg jtiöTsvovrag, die aus Gnaden geschenkt wird durch die Erlösung in Christo Jesu (Rom. 3, 21. 24. 4, 16), daß wir gerecht werden durch den Glauben ohne des Gesetzes Werke (Rom. 3, 28. Gal. 2, 16) und mittelst des Glaubens gerechtfertigt, Frieden mit Gott haben und uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird, ge- trösten (Rom. 5, 1. 2), indem wir von der Knechtschaft der Sünde be- freit in den Dienst Gottes getreten, im neuen Wesen des Geistes die Kraft zur Heiligung des Lebens empfangen (Rom. 6, 22. 7, 6), und Got- tes Geist in uns wohnet, der unserem Geiste Zeugnis gibt, daß wir Got- tes Kinder sind, und als Kinder auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, daß wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben (Rom. 8, 14—17) und ewig mit ihm leben werden. Dies ist in der Gerechtigkeit beschlossen, mit welcher Christus die nach ihr Hungernden und Dürsten- den sättigen wird; nicht nur die Rechtfertigung der Sünder vor Gott aus Gnaden, sondern auch die Gerechtigkeit des Lebens, als die Frucht unserer Versöhnung mit Gott, welche der in unser Herz gepflanzte Geist Christi durch Erneuerung, Heiligung und Verklärung unseres We- sens wirkt. Mit V. 7 begint die zweite Reihe der Seligpreisungen, in welchen die zum Bleiben im Reiche Gottes erforderliche Gesinnung entfaltet wird. Zunächst werden in v. 7—9 drei Tugenden — die Barmherzig- Matth. V, 7. 8. 13SF keit, die Herzensreinheit und die Friedfertigkeit — genant, welche den Heilsbesitz voraussetzen. — V. 7. SeHg sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Ol eXsjjfiOveg sind die, welche eZeog Erbarmen d. h. Mitleid mit dem Elende und der Not Anderer, auch der durch die Sünde Leidenden fühlen und beweisen, nicht blos yermöge natürlicher Weichherzigkeit, sondern infolge des göttlichen Erbarmens, welches ihnen widerfahren ist, wonach nur der Wiederge- borene die rechte Barmherzigkeit üben kann. Diese Fassung des Be- griffes kXejjfKDV fordert der Ausspruch Luc. 6, 36: „Seid barmherzig wie euer Vater im Himmel barmherzig ist.^' Die Barmherzigkeit Got- tes aber ist die Liebe, die Gott nicht nur den Hilfsbedürftigen und Not- leidenden, sondern den Sündern zuwendet und in der AuMchtung der Heilsanstalten des A. u. N. B. zur Erlösung der gefallenen Menschen Yom Tode und Verderben geoffenbart hat, so daß die ganze Schrift yoU ist des Preises seiner Gnade, Barmherzigkeit und Treue. Hiernach be- zieht sich iXsTjBTJoovrai nicht nur auf die auch dem Wiedergeborenen noch anklebende Sünde, sondern schließt auch die bis in die Ewigkeit hineinreichende Frucht der rechtfertigenden Gnade in sich, sowol die Tilgung der Sünde und ihrer Herschaft in den Gläubigen und die Auf- hebung ihrer Folgen, des durch die Sünde in die Welt gekommenen Elendes und Todes, als auch die Verklärung der Gerechtfertigten in das Bild Gottes, daß wir ihm gleich werden (IJoh. 3, 2) und mit Christo in Herrlichkeit ewig leben sollen (Kol. 3, 4. Apok. 7, 16 ff. 21, 4). V. 8. Seäg sind die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schatten. Das Herz (^^, xagöia) als der Mittelpunkt des ganzen Men- scltön ist nach der Schrift das Centrum des geistig-seelischen Lebens, nicht nur des wollenden und begehrenden, denkenden, vorstellenden und empfindenden, z. B. der Gefühle und Affecte, sondern auch des ethischen Lebens, in dem sich alle sittlichen Zustände von der höchsten mysti- schen Gottesliebe an (Ps. 73, 26) bis zum selbstvergötternden Hochmut und zur Verstockung (Jes. 6, 10 u. a.) als dem innersten Lebenskreise des Menschen concentriren, so daß der sittliche Gesamtzastand des Menschen sich nach dem Herzen charakterisirt (vgl. Delitzsch, bibl. Psychol. S. 248 ff.). — Reinheit des Herzens wird schon Ps. 24, 4 von dem gefordert, welcher beim Nahen zum Heiligtume Segen von Gott davon tragen wolle, und in Ps. 73, 1 werden die wahren Israeliten durch aai '»'35 von dem Schein-Israel unterschieden. Wenn aber in diesen Aussprüchen die Herzensreinheit offenbar die Lauterkeit der Gesinnung im Gegensatz zur Heuchelei, zu Lug und Trug bezeichnet, so ist in der Bitte Davids: „ein reines Herz schaffe mir, o Gott'' (Ps. 51, 12) der Begriff schon tiefer gefaßt. Ein reines Herz ist ein von Sünde und Be- wußtsein der Sünde ungetrübtes Herz, und Davids Bitte geht auf Er- neuerung des Herzens, auf das was von den Propheten als künftige Heilsthat Gottes des Erlösers an seinem Volke verheißen wird (Jer. 24, 7. £z. 11, 19. 36, 26) und von den alttestamentlichen Frommen anti- cipativ erfaßt wurde (s. Del. zu Ps. 51, 12), aber Gemeingut aller Gläu- bigen erst mit der Erfüllung jener Verheißungen im N. Bunde durch 140 Matth. y, 8. das Werk des heiligen Geistes (vgl. Joh. 7, 39) geworden ist (Tit. 3, 5). — In dieser, die Erneuerung des Herzens in der Wiedergeburt vorans- setzenden Bedeutung redet Jesus von xagöla xad-agd, die selig prei- send, welche dieses Gnadongut besitzen; denn amol röv d'sov otpovtau Im A. T. heißt es Ex. 24, 9. u. 11 von Mose, Aharon und den 70 Aelte- sten Israels, daß sie auf dem Berge Sinai den Gott Israels sahen, Gott schauten; und von Mose in Num. 12, 8, daß Gott Mund zu Mund mit ihm rede und er die Gestalt Gottes (mJT^ nasratj) sehe. Dagegen schlägt Gott Mosen seine Bitte: „laß mich deine Herrlichkeit sehen", ab mit den Worten: „mein Angesicht kann der Mensch nicht sehen und leben bleiben" (Ex. 33, 18. 20); entsprechend der oft erwähnten Vorstellung, daß das Sehen Gottes für den Menschen todbringend sei. — Verglei- chen wir damit die wiederholten Aussprüche Christi, daß niemand Gott (den Vater) gesehen (Joh. 1, 18. 6, 46 vgl. mit 1 Joh. 4, 12) und 1 Tim. 6, 16: „Gott wohnt in einem unzugänglichen Lichte, welchen kein Mensch gesehen hat noch sehen kann", so können wir jenes Schauen Gottes auf dem Sinai nicht als ein unmittelbares Schauen des göttlichen Wesens, sondern nur als eine durch Versichtbarung Gottes in einer fftr leibliche Augen warnehmbaren Erscheinungsform oder als ein Schauen einer nasran Gottes (Num. 12, 8) uns vorstellen. Andrerseits aber er- hebt sich die Sehnsucht der Frommen des A. T. zur zuversichtlichen Hoffnung, der Biedliche werde Gottes Angesicht schauen, und zwar beim Erwachen aus dem Todesschlafe (Ps. 17, 15 vgl. Bei z. d. St.), und noch stärker in Ps. 16, 10: „Du wirst meine Seele nicht dem Tode las- sen, nicht hingeben deinen Frommen zu sehen die Grube (d. h. ihn nicht den Grabesstand erleiden lassen), du wirst mich erfahren lassen den Lebenspfad, Sättigung an Freuden bei deinem Angesichte, Liebliches zu deiner Bechten immerdar". Diese glaubensfreudige Hoffiiung wurde von der Prophetie zur gewissen Erwartung der Auferstehung der Todten ausgebildet (Jes. 26, 19. Ez. 37, 1-14. Dan. 12, 2), aber erst durch die Thatsache der Auferstehung Christi zu zweifelloser Gewiß- heit erhoben, vgl. Köm. 6, 4 f. 8, 11. 1 Kor. 15, 12 ff. Phü. 3, lOf. 21 u. a. m. — Gleichwie nun unsere Hoffnung der Auferstehung zum ewi- gen Leben durch Christum vermittelt ist, so auch das Schauen Gottes. Schon hienieden sehen wir Gott in Christo. „Wer mich siebet, der sieht den Vater" spricht Christus zu Philippus, und „glaubet mir, daß ich im Vater bin und der Vater in mir ist" (Joh. 14, 9. 11). — Gott in Christo sehen ist freilich nur ein Erkennen Gottes (Joh. 14, 7), aber dieses Er- kennen ist doch die erste Stufe des Gottsehens, zu vergleichen dem ix (liQOvq yivcioxeiv und dem ßXejteiv öi söoJtTQOv ev aivlyfiari 1 Kor. 13, 12, im Unterschiede von dem zukünftigen ßXejtsiv jcQÖgcojtop jtQoq JtQogcojcov, und der Anfang des ojrtsö&ai top Kvqlov (=r6v d'BOV V. 6), welches nach Hebr. 12, 14 ohne Heiligung nicht erreicht werden kann. — Von dem Leben in der Ewigkeit wird auch 1 Joh. 3, 2 nur prädicirt, daß wir Gott sehen werden wie er ist (xad-ciq köxtv) d. h. ein vollkommenes, unmittelbares Schauen, womit implicite die Möglichkeit eines minder vollkommenen Schauens schon diesseits angedeutet ist Matth. V, 9. 141 Demnach dürfen wir anch das „Gottschauen'' unsers Makarismus nicht ausschließlich auf das jenseitige Schauen im Stande der Verklärung be- ziehen, sondern haben das in verklärter Leiblichkeit erreichbare Schauen Gottes nur als die Vollendung oder den Gipfel der Seligkeit der vollendeten Kinder Gottes (vgl. Apok. 7, 15. 22, 4) zu fassen. V. 9. Selig sind die Friedfertigen^ denn sie werden Gottes Söhne genant werden, Ol d^vojtoiol sind nicht die Friedsamen (Blgrivtxoi Jak. 3, 17), sondern eig. die Friedestifter. So erklärt Luther selbst in der Randglosse (Werke Bd. 64 S. 187) das in seiner üebersetzung ge- brauchte Wort: ,die Friedfertigen sind mehr denn Friedsame, nämlich die den Frieden machen, fördern und erhalten unter Anderen, wie Christus uns bei Gott hat Friede gemacht^ vgl. jtocovöiv slg'qvTjv Jak. 3, 18. Die Bedeutung friedsam ist auch im Griechischen fftr bIqtjvo- jcoiog nicht erweislich. Der Friede aber, von welchem Jesus hier redet, ist nicht der irdische Frieden; elgr^voMOiog also nicht das Gegenteil der Streitsucht oder der Neigung der Zeitgenossen Jesu zu Krieg und Aufruhr (de W,, ßl)^ sondern der geistliche Frieden der Versöhnung mit Gott, den der Erlöser durch das Blut seines Kreuzes gestiftet hat (Kol. 1, 20. Eph. 2, 14) ; die slQTjvojtoiol sind also seine Jünger, welche den Frieden in Christo der Welt zu verkünden haben, welche das Evan- gelium des Friedens (Eph. 6, 15) treiben. So schon Chrysost, Cocc^ u. A., unter den Neueren Mey., AcheL u. v. a. — Diese werden Gottes Söhne genant werden. Daß xaZetoß-ai nicht für slvai steht, ist gegen- wärtig allgemein anerkant; vgl. }Finer S. 571 f. Eakstöß^ac wird ge- braucht, wo mit dem Sein auch das Anerkantwerden ausgedrükt wer- den soll. Die Verheißung ist aber nicht (mit AcheL) so zu deuten: ,sie sind noch nicht vlol d'sov, sie werden es aber werden, und nicht nur werden sie es werden, sondern sie werden auch als solche anerkant werdend Diese Deutung stüzt sich auf die Annahme, daß zwischen rixva und vlol d^eov ein gradueller Unterschied bestehe, den rixva nur die djtaQxrj rov jcvsvfiarog (Rom. 8, 28), den vlotg das övfifiOQ' g>€vg sivac xfjq slxovog rov vlov avrov (Rom. 8, 29) eigne. Diese Un- terscheidung ist irrig, wie in Rom. 8 schon die Vergleichung von v. 17 mit V. 14 lehrt. ^ Eben so wenig sind die Worte in dem Sinne zu nehmen: sie sind zwar jezt schon Kinder, aber noch nicht als solche anerkant, so daß — wie Mey. will — der Begriff der zeitlichen Gottes- kindschaft als contextwidrig auszuschließen wäre. Diese Scheidung zwischen slvac und xaXetod'ai trägt ein. Die Gotteskindschaft begint mit der Wiedergeburt und wird von Johannes als ysvvrjO^vai ex d'sov 1) ,Bei Paulus wechselt vl6g und xexvoy &€ov so, daß durchaus kein Un- terschied der Bedeutung stattzu&ideii scheint. Vgl. Böm. 8, 14. 16. 17. 18. 21. Gal. 4, 7. Doch dürfte, wenn auch beide Wörter gleichmäßig das Moment des innigen Liebesverhältnisses von Seiten des Vaters, des Vertrauensverhältoisses und des Erbschaftsrechtes von Seiten des Kindes bezeichnen, in dem vl6g zu- gleich das Moment der Mündigkeit imTFnterschiede von der Unmündigkeit xmter dem Gesetze, welches in xixvov nicht liegt, besonders hervorgehoben sein; vgl. Gal. 3, 24-26. 4, 1—7*. Phüippi Comm. üb. d. Brief Pauli an die Römer S.342f. der 3. Aufl. 142 Matth. V, 10. 11. aus Gott gezeugt oder geboren sein beschrieben (Job. 1, 12. 1 Job. 3, 9), bei Paulus als vlod'sola Adoption gefaßt, d. h. als Befreiung von dem Gesetze und der Knecbtschaft der Sünde und des Todes (Köm. 8, 2) und Versetzung in die Liebesgemeinschaft der göttlichen Gnade mit Verleihung des Erbschaftsrechtes vermöge der Rechtfertigung aus dem Glauben an Christum (Gal. 3, 24—26. 4, 5. 6). Kinder Gottes vlol ß'EOv sind die, welche vom Geiste Gottes getrieben werden. Als Kin- der sind wir Erben, Gottes Erben und Miterben Christi (Rom. 8, 14 17. Gal. 4, 7). Die Gotteskindschaft wird durch den G^ist Gottes un- serem Geiste bezeugt; das Ende desselben (ro rikog) oder das Erbe ist gcöjy aloiviog in Christo Jesu (Rom. 6, 22 f.). Diese gcojy ist schon ge- genwärtig in den Gerechtfertigten, welche die djtaQyrj rov jcvev/iOToq haben (Rom. 8, 23), vorhanden, so weit sie nämlich von dem Geiste er- fült sind, ringt aber in dem gegenwärtigen Leben noch mit dem dixinx- zog, weil wir immer mit der Sünde zu kämpfen haben. In dem Kampfe gegen die Sünde aber, in dem ernsten Trachten nach Heiligung tritt auch die Gotteskindschaft in einer selbst für die Welt nicht zu verken- nenden Weise zu Tage, daß die Friedfertigen als Gottes Kinder erkant werden. Ihre Vollendung freilich erhält auch diese Verheißung erst bei der Offenbarung Christi in Herrlichkeit, bei der das in dieser Zeitlich- keit noch mit Christo in Gott verborgene neue Leben mit Christo in Herrlichkeit offenbar werden, und das was wir sein werden erscheinen wird; vgl. Kol. 3, 3. 4. 1 Job. 3, 2 mit Rom. 8, 18. 23. V. 10—12. Selig sind die um Gerechtigkeit willen Verfolgten, denn ihrer ist das Himmelreich. Obgleich die Jünger Jesu Frieden halten und fördern, so zieht ihnen doch ihr Wirken Verfolgung zu 6V£xev öixaioövj^g. Gerechtigkeit ist hier das dem heiligen Gottes- willen gemäße Verhalten in Gesinnung, Wort und That, s. zu v. 6. Da- durch geräth der Christ in Conflict mit der Welt, weil die Welt im Ar- gen liegt (1 Job. 5, 19). Die Verheißung ist dieselbe wie beim ersten Makarismus (v. 3) , nicht nur um formell die Reihe der Makarismen abzurunden, sondern um zugleich auszusprechen, daß den Jüngern Christi Verfolgungen nicht Anlaß zum Irrewerden an ihrem Christenstande ge- ben können. Diese Verheißung hier anders zu fassen als in v. 3, dort von dem Eintritte in das Reich Gottes, hier von der Vollendung in den^ selben {Lange u. A.) ist willkürlich und mit körl unvereinbar. Die Ver- folgung um Gerechtigkeit willen bringt nicht erst die Seligkeit, sondern soll nur dieselbe nicht beeinträchtigen. In diesem Sinne hat Petrus (I, 3, 14 u. 4, 14) die Gemeinden mit diesem Worte des Herrn in ihrer Trübsal getröstet. — Die Wichtigkeit dieses Trostes für das schwache Menschenherz veranlaßt Jesum, diese Warheit in v. 11 u. 12 mit spe- cieller Anwendung auf seine Jünger weiter auszuführen und in direc- ter Anrede an die Zuhörer {vfiäg) das 'ivsxev ÖLxaioövvrjg in %vsxev sfiov (v. 11) umzusetzen, um der Mißdeutung zu begegnen, als könne dixaioövvT] auf anderem Wege als durch Christum erlangt und in sei- ner Nachfolge geübt werden. Ein Gegensatz zwischen öiaecuoovvtiq und 8/iov liegt dem Contexte fern, und der Gedanke: ,der Wandel in Matth. V, 12. 143 Gerechtigkeit könte euch von den Menschen allenfalls noch verziehen werden, aber daß ihr den Namen Jesu tragt, wird euch nie verziehen werden' {Achel\ ist willkürlich eingetragen. ''Otav wenn sezt die Ver- folgung als sicher eintretend, während sl oder sdv sie nur als möglich bezeichnen würde. Dieselbe wird sich äußern in Worten (oveidlC^eiv schmähen), in der That (öicixsiv) und in übler lügenhafter Nachrede (sbtslv Jtav novTjQOv Q^fia xa^' vficov tpevöouspoi allerlei Böses wider euch lügend reden) : tpsvöofievoi ist mit xaB- vficov zu verbinden. Es könte überflüssig erscheinen, ^ da im vorliegenden Zusammenhange das Reden böser Worte oder Dinge wider die Christen nur ein verleumde- risches sein kann. Aber es ist hinzugesezt, ne glorietar de quo vere mala dicuntur, wie schon in der von ThoL angeführten Glossa ordi- naria bemerkt wird. Da nämlich die Jünger Christi auch noch mit Sünde behaftet sind, so kann üble Nachrede über sie sich auch auf ihre Sünden und Schwächen beziehen; in diesem Falle können sie das (la- xagioi nicht auf sich anwenden. ^'Evsxev hfiov d. h. weil ihr die Mei- nigen seid, mit Nachdruck an das Ende des Satzes gestelt, bezieht sich auf den ganzen Satz von oxav an , nicht blos auf tpsvöofisvoi ,indem sie wider euch lügen um meinetwillen' (Mey,). In dem evsxev kfiov vgl. mit evexsv 6txato6vvrjq stelt Jesus sich als den Gründer der Ge- rechtigkeit oder eines Reiches, in welchem Gerechtigkeit walten wird, dar. ^ In V. 12 wird das fiaxagiol sors erläutert und begründet. Die Schmähung vonseiten der Welt soll die Christen nicht niederbeugen, sondern zu Freude und Frohlocken ermuntern. Denn euer Lohn ist viel im Himmel. Nicht ^eörai sondern iöxl ist zu suppliren. Der Lohn für die erduldete Schmach ist als ein im Himmel aufbewahrter gedacht, vgl. Kol. 1, 5. 1 Petr. 1,4. *0 fiiod-ög vfic5v der euch bestimte Lohn. Von einem den Gläubigen von Gott verheißenen Lohne ist öfter die Rede, vgl. 5, 46. 6, 1. 2. 15. 16. 10, 41 f. Mrc. 9, 41. Luc. 6, 23. 35. 1 Kor. 3, 14. 2 Job. 8. Apok. 11, 18. 22, 1± Lohn ist das dem ge- leisteten Dienste entsprechende Gut. Der Arbeiter ist seines Lohnes wert 1 Tim. 5, 18. Der sgya^ofisvog empfängt den Lohn xarä orpsl- Xjjfia Rom. 4, 4. Welches ist nun die Leistung, für welche Lohn ver- heißen wird? Nicht der Glaube. Dieser ist kein Verdienst, sondern der Glaube wird als Gerechtigkeit zugerechnet xarä x^Q^^ ^^^ X^Q^ €Qy(DV Rom. 4, 4. 6. Die Schrift kennt demnachj nur einen Gnaden- lohn, merces ex gratia data, non ex debito fCalv. Gerh.u. alle evang. 1) Da ^fjfict in ü^BD, Ital. u. einigen Verss. u. Kchvv. fehlt, so haben Lehm, u. Tisch, es getilgt, und für den Sinn ist es entbehrlich (vgl. Act. 28, 21), wird aber durch CEKMSVu. a. geschüzt, so daß es warscheinlich für echt zu halten igt; vgl. iriKpegety tivi QrifjL« novriqiy Judit 8, 8. Auch \pevSbixBvoi fehlt in D u. etlichen Codd. der Itala u. bei einigen Kchw., und ist deshalb von Fritzsche^ Lehm. u. Tisch. 7 getilgt, aber von Tisch. 8 nach v^BCEKMS u. a. restituirt. 2) Wenn Weizsäcker um dieser Geltendmachung der Person willen v. IIb für eine spätere Erläuterung zum ursprünglichen Text halten will, so hat er nicht bedacht, daß von v. 17 an Jesus seine Person noch stärker geltend macht, sich unverkennbar als den Stifter des N. Bundes darstelt, 144 Matth. V, 12. Dogmatiker). ,Ueberall sezt die heil. Schrift, wo sie von der Beloh- nung Gottes redet, das Bandesverhältnis zwischen Gott und Menschen voraus, im N. Test, den Glauben und damit den Gnadenstanä dos Men- schen, dem der Lohn verheißen wird' (Achel), Wenn aber die Recht- fertigung ein Geschenk der göttlichen Gnade ist, so ist aach die coh rrjQia oder die C^cofj aioiviog keine Leistung, welcher Lohn verheißen wird, sondern xiJTai, ta''K*'3sn gegliedert ist, vgl. Luc. 16, 16. 24, 27. Act. 24, 14. 28, 23. Rom. 3, 21. Hier sind nicht die Schriften, sondern die inhaltlichen Bestandteile des A. B. unter Gesetz und Weißagung oder Verheißung gemeint. Es ist eben so willkürlich, wenn ältere Theologen 6 vo/iog auf das Sittengesetz be- schränken weiten, als wenn nach dem Vorgange von Bucer, Calv. u. A. de W,, Mey., Weiss, Hofm, (Schriftbew. II, 1, 129) bei toibg üiQO(pri' rag, das disjunctive tj in ein conjunctiVes xal umsetzend, die Weißa- gung ausschließen und nur an den gebietenden Inhalt der Prophetie, in welcher Beziehung die Propheten das Gesetz ethisch weiter entwickelt haben, denken wollen. Die dogmatische Scheidung zwischen Moralge- setz und Ceremonialgesetz ist dem A. T. fremd; und die beiden Gründe, welche für die Ausschließung der Weißagung bei rovg jtgo^TJrag an- geführt werden, daß niemand darauf verfallen konte, deren Aufhebung von Jesu zu erwarten und daß die folgende Ausführung nur vom Ge- setze handle, sind ohne Beweiskraft. Gegen den ersten ist mit Recht bemerkt worden, daß bei dem Widerspruche der Erscheinung Jesu mit den fleischlichen Messiashoffnungen eine solche Meinung gar nicht ferne lag, außerdem aber Jesus mit der Erklärung über sein Kommen in die Welt nicht blos irrige Volksmeinungen beseitigen will, sondern überhaupt seine Stellung zur alttestamentlichen Gottesoffenbarung aus- spricht. Der zweite Grund läßt sich freilich nicht durch die Annahme einer conclusio a minori ad majus: ,gilt das ov xaxaXvCai von dem Gesetze in allen seinen einzelnen Teilen, um wie viel mehr wird es von den Propheten gelten' (AcheL), entkräften, da im Contexte nichts auf eine solche conclusio hindeutet, wol aber, wie schon Hamack 1. c. S. 17 richtig erkant hat, durch den Hinweis auf das Ziel der ganzen Berg- rede: bei den Hörern das Bedürfnis nach einer Gerechtigkeit zu wecken, die besser ist als die der Pharisäer, verbunden mit der Rücksicht auf die geistige Fassungskraft der Hörer, ,die noch gar zu sehr dv&i]roL und ßgaÖBlg r^ xagöla rov üilötbvblv (Luc. 24, 25), Ungläubige und Verkehrte (Matth. 17, 17) waren, als daß sie der Herr in das tiefe Ge- heimnis der Erfüllung des Geremonialgesetzes in seiner Person hätte einfähren könnend Hat sich der Erlöser aus diesen Gründen in der folgenden Entwickelung der Gerechtigkeit auf die Auslegung von Ge- 150 Matth. V, 17. boten des Sittengesetzes beschränkt, so würde eine Erörtemng ftber die Erfüllung der Weißagung weder dem Zwecke der Bergrede nocl^ dem dermaligen Fassungsvermögen seiner Jünger entsprochen haben. KaxaXvBLV auflösen, von Gesetzen gebraucht: aufheben, außer Be ^ stand und Gültigkeit setzen; wie vofiov xaragyslv Rom. 3, 31, dd-exEl -^ Hebr. 10, 28. Gal. 3, 15. Diese Bedeutung paßt auch zu xovq jcQoqn^^ zag die Weißagung der Propheten aufheben, ungültig machen. Zu de^^ folgenden Satze: „ich kam nicht aufzulösen, sondern zu erfälle^^ braucht man das Object aus dem Vordersätze nicht zu ergänzen ; al^^ ^ wenn man ihn auch allgemein faßt: ich bin überhaupt nicht gekomn^^ aufzulösen, sondern zu erfüllen" {Neand. Harn. u. A.), so ist doch ^a^^ Beziehung auf das Gesetz und die Propheten durch den Zusammenh^j^ gegeben. IlXrjQdoöai eig. voll und vollzählig machen, z. B. ein M,Hß (Mtth. 22, 32), einen Kaum (Joh. 12, 3), hat man, auf das Gesetz über- tragen, in dem Sinne von ergänzen, vervollständigen genommen. Altem wenn man dabei auch den Gedanken einer quantitativen Ergänzung oder einer Verbesserung ferne hält, so erschöpft dies doch den Begriff des nXrjQOvv nicht. Besser wäre in Bezug auf das Gesetz der von Thol vorgeschlagene Ausdruck: vertiefen; aber dieser paßt nur auf das Ge- setz nach seinem moralischen Bestandteile gegenüber der jüdisch-pha- risäischen Verflachung, und für das Ceremonialgesetz in Bezug auf die Geltendmachung seiner typischen Bedeutung, aber nicht auf die Pro- phetie, wenigstens nicht auf die messianischen Verbal weißagungeB. Richtiger: vollenden oder, um den Gegensatz zu pcara^ve^j^ deutlich zu machen, mit v. Hofm, : zum Vollbestande bringen, sowol in der Lehre als im Leben. Zu einseitig ist in Luthers Erklärung: ,den rechten Kern und Verstand zeigen, daß sie lernen was das Gesetz ist und haben will*, die Seite des Lehrens hervorgehoben und dabei nur das Gesetz ins Auge gefaßt. Ebenso mit vielen anderen noch Mey,: ,die jrXfJQcoOig des Gesetzes und der Propheten ist deren Vollendung durch Herstel- lung ihres absoluten Gehalts — die vollkommene Entwickelung ihrer ideellen Realität aus der positiven Form, in welche dieselbe geschicht- lich gefaßt und beschränkt ist'. So entschieden auch in der von v. 21 an folgenden Entwickelung des Gesetzes die Seite des Lehrens oder die Entfaltung des reichen und tiefen Inhalts der Gebote vorwaltet, so dür- fen wir doch in dem ganz allgemeinen Ausspruche unsers V. schon um des xal dicJag^ v. 19 willen die practische Erfüllung oder das Thun des Gesetzes nicht ausschließen. Eben so bestirnt wird durch ?cö$ äv jcdvra ylvrjTai v. 18 die Beziehung des jcXtjqovv auf die Propheten gefordert. Hiernach umfaßt nXrjQOvv xbv vofiov einerseits die voll- kommene Entwickelung und Darlegung sowol des tiefen geistigen Gre- halts der ethischen Gebote als die Erfassung und Herausstellung der im Ceremonialgesetze typisch enthaltenen ideellen Warheiten, andrer- seits die Verwirklichung des in diesen beiden Bestandteilen des alt- testamentlichen Gesetzes ausgesprochenen göttlichen Willens durch Gesinnung, Wort und That im Leben. Das jtXrjQOvv rovg JCQoq>^aQ aber besteht in der Vollbringung und Herstellung alles dessen, was die Matth. V, 18. 151 Propheten in Betreff der Znkanft des Gottesreiohes geweißagt haben. In dieser zwiefachen Hinsicht hat Christus das Gesetz and die Prophe- ten d. h. die ganze alttestamentliche Grottesoffenbarung auch erftüt. Sein Lehren ist nur Einführung in das tiefere und volle Verständnis des A. Test. ; sein Wirken nur Yollbringung des im A. T. geoffenbarten göttlichen Willens, so daß selbst seine Feinde ihn keiner Sünde und TJebertretufig des Gesetzes zeihen konten. Selbst wo die jüdischen Ge- setzeslehrer ihn der Uebertretung einzelner Gebote beschuldigten, rechtfertigt er sein Thun aus Thatsachen und Aussprüchen des A. T. Auch über sein Leiden und Sterben belehrt er nicht nur seine Jünger, daß dies alles geschehen müsse, damit die Schrift erfült würde, sondern bezeichnet auch die Hingabe seines Lebens in den Tod als Xvzqov dvxX ütoXXwv (Matth. 20, 28) , und deutet damit die tiefe Bedeutung des Opferinstituts an, welches den Kern des Ceremonialgesetzes bildet. ^ Doch ist mit dieser zwiefachen Seite der Erftdlung des Gesetzes und der Propheten der Yollsinn des Ausspruchs nicht erschöpft. In ütXfiQOvv zum YoUbestande bringen liegt auch, wie ThoL richtig hervorgehoben, etwas zu dem machen, was zu seinem vollen Begriffe gehört, wie Luc. 22, 16. Job. 15, 11. Jesus als der Christ ist gekom- men, nicht blos durch Lehren und Leben in Thun und Leiden das Ge- setz und die Propheten zu erfüllen, sondern um das Gottesreich des A. B. zu vollenden, zu dem seiner Idee entsprechenden YoUbestande zu bringen. ,Eine ßaöiXela rijg öixaioavvr^g zu stiften, seine Beichsgenos- sen zu vollkommenster Gesetzeserfüllung zu führen, ist Hauptzweck des Messias, Jes. 11, 9. 60, 21. 62, 12. Jer. 31, 31 u. a.' (ThoL), Dieses Berufes ist er sich von Anfang seines öffentlichen Wirkens an klar be- wußt; er spricht ihn nicht nur in der Rede in der Synagoge zu Caper- naum Luc. 4, 18 deutlich aus, sondern deutet ihn auch in der Bergrede, in den Worten : ?a>$ av Jtdvra yivrjxaL v. 18 und in der Forderung einer besseren Gerechtigkeit von seinen Jüngern, als die der Pharisäer, v. 20 an. Hiernach gehört zur Erfüllung des Gesetzes und der Prophe- ten alles was Christus gewirkt hat, um die Gerechtigkeit seiner Reichs- genossen zu ermöglichen, seine ohedientia activa et passiva, sein Ge- horsam bis zum Tode am Kreuze (Phil. 2, 7 f.), wodurch er, wie im Briefe an die Hebräer näher ausgeführt wird, nicht blos den ethischen, sondern auch den ceremoniellen Bestandteil des A. Bundes erfült hat. V. 18. Begründung des Ausspruches v. 17 durch die feierliche Ver- sicherung, daß bis zum Untergange der Welt nicht der geringste Be- standteil des Gesetzes seine Gültigkeit verlieren werde, bis alles ge- schehe. 'Afifjv hehr. l«5$ fest, treu, adverb. gewiß, zur Versicherung einer Rede, vgl. Jer. 28, 6. Als Versicherung: warlich finden wir es im N. T. nur im Munde Christi, ,des Trägers der göttlichen Warheit' 1) nXriQüiacti — sagt LechUr a. a. 0. S. 793 f. treffend — ist »vollenden, er- füllen d. h. vollständig lehren und halten, völlig verwirklichen, so daß das- jenige, was bisher bloßes Gebot war, durch That und Ausführung erfült wird, was bisher bloße Verheißung und Weii^agung war, die Fülle der Wirklichkeit erlangt und alles zu seinem vollen Maße und Ziele geführt wird'. 152 Matth. V, 18. {Mey.\ bei keinem Apostel, welche dii'qv nur bei Doxologien im Simie des zustimmenden Bekentnisses gebrauchen. — Hinsichtlich der Zeit- bestimmung: „bis daß Himmel und Erde vergangen sein wird^', ist zu beachten, daß Jesus in 24, 35. Luc. 21, 33 unzweideutig das Vergehen des Himmels und der Erde ausgesprochen hat. Daraus folgt jedoch keineswegs sicher, daß er hier das Vergehen oder UngtQtigwerden des v6[ioq mit dem Untergange dieser Welt lehre. Denn icoq bis wird auch so gebraucht, daß von dem, was jenseit des angegebenen Termins liegt, abstrahirt wird. 'Icora das hebr. "* der kleinste Buchstabe des Alpha- bets, und XBQala Hörnchen, Spitze, hier die Ecke oder Spitze, wodurch Buchstaben, wie a und 3, "i u. 'i, n u. n sich unterscheiden, bezeichnen die kleinsten, geringfügigsten Bestandteile des Gesetzes, selbstverständ- lich nicht der Buchstaben des geschriebenen Gesetzes, sondern des In- halts des alttestamentlichen v6/iog. ^ — Der Sinn des V. ist bedingt durch die Auffassung des 6C3g av jcdvra yevriTai. Die Wahl des yiMf- xai geschehen sei zeigt schon, daß 6 v6/iog nicht auf das Gesetz ids Inbegriff der göttlichen Gebote einzuschränken ist. Denn obgleich //- VBCd'ai auch von der Ausführung des göttlichen Willens (6, 10. Luc. 22, 42) und selbst einzelner Befehle (Luc. 14, 22) gebraucht wird, so bezeichnet es doch auch in solchen Fällen mehr als gethan werden. In jcdvra yivriraL ist die Ausführung, Verwirklichung sowol des Moral- und Ceremonialgesetzes als auch der Weißagung zusammengefaßt und 6 v6[iog von dem im A. T. geoffenbarten Willen Gottes, welcher Gesets und Verheißung, Gebote und Weißagung umfaßt, zu verstehen. — Streitig ist die Frage über das gegenseitige Verhältnis der beiden mit %(Dg av eingeführten Sätze, ob dieselben coordinirt oder der zweite dem ersten subordinirt sei. Im ersten Falle würde das Geschehen mit dem Vergehen Himmels und der Erde zeitlich zusammenfallen, und das ütdvra yevriTaL bis an das Ende der gegenwärtigen Weltzeit hinaus- gerükt sein. Aber so richtig der Gedanke ist, daß erst beim Untere gange der jetzigen Welt alles geschehen sein wird, so liegt doch eine Erklärung darüber, daß die Verwirklichung aller Bestimmungen des vofiog mit dem Ende dieser Weltzeit coincidiren werde, dem Zwecke der Rede fern. Wir fassen daher den zweiten Satz dem ersten subordi- nirt mit Mey. in dem Sinne: So lange die Welt steht, soll kein Jota vom Gesetze vergehen, bis alle seine Bestimmungen erfült sein werden. Alle Bestimmungen des vofiog sollen erfült werden und vor der Erfül- lung keine einzige ihre Gültigkeit verlieren, so lange Himmel und Erde 1) Dennoch ist dies in alter und neuer Zeit mehrfach verkant worden; so weon J. Gerh. u. A. daraus folgerten: Ergo puncto vocalia sunt scripta legi coaeva nod gleicher göttlicher Autorität wie das Gesetz selbst; und wenn Pflei- derer (die Keligion II S. 416) u. A. nach dem Vorgange von Strauss v. 18 u. 19 für unecht erklären, weil durch Jota und Häkchen das Detail des mosaischen Gesetzes in seiner kleinsten Einzelheit und äußerlichsten Formalität so nach- drücklich betont werde, daß man an nichts anders als an den ewigen Fortbe- stand des mos. Gesetzes auch in seiner Form als Ceremonialgesetz denken k5nne, was Jesus nicht gesagt haben könne. Gleiche Buchstabenexegese in dem einen wie in dem anderen Falle! MattL y, 18. 153 bestehen. Damit ist aber bei der Zweideutigkeit des iog av nicht aus- gesprochen, daß der vo/iog seine Gültigkeit dereinst verlieren werde, nämlich dann, wenn Himmel und Erde werden vergangen und das voll- endete Gottesreich wird eingetreten sein, sondern von diesem Punkte abgesehen. Versteht man 6 v6/iog nur von den Vorschriften und For- derungen des Gesetzes, so wird mit der Vollendung des Reiches Gottes am Ende dieser Weltzeit das Gesetz aufgehoben werden, da der Zweck, zu dem es gegeben, dann erreicht sein wird. Zwar soll die Liebe als die Erfüllung des Gesetzes, nimmer aufhören (1 Kor. 13, 8) und auch in der neuen Welt Gerechtigkeit wohnen (2Petr. 3, 13); aber die Liebe die ewig dauert und die Gerechtigkeit des neuen Himmels und der neuen Erde sind nicht Erzeugnisse des Gesetzes, die seinen Fortbestand bedingen, sondern Früchte des lebendig machenden Geistes, der das Gesetz überwunden und aufgehoben hat. Eben so wenig läßt sich aus Jes. 40, 8: „das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit^S und aus Mtth. 24. 35, wo Christus das ewige Bestehen seiner Xoyoi betont, das ewige Be- stehen des v6/iog als Inbegriff ethischer Forderungen folgern, weil Ge- setz in diesem Sinne sich mit Wort Gottes nicht dekt. — Versteht man aber auch 6 vo/iog im weiteren Sinne als Bezeichnung der gesamten Gottesoffenbarung des A. Bundes, so gelten die Worte Christi doch auch nur von der Substanz des in dieser Offenbarung ausgesprochenen Got- teswillens, nicht von der Form, in welche derselbe eingekleidet war, um dem alten Bundesvolke die Erfüllung des Gesetzes zu ermöglichen und es dem Ziele seiner göttlichen Berufung entgegenzuführen. Zu dieser Form ist aber nicht blos das Ceremonialgesetz zu rechnen; selbst der Dekalog, der Kern des sinaitischen Bundesgesetzes hat eine zeit- liche Form, die z. B. in dem Gebote der Heiligung des Sabbats deutlich in die Augen springt. Diese Form veraltete und fiel, als durch Christus der in ihr ausgeprägte Gotteswille verwirklicht und das Schattenbild des A. Bundes durch die Gründung des N. Bundes zum Wesen erhoben wurde. Dadurch wurde die Gültigkeit der Substanz des vofiog als For- derung des heiligen Gotteswillens an die Menschen nicht aufgehoben, sondern hat auch für die Gemeinde Christi noch Gültigkeit, wird aber mit der Vollendung des Gottesreiches bei der Wiederkunft Christi in Herrlichkeit auch ihr Ende erreichen. ^ Das Gesetz, welches in Gebote 1) So hat der levitische Cultns durch den Opfertod Christi seine Vollendung erhallen; damit ist die alttestamentliche Form aufgehoben worden, aber sein ewiger Gehalt ist für die christliche Gemeinde in Geltung geblieben als das eeistliche Opfer, welches die Christen Gotte darbringen sollen Eöm. 12, 1. Die levitischen Reinigungsvorschriften sind verklärt in IM Matth. V, 19. 20. und Verbote gefaßt ist, bleibt nur so lange in Kraft ubd Gflitigkeit, als die Gemeinde Jesu Christi noch mit Sünde behaftet ist und mit der Sünde zu kämpfen hat. Wenn die Sünde wird getilgt und der Tod als Sold der Sünde wird aufgehoben sein, wenn die Gemeinde Jesu Christi das Ziel ihrer himmlischen Berufung wird erreicht haben und sie in das Bild Gottes und Christi wird verklärt worden sein, dann wird das Gesetz seinen Zweck erfült haben, dann wird alles geschehen sein, was das Gesetz fordert, und damit das Gesetz aufhören, und nur Gerechtig- keit, Heiligkeit und Liebe als Erfüllung des Gesetzes bleiben. Gleicher- weise wird der prophetische Gehalt des voiiog seinen Abschluß errei- chen und zu Ende gehen, wenn alle Gottesverheißung und alle Weißa- gung erfült, alles Verheißene und Geweißagte geschehen sein wird. Die Verheißung und Weißagung reicht aber über das Ende dieser Weltzeit hinüber mit der Verkündigung eines neuen Himmels und einer neuen Erde und mit der Vollendung des Kelches Gottes im neuen Jerusalem in die Ewigkeit hinein. In V. 19 f zieht der Erlöser daraus den Schluß (ovv) für das Ver- halten seiner Eeichsgenossen zu dem Gesetze: Groß im Himmelreich wird nur gelten , welcher alle Gebote des Gesetzes, auch die kleinsten erfült. ^X)g id^f mit coryunct. aor, steht von dem was in der Zukunft etwa eintreten könte, wo die Kömer das fut exact, setzen (Winer S. 288). lieber edv für av vgl. Win. S. 291. Xvötij hat in diesem Zu- sammenhange die Bed. von xaxaXvetv auflösen, für ungültig erklären durch Wort und That; denn daß das Thun nicht auszuschließen ist, zeigt das folgende jtoii]öi;j; vgl. Job. 10, 35. Kai öiöa^xi ^^t steigernd: und demgemäß andere lehrt. Tovxcdv weist zurück auf die durch Uüxa und xBQala v. 18 bezeichneten geringsten Bestandteile des Gesetzes. eZdxi-OTog xZrjd^asrac wird als ein sehr geringer im Himmelreich er- kant werden (vgl. über xaXelod^ai zu 2, 23), wird eine sehr niedrige Stufe im H. einnehmen. Zu oc av noirjö^i x. öid. ist das Object aus dem vorhergehenden Satze zu ergänzen, fieyag xXrj^tjöSTac wird eine hohe Stufe einnehmen. Diese Anforderung an seine Jünger, auch die geringsten Gebote des Gesetzes zu halten, wird v. 20 begründet durch den Satz: daß die Gerechtigkeit der Jünger Christi vorzüglicher sein müsse als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, sonst werden sie nicht in das Himmelreich eingehen. Die Schriftgelehrten und Pharisäer sind genant als die Vorbilder der Frömmigkeit des jüdischen Volks, die YQafi/iarslg in Bezug auf die richtige Erklärung, die Pharisäer in Be- zug auf das Thun oder die Erfüllung des Gesetzes. jtsQiöOsvsiv jtXetov reichlich werden mehr als; üiXbIov statt vjieq gewählt, und jcXetov xSv ygaiifi. abgekürzte Vergleichung für jcXbZov XTJg ötxaioovrr^g tcqp yg, ; im Hebr. sehr häufig, aber auch im Griechischen nicht selten, vgl. Kühner H, 487. jcsQiooeveiv bezeichnet den höheren Grad der Ge- rechtigkeit. Indem Jesus die Gerechtigkeit der Pharisäer für unzurei- chend für den Eintritt in das Himmelreich erklärt, hat er dabei nicht etwa nur diese oder jene Klasse von Pharisäern, deren in der Gemara Sota f. 22, 2 sieben aufgezählt sind (so auch bei Thol. zu u. St.), im Matth. y, 20. 165 Auge, sondern die Pharisäer insgemein, aber von edleren Charakteren, wie Gamaliel, Nikodemns u. a. als Ausnahmen abgesehen, wiewol auch von diesen gilt, daß sie durch ihre Gesetzesgerechtigkeit nicht in das Beich Gottes kommen, vgl. Joh. 3, 3 ff. 9^ ßaotXela ist in beiden Ver- sen nicht auf das regnum gloriae einzuschränken, sondern das Gottes- reich des N. Bundes in allen Stadien seiner Entwickelung. Die Er- wähnung der Gerechtigkeit der Schriftgelehrten und Pharisäer zeigt übrigens, daß Jesus schon bei den kleinsten Geboten y. 19 auf die pha- risäische Unterscheidung von kleinen und großen Geboten Bücksicht genommen hat, jedoch nicht so, daß er die pharisäische Distinction zwischen leichten und schweren Geboten sich aneignet und aXdxioxoq ex mente Pharisaeorum gebraucht oder im Gegensatz gegen die Phari- säer die Bitualgebote des Gesetzes für die geringeren erklärt hätte. Diese Deutung wird schon durch den Zusammenhang, durch das auf iäza und xsgala zurückweisende zovrcov ausgeschlossen. Um dieses Zusammenhangs willen darf auch svroXcov tovtcop rciv kXaxlorcov nicht anders gefaßt werden als voiioq in y. 18, und Xveiv sowie jcoulv u. öcödöxsiv nicht in anderem Sinne, als in welchem Jesus erklärt, daß er das Gesetz nicht aufzulösen, sondern zu erfüllen gekommen sei. Da aber die jtXriQcoOLq sowol das Thun als das Lehren umfaßt, so darf man nicht mit Mey. u. Achel. die Forderung des jtoislv und öcödöxeiv als Antithese gegen die Praxis der Pharisäer, welche lehren und thun von einander trenten, deuten, wonach Mey. den Sinn von v. 20 so bestimt: ,Wenn ihr nicht das Thun mit dem Lehren vereinigt, so könnet ihr, mit den Schriftgelehrten und Pharisäern auf gleicher Gerechtigkeits- stufe stehend (23, 2 f. 14), nicht ins Beich eingehenS In anderer Weise haben Olsh. u. Bleek beide Verse mißdeutet. Bl. versteht Xveiv filav Tcov svToX, xtX. von dem Verachten und Zerstören der Vorschriften des alten Gesetzes und meint, Jesus wolle v. 19 nur aussprechen, daß unter denjenigen, die für das Beich Gottes arbeiten die, welche sich als Verächter und Zerstörer des alten Gesetzes zeigen, auf einer ge- ringeren Stufe im Beiche Gottes stehen als solche, welche sich den früheren Ordnungen, so lange sie Bestand haben, unterwerfen und auch Andere nicht abhalten, ihnen Gehorsam zu leisten. Olsh, hingegen findet in V. 19 eine Hindeutung auf specielle Vorgänge, indem einige Jünger in falscher Freiheit das Gebäude der alten Theokratie angegriffen ha- ben mögen. Diesem eigenmächtigen Lösen des A. T. setze Jesus in y. 20 ff. das eben so eigenmächtige Festhalten desselben in seiner äuße- ren Form entgegen. Aber diese beiden Auffassungen scheitern schon daran, daß sie mit yog in v. 20 unvereinbar sind, indem nach densel- ben y. 20 im Gegensatz zu v. 19 stände, also nur mit 6i angeknüpft sein könte. Außerdem spricht gegen diese schon von Tohler (bei Thol) vorgetragene Auffassung, daß beide Verse nur eine temporäre Vor- schrift enthalten würden, was durch irgend ein Wort angedeutet sein müßte, da der ganze übrige Inhalt der Bergpredigt Warheiten von ewi- ger Bedeutung enthält. Olsh, ließ sich zu der erwähnten Auffassung von V. 19 durch die Schlußfolgerung verleiten, daß, wenn in v. 19 von 156 Matth. V, 21. der Aufhebung und Erfüllung der von Christo für unverbrüchlich er- klärten Gebote die Rede wäre, nicht einzusehen sei, wie damit das kXaxtOrov elvai sv rfj ßaö. r. d'. vereinigt werden solte, da wer ein Gebot warhaft nicht erfült, also ohne Liebe, des ganzen Gesetzes schul- dig ist, gar nicht in das Eeich Gottes kommen könne. Dieser Schluß, durch welchen schon AugrisU, Luth., Calv, u. A. sich verleiten ließen, die fraglichen Worte in ausgeschlossen werden umzudeuten, ist aber keineswegs bündig, weil, wie Mey. richtig bemerkt, der Antinomismus eines solchen nicht principiell, nicht gegen das Gesetz als solches ge- richtet ist, sondern nur gegen einzelne Bestimmungen des Gesetzes, die an sich gering sind und deren Bedeutsamkeit im Ganzen er nicht an- erkent; vgl. 1 Kor. 3, 15. Cap. V, 21— VI, 18. Die Vollendung der im A. Bunde gefor- derten Gerechtigkeit im Reiche Christi. — V. 21—48. Das We- sen der Gerechtigkeit des Himmelreichs, Um die Beschaffenheit der für den Eingang in das Himmelreich geforderten Gerechtigkeit den Jüngern klar zu machen, legt der Erlöser an einer Anzahl von Ge- setzen den Unterschied zwischen der pharisäischen und der wahren, dem heiligen Gotteswillen entsprechenden Gerechtigkeit dar, indem er den vollen und tiefen Inhalt des Gesetzes in der Weise entwickelt, daß er der gangbaren Auffassung des mosaischen Gesetzes das richtige Ver- ständnis desselben entgegensezt. Die einzelnen Gesetze, die er auf diese Weise erläutert, sind als Beispiele der rechten Erfüllung des ganzen Gesetzes zu betrachten. Fünfmal stelt der Erlöser dem ijxovoavs ort BQQsdT] rolg aQxalocg sein eyco öh Zey(o vfitv entgegen, v. 21 f. v. 27.. 33. 38 u. 43. In welchem Sinne er aber das syco öh Xiym den Aus- sprüchen der Alten entgegenstelt, das hängt von der unter den AusU. sreitigen Auffassung des sqqs^ rotg dg^aloig ab. Die Einführung dieser Worte mit TJxovoars erklärt sich daraus, daß das jüdische Volk seine Kentnis des Gesetzes nicht aus eigenem Lesen der Schrift, son- dern aus dem Anhören der Vorlesung des Gesetzes in den Synagogen (vgl. Act. 15, 21) und der Vorträge der ygafifiarstg hatte, vgl. Job. • 12, 34. ^EqqsOtj rolg (XQXccloig kann heißen: es ist zu den Alten, oder es ist von den Alten gesagt. Grammatisch ist auch die zweite Erklä- rung zulässig (vgl. Kühner II, 368 f. fViner S. 206), und wird nach Beza's u. A. Vorgang noch von Fritzsche, Olsh,, Erv, u. A. vorgezogen. Dann sind die dgxaloi Mose und seine alten schriftgelehrten Ausleger. Näher liegt aber die erste Auffassung, weil im N. T. eggsByj durch- gängig mit dem Dativ gebraucht wird (vgl. Köm. 9, 12. 26. Gal. 3, 16. Apok. 6, 11. 9, 4) und auch der Gegensatz syco öh Xiyco v[ilv darauf hinweist, xolg dgxaloig dem v(ilv entsprechend zu fassen. So schon griech. Väter, Peschittho, Vulg., Luther u. die meisten neueren AusU. Dann sind die Alten die zur Zeit Mose's lebenden Israeliten, denen das Gesetz promulgirt wurde [Thol, BL, AcheL u. A.), nicht die jüdischen Generationen früherer Zeiten, zu denen Mose und seine Nachfolger, die Schriftgelehrten redeten {de W,, Mey. u. A.), oder die näheren Vor- fahren der gegenwärtigen Juden, zu welchen der Meister redete Matth. V, 21. 157 (Bg.^Crus., Keim u. A.). Der hiefür angeführte Grund, daß die folgen- den Sprüche teils ohne teils mit schriftgelehrtem Zusatz angeführt wer- den, hält nicht Stich, weil Zusätze von Schriftgelehrten nicht nachweis- bar sind. Wenn aber unter den aQxccloig die Israeliten zur Zeit Moses, zu welchen dieser redete, zu verstehen sind, so scheint das iyco öh Xiya> einen Gegensatz gegen das Gesetz Mose's zu bilden, und dieser Schein wird dadurch verstärkt, dafi die alttestamentlichen Gebote gröBtenteils nach ihrem Wortlaute im Pentateuche angeführt werden. Aus diesen Gründen haben Chrysost. u. a. griech. Väter, mehrere kathol. Ausll., die Socinianer u. Arminianer, und in neuerer Zeit Neand. u. Bleek ge- meint, daß Christus mit seinen Gesetzesaussprüchen nicht blos der traditionellen jüdischen Auffassung der mos. Gesetzgebung entgegen- trete, sondern das mos. Gesetz selbst vervollkommnen oder verbessern wolle. Allein die Gründe, auf die man diese Ansicht stüzt, verlieren den Schein, den sie haben, sobald man nur beachtet, wie Jesus die alt- testamentlichen Gesetzaussprüche anführt. Er sagt nicht: den Alten ist gesagt worden (von Mose), sondern: ihr habt gehört, daß den Alten gesagt worden d. h. das den Alten Gesagte ist euch (von den Schrift- gelehrten) so verkündet worden. Also nicht dem mosaischen Gesetze als solchem, sondern nur dem von den Schriftgelehrten dem Volke ver- kündigten mosaischen Gesetze stelt Jesus seine Gesetzerklärung ent- gegen. Mit Kecht haben daher nach dem Vorgange von Äugtest, Hieron,, Bilar. u. A. Luih. Chemn, u. A. die Ansicht: Christum hanc suam ex^ plicationem opponere ipsi legi divinae verworfen, und fast sämtliche neuere protestantische Ausll. haben sich dahin entschieden, daß Jesus im Folgenden nur gegen die mannigfach beschränkte Auffassung und Anwendung des Gesetzes, wie sie von dem traditionellen Judentum und besonders vom Pharisäertum vertreten und im Leben befolgt war, auf- trete und den tiefen und vollen Gehalt des Gesetzes entwickele. Diese Auffassung wird einerseits durch den Zusammenhang gefordert, durch die rückhaltlose Erklärung Jesu, daß nicht der geringste Bestandteil von dem Gesetze vergehen werde bis alles geschehen sei (v. 18), daß auch von den kleinsten Geboten keins für ungültig zu halten sei (v. 19) und die Gerechtigkeit seiner Jünger nicht über das mos. Gesetz, son- dern über die gesetzliche Frömmigkeit der Schriftgelehrten und Phari- säer hinausgehen müsse (v. 20) , andrerseits durch die Thatsache, daß Christus auch sonst den Pharisäern und ihren Traditionen das Gesetz selbst entgegenhält (vgl. 15, 3. 6. Job. 5, 45) und das Thun des Ge- setzes für ausreichend zum Erben des ewigen Lebens erklärt (Luc. 10, 25- 28). Dagegen begründet auch der Umstand, daß Christus die alt- testamentlichen Gebote, denen er sein tyco ös Xiym entgegenstelt, meistenteils nach ihrem Wortlaute anführt und was er v. 21. 33 u. 43 hinzufügt, nicht als Zusatz der Schriftgelehrten gibt, sondern aus dem A. Test, entnommen hat, keinen triftigen Einwand, weil auch die jüdi- schen Schriftgelehrten ihre Deutung des Gesetzes und ihre jtaQdöoöig rcov j€QeoßvT6QC9V aus dem A. T. zu begründen pflegten. V. 21—26. Das Verbot des Tödtens, Qv g)Ovevosig ist aus dem 158 Matth. V, 21. 22. Dekalog Ex. 20, 13 genommen. Der Zusatz: „wer aber tödtet, soll des Gerichts schaldig sein'^ ist nicht ,rabbinische Glosse^ {ThoL)^ sondern aas dem Gesetze Ex. 21, 12: „wer jemanden schlägt, daß er stirbt, der soll getödtet werden" (vgl. Lev. 24, 17), gefolgert. "Evoxog ry tcqLcbi dem Gerichte verhaftet, verfallen; yj xgloig ist das von der gottgeord- neten Obrigkeit ausgeübte Gericht, das in der Theokratie über den Todtschlag zu entscheiden hatte. Der Wortlaut des Verbots betrift die That, wird aber nicht darauf beschränkt, sondern schon im Bandes- buche wird zwischen Tödten aus Fahrlässigkeit und unglücklichem Zu- falle und Tödten aus Yermessenheit und mit Hinterlist unterschieden; und dieser Unterschied wird in der Verordnung über die Zufluchts- städte Num. 35, 10 ff. noch näher bestimt, um diejenigen, welche aus Versehen, ohne Absicht und Feindschaft jemanden getödtet hatten, der Hand des Bluträchers, also der Todesstrafe zu entziehen. Schon diese Unterscheidung zeigt, daß das Gesetz nicht von der That als solcher gelten, sondern dabei die der That zu Grunde liegende Gesinnung maß- gebend sein solte. Das Gesetz verbietet weiter auch, den Bruder im Herzen zu hassen, rachgierig und nachtragend gegen den Volksgenos- sen zu sein, und verlangt, den Nächsten zu lieben wie sich selbst (Lev. 19, 17 u. 18). Die pharisäische Auslegung undAnwendung des Gesetzes blieb bei dem Verbote der That stehen. Dieser äußerlichen Behand- lung des Gesetzes tritt der Erlöser in v. 22 entgegen, und zeigt, daß schon die Gesinnung die zur That führt oder reifen kann, strafwürdig sei. Er nent drei Stufen des Zornes und seiner Aeußerung in Worten, und die ihnen entsprechenden Grade der Strafbarkeit. In der Auf- zählung der Vergehen und der entsprechenden Verschuldung findet ein Klimax statt. Straffällig ist schon das Zürnen gegen den Bruder, noch straffälliger die Zornesäußerung in kränkenden Worten. Auf den Todt- schlag und auf tödtliche Ausbrüche des Zorns, Mißhandlungen u. dgl. geht Jesus nicht ein, nicht etwa, ,um Mord und Mißhandlungen als et- was bei seinen Gläubigen Unerhörtes fühlbar zu machen' {Mey,\ son- dern weil darüber das Gesetz die erforderlichen Bestimmungen ent- hielt und er überhaupt nicht gekommen war, die staatliche Rechtsord- nung zu ändern, und in dieser Rede nicht einen Codex bürgerlicher und staatlicher Gesetze aufstellen, sondern die Gerechtigkeit des Himmel- reichs lehren wolte. 'OQyl^eoß'ai zürnen, als heftiger Gemütsaffect, abgesehen von seiner Aeußerung in Wort oder That. Schon das Hegen von Zorn gegen den döeXg)6g im Herzen macht vor Gott schuldig. Ob döeXtpog im engeren Sinne nur den durch natürliche oder heilsökono- mische Gemeinschaft verbundenen Bruder oder im allgemeineren Sinne den Nächsten, Mitmenschen bezeichne, ist unter den Ausll. streitig und sprachlich gar nicht zu entscheiden, da im Hebr. nx und ?*!) vielfach synonym gebraucht werden und in Lev. 19, 17 u. 18 mit r^*^»? alter- niren. Durch Ausschließung des Nächsten oder Nebenmenschen wird der Gedanke contextwidrig beschränkt und abgeschwächt und mit dem Gebote der Feindesliebe (v. 44) in Widerspruch gesezt. Es gibt aller- dings einen berechtigten Zorn und wird auch von Jesu selbst Zorn Matth. V, 22. 159 (Mrc. 3, 5) und kiißQV/iaöß'ac reo jcvsvfiaTC Joh. 11, 33. 38 ausgesagt Auch Paulus erkent das Zürnen an, wenn es ohne Sünde geschieht Eph. 4, 26. Doch befindet sich Achel. im Irrtum, wenn er meint: ,für diesen (objectiv berechtigten wie subjectiv heiligen) Zorn würde das Wort Jesu keinen Raum bieten, wenn ddBXg)6q nicht begrifflich ge- trent würde von o JtXrjolov oder ävO^Qcojtog xiq^. Denn das Zürnen, welches des Gerichts schuldig macht, ist kein objectiv berechtigtes ^ und heiliges gegen den Nebenmenschen, sondern ein liebloses, in sünd- licher Leidenschaft wurzelndes, vor welchem auch Paulus £ph. 4, 31. Kol. 3, 8. 1 Tim. 2, 8 warnt, und welches nach Jak. 1, 20 dcxaioövvrjv d'sov ov xateQyd^sTai, Als schwerere Grade der Verschuldung nent Christus Ausbrüche des Zorns in Schimpf werten, zum Bruder ^axd (oder nach k* />a^^ u.a. gaxd) und (icogi sagen, d. h. ihn so nennen oder schimpfen. ^Paxd ist weder mit AugusUn. vom griech. gdxoq noch mit Ew, (bibl. Jahrb. VIII, 192) vom aram. K^p*? in der Bed. Lump herzuleiten, da das verb. »B'^, nur flicken, annähen bedeutet, sondern mit Hieron, Hilar, vom aram. »ß^'t) (hebr. p^"^) vacuus d. i. leerer Kopf, faiuus wie xEv6(i Jak. 2, 20; in den talmudischen und rabbinischen^lflchriften ein sehr ge- wöhnliches Schimpfwort (vgl. Light f, hör, ad ?li,J, das auf Verstan- desschwäche hindeutete und im Sprachgebrauche die Geltung eines leichten Vorwurfs hatte. Dagegen f/eogog, dem hebr. V^a; entsprechend, enthielt einen sittlichen Vorwurf. „Der Thor spricht in seinem Herzen : es ist kein Gott", (looQoq also s. v. a. gottloser, ruchloser Mensch; vgl. Hengstb, u. Hupf, zu Ps. 14, 1. Jesus Sirach (50, 28) zählt zu den Völkern, die seine Seele verabscheut, die Samariter und nent sie Xabq fuoQog, dem nicht der Name eines Volks gebüre. — Die diesen Ver- schuldungen entsprechenden Strafbestimmungen sind: evoxog sötai vfj xqIösc — Tö5 owedglcp — eiq xfjv yievvav rov jtvQog. Die beiden ersten scheinen bürgerliche, die dritte eine göttliche Strafe zu bezeich- nen; denn svoxog eörai t^ xqIosc darf nicht anders gefaßt werden als in Y. 21, wo es die Todesstrafe bezeichnet. ^H xQlotg im Unterschiede 1) Das berechtigte Zürnen wüdete ausdrüklich ausgenommen sein, wenn eixf, umxonsu ohne uraache^ der Rec. echt wäre. Zwar fehlt dxxi nur in ^B. 48. 198, in derVulg., der äthiop. n. arab. Version der Polygl., der angelsächs. Ueber- setznng und bei einigen Vätern, findet sich aber in allen übrigen griech. Codd. (nur AxlC haben hier eine Lücke), in der Itala, Peschiftho u. den übrigen alten Veras., so daß es stark bezeugt ist und ohne Zweifel schon im 2. Jahrh. im Oriente und Occidente gelesen wurde. Dennoch haben es schon Erasm. n. Luther u. A. weggelassen und Pritzsche, Griesb,, Lehm. u. Tisch, aus dem Texte ver- wiesen; und zwar mit Eecht, weil der Gedanke abgeschwächt würde, wenn nur der grundlose, nicht zugleich der begründete aber lieblose Zorn als Sünde be- zeic&iet wäre. Dem absolut hingestelten ov cpoyeiaeig correspondirt das unbe- schränkte 6 oQyiJ^ofjLBvog r^ a6. axx. Wie bei jenem das Gesetz Einschränkun- gen statuirt, die kein Schriftgelehrter in Frage stelte, so ergibt sich für das o^iCea&cti die Beschränkung auf liebloses Zürnen, auch ohne ausdrückliche Näherbestimmung des Wortes aus dem Con^tezte. 160 Matth. y, 22. von xb övviÖQLOv bezeichBet das Localgericht, dem die Straferkentnis auch für den Mord zustand;^ tb awiÖQiov ist der höhere Gerichts- hof, die oberste Justiz- und Administrativbehörde des jüdischen Volkes, die aus Hohenpriestern, Aeltesten und Schriftgelehrten zusammengesezt war, nach talmud. Angaben aus 70 Mitgliedern und einem Präsidenten bestand, und nach Sanhedr, I, 5 tlber Bechtssachen entschied, die einen ganzen Stamm, oder einen falschen Propheten, oder den Hohen- priester oder einen willkürlichen Krieg und allgemeine Landesangele- genheiten betrafen, und konte sowol Leibesstrafen als Todesstrafen (Steinigung, Verbrennung, Enthauptung, Hängen) decretiren. ''Evoxog elg xfjv yeevvav schuldig in die Hölle hinein sc. zu kommen oder ge- worfen zu werden; ein prägnanter Ausdruck, bei dem man nicht ßhj- dijvai zu ergänzen braucht, vgl. Winer S. 200. Fiewa zuerst im N. Test, vorkommend, ist offenbar aus Diän"*? gebildet, eine Abkürzung von Di3h ^33 (oder p) K^a Thal der Söhne Hinnoms, vgl. Jos. 15, 8 wo beide Formen sich finden. So hieß das Thal an der Südseite des Berges Zion. In diesem Thale wurden seit den Zeiten des Ahas dem Götzen Moloch Kinder geopfert d. h. geschlachtet und dann in die glühenden Arme des Molochbildes gelegt und verbrant; s. m. bibl. Archäol. S. 469 iL Als später der König Josias diesen Götzendienst ausrottete, ließ er die Opferstätte dieses Thaies, Thophet d. i. Gegenstand des Ausspeiens d. h. des tiefsten Absehens, verunreinigen, daß hinfort niemand mehr dort seinen Sohn oder seine Tochter durch Feuer dem Moloch weihte (2 Kg. 23, 10). Zu jener Zeit verkündigte auch Jeremias 7, 31, daß wegen der dort getriebenen Greuel des Götzendienstes Tage kommen werden, da man dieses Thal Würgethal nennen und aus Mangel an Kaum dort begraben werde. Seitdem galt an diesen Ort hingeworfen oder dort begraben werden als die entsetzlichste Schmach; und der Name dieses verabscheuten Orts, ,wohin sie — wie Kimchi zu Ps. 27 sagt — die Unreinigkeiten und Thierleichen hinwarfen, wo auch ein beständiges Feuer war zur Verbrennung der Unreinigkeiten und Ge- beine', wurde auf den unterirdischen Strafort der Verdammten über- tragen; vgl. Lightf. hör, ad h, L Der Zusatz xov jtvgog bezeichnet die Gehenna als einen Ort, wo Feuer brent, und auf Grund der Weißa- gung Jes. 66, 24 als Strafort der Leichname der Frevler, deren Wurm nicht stirbt und deren Feuer nicht verlöscht. Vgl. die an Jes. 66 sich anlehnende Beschreibung der Gehenna Mrc. 9, 48. Der Prophet hat die Form der Einkleidung seiner Weißagung warscheinlich vom Thale 1) Nach Joseph. Antt. IV, 8,il bestanden diese Localgerichte aus 7 Eich- tem und 2 Gerichtsdienern, wogegen die talmud. Angaben über zweierlei Local- gerichte, das eine aus 23 Männern bestehend für die größeren Städte, das andere ans 3 Männern für die kleineren Ortschaften, keinen historischen Grund haben; v^l. m. bibl. Archäol. S. 709 u. Schürer Neutestl. Zeitgesch. S. 403 f. Damit wird auch die Annahme vieler Ausll. hinfallig, daß das Localgericht (17 xQicig) nur Leibesstrafen und Hinrichtung mit dem Schwerte, das Synedrium dagegen die schwereren Todesstrafen, wie Steinigung, habe verhängen können. L Matth. V, 22. 161 Hinnom hergenommen. ^ Doch folgt weder ans dieser Anlehnung des Begriflfs der Gehenna an jenes verabscheute Thal, noch aus der Hin- deutung der Worte tj] xqIöbl und xä öwedglo) auf irdische Strafen, daß auch bIq ttjv yievt^av nur eine bürgerliche Strafe ausdrücke, die Ausschließung aus der Theokratie und Verstoßung in das Belialsreich (Paul, Bg.'Crus,). Die vermeintliche Inconcinnität der Gradation (der üebergang vom bürgerlichen Gerichte zum göttlichen) schwindet, wenn man nur beachtet, daß nach alttestamentlicher Anschauung alles Ge- richt D^nixb d. h. Gottes ist (Deut. 1, 17), die irdischen Richter für Gott Recht sprechen 2 Chr. 19, 6. Außerdem sind die Worte Christi nicht buchstäblich zu deuten, als wolle er für den Zorn und dessen Aeußerungen bestimte Strafen fest- setzen, sondern sind Exemplificirung des Gedankens, daß vor Gott schon das Hegen des Zorns gegen den Bruder im Herzen eben so straf- fällig ist, wie der Todtschlag, und die schwächeren und stärkeren Aeußerungen des Zorns noch weit strafbarer, ja so schwere Verbrechen, daß sie der ewigen Verdammnis schuldig machen. In diesem Sinne sagt auch Johannes (1. Br. 3, 15): „Wer seinen Bruder hasset, der ist ein Todtschläger, und ihr wisset, daß ein Todtschläger nicht hat das ewige Leben in ihm bleibend." Uebrigens bemerkt Thol richtig, ,daß man aus diesem Ausspruche, zumal da der That nicht gedacht ist, nicht eine allgemeine Gradbestimmung der Schuld des Affectes im Verhältnis zum Worte und des Wortes im Verhältnis zur That entnehmen dürfe. Je nach den gegebenen Bedingungen kann auch der Affect schuldiger machen als das Wort und dieses als die That, wenn namentlich nur äußerliche Umstände oder Rücksichten von der Aeußerung des Zorns und von der That abhaltend Doch genügt es nicht, mit diesem Gottes- gelehrten weiter zu sagen : ,nur solche Fälle hat Christus im Auge, wo eine quantitative Steigerung derjenigen Lust eintritt, aus welcher un- ter Begünstigung der Umstände der factische Mord hervorgeht'. Auch ein Zürnen gegen den Bruder, das sich unter keinen Umständen zum Gedanken des Mordes steigert, kann, wenn es unversöhnlich ist, der Hölle schuldig machen , wie Jesus gleich in den folgenden Vv. lehrt. Nur davon, daß der Zorn im Herzen und seine Ausbrüche, wenn sie als schwere Sünde und Schuld bereut werden, von der göttlichen Gnade vergeben werden, sieht der Erlöser hier ab, wo er nur das Wesen der Gerechtigkeit seiner Reichsgenossen gegenüber der von den Pharisäern gelehrten und geübten Gerechtigkeit entwickelt. 1) Dafür spricht nicht allein die oben angeführte Aussage KimchCs, die auch im B. Kosri p. 72 ed. Bvxf. steht, daß nämlich im Thale Hinnom Feuer imterhalten wurde, um die unreinen Gebeine und andere ünreinigkeiten zu ver- brennen, sondern auch die Bezeichnung dieses Thaies bei Jer. 31, 40 als Thal der Leichen und der Asche; vgl. Hngstb. Christol. II S 506 ff. u. Dülmann, d. Buch Henoch übersetzt S. 132; wogegen der von DiUm. außerdem angeführte Umstand, daß nach Talm. Eruhinf. :/9« in jenem Thale von Natur Rauch auf- stieg, der auf unterirdisches Feuer hinwies, schwerlich historischen Grund hat. In 4 Esr. 6, 1 heißt dieser Strafort furnus gehennae, wo die Verdammten nach Apocal Baruch 44, 15 u. 51, 1—2. 4—6 in Feuer Qual leiden werden. Keil, Gomm. z, Evangel. Matth. 11 162 Matth. V, 23—25. V. 23—26. Folgerung (ovv) aus dem Gesagten für das Verhalten der Christen, um die Strafe, welche der Zorn gegen den Bruder nach sich zieht, von sich abzuwenden, zur Einschärfung des Gebots. V. 23 f. Die heiligste Handlung soll unterbrochen werden , um sich mit dem Bruder, dem man Anlaß zum Zorn gegeben hat, auszusöhnen. Der Fall, durch den dieser Gedanke veranschaulicht wird, ist aus dem Leben ge- griffen. Die Darbringung des Opfers war der Act, in welchem der Israelit Gott nahte, um seiner Gnade sich zu erfreuen. ^Eäv jiQoqipi- QXjq tctX. ist nicht vom Auflegen des Opfers auf den Altar zu verstehen, denn dies war Geschäft des Priesters, sondern vom Bringen des Opfer- thieres zum Altare hin, um es für die Opferung zuzubereiten, wie e/i- ütQOOd^BV rov d^vöiaoxrjQiov v. 24 zeigt, to ödigov = 13"^!; jegliche Art des Opfers. xdxBl dort, nämlich vor dem Altare. Wenn du da ein- gedenk wirst, daß dein Bruder etwas wider dich habe. Hiezu bemerkt Beng. treffend: inter rem sacram magis subit recordatio offensanm, quam in strepiiu negotiorum. Der Sinn ist: so unterbrich die heilige Handlung, bis du dich mit ihm ausgesöhnt hast. Mit richtigem Takte hat die christliche Kirche diese Mahnung des Herrn auf das heilige Abendmahl übertragen, woraus die Sitte der Familienglieder, vor dem Genüsse des heil. Abendmahls sich gegenseitig um Vergebung zu bitten, sich entwickelt hat. Tl etwas, ein Anlaß zum Zürnen über ihm zuge- fügtes Unrecht. Der Gekränkte ist nicht der Opfernde (Chrysost,, Zwingli, Beza u. A.), sondern der Bruder; dies fordert der Zusammen- hang und Wortlaut. Denn hat der Bruder mich beleidigt ohne mein Verschulden, so habe ich ihm nur zu vergeben, vgl. Mrc. 11, 25, wo das Vergeben gefordert wird. Mich mit ihm zu versöhnen habe ich nur in dem Falle, daß ich die Beleidigung verschuldet, dem Bruder gerech- ten Anlaß dazu gegeben habe, vjiaye jiqwtov geh zuerst hin, ehe du das Opfer darbringst; ÖLaXXdyrjd^i versöhne dich; der Aorist pass. steht wie öfter in medialer Bedeutung. Die streitige Frage, ob jcgcotov mit vjiaye oder mit öiaXXdyrjd'L zu verbinden, die sich aus der Syntax nicht entscheiden läßt, trägt für die Sache nichts aus, da die beiden Verba begrifflich zusammengehören: geh zuvor hin dich zu versöhnen (^/.). Alsdann komm und opfere deine Gabe. ^ V. 25 f. Um die Mahnung, sich mit dem beleidigten Bruder auszu- söhnen, seinen Jüngern als eine unerläßliche Forderung ans Herz zu legen, weist der Erlöser noch auf die unausbleiblichen Folgen der Un- versöbnlicbkeit hin. Die Worte sind von einem Rechtshandel in Schuld- sachen hergenommen. 'AvrLdixoq ist der technische Ausdruck für den Widerpart vor Gericht, für den Gläubiger, welcher einen Schuldner vor Gericht verklagen will, aiwocov wolgesinnt d. h. hier: geneigt den 1) Die Bemerkung von Placius, clav, s. v. mvnys: Vult fmmum haheri rationem moralium, secundum ceremovialivm^ welche Meyer zu Obigen anfahrt, ist an sich richtig, gehört aber nicht Meher, da der Erlöser hier nicht zeigen will, wie das Opfern die sittliche Grundlage gottgefälliger Gesinnung empfängt, wodurch es kein blos äußerliches Werk, sondern zugleich Xoyixii Kavocia igt Eöm. 12, 1. Matth. V, 26. 27. 163 Gläubiger zu befriedigen oder sich mit ihm abzufinden, xayijo schnell, ohne Säumen, wird durch tmq orov elxxX. näher bestirnt: bis dahin daß = so lange du mit ihm auf dem Wege (zum Gericht) bist, damit du nicht dem Gericht übergeben und ins Gefängnis geworfen werdest. vjc^QSTfjg der Gerichtsdiener, bei Luk. in der Parallele 12, 58 jtgdx- TC9Q d. i. der Gerichtsexecutor. Die Erwähnung des vjcrjQsrrjg gehört zur Darstellung des Actes. Das Futur ßXrjdi^o^ kann noch von fiTJjtoze abhängig sein oder auch selbständig gefaßt werden, wodurch die Drohung an Nachdruck gewint; vgl. Winer S. 468. In dem ov (irj k^eXd-iijg . . . £a)g av xrX. ist nicht die Möglichkeit der endlichen Be- zahlung der Schuld angedeutet, sondern nur der uidmus rigor legis ge- droht. Im Gefängnisse ist eine Tilgung der Schuld nicht wol möglich. xoÖQavTTjg der römische quadrans, % As, die kleinste röm. Kupfer- mflnze, kaum mehr als einen Pfennig, nach Mrc. 12, 42 zwei Xsjtrd (Heller) betragend. Daß Jesus mit dieser Mahnung keine bloße Klug- heitsregel für das bürgerliche Leben geben will, wie Chrysosi,, Theo- phyL, Euthym,, Zwingli u. Paul, sie gefaßt haben, ist so einleuchtend, daß es keines Beweises dafür bedarf. Erkent man den parabolischen Charakter der Rede an, so erledigen sich auch die Bedenken, welche Neand, u. BL von der Voraussetzung aus, daß die Worte eine bloße Elugheitsregel enthalten, gegen ihre Ursprünglichkeit in diesem Zu- sammenhange erhoben haben. — Bei der Uebertragung der paraboli- schen Rede auf das ethisch-religiöse Gebiet ist der Zusammenhang und Zweck derselben fest im Auge zu behalten, und dogmatisch daraus we- der mit den katholischen Auslegern ein Beweis für das purgatorium zu entnehmen, noch mit protestantischen AusU. für oder wider die Lehre von der Apokatastasis zu argumentiren. Der Richter ist Gott; auf dem Wege mit dem Widerpart zum Gericht ist der Mensch, so lange er auf Erden lebt. Das Gericht tritt ein nach dem Tode (Hebr. 9, 27). — Die Erwähnung der a)Ö3'; bei den Griechen mrd oiivmiv entweder mit xaxd Tivog oder mit dem acctcs. (Joh. 5, 12) verbunden. Der Himmel ist Gottes Thron, die Erde seiner Füße Schemel nach Jes. 66, 1, d. h. Grott erfült mit seiner Allmacht Himmel und Erde allgegenwärtig, so daß sie nur durch ihn Bestand haben und die Schwüre bei denselben sich auf Gott beziehen. Auch Jerusalem hat nur Bedeutung als ein heiliges Object, das man beim Eide als Pfand der Warheit seiner Aus- sage einsetzen kann, dadurch daß sie die Stadt des (nicht: eines) großen Königs d. i. Jahve's ist, vgl. Ps. 48, 3. Eben so wenig kann der Mensch mit seinem Haupte für die Warheit seiner Aussfige haften, weil er nicht 170 Matth. V, 37. einmal im Stande ist, die Farbe seines Haares zu ändern, ein weißes Haar schwarz oder ein schwarzes weiß zu machen. Von Haarfärben ist natürlich nicht die Rede, sondern Veränderung der Natur des Haa- res gemeint. Wer also bei seinem Haupte schwört, der schwört bei Gott, der das Haupt geschaffen hat. — V. 37. Statt mit einem Schwüre soll der Christ seine Rede mit Ja und Nein bekräftigen. „Eure Rede soll sein: ja, ja, nein, nein." Die Wiederholung des val und ov dient zur Verstärkung. * To öh jtsQiöaöv romwv was mehr ist als ja und nein, d. i. das Schwören, ex rov üiovtjqov verstehen ChrysosU Theo- phyl u. V. A. bis B.uf Mey, u. J^eim herab, vom Teufel. Andere, so Luth., Bengel, unter den Neueren ThoL ßl. u. A. fassen jcoptiqov als Neutrum: vom Uebel-, genauer: aus der Sphäre des Bösen, der Sünde, vgl. 6g eQid-elaq Rom. 2, 8. Daß der Schlußgedanke in diesem Sinne matt und wenig sagend wäre (Mey,)^ will nicht einleuchten. Im Gegen- teil erscheint der Gedanke: vom Teufel, zu stark. Denn obwol alles Böse seinem lezten Grunde nach vom Satan herrührt, so lag doch hier für eine so emphatische Bezeichnung der Sache kein Grund vor. Außw- dem bemerkt dagegen ThoL: ,dogmatisch würde der Ausdruck sehr an- stößig sein, wenn er Jesu Urteil über den Eid überhaupt enthielte, wenn Jesus den Eid, diese Art der intensivsten religiösen Selbstbe- stimmung für teuflisch erklärt hätte'. Aber dieser Anstoß würde, falls er begründet wäre, auch durch die neutrale Fassung des kx zov novrj- Qov nicht beseitigt. Meyer sagt: ,der Eid bei Gott konte von Jesiw nicht an und für sich als ex rov jtovfjQOv verworfen werden; denn er beruht ja auf dem göttlichen Gesetze; aber (gegen Hieim) auf dem Stand- punkte der jtXrjQoöLq des Gesetzes ist er dem Ja und Nein gewichen; daher seine Wiederaufrichtung nur ein Verlassen dieser höheren Stufe, ein Abfall von der sittlichen xEXeLOTrjQ, zu welcher Christus das Gesetz vollenden will, sein würde. Dies konte nicht aus Gott, sondern nur aus dem Feinde seines Willens und Reiches sein'. Dies ist zwar im allge- meinen richtig, reicht aber zur Hebung des von ThoL geltend gemach- 1) Irrig erklärt Beza nach Jak. 5, 12: Euer Ja sei ja, euer Nein nein Denn dort ist der Wortlaut ein anderer, obwol der Gedanke derselbe, und nicht, wie Zmnglu Grot. n. A. erklären: euer Ja sei ein unverfälschtes, wahrhaftes Ja, ein Ja der That, oder: das Ja und Nein des Mundes soll der Gesinnung des Herzens entsprechen, aufrichtig sein {Sdtr), woraus dann Hilgenf. u. A. folgern, daß dies die ursprüngliche Form des Ausspruches sei, wogegen Matth. wieder eine schwur- ähnliche Versicherung einzuführen versuche. Aber diese Deutung legt bei Ja- kobus wie bei Matth. einen dem Zusammenhange fremden Gedanken in die Worte. — Auch Thol. erkent an, daß Jakobus das Wort des Herrn mit einer kleinen Modification citirt habe. Jak. richtet seine Warnung gegen solche Chri- sten , denen es nicht genügt, einfach mit Ja und Nein zu sagen, was ist und was nicht ist, und es darauf ankommen zu lassen, ob man ihnen glaubt und ihr Wort gelten läßt, weil es ihnen an der christlichen Gelassenheit fehlt, die nicht den Menschen abzwingt oder aufzwingt, was Gotte anheimzustellen ist* (v. Hojm, die h. Schrift des N. Test. VII, 3 S. 135). Daraus also, daß Jakobus das Schwö- ren bei dem Himmel und bei der Erde und andere solche Eide verbietet, läßt sich nicht schließen, daß auch Christus in vorliegender Rede nur diese Eide des gewöhnlichen Lebens untersagt habe. Matth. V, 38. 171 ten Bedenkens nicht aus. Von dem Eide überhaupt oder dem Eide an und für sich redet Jesus nicht, sondern von dem Gebrauche des Eides unter seinen Jüngern. Die Jünger befanden sich aber noch nicht auf der Stufe sittlicher reXsiorr^g, daß ihnen der Eid überhaupt verboten werden konte. Und diese Stufe wird auch nicht eher erreicht werden, als bis die Sünde ganz abgethan ist. Alsdann ist aber auch eine Wie- deraufrichtung der früheren Stufe nicht zu besorgen, daß eine Warnung vor solchem Rückfalle am Platze oder überhaupt nötig wäre. Noch weniger ist die Exception des Eides bei Gott von dem Urteile ex tov novrjQOv^ weil er auf dem göttlichen Gesetze beruhe, geeignet, den be- regten Anstoß zu beseitigen, weil diese Exception dem Zusammenhange, wo Christus seinen Jüngern das ofiooat oXatg verbietet, fremd ist. Und wenn der Eid auf dem Standpunkte der jcX^Qcooig des Gesetzes dem Ja und Nein weichen soll und weichen wird, so kann auch das göttliche Gesetz, welches den Eid gebietet, nicht Ausdruck des schlecht- hinnigen heiligen und vollkommenen Gotteswillens sein, sondern nur mit Rücksicht auf die Menschen gegeben sein, die in einer Welt leben, in welcher das Böse vorhanden ist und der Böse waltet, nur für den xoöfioq, der ev xm ütovrjQtS liegt (1 Joh. 5, 19). — Hieraus erhellt wol klar, daß xo jibqiööov xovxcdv weder blos von den leichtsinnigen Eiden des gewöhnlichen Lebens gilt {ThoL\ noch den feierlichen Eid bei Gott ausschließt (Mey.). Selbst das Schwören Gottes bei sich selbst im A. T., um die absolute Festigkeit des durch keine Macht weder des Guten noch des Bösen abzuändernden göttlichen Rathes und Willens auszu- drücken, hängt mit der Sünde der Menschen zusammen, ist ein Act göttlicher Herablassung zu der aus der Sünde stammenden Schwäche der Menschen, und in diesem Sinne ex xov jiovtjqov, nur daß beim Schwören Gottes sowie Christi vor Caiphas das jioj^qoi^ nicht auf der Seite der Schwörenden, sondern auf der Seite derer liegt, welchen ge- schworen wird. So richtig Achelis. So lange also der Christ in der im Argen liegenden Welt lebt, darf er, wo es die Pflicht gegen den Näch- sten oder die sittliche Ordnung der Dinge fordert, schwören oder einen Eid vor Gott ablegen. Dem Gerichte, vor welchem Jakobus warnt, verfält er nur, wenn er eigenwillig oder leichtsinnig schwört. V. 38—42. Das Verbot der Wiedervergeltung. — V. 38. Die W.: oq)ß'aZ(idv dvxl o^ß-aXfiov x. oöovxa dvxl oöovxoq sc. daioet sind eine abgekürzte Formel des im mos. Gesetze (Ex. 21, 24. Lev. 24, J9 f. Deut. 19, 21) aufgestelten Grundsatzes, bei der Rechtspflege nach dem Rechte der Vergeltung (Jus talionis) das Böse zu bestrafen. Vollstän- dig lautet die Vorschrift: „Wenn Schaden geschieht, solst du geben Leben um Leben, Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand u.s.w.'^ Diese Rechtsnorm, nach welcher die Obrigkeit, um das Recht des Ein- zelnen zu schützen und der Willkür der Selbstrache zu steuern, das Unrecht bestrafen soll, war aber nicht Gebot für das Gewissen des In- dividuums. Das Recht bei der Obrigkeit zu suchen, war nicht geboten, sondern nur gestattet. Sich zu rächen und Zorn gegen seinen Volks- genossen untersagt vielmehr das Gesetz und ermahnt, den Nächsten zu 172 Matth. V, 39. 40. lieben wie sich selbst Lev. 19, 18, und in den Sprüchen 24, 29 heißt es: „Sprich nicht: wie er mir thut, so will ich ihm wieder than; ich will jeglichem vergelten nach seinem Werke.'* Die Pharisäer aber machten die dem Richter zur Pflicht gemachte Norm der Gerechtig- keitspflege zur Richtschnur für das Verhalten gegen den Nächsten; freilich nicht in dem Sinne, daß sie die Ausübung des Rechtes der Wiedervergeltung jedem Privatmanne vindicirten, womit sie zu offen- bar gegen das Gesetz verstoßen haben würden, sondern so, daß sie lehr- ten, der Beleidigte oder Geschädigte solle sein Recht streng geltend machen und bei der Obrigkeit suchen. Dies muß man, obschon ander- weitige geschichtliche Zeugnisse hiefür fehlen, aus dem schließen, was der Erlöser dem: ,Auge um Auge u. s. w/ entgegensezt, daß nämlich der Jünger Christi, frei von aller Vergeltungslust durch selbstverleug- nende und aufopfernde Liebe das Böse überwinden soll, v. 39—41 vgl. 1 Kor. 6, 7. Denn diese Antithese richtet sich nicht gegen das Gebot als solches, sondern nur gegen lieblose Anwendung desselben. — V.39. In dem Satze: „dem Bösen nicht zu widerstehen" ist fraglich, ob rtS ütovfjQm rnascuh oder neuir, sei. Sprachlich und sachlich sind beide Annahmen zulässig. Auch der Gegensatz : dX)! oorig xzX. fordert die mascul. Fassung nicht notwendig. Doch liegt dieselbe näher; nur darf man dann nicht an den Teufel (Chrys., Theophyl.) denken, sondern nur an böse Menschen {BL, Mey,) wie v. 45; während Augmt, Luth,, Cak. Ew. u. A. sich für das Neutrum: dem Argen = dem Unrecht nicht zu widerstehen, entschieden haben. dvriOxTJvai Widerstand leisten. Böses mit Bösem vergelten wollen Rom. 12, 21. — V. 39 ff. Wie dagegen der Christ dem Bösen widerstehen soll, zeigt der Erlöser an drei Beispie- len. Frei von jeder Rachgier und Vergeltungssucht soll er mit Liebe, die alles duldet und verträgt (1 Kor. 13, 7), das Böse überwinden. In den drei genanten Fällen handelt es sich nach ThoL um Verletzung von Leib, Eigentum und Freiheit, nach AcheL beim ersten um die Ehre, beim zweiten um ein (materielles) Gut, beim dritten um die Zeit, und um die Verpflichtung zu leiden, zu geben und zu thun. Die Beispiele sollen zu einander im Verhältnis der Antiklimax stehen: die Verletzung der Ehre pflege man tiefer zu empfinden und eher zu rächen als den Verlust eines materiellen Gutes, diesen für höher zu taxiren als eine Inanspruchnahme der Zeit. Diese Unterscheidung halten wir für rich- tiger, nur die Annahme der Antiklimax nicht für begründet. Die Er- füllung des im dritten Beispiele genanten Ansinnens kann die Li^be auf eine schwerere Probe stellen als Beleidigung und Entziehung eines Eigentums. Gewiß ist soviel, daß der Backenstreich nicht als Leibes- verletzung, sondern als Beschimpfung in Betracht komt, vgl. 1 Kg. 22, 24. Klagl. 3, 30. Hi. 16, 10. Neh. 4, 14. Job. 18, 22. 19, 3. Diese Be- schimpfung soll der Christ dadurch überwinden, daß er in selbstver- leugnender Geduld auch die andere Wange zu einem zweiten Schlage darbietet. Die rechte Wange ist zuerst genant, obwol der Schlag am natürlichsten zunächst die linke trift, weil das rechte Glied für wich- tiger als das linke galt. In v. 40 ist xgid^vai rechten vor Gbiicht, Matth. V, 41. 42. 173 vgl. 1 Kor. 6, 1. Rom. 3, 4; so schon Vulg,: injudicio contendere, nicht: außergerichtlichen Streit anfangen {Beza, Grot., de W. u. A.). Aaßstv durch Proceß wegnehmen; anders in Luc. 6, 29 alLgecv gewalt- sam wegnehmen, rauhen, daher zuerst das If/driov, dann den yix(6v. Denn yiytcov = w'^s tunica, Leibrock, wurde von dem gemeinen Manne gewöhnlich auf dem bloßen Leibe getragen; rö If/driov C'^^'?^, ^^'^) ist das mantelartige Obergewand, welches den Armen zugleich als Schlaf- decke diente, Ex. 22, 25 f.; vgl. m, bibl. Archäol. §. 102. Selbst das Unentbehrlichste soll der Jünger Jesu hingeben, um den Bösen zu be- gütigen. Diese beiden Fälle beziehen sich auf Erleiden des Unrechts; die in v. 41 u. 42 folgenden auf unbillige Forderungen. ^AyyaQSva) ist aus dem Persischen ins Griechische, Lateinische {angariare) und Rab- binische (vgl. BuxU Lex. rabb.p, 131) übergegangen. ayyaQOi hießen die reitenden Eilboten, welche stationsweis im ganzen persischen Reiche in Bereitschaft gehalten wurden, um Befehle des Königs in die Provin- zen und Botschaften an den König, zu bringen (ein Anfang des Postwe- sens). Diese konten Menschen, Vieh und Geschirre zur Förderung oder Beschleunigung ihrer Reise requiriren; vgl. Herod, VIII, 98 u. P. de Lagarde, gesammelte Abhdll. S. 184. ^AyyaQBvsiv zunächst: alscEy/a- Qoq brauchen, dann jemand zu Botendienst zwingen. fiUiov die röm. Meile = 1000 Schritt — 1,5 Kilometer. Solche egoistische Anforde- rungen und Zumutungen soll der Christ durch bereitwillige zwiefache Leistung des Geforderten überwinden. — V. 42. Ueberhaupt soll er auf jede Vergeltung verzichten. Dieser Gedanke vermittelt den Zusam- menhang dieses V. mit dem Vorhergehenden. ^ „Gib dem der dich bit- tet, und wende dich nicht ab von dem, der von dir borgen will." Das Bitten auf unberechtigtes Bitten zu beziehen {Thol)^ zu dieser Be- schränkung der Sentenz liegt ein triftiger Grund nicht vor. Dem armen Bruder zu geben, dazu wird schon Deut. 15, 7 ermahnt, und dem in Not und Bedrängnis gekommenen Bruder zu leihen ohne Zinsen, wird in Lev. 25, 35 geboten. Christus verlangt mehr von seinen Jüngern, indem er ihnen das Geben und Leihen (ohne Beschränkung auf den Bruder oder Volksgenossen) zur Pflicht macht, wobei nach dem mos. Gesetze öavlöaGd-ai ohne Anspruch auf Zinsen zu denken ist. Von der Befolgung und Durchführung dieser Gebote gilt im allge- meinen das zu den Verboten der Scheidung und des Eides Bemerkte, im besonderen aber noch, daß die angeführten Fälle nur beispielsweise genant sind, als concreto Veranschaulichungen des Gedankens, daß der Jünger Jesu nicht nur den Bösen gegenüber, sondern in seinem ganzen Verhalten gegen die Mitmenschen sich nicht von Gedanken der Wie- dervergeltung leiten lassen, sondern durch selbstverleugnende Liebe das Böse mit Gutem überwinden soll. Diese Liebe soll maßgebend sein. 1) Der Meinung; daß dieser Vers hier nicht ursprünglich sei, steht Luk.6,30 entgegen, wo er in demselben Zusammenhange sich findet. Und Ewalds Con- jectur, zwischen v. 39 und 40 einen Ausspruch über das Verbot des Stehlens, der in der urs ränglichen Spruchsammlung gestanden habe, einzuschalten, hat schon Mey, mit triftigen Gründen abgewiesen. 174 Matth. V, 43. und sie muß lehren, wann, wo und wie die einzelnen Vorschriften buch- stäblich zu erfüllen sind. Eine unbedingte Befolgung derselben würde nicht selten den Bösen in seiner Sünde bestärken. Aber nicht allein der Mißbrauch der Liebe vonseiten des Bösen zieht der buchstäblichen Befolgung Schranken, sondern auch die Bücksicht auf die göttliche Ordnung des bürgerlichen Gemeinwesens, die dadurch nicht geschädigt werden darf. ^ Die Beziehung dieser Worte auf die Obrigkeit und derea Pflicht, dem Bösen nach seinem Thun zu vergelten, wird durch den Zweck der Rede ausgeschlossen. Auch in diesem Stücke will Christus das mos. Gesetz weder aufheben noch corrigiren, wie die Socinianer meinten, sondern nur die rechte und vollkommene Erfüllung desselben lehren. Das mosaische Gesetz ist für Sünder gegeben. So lange Sünde herscht, muß die Obrigkeit das Strafamt üben, um der Bosheit za wehren; aber die Sünde überwinden kann das Gesetz nicht; das vermag nur die Liebe, die aus dem Geiste geborene heilige Liebe. Wenn die Kirchenväter in dem „Auge um Auge u. s. w." den Standpunkt des ver- geltenden Gesetzes im Gegensatz zu der Gnade ausgedrükt fanden, so lag dieser Ansicht die Warheit zu Grunde, daß die selbstverleugnende und duldende Liebe nur durch Erfahrung der göttlichen Gnade im Her- zen gewonnen werden kann. Diese Liebe aber ist des Gesetzes Erfül- lung, indem sie die Gerechtigkeit aufrichtet, welche durch das Crebot: Auge um Auge angestrebt werden solte. V. 43—48. Das Gebot der Fändesliebe, Vgl. Luc. 6, 31—36. Das Gebot: „du solst deinen Nächsten lieben^^ findet sich Lev. 19, 18, mit dem hier weggelassenen Zusätze: ^Ti»? „wie dich selbst". 'O jtXfjölop oov (^^^) ist der Nebenmensch, der Volksgenosse, mit dem man im Verkehr steht. Der zweite Satz : „und deinen Feind hassen" findet sich nirgend im A. T., freilich auch nicht das bestimte Gebot, den Feind zu lieben, sondern nur die Vorschrift Ex. 23, 4. 5. Deut. 22, 1—3 sich des Viehes des Feindes und Hassers anzunehmen, damit es demselben nicht verloren gehe, die sich aber auch nur auf Israeliten und in den israe- litischen Volksverband aufgenommene Fremdlinge bezieht. Die Phari- säer legten nun darauf Gewicht, daß das Gesetz nur von den Volksge- nossen handle, also die Nichtisraeliten oder Heiden ausschließe, und zogen hieraus unter Hinzunahme der Vorschriften über die Ausrottung der Amalekiter (Deut. 25, 17—19) und des Verbotes der Aufnahme der Ammoniter und Moabiter in die Gemeinde des Herrn, mit dem Zusätze: „du solst deren Heil und Wolergehen dir nimmer angelegen sein las- sen" (Deut. 23, 4—7), die Folgerung, daß man den Heiden als Natio- nalfeind hassen solle oder dürfe (da das futur, fiioijöeig sich permissiv fassen läßt, wie das hebr. Imperf.; vgl. Ewald, ausf. Gramm. §. 136* u. Winer, Neutestl. Gramm. §. 43, 5). Das xal fiiOTJasig t. kxO'. öcw ist nicht eine von Jesu aus der im A. T. gelehrten Scheidung und Ab- schließungisraels von den Weltvölkern gezogene Folgerung {BL,Neand, 1) Dies wird schon von Luther sehr entschieden hervorgehoben, daß der Christ, wiefern er zugleich Vater, Nachbar, Unterthan ist, das Recht so ihm aufgetragen ist, wahren soll. S. die Belege hiefür bei Tholuck S. 292. Matth. V, 43. 175 ü. A.), sondern rabbinische Ausdeutung des Gesetzes. Ob übrigens die Pharisäer das Gebot der Nächstenliebe nur auf den Freund beschränk- ten und Privatfeinde davon ausschlössen, also Haß nicht nur gegen die Heiden, sondern auch gegen die Feinde aus ihrem Volke lehrten, das läßt sich vireder aus dem Zusätze xal fiiö^ösig xrX, noch aus der Ent- gegnung Jesu mit Sicherheit schließen, wäre aber ihrer Beschränkung des Gesetzes auf den Buchstaben entsprechend. — Der pharisäischen Deutung der Gesetzesworte tritt der Erlöser entgegen mit dem Spruche: „liebet eure Feinde — und betet für die, so euch verfolgen", i ohne einen Unterschied zwischen persönlichen und Nationalfeinden zu machen. Damit 'hebt er die Beschränkung der Nächstenliebe auf die Volksgenossen und die persönlichen Freunde auf (vgl. v. 46 f.) und dehnt die Liehe nicht nur ganz allgemein auf die Feinde, Hasser und Beleidiger aus, sondern fordert auch Bethätigung derselben in Wort, That und Gebet (Fürbitte). Falls aber die beiden mittleren Sätze des textus rec, v. 44 nicht ursprünglich sind, so findet nur eine einfache Gradation statt. sx^QOi sind solche, welche feindliche Gesinnung he- gen, öicixoPTSg die, welche die Feindschaft thatsächlich äußern. Den ersteren soll der Christ Liebe entgegenbringen, die Verfolger durch Gebet zu überwinden und zu gewinnen suchen. — Diese Forderung geht über den Standpunkt des A. T. hinaus. Denn wenn das mos. Ge- setz die feindselige Gesinnung gegen den Nächsten verbietet (Lev. 19, 18), und zu liebethätiger Gesinnung gegen denselben ermahnt, und wenn in der kanonischen Poesie vor Vergeltung, Rachsucht, Schadenfreude gewarnt (vgl. Prov. 24, 17. 29. Ps. 7, 5. Hi. 31, 29) und in Prov. 25, 21 gelehrt wird, den Hasser, wenn ihn hungert und dürstet, zu speisen und zu tränken, so sind das doch nur schwache Ansätze zur Empfehlung wol wollenden Verhaltens gegen den Feind, die weit zurückstehen hin- ter der Feindesliebe, welche der Erlöser lehrt und noch am Kreuze geübt hat. Die Kraft hiezu kann der Christ nur aus der Erfahrung der sündenvergebenden göttlichen Feindesliebe in Christo an dem eigenen Herzen schöpfen. Doch gilt auch von diesem Gebote Christi, daß die Uebung desselben ihre Schranke hat an der auf Gerechtigkeit ruhenden göttlichen Welt- und Reichsordnung. Den frechen und verstokten Sündern hat auch Christus mit scharfen Reden die Heuchelei ihres 1) Nach dem text. recept., welchen DEKLMSUJII, etliche Codd. der alten Veras, u. mehrere Kchv. bieten, besteht der Spruch Christi aus vier Gliedern: „Liebet eure Feinde , segnet die euch fluchen, thut wol denen die euch hassen, bittet für die so euch beleidigen und verfolgen/' Dagegen fehlen die beiden mitÜeren Sätze: evXoyeTrs roTs fxtaovaiv vfxcig in i€g fl^Tv xa otpeiXr^iJLax« flixiov (hg xal ^fÄsTg äq)u^ev (oder d(prixafAsy) xotg oipeiXexaig "^fxayy, bei Luk.: xal &cpeg flfuv xdg ctfxagxiag ^/xcoy, xal ydg avxol dq)icf4€y navxi oqjßiXovxc, Diese Stellung des Gebetes bei Luk. und die kürzere Form desselben wird nach dem Vorgcnge Schleiermacher' s nicht nur von Kamphausen S. 8 ff., Hanne (Jahrbb. f. d. Theol. 1866 S. 507 ff. u. in SchenkJ Bibellex. II, 346), Wittichen (Leben Jesu S. 215 ff.) Ew, u. A., sondern auch von Meyer (6. Aufl. d. Comm.) für ursprünglich ausgegeben, ißiefür macht Mey. geltend: ,1. an beiden Stellen, also zweimal kann das Gebet nicht gegeben sein; denn hat es Jesus seine Jün- ger schon in der Bergrede gelehrt, so ist die Frage des Jüngers Luc. 11, 1 unge- schichtlich; ist diese aber geschichtlich, so kann das YÜ. nicht schon vom Berge her im Jüngerkreise bekant gewesen sein; 2. bei Luk. spricht schon die charak- terische Kürze, gegenüber der Fülle bei Matth!, für die Ürsprünglichkeit; es tritt aber auch hinzu, daß die geschichtliche Unterlage, welche das Gebet bei Luk. hat, durchaus keinen Verdacht sagenhafter Bildung darbietet, während es sehr begreiflich ist, daß bei der Bedaction unsers Matth. da, wo die Bergpredigt vor Battologie des Betens gewarnt hat, dem Herrn auch schon jenes Musterge- bet in den Mund gelegt ward^ Aber die Bündigkeit dieser Schlüsse ist durch- aus nicht einleuchtend. Erstlich ist nicht ausgemacht, daß der Jünger {xlg xöjy fjia^rixojv ttvxov) bei Luk. ein Zuhörer der Bergpredigt gewesen und auch dies, wofür ein Beweis sich nicht liefern läßt, angenommen, fragt es sich, ob die Zu- hörer der Bergpredigt die Anweisung Jesu über die rechte Art zu beten (das sog. YÜ.) als eine Gebetsformel, deren sie. sich beim Beten bedienen solten, ge- faßt haben. Hielten sie dieselbe nicht dafür, so konte bei dem von Luk. erwähn- ten Anlasse ein Jünger sich eine Gebetsformel von Jesu erbitten, und Jesus konte jenes Gebet im Wesentlichen wiederholen. Sodann die Kürze des Gebetes bildet kein Kriterium der Ursprünglichkeit, so lange nicht erwiesen ist, daß das Plus bei Matth. eine unnötige Erweiterung ist, was weder Kamph. zu behaupten gewagt hat, noch Mty. für warscheinlich erachtet, da der materielle Yorzug der 1) ,Grade derjenige Mißbrauch des Gebetes, den Christus hier vorzugsweise vor Augen hat — bemerkt Thol. S. 345 — , hat in seiner eigenen Ejrche das Bürgerrecht erhalten durch den Eosenkranz der katholischen Kirche, und gerade dasjenige Gebet, welches er der Battologie entgegengesezt, ist im Dienste der- selben am öftesten gemißbraucht worden. 150 mal (oder 50- oder 63 mal) wird das Ave Maria, und 15 mal (oder 7- oder 5 mal) das Vaterunser {patriloquia, wie man es nante) nach dem Eosenkranze hergebetet. Vgl. die geleli^ Abhandlung gegen die Battologie in der christlichen firche: „De pseudo-precationibusj rosa- riis, liianiis etc,^^ von Gisb. VoStiusiD. Disput, sei. theol., tom. III p. 1022^, Matth. VI, 9. 183 Matthäusfoim dadurch nicht berührt werden soll. Wird aber, wie von BZ., Ohh.^ Neand. u. A., zulezt von (Jodet geschieht, der Inhalt des Gebetes bei Matth. für genuin oder genuiner als die Form bei Luk. gehalten, dann gründet sich die Annahme, daß Luk. das Gebet des Herrn an seiner ursprünglichen Stelle mit- teile, blos auf die schon in der Einleitung besprochene und als unrichtig erkante Hypothese, daß Luk. die Begebenheiten nach ihrer chronologischen Zeitfolge erzählt habe. Aus der im Matth.-Ey. vorwaltenden Sachordnung folgt durchaus nicht, daß das Gebet in der Bergpredigt nicht ursprünglich sei. Das Gebet enthält sechs oder sieben Bitten, je nachdem man das dXXa Qvoat ^(läg djto rov jiovtjqov mit dem vorhergehenden fi'^ elo- sviyTC^g xrX. zu einer Bitte verbindet oder davon trennend als beson- dere Bitte faßt. Origenes, Chrys., Calv. und die reformirten Ausleger zählen sechs, August^ Luth. u. die luth. Kirche sieben Bitten. Die drei ersten sind nicht blos Gelübde (ev)(al, Weizs., Hanne u A.), sondern auch Bitten (ahij/iara Phil. 4, 6), Gebetsanliegen und Wünsche; wie 26, 39. 42. Von den einzelnen Bitten beziehen sich die drei ersten auf die Förderung des Beiches Gottes, die übrigen auf das leibliche und geistige Wolergehen des Menschen. Diese Gliederung tritt augen- scheinlich hervor in dem oov der drei ersten Bitten und in dem i^/icoVy fi(ilv und fifiaq der lezten. Auch innerhalb dieser beiden Reihen läßt sich ein Fortschritt vom Allgemeinen zum Besonderen nicht verkennen. Die Heiligung des göttlichen Namens ist die Basis, auf welcher das Beich Gottes sich erbauen kann, und das Reich Gottes die Sphäre, in welcher die Erfüllung des göttlichen Willens zu Stande komt. Ebenso ist die Erhaltung des Leibeslebens die Grundbedingung für das Wachs- tum des geistlichen Lebens, welches mit der Sündenvergebung oder Begnadigung des Sünders anhebt, in dem Kampfe mit der Sünde unter Versuchungen sich entwickelt und mit der Erlösung vom Uebel sich vollendet. — In dem Schema dieses Gebets hat man auch eine Beziehung auf die Trinität nachzuweisen versucht. ,Ohne Zwang — bemerkt hier- über Thol — erkent man in den ersten Bitten der ersten und zweiten Hälfte die Beziehung auf Gott als Schöpfer und Erhalter, in den zwei- ten Bitten beider Hälften die auf Gott als Erlöser, in den dritten die auf Gott den heiligen Geist, in welchem die Realisirung des göttlichen Willens zu Stande komt und durch welchen alle Versuchung überwun- den wird'. Hierin liegt eine gewisse Warheit; aber die Heiligung des göttlichen Namens speciell auf Gott den Vater im Sinne der Trinität beziehen zu wollen, wäre entschieden irrig. Wahr ist an dieser An- nahme nur so viel, daß das Gebet durchweg die Offenbarung Gottes in seinem Sohne zur Voraussetzung hat; mit anderen Worten, daß das- selbe über den Offenbarungsstandpunkt des A. Bundes hinausgeht, also auch die einzelnen Bitten, für die man ähnliche Bitten in jüdischen Ge- beten beigebracht hat (s. Thol S. 354), weder aus diesen jüdischen Ge- betsformeln, noch aus dem A. T. entnommen sind. Dies zeigt schon die Anrede: unser Vater in dem Himmel. So übersezt Luth. hier u. Luc. 11, 2, 184 Matth. VI, 9. dem nenhochdentschen Sprachgebrauche gemäß (s. Rienäcker in d. Theol. Stud. u. Krit. 1837 S. 328 ff.), während er im Katechismus, Bet- büchlein u. Taufbüchlein: Pater noster, Vater unser sagt; ob nach dem Lateinischen, oder nach dem althochdeutschen fatar unsar, läßt sich nicht sicher entscheiden (vgl. Kamph. S. 30 f.). — Die Anrede Gottes: ,unser Vater' findet sich im A. T. nur Jes. 63, 16 u. 64, 7 in einem Ge- bete, und Deut. 32, 6 im Liede Mosers: „ist er nicht dein Vater", sowie etliche Male in den Apokryphen: ütaxrjQ ^fiSv Tob. 13, 4, oder blos jcdrsQ Sap. 14, 3. Sir. 23, 1 u. 51, 10 (falls ütaxiga ocvqIov fiov aus dem hebr. '^a'iK'i *^3« mein Vater und Herr entstanden ist) u. 3Mkk. 6, 3. Die RA.: ,unser Vater im Himmel' findet sich als Anrede erst bei Maimon, in Theph. und als Bezeichnung Gottes schon im Talmude. Man kann daher nicht sagen, daß Christus diese Anrede aus damals gebräuchlichen jüdischen Gebeten genommen habe. Wäre dies aber auch nachweisbar, so würde der Ausdruck doch im Munde des Herrn einen viel tieferen Sinn haben. Schon im A. T. wird Gott Vater genant nur nach seinem Verhältnisse zu Israel, nicht auch in Beziehung auf die Heiden als Schöpfer und Erhalter aller Menschen. Dieser Name drükt also die Adoption Israels zum Volke des Eigentums aus und grün- det sich auf Israels Erwählung' zum Sohne oder erstgeborenen Sohne Jahve's Exod. 4, 22. Aus der Bezeichnung Israels als erstgeborenen Sohnes Gottes aber läßt sich nicht mit Kamph, folgern, daß die übri- gen Völker als von Gott geschaffen unter den weiteren Begriff der Got- tessohnschaft fallen, sondern erstgeborener Sohn ist Israel in Bezug auf die Verheißung, daß der Segen Abrahams allen Völkern zuteil werden soll (Gen. 12, 3), die daher als die nach geborenen zu betrachten sind. Diese heilsgeschichtliche Bedeutung des Vaternamens hat erst in Christo ihre Vollendung erhalten. Im A. T. ist Israel nur als Volk in seiner Gesamtheit der Sohn Gottes; und der Ausspruch: „Söhne seid ihr Jah- ve's eures Gottes" (Deut. 14, 1) ,ist nicht so zu verstehen, als ob jeder einzelne Israelit die Sohnschaft Gottes individuell auf sich zu beziehen hätte, sondern nur vermöge seines Einverleibtseins in die Gesamtheit des Volkes hat der Einzelne Anteil an der Gottessohnschaft' {Oehler Theol. d. A. T. I S. 272). Auch auf den König wird die Idee der Sohn- schaft nur übertragen, sofern er der Repräsentant des Volkes ist, der Erstgeborene unter den Königen der Erde (2 Sam. 7, 14. Ps. 89, 27f.). In der Sohnschaft Gottes prägt sich zwar zunächst das Verhältnis der Liebe und Treue aus, in welchem Gott zu den Fürsten seines Volkes steht-, aber es liegt zugleich darin, daß der theokratische König in die^ ser seiner Eigenschaft durch Jahve hervorgebracht ist (Ps. 2, 7), daß seine Würde göttlichen Ursprungs, seine Majestät ein Abglanz gött- licher Herrlichkeit ist (vgl. Ps. 21, 4. 6). Oehler a. a. 0. II S. 31 u. 34 f. u. Biehm die Messian. Weißagung S. 65. Die Anrufung Gottes: ,unser Vater' findet sich im A. T. nur in Gebeten, die im Namen des Volks gesprochen sind (Jes. 63, 16. Ps. 64, 7 und auch Tob. 13, 4), niemals in Gebetsanrufungen Einzelner; wovon auch die Apokryphen keine Ausnahme machen, da Sap. 14, 3. Sir. 23, 1 u. 3 Mkk. 6, 3 blos Matth. VI. 9. 185 jiaTSQ steht, und zwar in der abgeschwächten ßedeatang des Urhebers des Lebens, in Sir. 51, 10 aber die Lesart zweifelhaft ist. Auch beim YU. ist ^fiäp zunächst gewählt in Bezug darauf, daß Christas seine Jünger, denen er diese Gebetsanweisung gibt, als eine Gemeinde oder Gemeinschaft denkt und, wie selbst dieRabbinen lehren, der Einzelne beim Gebete das Wol der ganzen Gemeinde im Auge ha- ben soll (s. die Stellen bei Thol. S. 362 ff.). Aber es tritt dabei doch der Unterschied ein, daß die Gemeinde Jesu Christi ihr Gemeinschafts- band nicht wie die israelitische in dem natürlichen Boden gemeinsamer Abstammung von einem Volke hat, sondere in der auf dem Glauben be- ruhenden geistigen Verbindung mit Christo. Wenn sonach die Zuge- hörigkeit zu Christo Sache individueller Ueberzeugung und persönlichen Entschlusses ist, so gewint dadurch auch die Gotteskindschaft, in die wir durch die Zugehörigkeit zu Christo gelangen, individuelle Gestalt, daß der Einzelne in ein persönliches Verhältnis zu Gott als seinem* himmlischen Vater gesezt wird. Mit der Anrede: unser Vater bekent also der Betende nicht nur seine Zugehörigkeit zu der von Christo ge- stifteten Gemeinde, sondern tritt auch in eine persönliche Stellung zu Gott als dem himmlischen Vater, dem er mit kindlichem Vertrauen nahet, Rom. 8, 15. Der Vatemame wekt in dem Herzen des Betenden das kindliche Vertrauen zur göttlichen Liebe, wie Luth. im kl. Kate- chismus sagt: ,Gott will uns damit locken, daß wir glauben, er sei un- ser rechter Vater und wir seine, rechten Kinder'. — Der Zusatz kv xolg ovQavotg ist nicht blos symbolischer Ausdruck der unendlichen Erha- benheit Gottes über allen irdischen Vätern, sondern der Himmel komt als Oertlichkeit in Betracht, wo Gott, obgleich allgegenwärtig (1 Kg. 8, 27. 2 Chr. 2, 5. Ps. 139, 7 ff. Jer. 23, 23), in seiner Herrlichkeit thront (Jes. 66, 1. Ps. 2, 4. 102, 19 u. a.). Gen Himmel fährt Christus, um sich zur Rechten Gottes zu setzen (Mrc. 16, 19. Luc. 24, 51. Act. 1, 9 ff.); vom Himmel komt der Geist Gottes (3, 16. Act. 2), die Stimme Gottes (3, 17. Joh. 12, 28). Im Himmel ist die olxUx rov jtarQoq mit ihren (lovatg jcoXXatg Joh. 14, 2. Im Himmel ist der Christen wahres Vaterland Hebr. 11, 14 ff. Phil. 3, 20. Der Vater im Himmel ist der in der Herrlichkeit des Himmels Thronende, der seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, das Himmelreich auf Erden zu gründen, um denen die an ihn glauben das ewige Leben zu geben und sie der- einst in das Reich der Herrlichkeit aufzunehmen (25, 34). In dem Plur. TOtg ovgavotg tritt die Idee der Größe und Unermeßlichkeit des Hinmiels stärker hervor als in dem Sing. t<» ovgavcp, vgl. den Aus- druck: Himmel der Himmel Deut. 10, 14. Ps. 148, 4.1 Kg. 8, 27; der Plural ist also hier gewählt, um die Majestät und Erhabenheit dessen, den wir unsern Vater nennen, auszudrücken. — Die erste Bitte lautet: Geheiligt werde dein Name. Der Name ist nach biblischem Sprach- gebrauche Bezeichnung des Wesens; der Name Gottes der Inbegriff des göttlichen Wesens, wie es sich den Menschen geoffenbart hat. Sein Wesen offenbart Gott aber nicht blos in dem Werke der Schöpfung, Erhaltung und Regierung der Welt, sondern noch tiefer in seinem 186 Matth. VI, 10. Worte, in welchem er seinen Liebesrath der Erlösung und Beseligung der Menschheit knndgethan hat, und in der Ausftlhrang dieses seines Gnadenrathes durch Sendung seines eingeborenen Sohnes, der uns den Namen seines Vaters geoffenbart hat (Joh. 17, 6), so daß wir in ihm die Herrlichkeit Gottes unsers himmlischen Vaters schauen können. ^Ayiaad^Tco ist nicht = cfogaö^'rco {Chrys. u. A.), sondern ayid^ecv (P'^'^P,^. oder ttd-ip) bed. das Unheilige heilig machen, dann das Heilige heilig behandeln; von dem Namen Gottes, der an ihm selber heilig ist {Luth,) ausgesagt, also: heilig halten. Die Heiligkeit Gottes ist ein Fundamentalbegriff der alttestamentlichen Heilsoffenbarung. Als der Heilige offenbart sich Gott zuerst Mosen in der Vision yon dem bren- nenden, aber nicht verbrennenden Dornbusch Ex. 3, 5; und im Liede Mose's wird Jahve gepriesen als der, welcher durch die Erlösung Israels aus Aegypten und die Vernichtung Pharao's sich in Heiligkeit yerherr- 'licht hat (Ex. 15, 11). Weil Jahve der Heilige ist, hat er Israel aas den Völkern ausgeschieden, ihm eigen zu sein (Lev. 20, 26), hat er es zu einem heiligen Volke berufen (Ex. 19, 6), das ihn heiligen soll durch Haltung seiner Gebote, die er ihm gegeben, um es zu heiligen (Ex. 19, 6. Lev. 19, 2 ff. 20, 8 ff.). Die Heiligkeit Gottes ist im A. T. diejenige Eigenschaft, vermöge welcher Gott der Urheber und Vollender der Heilsgeschichte ist. Alles Thun Gottes an und in Israel, sowol die An- stalten zur Erlösung und Entsündigung Israels als die Gerichte Gottes über das sündige Volk und tlber die Heiden, wird auf die Heiligkdt Gottes Äurtlckgeführt; vgl. Oehler a. a. 0 I §. 44. — Und wie Jahve die Söhne Israels aus den Völkern ausgesondert hat, um sie zu einem heiligen Volke zu machen, so hat Christus seine Jünger ausgewählt, um ihnen den Namen seines Vaters kund zu thun und sie durch sein Wort in der Warheit zu heiligen, Joh. 17, 6. 11 f. 16 f. Demnach wird der Name Gottes geheiligt, wenn Gott, so wie er sich in der Welt, in sei- nem Worte und in seinem eingeborenen Sohne Jesu Christo kundgege- ben hat, in Gesinnung, Wort und Wandel als heilig anerkant und mit Herz und Mund und Leben bekant wird; negativ durch Vermeidung jeder Art von Mißachtung und Entweihung des göttlichen Namens, po- sitiv durch den rechten Gebrauch der von Christo gestifteten Gnaden- mittel, um durch den im Worte und in den Sakramenten wirkenden heiligen Geist unser Herz von der Sünde reinigen und erneuem zu las- sen. Kurz und bündig schon Ben gel: Sancüficatur ergo (Bei nomen), quando ita ut est, agnoscitur el colitur etcelebratur. Die Heiligung des Namens Gottes ist demnach Grunderfordernis des Christenstandes und Christenwandels. V. 10. Die zweite Bitte: Dein Reich komme. Unter fj ßaCiXsta öov hier einseitig und contextwidrig den Vollendungszustand des Mes- siasreichs, die Aufrichtung des Reiches der Herrlichkeit verstehen zu wollen (TertulL, Chrys., Fritzsche, Mey,, Achelis [das tausendjährige Eeich Apok. 20]), streitet mit den deutlichsten Aussprüchen Christi über das Kommen des Reiches Gottes, indem Jesus nicht nur bei sei- nem öffentlichen Auftreten den Ausspruch des Täufers: „das Beick Matth. VI, 10. 187 Gottes ist nahe herbeigekommen" bestätigt (vgl. 5, 3 mit 3, 2), son- dern auch in allen seinen Reden das Gekommensein desselben mit sei- nem öffentlichen Auftreten voranssezt und bestimt lehrt, sowol in den Gleichnissen über das Beich Gottes (c. 13), als auch in der Antwort auf die Frage der Pharisäer: „wann das Reich Gottes komme", sagt: Ofvx JBQXStac (iBTCc noQoxriQi^OEcoq, sondern kvxoq vficov hoxlv (Luc. 17, 20 f.), und 11, 12 vgl. Luc. 16, 16 erklärt, daß das Reich Gottes von den Tagen Johannes des Täufers an gepredigt werde, und jeder bIq (Xütfjv ßid^srac oder ßiaöral ctQjtd^ovaiv avrjjv. — Richtig Luth. im gr. Katechismus: ,Gottes Reich zu uns kommen geschieht auf zweierlei Weise, einmal hie zeitlich durch das Wort und den Glauben, zum an- dern ewig durch die Offenbarung^ Ebenso Calv., der Heidelb. Eate- chismus, Chemnitz u. die meisten evangel. Theologen, wie es sich aus dem richtig erfaßten Begriffe des Reiches Gottes (s. zu 3, 2) mit Not- wendigkeit ergibt. Die Bitte umfaßt also die ganze geschichtliche Ent- wickelnng des Reiches Gottes auf Erden, die Ausbreitung desselben unter allen Völkern und das geistige Wachstum desselben in den Her- zen der Gläubigen, bis zu seiner Vollendung in Herrlichkeit mit der Wiederkunft unsers Herrn. — In demselben Umfange ist die dritie Bitte zu fassen: Dein Witte geschehe wie im Bimmel auch au/' Erden, Im Himmel geschieht der Wille Gottes von den Engeln, „die seinen Willen thun" Ps. 103, 21. Hehr. 1, 14, d. h. den heiligen Engeln, Mrc. 8, 38 ygl. Mtth. 21, 36. Mrc. 12, 25. Der Wille Gottes ist nicht auf die voiun- tas praecipiens, den Inbegriff der göttlichen Gebote zu beschränken, sondern schließt auch den Gnaden- und Heilswillen Gottes (ITim. 2, 4) ein. Dagegen wendet zwar Achel ein, da das Geschehen des Willens Gottes darin besteht, daß die Engel den Willen Gottes thun, dieser Wille also nicht an ihnen, sondern von ihnen gethan wird, so dürfe auch der Wille Gottes auf Erden nicht als der Wille gefaßt werden, welcher an den Menschen geschieht. Aber diese Folgerung ist nicht bündig, weil der göttliche Gnaden wille auf Erden nicht blos an den Menschen geschieht, sondern auch von den Menschen gethan werden muß, dadurch daß sie die göttliche Gnade ergreifen, die ihnen zur Er- lösung gebotenen Mittel gebrauchen müssen, sich gegen die Züge der göttlichen Gnade nicht verstecken dürfen. Selbst die voluntas divina decemens ist nicht auszuschließen, wenn darunter nicht blos die un- veränderliche Gesetzmäßigkeit der Naturordnung, z. B. im Laufe der Gestirne, die hiebei nicht in Betracht komt, verstanden wird, sondern der Vollzug der göttlichen Gnadenordnung, das decretum divinum un- serer Beseligung (nicht das decretum absolutum im Sinne der Präde- stinatianer). Wie die Engel im Dienste Gottes ausgesandt werden, um derer willen, die das Heil ererben sollen, und sich freuen über einen Sünder der Buße thut (Hebr. 1, 14. Luc. 15, 10), so sollen auch die Jünger Christi den auf die ömxrjQia aller Menschen bezüglichen Gottes- willen auszurichten sich befleißigen. — üeber das Verhältnis dieser Bitte, die bei Luk. fehlt, zur vorigen bemerkt Mey. richtig, daß sie 188 Matth. VI, 11. nicht ,erklärend' {Kamph,) oder gar ,tautologi8ch' {Hanne) sei, ^sondern dem Beter um das Keich stelt sich die ganze sittliche Aufgabe dar, ohne deren Lösung man des Reiches, wenn es kommt, nicht teilhaftig werden kann'. V. 11. Die vierte Bitte: ünset^ täglich Brot gib uns heute. Mit dieser Bitte wendet sich das Gebet auf die menschliche Bedürftigkeit, und zwar zuerst auf das für das zeitliche Leben Erforderliche. Der Sinn dieser Bitte hängt von der Erklärung des xbv ägrov top iüivtm- OLOV ab. Daß aQroq = ^Tll Speise, Nahrung, victus bezeichne (ygl. Pro V. 30, 8. 2Thess. 3, 12 u. a.), hätte nie verkant werden sollen. Schwer zu deuten ist aber ijiiovöiogj da dieses Wort außer in dieser Bitte (hier u. Luk. 11, 3) weder im N. T., noch bei den griechischen Autoren vorkomt und, wie schon Orig. bemerkt hat, von dem Evange- listen gebildet zu sein scheint. Streitig ist, ob das Wort von inslvat oder kütiBvat abzuleiten sei. Die leztere Ableitung wird noch von Mey, als auf Grund sprachgemäßer Formbildung möglich vorgezogen, und, da fj hjiiovca dies crastinus bedeute, rov agrov t. ijtiovö, von dem morgenden Brote oder dem Brote für den morgenden Tag verstanden. Hiernach würde die Bitte lauten: ,gib uns heute das Brot, dessen wir morgen bedürfen' (Bg.-Cncs.). Nach einer Notiz des Hieron. hat im Hebräerevangelium für ijtiovoiog ^n» gestanden. Sprachlich läßt sich diese Ableitung rechtfertigen, da der Umstand, daß ^ imovacc, wo '^(idga dabeisteht oder aus dem Contexte sich ergibt, nicht eigentlich den morgenden, sondern den folgenden Tag bezeichnet, wie tyijtiovoy WTCül Act. 23, 11 deutlich zeigt, keinen erheblichen Unterschied be- gründet. Aber sachlich läßt sich dfe Bitte, heute schon um das Brot für morgen zu bitten, nicht halten. Der Widerspruch einer solchen Bitte mit v. 34: „sorget nicht für den morgenden Tag, denn der mor- gende Tag wird für das Seine sorgen", läßt sich durch die Entgegnung, daß das Nichtsorgen für den andern Tag das Bitten um das morgende Brot nicht ausschließe, sondern voraussetze (Met/.\ nicht entkräften. Wenn der Christ nicht für den andern Morgen sorgen soll, weil der morgende Tag für das Seine sorgen wird, so soll er auch nicht heute für das Brot des morgenden Tages bitten, weil der himmlische Vater an jeglichem Tage das nötige Brot ihm geben kann und geben wird. Quid est ineptim, quam panem crastini diei nobis quotidie postulare — sagt schon Salmasius. Diese ineptia wird dadurch nicht beseitigt, daß man ^ ijtiovoa als Bezeichnung der Zukunft im weiteren Sinne faßt und o^fisQov sprachwidrig im Sinne von quotidie deutet. — Wir ent- scheiden uns daher für die älteste und verbreitetste Ansicht, daß ejnovOiog von ejtelvai herzuleiten sei, die in neuester Zeit von dem Philologen Leo Meyer (in Kuhn's Ztschr. für vergl. Sprachforschung Bd. 7. Berl. 1858 S. 401—430) in gründlicher Weise verteidigt wor- den, ohne uns durch den Einwand, daß hjtX in der Zusammensetzung mit üvai sein auslautendes i verliere, beirren zu lassen, da in andern Compositionen inl öfter sein i behält, z. B. in ejcieixijg Phil. 4, 5. 1 Petr. 2, 18. Jak. 3, 17, emsixsla Act. 24, 14, hjtiOQxico Mtth. 5, 33, Matth. VI, 11. 189 ejtloQxog ITim. 1, 10, u. in andern von L, Meyer ans den Klassikern, aus Grammatikern nnd Inschriften gesammelten Beispielen; nnd die Reibehaitang des i in ijtiovöiog offenbar ans einer Nachbildung von ütBQiovöLoq zu erklären ist. Fraglich bleibt aber bei dieser Ableitung noch, ob kjtiovöiog unmittelbar von dem Participe ijciövr (kjciavoa) oder von §jtl und dem nomen ovola abgeleitet ist. Für die directe Ab- leitung vom. Participe haben sich L. Meyer u. Kamph. entschieden und aus dem ,was iuil ist, die Bedeutung: dazu (wozu denn?) gehörig und den Begriff ausreichend oder notdürftig derivirt; eigentlich mehr er- rathen als sprachlich gerechtfertigt. Ohne Künstelei läßt sich diese Bedeutung des Worts nur durch Ableitung von sjtl und ovola : was zum Sein oder Dasein gehört, gewinnen. Denn ovola eigentl. das Seiende bedeutet das Sein, Dasein, die Existenz, woraus die Bedd. Ver- mögen, Reichtum, resfamiliaris (Hauswesen bei Sophocl Track, v. Qlt) geflossen sind, und im philosophischen Sprachgebrauche das Wesen, die Wesenheit, Realität. Gegen die Bed. Dasein verschlägt der Ein- wand: ,ovola heißt ja nicht Subsistenz, ovoxaoiq' (Mey.) gar nichts, weil övoxaoiq nicht Subsistenz, sondern Consistenz, Bestand bedeutet, und Dasein und Bestand zwar verwandte aber nicht identische Begriffe sind. Mag auch die Bed. Dasein sich in der klassischen Gräcltät nicht nachweisen lassen, so ist dieselbe doch nicht nur durch Porphyr, de äbstin. II, 34 belegt, und die Beweiskraft dieser Stelle (bei Thol ange- führt) nicht durch den Einwand ,einer modern gekünstelten Sprach- weise^ (X. Mey^ zu beseitigen, sondern auch von griechischen Kchvv., die doch des Griechischen kundig waren, anerkant. So erklärt Chry^ sosi. aQtov ijtiovoiop durch: sjtl xijv ovölav rov oaifiarog öiaßal- vovza Tcal ovYXQarfjoat xavxrjv övvafievov; Gregor Nyss.: ro jcgög T^v öV2rnjQi]0iv k^agxovv rrjq Ocofiarixrjq ovolag, und TheophyL: ägzog ijtl xfl ovola xal övordoei ffiimv avraQTcrjg d. h. das für unser Dasein und Bestehen ausreichende Brot. Diese Erklärung entspricht der Bitte Frov. 30, 8: „Armut und Reichtum gib mir nicht, laß mich verzehren T^n ünh „mein bescheiden Teil Speise" {Luth.: entw. das mir beschiedene Teil, oder mein mäßiges Teil; vgl. Kamph. S. 101), und steht im Einklänge sowol mit v. 34, wo die Sorge um den morgenden Tag verboten, aber für den gegenwärtigen Tag gestattet wird, als auch mit dem ro xad-^ ^(ligav Luc. 11, 3: unser ausreichendes Brot gib uns täglich (Tag für Tag betreffend). ^ — Auf die Bitte um die leibliche Notdurft folgen die Bitten um Förderung des geistlichen Lebens. 1) Luther* s üebersetzung: ,Tmser täglich Brot' ruht auf der Vulgata, indem Hieron. in Matth. zwar panem nostrum svpersubsfantialem übersezte, in Luc. 11, 3 dagegen jt^anem n. coiidianum hat, wie die Itala auch in Matth. Ob dieser üebersetzung die Ableitung des iniovaiog von iniovua dies crastinus oder se- quens zu Grunde liegt, oder ob sie nur wie die Erklärung 6g>rjfi£gos bei Chrysost, Suidas u. A. auf freier Wiedergabe des Sinnes beruht, läßt sich nicht entechei- den. So viel aber ist gewiß , daß sie, wie auch Leo Meyer u. Kamph. S. 92 u. 99 f. anerkennen, sich durch ein den Sinn des griech. imovaiog genauer wieder- gebendes deutsches Wort nicht leicht wird ersetzen lassen. — Nicht rechtfer- tigen läßt sich die Deutung: übernatürliches Brot^ panis supersubstantiälis, da IM Matth. VI, 12. 13. V. 12. Die fünfte Bitte: Und vergib uns unsere Schulden, nde auch wir unseren Schuldigem vergeben haben. Für dtplsfisv des texU rec. haben Lehm., Tisch, nach ^BZ u. a. das perf d(p^xa(iBV vorge* zogen, da dq)ls(i6V wol nur ans Luc. 11, 4 genommen sei. Nach dieser^ Lesart wird vorausgesezt, daß der Gläubige, welcher Gott um Schulden.^ erlaß bittet, bereits denen verziehen habe, welche sich gegen ihn ver^ schuldet hatten, nach Luk., daß er es gleichzeitig thue (Met/.) oder da»( er versöhnliche Gesinnung gegen den Schuldiger hege (ThoL Kamph^^^ Beide Texte geben einen passenden Sinn, so daß man nicht mit Kamp^ den Aorist bei Matth. ftlr eine Abschwächung des ursprtlnglichen Gre. dankens erklären darf. Das Wort 6(püXrifia (wie otpelXeiv^ 6q>BiX^^ 6q>6cXiT7]g) bezeichnet zunächst die Pflicht oder Schuldigkeit, das ym man zu thun verpflichtet ist, so z. B. Köm. 4, 4, sodann mit dem Ge- danken, daß man der Verpflichtung nicht nachgekommen sei, verlmn- den, die Schuld; so otpslXeiv und oipeiXi] von Geldschulden 18, 28. 30 u. a., und im ethischen Sinn: das Schuldigsein, als Verletzung der Pflicht, wodurch man dem Gericht und der Strafe verhaftet ist. In die- ser Bedeutung kann ofpelXrj^a mit äfiagrla Sünde als Abweichung vom göttlichen Willen alterniren, da Sünde vor Gott schuldig macht und jede Schuld Sünde voraussezt cog nicht im Sinne von ocov das MaB andeutend, nach welchem Sündenvergebung erbeten wird {Chrys. Bg.- Crus.)y sondern wie das hinzugefügte xal wie denn auch zeigt, das analoge Verhältnis bezeichnend, in dem Sinne einer ,vergleichenden Begründung — das Vorhandensein des dem göttlichen Verzeihen von menschlicher Seite entsprechenden Verhaltens ausdrückend^ (Mey,)* Die Worte enthalten die Bedingung, unter der der Christ von Gott Ver- gebung seiner Schulden erbitten und erhoffen darf; nicht blos ein ,Ge- lübde, wozu weder der Aorist dcp?jxafiev, der unser Vergeben als einen Fall, der vorgekommen, sezt, noch das Präs. dq>lefi6P bei Luk. paßt, da dieses nicht das Vergebenwollen, sondern das wirkliche Vergeben un- serer gegen den Nächsten bewußten Schuld ausdrükt. Diese Bedingung begründet jedoch kein Verdienst für den Betenden, sondern deutet nur das unerläßliche Kequisit von seiner Seite an ; wie Luther im gr. Ka- techism. ausführt: , Vergibst du nicht, so denke auch nicht, daß dir Gott vergebe; vergibst du aber, so hast du den Trost und Sicherheit, daß dir im Himmel vergeben wird, nicht um deines Vergebens willen; denn er thut es ft'ei umsonst, aus lauter Gnade, weil er's verheißen hat^ wie das Evangelium lehret, sondern daß er uns solches zur Stärke und zur Sicherheit als zum Wahrzeichen setze, neben der Verheißung, die mit diesem Gebote stimmet Luc. 6 : Vergebet, so wird euch vergebend — An die Bitte um Vergebung der begangenen Sünden schließt sich V. 13 die Bitte um Bewahrung vor neuen Sündenfällen an. V. 13. Die sechste und siebente Bitte: „Und führe uns nicht in iniovaiog diese Bedeutung nicht hat und auch ngzog im geistlichen Sinne nur von Christo, dem ugtog tfis ^(ofjs gebraucht wird. Damit wird zugleich die bei den älteren Ausll. ziemlich verbreitete, und noch von OUh. angenommene Ver- bindung von leiblichem und geistlichem Brote hinfällig. MattlL VI, 13. 191 Versuchung, sondern erlöse uns von dem Uebel/' Die Frage, ob die beiden Sätze dieses Y. eine oder zwei Bitten enthalten, hängt von der Erklärung des zweiten Satzes ab. üsigaöfiog bezeichnet nach Analo- gie des Verb, jcsigd^ecr im Allgemeinen Prüfung, so daß es von öoxi- (laola nicht wesentlich verschieden ist (1 Petr. 4, 12), gewöhnlich aber den Zustand der Prüfung, wobei das Fallen nahe liegt, wo Luther es häufig durch Anfechtung (d. i. feindliche Bekämpfung) übersezt (26, 41, Luc. 8; 13. 22, 28. 40, 46. Act. 20, 19. Gal. 4, 14. Jak. 1, 2. 12. 1 Petr. 1, 6), die Versuchung im üblen Sinne d. h. die Versetzung in Lebenslagen, in welchen die sinnliche Lust und Begierde erregt wird und zur Sünde verleitet; nirgends aber im N. T. die innere Reizung der eigenen Begierde (ßjtid^ula). Versuchungen in diesem Sinne sind mit dem gegenwärtigen V\reltlaufe unabänderlich verknüpft (Job. 17, 15 vgl. Act. 14, 22. Hl. 7, 1) und werden als Mittel bezeichnet, die zur Be- währung des Glaubens dienen sollen, so daß Jakobus (1, 2) den Chri- sten zuruft, sich zu freuen wenn sie in allerlei jtsLgaöfiol fallen (vgl. Rom. 5, 3. 1 Petr. 1, 6. 7). Diese versuchlichen d. h. zur Sünde Anlaß gebenden Lagen und Umstände führt Gott herbei, und in diesem Sinne führt er in Versuchung. Wenn aber diese jiBigaöfiol zur Bewährung des Glaubenslebens notwendig sind, wie kann dann Christus seine Jün- ger beten lehren: Gott möge sie nicht in Versuchung führen? Diese Schwierigkeit hat man auf verschiedene Weise zu lösen versucht. Ent- weder durch Erklärung des (ifj slo£vsyx7;]g von der göttlichen Zulas- sung: laß uns nicht hineingerathen (Euthym,, TertulL, Melanchi,\ oder durch emphatische Deutung: laß uns von der Versuchung nicht ver- schlungen werden (xazccjtoO'^vai Theophyl.\ oder: führe uns nicht so tief hinein, daß wir erliegen müßten (Luth. Auslegung 1518. Bd. 21 S. 220 u. im gr. Eatechism. Grot Süer\ oder: in Versuchung mit bö- sem Ausgange (Kamph.). Alle diese Deutungen sind gekünstelt und sprachwidrig. Zur Lösung der Schwierigkeit reicht es auch nicht aus, mit Mey. zu sagen, daß in Jak. 1, 13 von der subjektiven inneren Ver- suchung die Rede ist; denn die Schwierigkeit^ liegt darin, daß wir Gott bitten, uns nicht in Versuchung zu führen, während die Versuchung doch zur Bewährung unsers Glaubens in diesem zeitlichen Leben not- weidig ist. Die Lösung dieses Widerspruches ist mit Chrysost, ThoL u. A. in der Schwachheit unserer ooq^ zu suchen. Die Bitte ist Aus- druck des Gefühls unserer Ohnmacht und Versuchlichkeit, vermöge des- sen die auferlegte Versuchung zwar nicht geflohen, die nicht auferlegte aber auch nicht gesucht werden soll [ThoL). Weil wir nicht wissen, ob wir die Versuchung bestehen werden, sollen wir beten, daß Gott uns nicht in Versuchung führe. Richtig schon Com. a Lapr. non solum ne vincamur peiimus, sed etiam ne in certamen descendamus, ne forte vincamur, ,Was aber insbesondere die Aufforderung Jak. 1, 2 zur Freude über die zugestoßenen Versuchungen betrift, so kann die Selig- preisung der Verfolgten 5, 10 verglichen werden, durch welche nicht ausgeschlossen, wobei vielmehr geboten ist, der Verfolgung wo möglich sich zu entziehen, Mtth. 10, 23' (Thol), 192 Matth. VI, 18. Die lezte Bitte ist durch dXXä an die vorhergehende angeknüpft. dXXd im Unterschiede von 6h drükt nach Winer's Gramm. S. 411 den eigentlichen und scharfen Gegensatz (ein Voriges aufhebend oder als nicht zu beachten bezeichnend) ausS Diese Kegel reicht fOr den vor- liegenden Fall nicht hin, da das Qvöai ^(lag tcxX. die Bitte fiii slö- Bviyx^q xrX. weder aufheben, noch als nicht zu beachtend bezeichnen soll, weil die beiden Versglieder nicht, wie Kamph, sich ausdrttkt, fast VV^ort für Wort einander entsprechen, sondern rov jtovriQOv sich mit jteiQaCfiog durchaus nicht dekt. Demnach komt für dXXa die Kegel in Anwendung, daß auf einen negativen Satz oft ein Satz mit dXXd folgt, der einen Gegensatz enthält, durch welchen der vorangehende Satz eine nähere Bestimmung erhält (Kühner II S. 823 oder §. 535, 4). Uebri- gens will auch Kamph. mit TertulL diese clausula des VU. als eine Erläuterung der vorhergehenden Bitte fassen. Ob sie aber eine bloBe Erläuterung ist oder ein neues Moment hinzufügt, das hängt von der Erklärung der Worte ab. Die Construct. Qveod^ai djco ist zu unter- scheiden von ^veo&ai hx. Dieses bed. herausreißen, erretten aus einer Gefahr oder feindlichen Gewalt, in der man sich befindet; jenes: retten vor einer Gefahr, in die man hineingerathen, vor einer feindlichfli Macht, der man verfallen kann. Tov jtoi^QOv wird von TertulL, Orig., Chrys,, TheophyL, Erasm,, Zwingli, Beza, Bengel, Olsh,, Hofm. (Schriftbew. I S. 447; anders II, 2 S. 356), Ehr. Mey. u. A. als Mascnl. gefaßt und von dem Argen (dem Teufel) verstanden ; dagegen in der Vulg. a mala übersezt und schon von Cypr. neutral erklärt; ebenso von August., Luth., Melancht, Stier, Ew., ThoL, Kamph., Achel, Weiss u. A. — Die männliche Fassung des jtov. läßt sich durch die Bemerkung, daß sie an dem Zusammenhange mit dem Vorhergehenden entschieden scheitere (Kamph., Achel.\ nicht entkräften, da dXXd den straffen Zusammenhang nicht fordert, welchen Kamph. ihm vindicirt. An und für sich betrachtet könte die Bitte wol lauten : führe uns nicht in Versuchung, sondern rette (bewahre) uns vor dem Urheber alles Bö- sen. Um aber die Worte so zu fassen, dazu müßten triftige Gründe vorliegen. Wenn Mey. diese Fassung als der concreten neutestament-' liehen Anschauung entsprechender vorzieht, so hat er nach der richti- gen Entgegnung von Thol. nicht bedacht, daß Christus, wie Matth. 15, 19 zeigt, nicht immer auf den Satan als den lezten metaphysischen Hintergrund alles Bösen zurückgeht. Dem jistgaöfiog als versuchliche Lage, in der man fallen kann, correspondirt aber to ütovriQOv ohne Zweifel viel mehr als 6 JtovrjQog. Deshalb ziehen wir die neutrale Fas- sung vor, weil dieselbe nicht nur sachgemäßer, sondern auch für den Schluß des Vü. passender erscheint. To jtovrjQOv malum, Uebel {Luth,] bezeichnet zwar zunächst das sittliche Böse, wird aber auch vom physi- schen Uebel gebraucht, z. B. ^Xxog xaxöv x. jtovijQOV Apok. 16, S; und xagjtol JtovrjQoi Mtth. 7, 17 sind nicht schlechte, unbrauchbar Früchte, sondern schlimme Früchte, wie sie sich in ihren Wirkungen zeigen; ^fiegai jtovrjgal Eph. 5, 1 6 vgl. 6, 13 böse oder schlimme Tage, in welchen die Macht des Bösen waltet, unheilvoll und schädlich für Matth. VI, 18. 198 das Reich Gottes wirici Hiernach bezeichnet rö jzovtjqov in unserer Bitte wie in 1 Joh. 5, 19 das sittlich Böse in seinen anheilyollen Wir- kungen. In diesem Sinne braucht Luther auch sonst das Wort üebd Ton dem sittlich Bösen, Gen. 39, 5. Mtth. 5, 37. 27, 23. Demnach ist weder seine Uebersetzung: „erlöse uns von dem Uebel'', die sich ttbri- gens schon bei Wulfila u. in allen älteren deutschen Vaterunsern findet, als zu Mißyerständnissen verleitend {miiKamph.) zu beanstanden, noch mit der zweideutigen reformirten Uebersetzung: ,yon dem Bösen^ zu vertauschen; auch die Luther. Erklärung dieser Bitte im kl. Katechis- mus nicht als fehlerhaft zu tadeln. Noch unbegründeter ist der weitere Vorwurf Kamph's S. 143, ,daß Luther, indem er die clausula als be- sondere Bitte faBt, in den alten Fehler verfällt, daß er hier alle geist- liche und leibliche Not zusammengefaßt findet und unbedingt um Irdi- sches bittet^ Alle diese Ausstellungen hängen bei Kamph. mit seiner irrtümlichen Fassung des jisigaöfiog von Versuchung mit bösem Aus- gang zusammen. Denn versteht man Jtsigaöfiog dem Sprachgebrauche gemäß von jeder Versuchung, in welche Gott den Menschen ftUirt, so Uldet die Bitte um Errettung von dem Uebel oder Bösen (ro xovfjQov wie 5, 37) nicht den reinen Gegensatz zur Bitte um Bewahrung vor der Versuchung, und die clausula des Gebets ist dann nicht bloße Er- läuterung des (ifj slösviyx^g xrZ., sondern fügt ein neues Moment hin- zu, welches die Berechtigung dazu gibt, die clausula als besondere Bitte zu fassen, ohne daß sie damit vom Vorhergehenden losgerissen zu werden braucht. ^ Der dozologische Schluß: ort öov söziv ^ ßaöiXsla Tcal 97 övva(iiq xal ^ öo^a elg rovg altSvag' dfiijv denn dein ist das Reich (d. i. die Herschaft) u. s. w. ist nach überwiegenden kritischen Zeugen nicht ur- sprünglich, sondern ein uralter liturgischer Zusatz, welcher, nach Ana- logie der schon im A. T. bei Gemeindegebeten z. B. 1 Chr. 29, 11 üblichen Responsorien, für den Gebrauch des Gebetes beim Gottesdienste gemacht wurde. Denn dieser Epilog fehlt in den ältesten Codd. i^BD (während An. C als hier lückenhaft nicht in Betracht kommen) und in der Vulg. nach Tertull. Cypr. u. Hieron. (der indeß das Jmen hat). Auch Orig. u. Greg. Nyss. scheinen ihn im Texte des Matth. nicht ge- kant zu haben. Da nun ein Ausfallen oder eine Weglassung desselben in diesen Urkunden nicht anzunehmen ist, so haben schon Bengel, MW, JFetst u. Griesb. und von den Ausll. bereits Zwingli, Oecol, Peläc., Bucer, Mekmcht. u. fast alle neueren Erklärer (Stier u. Hngsib. aus- genommen) sich gegen die Ursprünglichkeit ausgesprochen. Nach in- 1) Auch B, Weiss (Matth.-EvaDg. S. 187), obwol er sich dahin ausspricht, daß das Gebet nur zwei formell deutlich gesonderte Dreiheiten von Bitten (cov^ •wp, trov — 4/i«r, ii(Aty, ^/xag) kenne, sagt doeä: ,dies schließt nicht ans, daß ^ Mi leicht und passend sieben Bitten zählen lassen, wenn man die Brotbitte für rieh nimt und nun die je drei Bitten um die Erlangung des höchsten Gutes (des Gflttesreiches) und um die Abwehr des höchsten üebels (der Sünde) sich ent- ipreehen läßt, da auch die zweite Dreiheit von der Voranssetznng alles Kampfes geßen die Sünde (der Sündenvergebung) zur Bewahrung davor fortschreitet und mit der endlichen üeberwindung derselben schUeßf. Keil, Ck>min.z.BYaag6l. Matth. 13 194 Matth. VI, 14—16. Deren Gründen könte diese Doxologie anter der Yoraassetzong, daB Jesus in dem YU. seinen Jüngern habe eine bestirnte Gebetsformel ge- ben wollen, echt sein, da sie in treffender Weise den Hoffnungsgrund ausspricht, auf welchen der Betende die zuversichtliche Erwartung der Erhörung stüzt und mit ort sehr passend an die Bitten, nicht blos zur Begründung der lezten, angeknüpft ist. Y. 14 u. 15 bringen eine Erläuterung der lezten, durch tcccI und dXXd verbundenen Bitten nach, die mit yoQ auf v. 12 zurückweist d. i. auf die fünfte Bitte, die einzige, welche auf eine Yoraussetzung begrün- det war. Diese Yoraussetzung, daß wir Yergebung unserer Sünden von Gott erwarten können, wenn wir den Menschen ihre Yergehungen ver^ geben, wird ihrer Wichtigkeit wegen hier noch positiv und negativ ein- geschärft. Der Gedanke selbst wird öfter wiederholt z. B. 5, 24. Luc. 6, 37. Mtth. 18, 35; und diese Bedingung ist natürlich nicht so aufisn- fassen, daß andere Bedingungen der Sündenvergebung, wie Beueu.s. w. damit für unwesentlich oder gar unnötig erklärt werden sollen. Y. 16—18. JHe rechte Art des Fastens. — Fasten als Aeufierung der BuBtrauer über die Sünden und deren Folgen war im mos. Gesetie nur für die jährliche Feier des großen Yersöhnungstages vorgeschrie- ben, Lev. 16, 29. 23, 27; aber als Privatübung der Demütigung und Beugung des Herzens vor Gott bei Unglücksschlägen zur Abwendung des göttlichen Zornes und zur Erflehung der göttlichen Gnade in ge- fährlichen Lebenslagen uralte Sitte, die nach dem Exile mehr und m^ in Aufnahme kam und von den Pharisäern zu einem regelmäßigen Be- standteile der gesetzlichen Frömmigkeit ausgebildet wurde, so daß die- selben am zweiten und vierten Tage jeder Woche (vgl. Luc. 18, 12), zum Andenken daran, daß nach der Ueberlieferung Mose an einem Donnerstage auf den Sinai gestiegen und an einem Montage wieder herabgekommen war, zu fasten pflegten; nur die Neumonde, Fest- und Freudentage Israels ausgenommen, wie denn auch am Sabbate nie ge- fastet wurde. Um den Schmerz über hereingebrochenes Unglück und die Beue über begangene Sünden zu verstärken, verband man mit dem Fasten noch andere Trauerzeichen, wie Unterlassung der Waschung und Salbung, Anlegung des härenen Bußgewandes, Bestreuung des Hauptes mit Asche (vgl. m. bibl. Archäol. §. 69). Dadurch erschien man axvd-Qcojcog flnster, verdrießlich oder traurig von Ansehen, Blick und Miene. Auf diese äußerlichen Zeichen legten die Heuchler großes Gewicht. „Sie machen unscheinbar ihre Antlitze, damit sie scheinen vor den Menschen fastend." In d^avl^ovoiv — ojta)g q)aväctv ist das Wortspiel nicht zu verkennen, dg^avl^eiv x6 jtQogojcov das Ant- litz unsichtbar oder unscheinbar machen d. h. es seiner Farbe, seines Glanzes, seiner natürlichen äußeren Beschaffenheit berauben, also das Antlitz entstellen {deformare, was wol auch das exterminare der Vtüg, ausdrücken soll (eine Bedeutung, die Mey. mit Unrecht bestreitet), nämlich durch Unterlassung der Reinigung des Gesichts und der Ord- nung und Salbung des Bart- und Haupthaares; nicht durch Verhüllung des Hauptes (2 Sam. 15, 30. Esth. 6, 12). (pavciöt {tpalvsod-cu) Matth. VI, 17—19. 195 erscheinen, sich zeigen als fastende. — Y. 17 f. Dem äußeren Schein der Trauer stelt Christus entgegen das Salben des Hauptes und Wa- schen des Gesichts, als Zeichen der Munterkeit und Heiterkeit des un- getrübten täglichen Lebens, nicht des Schmuckes bei festlichen Ge- legenheiten, da das Waschen des Gesichts Bedürfuis des täglichen Le- bens iwar, um die Vermeidung jedes äußeren Scheines beim Fasten auszudrücken und dasselbe als rein innerliche Beugung des Herzens vor Gtott darzustellen, die vor Menschen unsichtbar ist und allein Gotte, der im Verborgenen sieht, offenbar wird. Treffend Luther (Bd. 43 S. 194): ,Wenn du so fastest zwischen dir und deinem Vater allein, so hast du recht gefastet, daß es ihm gefället; doch nicht also, daß damit ein Verbot gestellt sei, daß man nicht dürifie auf ein Fastetag in gerin- gen Kleidern oder ungewaschen gehen: sondern der Zusatz ist verwor- fen, daß maus umb Kuhms willen thut, und den Leuten mit solchen sonderlichen Geberden die Augen aufsperret'. — Statt ev rm xgvjntp haben Lehm. u. Tisch, nach Codd. i(Sg ro hv ool ersezt ist. Das unversehrte Auge erhellt ver- möge der gliedlichen Verbindung des menschlichen Körpers den gan- zen Leib, so daß der Mensch für alle seine Bewegungen das nötige Licht hat; während das schlimme Auge den ganzen Leib in Finsternis ver- sezt, weil kein anderes Leibesglied das Auge ersetzen kann. — Mit sl ovv folgt die Anwendung auf das geistige Gebiet, mittelst eines Schlus- ses a minori ad majtis. Td g)cog xb kv öol erklärt schon Chrysost, durch o vovg, insofern richtig, als der vovg das geistige Erkentnisver- mögen ist, wie das Auge nach tropischem biblischen Sprachgebrauche Organ des inneren Erkennens, Ps. 13, 3. 119, 18. Mrc. 8, 18. Luc. 24, 31 u. a. Denkt man dabei aber mit Mey. an die practische Vernunft, so fragt es sich, ob die natürliche Vernunft (lumen naturae oder no- tianes de Deo insitae) gemeint sei, oder die durch Gottes Wort erleuch- tete Vernunft {Beza, Chemn,, Gerh,, Calov u. A.). Für die Annahme eines lumen naturae liefern Joh. 8, 47 u. 18, 37 eben so wenig stich- haltige Beweise als die Aussagen des Apostels über den söco ärd-gco- xog und den vofcog rov voog Rom. 7, 22 f. Vgl. Philippi z. d. St. Eher könte man o^d'aXfiog xi]g xagölag Eph. 1, 18 von dem lumen na- turae verstehen, da der Apostel von der Erleuchtung desselben durch den heiligen Geist redet. Ueberhaupt aber sezt die Erlösungsfähigkeit des Menschen voraus, daß in ihm noch ein Rest vom göttlichen Eben- bilde vorhanden ist, womit der Ausspruch des Apostels Rom. 1, 19 ff., daß die Heiden aus den Werken der Schöpfung Gott erkennen können, im Einklänge steht. Damit ist jedoch keinenfalls erwiesen, daß der 198 Matth. VI, 24. Erlöser diesen Ueberrest des göttlichen Ebenbildes oder das in dem gefallenen Menschen noch vorhandene Gottverwandte hier mit ro qxSg tÖ SV col gemeint habe. Er sprach ja nicht zu Heiden, sondern zu seinen Jüngern und zu dem Volke, welches ihm nachfolgte, also zu Hö- rern, die unter dem Einflüsse der göttlichen HeilsofPenbarung standen, deren vovg schon Eindrücke des göttlichen Wortes und Geistes empfangen hatte. Dieser Umstand berechtigt jedoch nicht zu Deutun- gen des TO g)(5g r. ev öol, wie die: ,das Licht bedeutet Gottes heiliges Wesen, welches den Menschen licht machen will' (ffofin. Schriftbew. n, 2 S. 320), oder: ,das Licht des inneren Auges ist der alttestament- liche Offenbarungsgehalt in der subjectiven Erkentnis der Schriftge- lehrten und Pharisäer' {Lange). Das Licht im Menschen ist das von der göttlichen Offenbarung beleuchtete geistig sittliche Erkentnisver- mögen, welches er als Leuchte und Leitstern gebrauchen soll, aber durch seine Schuld auch verfinstern kann. — Td öxorog Jtooov wie groß wird die (geistige) Finsternis sein, sc. in der du dich befindest {Mey.,Neander\i,k,). J)sLgegen Bieron.: tenebrae ipsae, die Finster- nis selber (Luth.\ oder deine Finsternis d. h. das, was in dir Finsternis ist {Syr., Euthym., Erasm., Bucer u. A.), indem diese Ausll. annehmen, daß wie in der leiblichen Sphäre das eine erleuchtungsfähige Glied den übrigen als den von Natur dunklen gegenübergestelt wird, dies auch in der geistigen Sphäre beabsichtigt sei. Unter xb öxorog wird dann das von Natur dunkle Gebiet der sinnlichen Triebe verstanden. Die Worte können allerdings so gefaßt werden; doch bleibt es sehr fraglich, ob Christus hier speciell die Stärke der sinnlichen Triebe hervorheben, ob er nicht vielmehr nur einfach sagen will: Wenn du, ohne deinen Geist (vovg) durch das Licht der göttlichen Warheit erleuchten zu lassen, nach irdischen Schätzen trachtest, dann befindest du dich in der größ- ten Finsternis. Wir ziehen diese Auffassung als die einfachere vor. Daran schließt sich v. 24 einfach an : „Niemand kann zweien He]> ren dienen" — nämlich Herren von entgegengesezter Gesinnung. Den Worten /iiöetv und dyajtäv entprechen im folgenden Satze xaTaq>if9r VBlv verachten und dvxixsOd^ai sich an jem. halten, ihm anhangen, als Aeußerungen oder Wirkungen des Hasses und xler Liebe, ohne daß dvzexsod^ac mehr sage als dyajcäv oder xaxatpQOVBlv weniger als fiiöetv. Der Gegensatz von dyajtäv und fiiöelv ist nicht in ,mehr und weniger lieben' abzuschwächen, durch Berufung aufstellen wie 10, 37: „wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich", vgl. mit Luc. 14, 26: „wer zu mir kommet und hasset nicht Vater oder Mutter", und Gen. 29, 30 vgl. mit v. 31. Denn ob in diesen Stellen ,mehr lieben' und ,nicht hassen' sich decken, erscheint noch fraglich. Es komt hiebei auf die Gesinnung an, welche Vater, Mutter u. s. w. gegen Christum hegen. Sind sie feindlich gegen Christum, dann soll der Gläubige sie hassen; sind sie nur indifferent, dann soll er Christum mehr lieben. Goti und Mammon sind einander ausschließende Gegensätze. Maficovag, aram. u. rabbin. &<;ia» Reichtum, von den Targumisten für 5^a Gewinn, hi- erum gebraucht (lucrum punice mammon dicitur. August.)^ war- Matth. Vi, 25. 199 scheinlich aus l^ntda yon iac9 dbsconditum contrahirt (Gesen, ihes. p. 552), nicht von lt|&j das worin der Mensch sein Vertrauen sezt, nach Briis., CastelL mit Bl u. ThoL abzuleiten. Hier ist der Mamon als Götze personificirt, dem man dienet (öovX&übl). Treffend Luther (Bd. 43 a. 234): ,G6ld und Gut, Weib, Kind, Haus und Hof haben ist nicht Sünde-, allein daß du es nicht lassest deinen Herrn sein, sondern las- sest's dir dienen, und sei du sein HerrS V. 25—34. Die Eitelkeit des Sorgens um den irdischen Lebensbe' darf. V. 25. Die Mahnung: nicht zu sorgen um Nahrung und Kleidung ist mit öia roirco an v. 24 angeknüpft. Deshalb, weil der Mensch nicht Gotte und dem Mammon zugleich dienen kann, soll der Christ auch nicht sorgen t^ '^XV ^ Bücksicht auf die Seele, als das animalische Lebens- princip &r das Leben genant, um die Nahrung, und hinsichtlich des Leibes um die Kleidung — ne forte, quamvis jam super flu a non qtiaerantur, propter ipsa necessaria cor dupHcetur. August. Jesus untersagt hier nicht blos das ängstliche und schwere Sorgen, son- dern das Sorgen um den irdischen Lebensunterhalt überhaupt. Das W. (iSQiftväv sorgen wird sensu bono und sensu malo gebraucht. Die Sorge oder Sorgfalt ftlr die Beschaffung des Lebensbedarfs durch Arbeit und treue Ausrichtung des irdischen Berufes will Christus nicht ver- bieten, sondern nur das Besorgtsein, ob und wie man das Nötige ftlr Nahrung und Kleidung erschwingen werde, d. i. ein Sorgen aus Mangel an Vertrauen auf Gott, der für uns sorgt (1 Petr. 5, 7). Wie verkehrt dieses Sorgen sei, macht der Erlöser zuerst anschaulich durch ein argumenium a majori ad minus: „Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung?'^ wobei vorausgesezt ist, daß Gott das Leben gegeben und den Leib geschaffen hat. Hat Gott das Größere — Leben und Leib gegeben , wird er nicht auch das Ge- ift^re — Nahrung und Kleidung geben? Alsdann führt er beide JhöiJkte weiter aus und zeigt zuerst v. 26 u. 27, daß das Sorgen um die /IJÜlning aus Mangel an Vertrauen auf Gottes väterliche Fürsorge fteße und doch nichts ausrichten könne. Den Mangel an Gottvertrauen dekt er auf durch den Hinweis auf die Vögel, die ihre Nahrung nicht selbst beschaffen und bereiten und doch von Gott ernährt werden. — Vögel des Himmels, im A. T. stehende Ausdruksweise, die am Himmel fliegen, in der weiten freien Luft^egion leben. Säen, ernten und in die Scheuem sammeln bezeichnen die verschiedenen Arbeiten, durch welche der Mensch die Nahrungsmittel sich beschafft, öiafpigeiv durch fiaX- Xov verstärkt: viel vorzüglicher sein. Die Anwendung ist folgende: Wenn die Vögel, die nicht säen u. s. w., von Gott ernährt werden, um wie viel mehr ihr, die ihr säen .... könnet. Dagegen meint Achel: die Voraussetzung: ,die ihr säet^ liege nicht in dem Gleichnisse, son- dern nur der Gedaiü^e: ,wie die Vögel ohne zu säen . . . ernährt wer- den, so auch ihr ohne daß ihr etwas für euren Lebensunterhalt thutS Dies sucht er weiter damit zu begründen, daß ja die Jünger in der Nachfolge Jesu daran gehindert seien, irgend etwas zur Erwerbung ihres Lebensunterhaltes zu thun, folglich auch in dieser Beziehung den 9M Mattfc. YI, as— 29. Ydgdn g^deh wifeo. Allein diese B^grindang wird schon dmch die Thatsache wid^l^, daB der Apostel Paafais, olme als Jvnger Jesa seinen Berof zn Yemachliiwigen, sich dnrdi seino* Binde Arbeit sdnen Lebensontarhalt erwarb. Die Argomentation sdbst aber stfixt sich dnerseits anf allznbnchsUbliche D^itnog des Siens, Emtens n. s. w^ als ob der Ack^ban das einzige Mittel zor Beschalfang des Ld>ensnn- terhaltes sei, andrerseits anf contextwidrige Ansdentong des Gleichnis- ses. Christas will nicht das Arbeiten b^nfs der Erlangung des Lebens- nnterhaltes, sondern nur das glaabCTslose Sorgen um Nahrung und Kleidung untersagen. Auch die Ydgel des Himmels mfissen sich ihr Futter auf der Erde such»! und auflesen. Zu beachten ist noch der Ausdrude euer himmlischer Yater. IMe Christen stehen zu Grott in einem andern Yerhältnisae als die YdgeL Grott ist nicht blos ihr Schöpfer, wie er der Schöpfer der Ydgel ist, sondon ist ihr himmlischer Yater, der mit Täterlicher liebe sie Tersorgt — Bon Sorgen liegt aber nicht blos Unglaube zu Grunde, sondern auch ünytfstand. Mit allem Sorgen kann der Mensch seine Lebensdauer nicht um dne Elle Ter- längem. ^ ^HXtxla bed. sowol das Lebensalter, besonders das kräftige Alter, als die Körpergröße, Statur (t^^ Luc 19, 3). Bie leztere Be- deutimg: stahira, Länge (Vtdg., LtOh., Calo., Bezau. a.) paßt hier nicht Ber Zusatz von einer Elle zur Leibesgröße oder Aorp^länge würde eine außerordentliche Yergrößerung ausdrücken, während Chri- stus mit xf/xpv iva offenbar nur ein sehr geringes Maß bezeichnen wilL Hier bed. ^Xtxia also das Lebensalter oder die Ze^^iulänge, in- dem das Leben als ein Stadium gedacht ist, welches der Mensch zu durchlaufen hat; y«^ 2 Tim. 4, 7. Act 20, 24. HL 9, 25 und Ps. 39, 6, wo die Lebensdauer mit einer Spanne yerglichen ist Y. 28—30. Eben so eitel und nichtig ist das Sorgen um die Klei- dung. Da Gott die Lilien des Feldes in eine Pracht kleidet, welche den höchsten Glanz menschlicher Bekleidung fibertrift, so kann und wird er auch fOr die nötige Kleidung derer, die auf ihn y^rtrauen, sor- gen. Kaxaiidd-ete betrachtet; xarccfiovOm^siv eig. genau lernen, Kent- nis, Einsicht bekommen oder nehmen; im N. T. nur hier. KqIvop T^ die Lilie überhaupt, im Oriente häufiger roth, orangenfarbig und gelb als weiß, deren verschiedene Arten, darunter die Kaiseikrone als die schönste, im Oriente auf dem Felde (zo d/oav) ohne pflegende Men- schenhand wachsen. n<3g wie, wie anmutig und schön sie emporwach- sen (Mey.), „Sie arbeiten und spinnen auch nicht'', d. h. können nicht selbst ihre Kleidung sich bereiten. Bie Farbenpradit der Lilien wird als ihr Kleid betrachtet Bieses Obertrift die H^rlichkeit des Königs 1) Bie Partikel di steht metabatisch, zu einem anderen Punkte übedettoidy nicht auf einen stillen Einwnif, nämlich auf die Erwägung, daß troz der schöpferischen Füisoree Gottes so riele Yögel des Himmels ans Man^ an Nahrung zu Grande gäen, hindeutend (Ackelis), worauf Jesus mit dem leidigen Tröste: »schüzt ench denn euer fiegifiräy vor gleichem Geschicke?' antworten wfirde. — Ein dem Zusammenhange der Bede ganz femliegender, nnd die Er- munterung zum Vertrauen auf die Fursoige des Vaters abschwäehenderGedanke. Matth. VI, 30—34. 201 Salomo in aller seiner Pracht, iv ndoi^ xfi 66§i^ avrov geht nicht blos auf das Prachtkleid, sondern anf den ganzen solennen apparatus des Königs, von welchem die Kleidung nur einen Teil ausmachte, lieber Salomo's sprichwörtlich gewordenen Beichtum und königlichen Glanz vgl. 1 Kön. 10, 18 ff. 2 Chr. 9, 17. Pred. 2, 4 ff. — V. 30 gibt die An- Wendung in Form eines Schlusses a minori ad majus. Das Gras (o ;^0(>TO$) des Feldes ist genant als Genus, zu welchem auch die Lilien gehören, um dieselben als geringfügig zu bezeichnen. Dies geschieht noch mehr durch den Zusatz öijfiSQOv ovza tctX. das heute vorhanden ist und morgen als verdorret in den Ofen geworfen wird. Dürres, ver- trocknetes Gras wird im Morgenlande als Feuerungsmaterial verwen- det. In der Anrede oXv/ojtiOxoi dekt der Herr den geheimen Hinter- grund der Nahrungssorgen auf. — Mit v. 31 u. 32 kehrt die Bede zu ihrem Ausgangspunkte, zu der Ermahnung v. 25 zurück, welcher wei- ter durch den Satz, dafi das Sorgen heidnisch sei, begründet wird. Das yaQ des ersten Satzes v. 32 begründet das (ifi ovv fiSQi/ii^arjrs, das zweite yaQ nach oidev ist explicativ, die Begründung erläuternd. Die Heiden sorgen um Nahrung und Kleidung, weil sie Gott den himmli- schen Yater nicht kennen. In V. 33 nent der Herr den Gegenstand, nach welchem seine Jün- ger jiQcoTOv d. h. vor allem anderen trachten sollen. ZrpcBtxs trachtet, strebt darnach zu erlangen tfiv ßaöcXeUxv xal r^v öixatoovpfjv av- rov. So lautet der Text nach Cod. «; der Genitiv rov d-sov fehlt auch in Cod. B u. einigen Yerss. u. Kchw., und ist offenbar spätere Ergän- zung. Nach der ursprünglichen Lesart gehört avrov zu beiden Worten und weist auf 6 Tiax^Q vfccov 6 ovQca^iog zurück: das Beich und die Gerechtigkeit eures Mmmlischen Vaters. Dieses Beich ist das Himmel- reich, das durch Christum gegründete Beich Gottes (s. zu 3, 2); ^ öi- xaioövvfj ist nicht die Gerechtigkeit aus dem Glauben (Luih., Cah. U.A.), sondern die für den Eingang in das Himmelreich geforderte sittliche Bechtbeschaffenheit (5, 20) , d. i. die von Paulus als Frucht der Glaubensgerechtigkeit geforderte Lebensgerechtigkeit (Böm. 8, 4. 5, 18. 21). Denen, die darnach trachten, wird xama jcdvxa d. i. Es- sen, Trinken, Kleidung dazu gegeben werden, womit nicht ein zweites Trachten überhaupt {Mey.)^ sondern nur das Sorgen um Nahrung und Kleidung als zweites Trachten ausgeschlossen wird. Zur Sache vgl. 1 Tim. 4, 8. Mrc. 10, 30 und als geschichtlichen Beleg die göttliche Antwort auf Salomo's Gebet IKg. 3, 11 ff. — V. 34 Schlußermahnung, aus dem bisher Gesagten gefolgert (obv)\ nicht hinsichtlich des mor- genden Tages zu sorgen, mit der Begründung: der morgende Tag (iBQi" /iPijoei iavxfjg (so — nicht xä eavtijg ist nach ts. oder jibqL xivog kernt zwar sonst nicht vor, ist aber analog dervieler anderer Yerba, 802 Matth. VI, 34. Vn, 1. welche den Begriff der Sorge ausdrücken, wie g>QOVTl^£iv u. a.; Tgl. Kühner Gr. II 8. 325 ; ist also nicht mit Achel. zu heanstanden, wel- cher fcsQCfivav kavrfjg ,von sich seiher aus Sorge hahen' erklärt, in dem Sinne: ,yon dem morgenden Tage aus werden an euch Sorgen her- ankommen, welche dieser morgende Tag seihst gehiert^ Nicht nur ge- künstelt, sondern auch dem fisQifiväv gegen den Sprachgebrauch die transitive Bedeutung: Sorgen erzeugen, beilegend. — ^Aqtcbtov Gtenug- sames — das Neutrum aäject substantivisch gebraucht ohne Rücksicht auf das Genus des Subjects-, vgl. für diesen Gebrauch Kühner 11 S. 52 f. ,Ein Genügsames ist ^r jeden Tag seine xaxla eig. Schlimmheit^, das Schlimme oder das Uebel an Leiden, Nöten, Gefahren, das jeder Tag mit sich bringt; xaxla wie Tcaxoxrjg bei den Klassikern; vgl. rä xaxd Luc. 16, 25. — Warum untersagt aber der Herr hier nur das Sorgen um den morgenden Tag? Sicherlich nicht aus Mitleid mit der Schwach- heit der Jünger, daß sie nicht durch Sorgen um den morgenden Tag sich die Sorge für den heutigen vermehren sollen. Nachdem er vorhw seinen Jüngern das Sorgen um Irdisches überhaupt untersagt und sie zum Trachten nach dem Kelche und der Gerechtigkeit Gottes ermahnt hat, mit der Verheißung, daß ihnen dann das Irdische zufallen werde, kann er nicht folgerungsweise (ovv) das Sorgen um den morgenden Tag verbieten, um ihnen das Sorgen zu erleichtern, sondern mit diesem Verbote nur den Gedanken aussprechen, daß, weil jeder Tag seine xccxla hat, mit allem Sorgen, auch mit dem um die allernächste Zukunft gar nichts erreicht, sondern das Uebel nur vermehrt wird. Das Sorgen um den nächsten Morgen erwähnt also der Erlöser schließlich als dasjenige, welches dem Menschen am allernächsten liegt und ihn unwillkürlich beschleicht, um durch den Nachweis, daß dadurch das Sorgen nicht vermindert, sondern vergrößert wird, vor jeglichem Sorgen abzumahnen. Cap. VII, 1—12. Warnung vor dem Richten und Ermahnung zum Bittgebete, Ohne äußerliche Verknüpfung werden an die Warnung vor der Sorge um den nötigen Lebensunterhalt noch zwei subjective Erfor- dernisse zur Erlangung der Gerechtigkeit des Himmelreichs angereiht: a. das rechte geistliche Verhalten gegen den Nebenmenschen (v. 1 — 6), b. das Bittgebet als der Quell, aus welchem die Kraft zur Gewinnung und Uebung der Gerechtigkeit zu schöpfen ist (v. 7—12). — Das rechte geistliche Verhalten gegen den Nebenmenschen ist in die Form einer Warnung vor zwei Fehlem gefaßt, in welche die Gläubigen gar leicht verfallen: liebloses Eichten (v. 1—5) und falscher Bekehrungseifer (v.6). V. 1 u. 2. „Eichtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet." KqIvslv urteilen, richten, steht nicht für xaraxQlvsiv verurteilen (Theophyl, Euthym., Olsh. u. A.), wie Luc. 6, 37 zeigt, wo xglveiv von xaraÖLxa^eLV deutlich unterschieden ist, sondern heißt einfach: rich- terlich urteilen, in diesem Contexte der Eede: sich zum Richter über andere, insbesondere über den Seelenzustand des Nebenmenschen auf- werfen. Daß damit nicht das amtliche Eichten, d. h. das Beurteilen, Eugen und Strafen der Sünden und Sünder, welches der weltlichen Obrigkeit und dem geistlichen Amte zusteht, verboten oder getadelt Matth. YII, 2—6. S68 werden soll, erhellt schon daraus, daB die Bede nicht an die Ohrigkeit und die Amtsträger, sondern an die Jünger Christi insgemein gerichtet ist. Auch die geistliche Mahnung und Warnung des Bruders, um ihn vor dem sittlichen Verderben zu bewahren und zu bessern, wird nicht ausgeschlossen. Denn diese Mahnung wird zu einem Richten desselben nur, wenn sie nicht aus reiner Liebe für das Seelenheil des Bruders fließt und ihr nicht die geistige Selbstzucht voran und zur Seite geht (vgl. V. 4 u. 5). Wer ohne dazu berufen zu sein und ohne rechte Selbst- erkentnis und ernste Selbstzucht Andere richtet, der wird gerichtet, nämlich von Gott. Das xQidijxe von Gerichtetwerden von Anderen zu verstehen (Er asm., Calv., Fritz, u. A.) ist gegen den Context, gegen V. 2, wo die Vergeltung als eine dem Richten äquivalente bezeichnet wird, was nur von dem göttlichen Gerichte gilt, ev (v. 2) ist instrumen- tal (=^) und bQi fcizQOv an ein Hohlmaß, Getreidemaß zu denken, vrie Luc. 6, 38 zeigt. — V. 3— 5 hängen mit v. 1 u. 2 eng zusammen. 6i metabatisch. Die Verse erläutern, wie es sich mit dem Richten ge- wöhnlich verhält, nämlich so, daß man für die Fehler Anderer ein viel schärferes Auge als für die eigenen zu haben pflegt. Durch die Frag- form: rl ßZsjtsig wird das Verwerfliche des Achtens auf die kleinen IFehler des Bruders, wenn man die eigenen groben Fehler nicht be- merkt, angedeutet, xdg^og Splitter von Holz, Reisig oder Stroh — Bild eines geringen sittlichen Fehlers; öoxog Balken — Bild eines großen. Dieses Bild war sprichwörtlich und findet sich nicht blos im Talmude, sondern auch bei den Arabern (s. die Belege bei Thol), Per Vergleichungspunkt ist aber nicht mit Thol. auf das Schmerzhafte zu beziehen. Diese Beziehung liegt nicht nur ferne, sondern paßt auch nicht zu dem Satze: ,jden Balken in deinem Auge wirst du nicht ge- wahr." Die Vergleichung liegt blos in dem Gegensatze des Winzig- kleinen und des Gewaltiggroßen, und das Auge komt dabei in Betracht als das Leibesglied, auf welches sich der Blick zunächst richtet, wenn man mit jemand redet. In v. 3 ist das Bild nach einer andern Seite ausgeführt. Ilcog sQSlg „wie darfst oder magst du sagen?" atte8 bilden den Stamm der Bürger des Himmelreichs, an deren Selig- keit alle teilhaben, die im Glauben ihre Söhne geworden, Gal. 3, 7. Hörn. 4, 16 u. a. Die vlol rrjc; ßaö. Söhne (Angehörige) des Beichs sind die Juden, welche vermöge ihrer Abstammung von Abraham und ihrer bürgerlichen Zugehörigkeit zum Bundesvolke das nächste Anrecht auf die Güter des Himmelreichs haben, aber von demselben ausgeschlos- sen werden, wenn sie nicht an den verheißenen Samen Abrahams (Gal. 3, 16), Jesum Christum glauben. Für axßZrjO^fjöovrac hat Tisch. 8 nach « k^sXsvöovrai aufgenommen; aber dieser eine Cod. ist für die ürsprünglichkeit dieser Lesart ein zu schwacher Zeuge, ro öxotog rö k^cirsQOv die Finsternis, die außerhalb des vom ewigen Lichte stra- lenden himmlischen Zion (Jes 60, 1. Apok. 21, 11. ^3. 22, 5) herscht. Dort wird sein Heulen, Ausdruck wehklagenden Schmerzes, und Zähne- knirschen, Geberde der Verzweiflung. Der Artikel© x^«v^^.u. 6 ßgvyfi, ,weist auf das xar 8§,oxf]v bewußte in der Hölle herschende Elend hin (13, 42. 50. 22, 13. ^24, 51. 25, 30)' (Mey.) Lukas hat diesen Aus- spruch in der Parallelstelle nicht, sondern erst später 13, 28 f. am Schlüsse einer Ermahnung, ernst nach dem Eingang in das Reich Got- tes durch die enge Pforte zu ringen. Daraus folgt aber keineswegs, daß der Ausspruch hier bei Matth. nicht ursprünglich wäre. Denn diese für die Juden überaus wichtige Warnung kann Christus in ähnlicher Bildrede mehrmals ausgesprochen haben. — V. 13. Hieraufsagt der Erlöser dem Hauptmanne die Gewährung seiner Bitte zu: „Gehe hin. 222 Matth. VIII, 14—17. wie da geglaubt hast, geschehe dir'S Und sein Knecht ward gesund zur selbigen Stande. Diesen Schlnß der Erzählung hat Luk. anders gewen- det, gemäß seiner Darstellung, daß der Centurio nicht in Person sondern durch seine Freunde Jesum bewogen hat, nicht ins Haus zu ihm zn kom- men, sondern durch ein Wort aus der Ferne den Kranken zu heilen. y. 14—- 17. Heilung der Schwiegermutter des Petrus und andere Krankenheilungen. Die Parallele zu diesem Abschnitte findet sich Mark. 1, 29—34 u. Luk. 4, 38—41, wo diese Heilung an die Heilung des Dämonischen in der Synagoge zu Capemaum angeschlos- sen ist, von wo Jesus sich in das Haus Simons begab. Diese Differenz über die Zeit dieses Vorfalles hängt mit der verschiedenen Anordnung der Begebenheiten bei Matth. einer- und bei Mrk. a. Luk. andrerseits zusammen, wobei sich nicht ermitteln läßt, welche von beiden Angaben die richtige sei. Die Behauptung, daß der Bericht des Mark der ur- sprttngliche sei, ist kritische Hypothese, nicht ausgemachte Warheit Darin stimmen alle drei Evangelisten überein, daß J^sus dieses Wun- der verrichtete, als er nach seiner Ankunft in Capemaum in das Haus des Petrus eintrat. Ob dies aber geschehen, als er von Kana her (Mrk. u. Luk.) oder vom Berge, wo er die Reichspredigt gehalten (Matth.) her nach Capemaum gekommen war, das läßt sich nicht entscheiden und ist für die Sache von keinem Belange. Das Haus bewohnten nach Mrc. 1, 29 die Brüder Simon und Andreas mit Simons Schwieger. Ob sie es gekauft oder nur gemiethet hatten, als sie von ihrem Geburtsort Beth« säida (Job. 1, 45) nach Capemaum zogen, darüber fehlen Nachrichten. Die Schwiegermutter lag darnieder jtvgiöoovöa hitziges Fieber habend. Als sie dies Jesu sagten (Mrk.), faßte sie Jesus bei der Hand and das Fieber verließ sie, daß sie aufstehen und ihn (avrm nach den krit. Zeugen statt amotg bei Mrk. u. Luk.) bedienen konte {öcaxopslp bei Tische dienen, aufwarten, Luc. 10, 40. Job. 12, 2). Nach Luk. be- drohte Jesus das Fieber, worauf es wich. Diese Verschiedenheit gleicht sich durch die einfache Annahme aus, daß Jesus beim Erfassen der Hand der Kranken mit einem Worte das Fieber vertrieb. y. 16 f. Als es Abend geworden, brachten sie zu ihm viele Beses- sene und er trieb die bösen Geister aus Zoycp durchs Wort ohne andere Mittel, und heilte alle Kranken (rä jüvsvfiata = rä öac/iopia, und jtavxaq alle die zu ihm kamen oder gebracht wurden). Der Zadrang des Volks mit seinen Kranken erfolgte erst am Abend (als die Sonne unterging, nach Mrk.), weil bis dahin das Gerücht von der wunderbaren Heilung der Schwiegermutter Simons sich im Orte verbreitet hatte. — An diese allgemeine Bemerkung von Jesu Heilungsthätigkeit, die auch Mark. u. Luk. in diesem Zusammenhange haben, knüpft Matth. y. 17 die pragmatische Reflexion, daß dadurch der Ausspmch des Propheten Jes. 53, 4 über das erlösende Wirken des Messias erfült wurde. Die angeführten Worte: „er hat unsere Schwachheiten hingenommen und die Krankheiten getragen" beziehen sich im Zusammenhang der prophe- tischen Verkündigung auf das Erdulden der Uebel als Folgen und Stra- fen der Sünde, welches der Knecht des Herrn (der Messias) an Stelle Matth. VIII, 17—19. 223 des sündigen Volks übernommen hat. Die Worte sind von Matth. frei aber tren nach dem Grnndtexte griechisch wiedergegeben. eXaßsv ist ist Uebersetzung von «tos ferre und tollere, das im Parallelismus mit bno ßacrd^siv tragen (eine Last oder Bürde) nur in der Bed. auf sich nehmen und tragen gefaßt werden kann. Für rag dod'svslag Tjficov und rag voöovg steht im Grundtexte ^'2^t^ und v*^^m3s unsere Krank- heiten und unsere Schmerzen, wodurch der Sinn nicht geändert wird. Diese Weißagung hat zwar ihre dem Grundtexte entsprechende Erfül- lung in dem Todesleiden Christi, in seinem für die Sünder, zur Ver- söhnung derselben erlittenen Tod erhalten (Job. 1, 29. 1 Petr. 2, 24); dennoch konte Matth. auch die Erankenheilungen Jesu als eine erste und niedere Erfüllung derselben auffassen, insofern als diese Heilungen nicht nur ein Eingehen Christi in die Gemeinschaft der Leiden seines Volkes voraussetzen, sondern auch die Wegnahme der Uebel ein Tra- gen derselben war, indem Christus die Leiden als Folgen und Strafen der Sünde nur heilen konte, weil er im Stande war, die Sünde selbst zu tilgen. Die Erankenheilungen als Aufhebungen der Uebel sind dem- nach Vorstufen der Aufhebung ihrer Wurzel, der Sünde. Mithin ist, Yde Mey. richtig gegen de W,, Bleek u. Grimm bemerkt, Xafißdvscv und ßaord^eiv nicht gegen den Sinn von Mi^s und ^^o in der Bed. weg- nehmen und entfernen zu fassen, sondern: ,wenn den Kranken die Krankheiten abgenommen werden, so erscheint der wunderbare Erbar- mer, der dies thut, als derjenige, der sie hinnimmt und trägt wie eine den Andern abgenommene LastS Nur ist diese Vorstellung nicht blos ,pla8tisch, dichterisch', sondern enthält die tiefe Warheit, daß der Hei- land die Krankheiten, die er hebt, auch mit empfindet und selbst fühlt, wie aus Joh. 11, 33 u. 35 zu ersehen. V. 18—22. Von der Nachfolge Jesu. Vgl. Luc. 9, 57—62. Mit den Worten : „als aber Jesus viele Volksscharen um sich sah, befahl er abzufahren sig ro Jtsgap in das jenseitige Land am galiläischen Meere (s. v. 23)", wird eine Gruppe von Begebenheiten eingeleitet, die mit dem Vorhergehenden nur lose zusammenhängt, da dort von Ver- sammlung der o/>lo^ um Jesu nicht die Rede war. Luk. führt die Er- zählung von der Fahrt über das Meer 8, 22 mit den Worten ein: ,Es begab sich an einem der Tage, daß er ein Schiff bestieg. Mark, endlich hat den Entschluß Jesu, über den See zu fahren, 4, 35 zwar zeitlich an Jesu Beden zu dem Volke in Gleichnissen angeknüpft, aber nach rein subjectiver Vermutung, da die Belehrung des Volks durch Gleichnisse nach Matth. u. Luk. in die spätere Zeit fiel. — Die in V. 19—22 erwähnten Vorgänge, deren Bedeutung in den Aussprüchen Jesu über seine Nachfolge liegt, hat Matth. in die Zeit gesezt, da Jesus sich zur Ueberfahrt über den See anschikte«, ohne Zweifel nur deshalb, weil damals wirklich ein Fall der Art sich zugetragen hatte. Lukas hat sie c. 9, 57 ff. in den Anfang der lezten Reise Jesu nach Jerusalem gesezt und zu den beiden von Matth. berichteten Fällen noch einen dritten ähnlichen hinzufügt. V. 19. Bevor Jesus das Schiff bestieg, trat ein Schriftgelehrter zu ihm mit dem Erbieten: „Meister, ich will dir 224 Matth. VUI, 20. nachfolgen, wo da irgend hingehst. Die Anrede äiäaoxaXa entspricht dem hehr. Rabbi, slg steht nicht für das nnhestimte tlg, sondern mit Bücksicht auf das v. 21 folgende tzegog: ,Einer, ein Schriftgelehrter' (Mey.). Da dieser Mann aas eigenem Entschiasse Jesu nachfolgen will, so macht ihn der Erlöser auf die Enthehrungen aafinerksam, die seine Nachfolge mit sich hringe, indem er v. 20 ihm sagt: „Die Füchse hahen Gruben und die Vögel des EUmmels Nester, aber der Menschensohn hat nicht wo er sein Haupt hinlege/' KaraöxTjvciösig bed. nicht speciell Nester, sondern Aufenthaltsstätten, wo die Vögel wie in ihren Zelten weilen können, vgl. 13, 32. Damit erklärt Jesus dem Schriftgelehrten, daß wer ihm nachfolgen wolle, auf das für irdisches Lebensglück Un- entbehrliche verzichten müsse. Wie derselbe diese Antwort aufgenom- men, wird nicht erwähnt. Es komt dem Evangelisten nur auf den Aus- spruch des Herrn an, daß seine Nachfolge Verleugnung alles Irdischen erheische. Hier finden wir in unserem Evangelium zum ersten Male die Be- zeichnung 6 viog xov dvd^Qoiüiov, welche Jesus von sich in den Evangg. 78 mal und die Parallelstellen abgerechnet 50 mal gebraucht Außer- dem komt sie nur noch Act. 7, 56 im Munde des sterbenden Stephanns in wörtlicher Bezugnahme auf den Ausspruch Christi Mtth. 26, 64 vor, sonst nicht weiter im N. Test, da in Apok. 1, 13 u. 14, 14 OfioiopvUS dvd^QWJcov wörtlich nach dem mg vlbg dvd^gcijtov, ^V^ ^^ä Dan. 7, 13 gebildet ist. Auch in den Evangelien wird Christus weder von den Aposteln noch vom Volke jemals so genant, denn in Job. 12, 34: „was sagst du denn, der Menschensohn muß erhöhet werden? wer ist dieser Menschensohn ?^^ hat das Volk diese Bezeichnung nur aus den Worten Jesu aufgenommen. Schon hieraus ergibt sich, daß 6 vlog x. dvd: keine unter den Juden gang und gäbe Messiasbezeichnung war, wie vlog Aaviö, sondern Jesus selbst diesen Ausdruck zur Bezeichnung seiner messianischen Erscheinung ausgeprägt hat, und zwar aus der Weißagung des A. Test 's, wie allgemein anerkant wird. Aber weder aus Ps. 8, 5 noch aus der constanten Anrede des Propheten Ezechiel VLB dvd^Qcijtov (Ez. 2, 1. 3, 1 u. s. w.) vonseiten des sich ihm offenba- renden Gottes. Denn durch diese Anrede wird bei Ezech. der Abstand zwischen der menschlichen Schwäche seiner Natur und der göttlichen Kraft, die ihn zum Reden befähigt und treibt, in einer Weise hervor- gehoben (vgl. m, Comm. zu Ez. 2, 1), die für die Selbstbezeichnung Jesu sich nicht eignete. Selbst wenn Jesus mit „der Menschensohn" sich hätte als den Messiaspropheten darstellen wollen, würde diese Be- zeichnung Ezechiels dafür keinen Anknüpfungspunkt darbieten, weil in den Weißagungen Ezechiels das prophetische Amt des Messias nirgends hervorgehoben oder überhaupt nur erwähnt ist. — Für die Herleitung dieser Bezeichnung Jesu aus Ps. 8, 5: „was ist der Mensch (''23'b«), daß du sein gedenkest und der Menschensohn (Q'J^na vlog dvd^Qoijcov)^ daß du seiner dich annimst?'^ läßt sich zwar geltend machen, daß diese Stelle in Hehr. 2, 6 — 8 messianisch gefaßt und das v. 6 von dem schwa- chen Menschen Ausgesagte: „du hast ihn wenig Gottes ermangeln lassen Matth. Vm, 20. 225 und mit Herrlichkeit und Würde ihn gekrönt'' auf Christi Erniedrigung und Erhöhung bezogen ist. Allein gegen diese Herleitnng spricht ein- mal, daß dieser Psalm eigentlich von dem Menschen überhaupt, und zwar von der Stellung, welche Gott ihm bei der Schöpfung angewiesen hat, handelt und nur in dem Sinne typisch auf Christum bezogen ist, als Christus auf Erden sich des Gottgleichseins entäußerte und die fiOQq>^ d-sav mit der fiogg)^ öovXov vertauschte (Phil. 2, 5 ff.), sodann daß Jesus mit dieser Selbstbezeichnung nirgends seine Erniedrigung unter Gott andeutet; auch in dem vorliegenden Ausspruche nicht, wo er sich doch als den, der auf Erden nicht einmal einen Ruheplatz für sein müdes Haupt besitze, darstelt; noch weniger in andern Aussprü- chen. Der Menschensohn ist Herr des Sabbats (12, 8. Mrc. 2, 28. Luc. 6, 5), hat die Macht Sünde zu vergeben (9, 6. Mrc. 2, 10. Luc. 5, 24), ist gekommen sein Leben zum Lösegeld für die Sünden der Welt hin- zugeben (20, 28. Mrc. 10, 45), wird zwar leiden und sterben, den Hei- den überantwortet und getödtet werden, aber am dritten Tage vom Tode wieder auferstehen (17, 9. 12. 22. 20, 18. 26, 2. 24. 45 u. a.), und wird wiederkommen in der Herrlichkeit des Vaters mit seinen Engeln in den Wolken des Himmels und das Gericht über alle Völker halten (16, 27 f. 19, 28. 24, 27. 30. 37 ff. 25, 31. 26, 64 vgl. 10, 23. 13, 41). Der Menschensohn ist vom Himmel hernieder gekommen (Joh. 3, 13), Engel Gottes steigen hinauf und fahren herab auf ihn (Joh. 1, 52); er muß erhöht werden und auffahren wo er zuvor war (Joh. 3, 14. 6, 62. 8, 28. 12, 34); ihm ist das Gericht übergeben, weil er vlag äi^gcijtov ist (Joh. 5, 27). Während in keiner dieser Aus- sagen vom vlog raS avd-Q, eine Hindeutung oder Anspielung auf Ps. 8, 5 zn erkennen ist, tritt dagegen in den Aussprüchen über die Wie- derkunft des Menschensohnes mit den Wolken des Himmels die Bezug- nahme auf Dan. 7, 13 so deutlich hervor, daß, wie auch von den meisten Ausll. anerkant wird, Jesus diese Selbstbezeichnung nur nach dieser Stelle gebildet haben kann, wo der Prophet im Gesichte schaut, wie einer i^% nn^ mq vloq dvd'Qcijtov in den Wolken des Himmels vor den ewigen Gott gelangt, der ihm Herschaft, Majestät und Königtum über alle Völker gibt, daß sie ihm dienen; zumal der von Daniel cog vlog ca^Q. Geschaute nicht das Volk Israel darstelt, wie nach dem Vor- gange von Äben-Ezra, Paul, Wegschdder, Hitzig u. A. mehr, auch Hofmamn meint, sondern der Messias ist, wie nicht nur von Hngsth. u. Oehler (in Herz.'s Kealencykl. IX, 416 u. Theol. des A. T. H, 265), sondern auch von Riehm (Messian. Weiß. S. 123. Not. 2) und Ewald (bibL Jahrb. m, 231 f.; die Propheten HI S. 404 f. u. Geschichte Christ. V S. 304 f.) anerkant wird. ^ 1) Qegen die Herleitmig des Ansdmcks 6 vtos r. äv&g, ans Dan. 7, 13 hat Hqfm. (Schriftbew. U, 1 S. 80) eingewandt, daß in dieser Stelle nicht der Mes* ÖBB, sondern, wie der 27. V. beweise, das Volk Gottes in einer menschlichen Erscheinimg vorgestelt sei, und daß jene menschliche Erscheinung nicht von oben hernieder anf die Erde komme, sondern von den Wolken hinaufgetragen werde, hinauf zu Gk>tteB Thron, um dort von ihm das Beich zu empfangen. Allein Keil , Coinm. z. Erangel. Matth. 15 826 Matth. YIU, 20. Wenn aber Jesus diese Selbstbezeichnong aus Dan. 7, 13 entnom- men bat, um sich als den zu bezeicbnen, welchen Daniel in Menschen- gestalt mit den Wolken des Himmels kommend geschaut hat^ so ist in dieser Benennung nicht blos die wirkliche Menschheit Christi ausge- sprochen, sondern zugleich sein himmlischer Ursprung und der Zweck seines Kommens in die Welt angedeutet. Der von Daniel in Menschen- gestalt Geschaute ist in Jesu Christo vom Himmel herabgekommen, um das Belch, das Gott ihm verliehen, auf Erden zu gründen. Diese Be- deutung des Namens ist schon in der ersten Stelle, wo Jesus denselben braucht, Job. 1, 52 angedeutet. Die Worte: „Von nun an werdet ihr den Himmel offen sehen und die Engel hinauf und herabsteigen sehen auf den Menschensohn'^, weisen auf die in der unscheinbarenMenschen- gestalt Christi verborgene göttliche Hoheit hin. Der Menschensohn ist der auf Erden wandelnde Gottessohn. Auch in den übrigen Stellen, wo Jesus sich den Menschensohn nent, gibt sich der in Niedrigkeit auf Erden wandelnde Mensch als der König des Beiches Gottes zu erken< neu. Der kein Lager für sein müdes Haupt hat, besizt die Macht, Sün- den zu vergeben. Der nicht gekommen ist sich dienen zu lassen, son- dern zu dienen, der dient der Welt so, daß er sein Leben zum Lösegeld für ihre Sünden hingibt (20, 22). Der von den Obersten seines Volkes den Heiden Ueberantwortete und Getödtete wird nicht nur am dritten erstlich ist bei Daniel nicht, wie bei diesem Argumente vorausgesezt wird, der Himmel als der Ort genant, wo Gott das Gericht hält, sodann fordert schon der Gegensatz zu dem Aufsteigen der Thiere aus dem Meere, das Kommen d^ menschlichen Erscheinung mit oder auf den Wolken des Himmels als ein Herab- kommen vom Himmel zu denken. Die Wolken sind auch sonst die Hülle und ,das Gefähr', auf welchem Gott vom Himmel herabkomt zum Gericht (Ps. 18, lu ff. 97, 2- 4. 104, 3. Jes. 19, 1. Nah. 1, 3j. Ferner ruhen die Ausspräche Christi über seine Wiederkunft in, mit oder auf den Wolken des Himmels (HÜh. 24, 80. 26, 64. Mrc. 13, 26 v^l. mit Apok. 1, 7 u. besonders dem ini t^y psipi- Xriy xa^riuevov ofjLoiov v/^ av&Q(onov Apok. 14, 14 so augenscheinlich auf Dan. 7, 13, daß darüber gar kein Zweifel stattfinden kann, daß Christus jene Yisioii als ein vom Hinmiel herab Kommen verstanden hat, während Hofrn, für seine singulare, mit allem was die Schrift über diese Sache lehrt in Widerspradi stehende Deutung die Stelle 1 Thess. 4, 17 nur mit völligem Absehen von dan Contexte v. 16 anführen konte. Mit dieser exegetisch unmöglichen Deutung des Kommens mit den Wolken des Himmels fält aber auch die Deutung des co; vlU ttv^Qti}7iov Geschauten von dem Volke Gottes, da von diesem idcht gesagt wer- den kann, es sei auf den Wolken vom Himmel herabgekommen; Dan. 7,27 aber liefert hiefür auch keinen Beweis, weil der j^gd seine Aussage Aber du ewiffe Gottesreich (v. 27) nicht als Deutung des visionären Bildes v. 18 gibi sondern nur einfach sagt, daß nach Vernichtung des gottfeindlichen Homes una seiner Herschaft das Eeich und die Macht dem Volke des Höchsten übergeben werden wird, die üeber^abe des Beichs an das Volk Gottes aber nicht ohne des König (Messias) zu denken ist. Hiezu komt, daß in v. 21 — worauf nicht nni Auberlen sondern auch Riehm (S. 124) aufmerksam gemacht hat, die fieüigen des Höchsten von dem Menschensohne unterschieden werden. Da sie nämhoh schon vor der Gerichtsscene als Object der Verfolgung des kleinen Homs » schauen waren, so können sie nicht in der Gerichtsscene unter dem Typus eiiiei Menschensohns als eine neue Erscheinung eingeführt sein. Vgl. noch m. Cknnm. z. Daniel S. 197 ff. u. 228 ff. Matth. Vin, 20. 227 Tage wieder auferstehen, sondern auch zur Rechten der Macht 6ottes erhöhet werden und mit den Wolken des Himmels in der Herrlichkeit des Vaters kommen in seinem Reiche (16, 27 f.) nnd die Welt richten. Indem aher Jesus durch die Benennung 6 vlog rov dvd-Q, sich als den von Daniel geweißagten künftigen König des Reiches Gottes darstelt, tritt er damit einerseits der politisch gefärbten jüdischen Erwartung des Messias, der als Sohn Davids ein weltliches Reich aufrichten werde, entg^en, andrerseits leitete er dadurch seine Jünger an, über das We- sen seiner Person nnd die Beschaffenheit seines Reiches nachzudenken, um in seiner unscheinbaren Menschengestalt den vom Himmel gekom- menen Sohn Gottes zu erkennen, und an seiner Erniedrigung bis zum Tode keinen Anstoß zu nehmen. Hiemach sind alle Deutungen des o vlbg rov dy&Q. , die von dem Zusam- menhange mit Dan. 1, 13 absehen, als willkürlich und nngeschichtlich abzu- weisen. So die in dem ScMeiermacherachen Pantheismus wurzelnde und mit der paulinischen Idee des zweiten Adam combinirte Ansicht, daß o vlog rov ay^g. Christum als den Menschen im höchsten Sinne des Wortes, das Urbild der Menschheii, oder den zweiten Adam, oder den Menschen, aufweichen die ganze Geschichte der Menschheit seit Adam abziele {Hof mann, Thomasius, Luth, U.A.). Gegen diese Deutung in ihrer verschiedenen Modification legt schon der Sprach- gebrauch Protest ein, indem weder b'i&( ^a im A. noch o vVog xov av>onov im N. T. den Idealmenschen oder Adam, den ersten Menschen bezeichnet und in der sprachlichen Analyse des Ausdrucks der genit tov ay>onov nur generisch gefaßt werden kann. ^ — Eben so wenig läßt sich die neuprotestantische Erklä- rung rechtfertigen, welche Pfleiderer a. a. 0. S. 424 ff. so dargestelt hat, daß 1) DQr Ausdruck wa la, vlog ay&Qconov komt, von der Anrede Ezechiels (Ez. 2, 1 u. s. w.) und Daniels (Dan. 8, 17), wo durch diese Bezeichnung der Ab- stand zwischen dem offenbarenden Gotte und seinem menschlichen Organe her- voigehobcud wird, abgesehen im A. T. nirgends in Prosa für uiH vor, sondern nur in prophetischer Rede Num. 23, 19. Jes. 51, 12. 56, 2 u. in der Poesie Ps. 8, 6. 80, 18. 146, 3. Hiob 16, 21. 25, 6. 35, 8 im Parallelismus der Versglieder mit «5*0», TD"»« und *aa altemirend. Im N. T. aber findet sich nur der Plur. ol vloi x&y ar^gtanrny 2 mal (Mrc. 3, 28. Eph. 3, 5) für ol ay&gconoi, und der Singular nur Hebr. 2, 6 in dem Citete Ps. 8, 5. Demnach kann 6 vlog xov ay&gmnov als Selbfltbezeiclmung Jesu weder Hebraismus für 6 ay&gconog sein, noch der Geni- tiv xov ayd'gtanov als nomenpropr, = ToiJ lädagj, gefaßt werden. Auf diese Pas- sung laufen aber alle obige Deutungen hinaus. Auch die von v, Hofm. Schrift- bew. U, 1 S. 81, welcher troz der richtigen Bemerkung, daß der Artikel nicht die Bedeutung ürbüd der Menschheit, Mensch im höchsten Sinne des Worts verleihe, doch erklärt, ,daß der durch den Artikel aus der Menge der vloi vy&gfo- nmy Heraus£[ehobene und ihr gegenüber Gestellte hierdurch als deijenige Ange- hörige des sich forl^flanzenden Menschengeschlechts erscheint, auf welchen seine mit dem Ersl^eschaffenen als dem ay&g(o7iog, welcher kein vlog av^gtonov war, b^onnene (beschichte abgezielt hat'. Denn daß hier äy&gwnog als nomen mropr, Adams gefaßt ist, das zeigt ohne Widerrede die deutlichere Wiedergabe cUeser Deutung bei LuLhardt (Comm. z. Ev. Joh. I, S. 344) : ,Wie ^Davids Sohn" Jesum als den bezeichnet, in welchem die Geschichte des Hauses Davids ihr Ziel finden solte, so „des Menschen Sohn" als das Ziel der Geschichte^der Mensch- heit, welche mit dem ersten Menschen begonnen^ Denn hier ist o ay&gonnog = ontor Itosch d. i. = 'Ad&iA gefaßt. 16* 228 Matth. Vin, 20—24. Jesus mit diesem Namen sich als ein Organ Gottes bezeichnen wolle, da« nni in gewisser Beziehung Messias ist, in anderer aber wieder es nicht ist, als den Messiaspropheten, der zur wahren Messianitat d. h. himmlischen Measiasherr- lichkeit zwar bestimt, designirt ist, zunächst aber noch in niedriger Erschei- nung, doch schon ausgerüstet mit dem inwohnenden Gottesgeiste, die geistige Gegenwart des Eeiches Gottes durch den Samen seines Wortes pfluizt, wogegen vlog xov ^€ov den Messias nach seiner theokratischen Würde und Machtstellung bezeichne. Denn obgleich der hiebei angenommene Zusammenhang der Benen- nung „Menschensohn" mit der Idee des Himmelreichs richtig ist, so steht doch der zwischen dem Menschensohne und der geistig unsichtbaren Entfaltong des Himmelreichs gezogenen Parallele der Umstand entgegen, daß Jesus auch in den Beden von seiner Wiederkunft zur Aufrichtung des Beiches der HerrUehkeit sich constant den Menschensohn nent. Wäre PflJs Ansicht richtig, so hitte ex sich in diesen Beden vlos zov d-sov nennen müssen. Y. 21 n. 22. Der zweite Vorgang. Statt ^zsQog rtSv /ladfjrcovhBX Lok. blos ^TSQOVy aber mit der Angabe, dafi Jesus denselben anffor* derte, ihm nachzofolgen, wodurch dieser als Zuhörer Jesu charakteri- sirt wird, so daß von einer ,yeränderten Gestalt der Ueberliefenm^ (Mey.) nicht die Rede sein kann, da die Verschiedenheit nnr Inder Form des Aasdmeks liegt, nicht die Sache betrift. Denn fiaOfjnjg ist ein Jünger im weiteren Sinne des Worts, der von Jesu Beden und Tha- ten sich angezogen fühlte, daß er sich dem engeren Kreise der Jesu be- gleitenden Jünger anschließen weite, aber vor Ausführung dieses Ent- schlusses seinen Vater begraben wolte. Ihm antwortet der Herr: „Folge mir und laß die Todten ihre eigenen Todten begraben'^ In diesem Paradoxon bezeichnet das erste rovg vexgovg die geistig Todten, die todt in ihren Sünden (Eph. 2, 1) des geistigen, von Christo ausgehen- den Lebens ermangeln, rovg aa^vrcov vsxgovg sind die leiblich Todten, ,die aus ihrem eigenen Kreise Gestorbenen^ (Mey,). Die anscheinende Härte dieses Ausspruchs soll dem Jünger zum Bewußtsein bringen, daß wer Christo nachfolgen will, mit der Welt brechen, alle irdischen Bande um Christi willen lösen muß, vgl. 10, 37. Nach Luk. sezt Jesus hinni: „Du aber gehe und verkündige das Beich Gottes'', womit gesagt ist, daß das Interesse des Beiches Gottes jeder irdischen Verpflichtung vor- angehen solle. — Ob dieser Jünger der Aufforderung Jesu nachkam, läßt sich nicht (mit Mey.) aus dem dxoXovd-BL fioc folgern. Haltlos sind alle Versuche, die Personen (v. 19 u. 21) näher zu bestimmen, und bei dem fiad^jzjjg an Philipptcs (nach Clem. AI) oder an Bctriholamaeus oder Thomas oder Simon Zelotes zu denken. V. 23—27. Stillung des Seesturms. Vgl. Mrc. 4, 36—41. Luc. 8, 23—25. Als Jesus in das (zur Abfahrt bereite) Schiff stieg, folgten ihm seine Jünger (nicht blos die 12 Apostel). Die Construct. ifißami avrtp wie v. 1. — V. 24. Während der Fahrt erhob sich ein großer Sturm (öBLöfiog eig. Erschütterung, hier Sturm wie Jer. 23, 10. Nah. 1, 3 für IT^?©; bei Mrk. u. Luk. XalZccip dvefiov Sturmwind), so daß das Schiff von den Wellen bedekt wurde d. h. die Wellen darüber «u- sammenschlugen. lieber die Stürme und Windstöße des von höheren Matth. VIU, 25—28. 229 Landstrichen tief eingeschlossenen Sees von Tiberias vgl. Robms. Pal. in, 571 f. u. Phys. Geogr. v. Pal. S. 199 f. Jesus aber schlief — in Rohe, ohne von dem Sturme aufgeregt zu werden. Und seine Jünger wekt«n ihn mit den Worten: „Herr, rette, wir verderben'S In dem Asyndeton spricht sich die Angst aus. Diese Angst und Furcht vor dem Yeorderben verweist ihnen der Herr: „Warum seid ihr furchtsam, Elein- glänbige?'' X)XiY6jtiözoi schilt er sie, weil sie kein Vertrauen zu sei- ner Person zeigten*, nicht bedachten, dafi sie in seiner Gemeinschaft nicht untergehen können. Dann stand er auf, bedrohte die Winde und das Meer und es entstand große Meeresstille. Diese wunderbare Macht des Wortecr Jesu auf den Meeressturm sezte die Menschen in Erstaunen. *0i lictdfjfcal sind nicht die (jux&rjftal avzov v. 23, sondern die Leute auf dem Schiffe insgemein, worunter die fia&rjtäl nur mitbegriffen sind, alle Augenzeugen des Wunders. Auch die Jünger, welche schon man- ches Wunder Christi gesehen hatten, wurden durch diese Offenbarung der Allmacht Christi über die empörten Naturgewalten in Staunen ge- sezt. — Die Versuche der Bationalisten und Neuprotestanten, das wun- derbare Ereignis durch Umdeutung zu beseitigen oder als Produkt übertreibender Sage darzustellen (Paulus, Schleierm., Hase, Sirauss, Schenk,, JFeizs., Keim u. A.) sind nicht dazu angethan, das Wunder zweifelhaft zu machen. War Jesus in Warheit Sohn Gottes, so konte er auch vermöge der ihm inwohnenden göttlichen Energie (Luc. 11, 2) eben so leicht durch eine MachtäuBerung seines Willens den Meeres- stnrm stillen, als Wunder auf dem somatischen und psychischen Gebiete verrichten. Kranke und Besessene heilen und Todte erwecken. V. 28---34. Heilung der Besessenen zu Gtergesa. Vgl. Mrc. 5, 1—20. Luc. 8, 26— 39, wo der Zustand des Kranken vor, während und nach der Heilung eingehender und anschaulicher beschrieben ist als bei Matth., der sich auch hier auf den Kern dieses Heilungswunders beschränkt. Sachlich differiren die Berichte darin, dafi Matth. von zwei Dämonischen redet, Mrk. u. Luk. nur von einem. Diese Verschieden- heit kann, wenn man sie auch für unausgleichlich hält, die Geschicht- lichkeit des Wunders nicht zweifelhaft machen, sie läßt sich aber durch die naheliegende Annahme ausgleichen, daß Mrk. u. Luk. nur den einen erwähnen, dessen Baserei vor der des andern hervortrat, dessen Hei- lung daher in der von Mark. u. Luk. benuzten Quelle allein überliefert war. ^ Der Ort dieser Begebenheit ist in den Hdschr. x^Q^ ^^^ ^^Q' yeiSfjvcov oder tc5v FsQaöfjvSv oder rc5v raöaQfjvmv genant und zwar so, daß in den 3 Evangelien jede dieser Lesarten mehr oder weni- 1) Denn daraus, daß die apostolische Quelle nachher von einer Mehrheit vtt6S?^^ Nach Mrk. u. Luk. hatte Jesus den unsauberen Geistern geboten, ans den Menschen auszufahren; daher die Rede rl ^filv tctX,, welche dl» Dämonen aus den Besessenen heraus sprachen. Sie erkennen Jesom und nennen ihn Sohn Gottes, wie Beng. sagt: cum iremore vgL Jak. 2, 19, weil sie wissen, daß sie vor seiner Macht weichen müssen. Da- her sprechen sie weiter: „Du bist hieher gekommen vor der Zeit uns zu peinigen (nach Mrk.: ich beschwöre dich bei Gott, nach Luk. mil- der: ich bitte dich, mich nicht zu peinigen). Mit ßaöavlöai meinen sie die Yerstoßung in den Abgrund (r^v aßvööov Luc. v. 31) d. h. in die Hölle zu ewiger Pein (Luc. 16, 23. Apok. 14, 10. 20, 10). Zu beach- ten ist jcQO xaiQOv, das bei Mrk. u. Luk. fehlt. Daß das Gericht der Verdammnis kommen wird, wissen sie, wollen aber nicht vor dem Ein- treten desselben in die Hölle verstoßen sein. Die Erwartung, daß der Messias das Gericht über die Welt halten und die Gottlosen verdam- men werde, war auf Grund der prophetischen Verkündigung in Israel eine allbekannte Warheit. — Auf die Anrede des Dämons antwortet der Erlöser nach Mrk. u. Luk. mit der Frage: rl cot ovofia wie heißest du? Diese Frage hatte zum Zwecke, in den Besessenen das Bewußtsein der menschlichen Persönlichkeit wach zu rufen. Aber der Besessene oder der Dämon durch ihn antwortete Asyedv d. i. legio, ein Schar von 4000 römischen Soldaten. Die unwiderstehliche Macht der römi- schen Legionen hatte auf die Juden solchen Eindruck gemacht^ daß der Dämonische die furchtbare Gewalt, die ihn tyrannisirte, als Legion bezeichnete. Die Evangelisten erklären diese Antwort durch die Be- merkung: daß viele Dämonen in dem Menschen waren. Dennoch fühl- ten die Dämonen die Uebermacht der Person Jesu so stark, daß sie ihn sehr baten, sie nicht in den Abgrund zu schicken. — Die bis hieher unrichtig, da ja nicht nur Orig. u. Euseh. sondern auch die noch vorhandenen Buinen die einstige Existenz desselben bezeugen, teils unbe^ndet, da der Name Gergesa nicht notwendig mit dem alten Volke der Girgasiter zusammenzubin- gen braucht, dazu noch die Angabe des Joseph, einen solchen Zusammenhaüg nicht ausschließt. Mattk Yin, 29-81. 2S8 angefUirten Zflge des Oebahrens der Dämonischen, als ZerreiBen der ihnen angelegten Fesseln , der Kleider Yom Leibe, das sich Aufhalten in Holen und das Ueberfallen derer die ihnen nahe kommen, entspre- chen dem, was als natürliche Krankheit Tobsucht mit Unst&tigkeit ge- nant wird. In dem Zuge aber nach den Gräbern und wfisten Orten (Lac. T. 29 vgl. Mtth. 12, 43) bekundet die Unstätigkeit schon ihren dftmonischen Charakter; das vollendete Besessensein von einem Dämon aber tritt darin hervor, daB die Dämonen (oder der Dämon) mit gänz- licher Verdrängung der Selbstmacht des Menschen unmittelbar aus ihm sprechen, und das Ausgesprochene einen über den Erkentnisgrad der damaligen Menschen hinausgehenden hellseherischen Einblick in Jesu Person und Werk verräth, und dafi sie nichts mit Jesu zu schaffen ha- ben woll^ und seine Nähe die Baserei der Besessenen steigert. Sie erkennen Jesum nicht nur als Sohn Gottes sondern auch als ihren künf- tigen Bichter. Zu diesen Erscheinungen finden sich schwache Analogien in den magnetischen Zuständen, in welchen der Magnetisirte auch als schlechthin willenloses Werkzeug des Magnetiseurs erscheint und Be- sitzung und Bindung einer Psyche durch eine andere sich zeigt, welche die Möglichkeit dämonischen Besessenseins begreiflich macht. ^ y. 30 f. Da aber in einiger Entfernung eine Herde Schweine am Berge weidete (statt fiaxQctv cbt avrcov haben Mrk. u. Luk. hcel, was bei der Dehnbarkeit des Begriffs ferne von ihnen und dort in der Ge- gend keine Differenz begründet), so baten die Dämonen Jesum: wenn er sie austreibe, sie in die Herde Schweine fahren zu lassen. Die Bitte: sie nicht in den Abgrund zu schicken oder nach Mrk. v. 10: sie nicht aus der Gegend hinauszuschicken, erklärt sich aus dem Bewußtsein der Dämonen, daS sie durch Austreibung aus den Menschen die Stätte ihrer Wirksamkeit verlieren, und dem Wunsche, ihr bisheriges Treiben noch länger fortsetzen zu können. Die Bitte aber, sie in die Herde Schweine &hren zu lassen, ist veranlaßt durch den Blick auf die in der Nähe be- findlichen Thiere, und den Wunsch, wenigstens in einem lebendigen Organismus bleiben zu dürfen, um Baum für ihr Wirken auf der Erde zu behalten. — Jesus antwortet v. 32 : vjtaysTS gehet (fahret) hin. Dies ist nicht als Befehl, aus den Menschen fortzugehen, zu fassen, sondern, wie Mrk. u. Luk. richtig angeben, als Erlaubnis, in die Körper der Säue zu fahren. Und k^sX&ovreg djc^Xd'Ov elg r. ^^/(»ot^ „ausgegan- gfifß. (gewichen aus den Besessenen) fiihren sie in die (Körper der) 1) yAus dieser dynamischen Besitzung einer Menschenseele durch die an- dere — bemerkt Delitzsch ^ System der blol. Psychologie S. 303 d. 2. Aufl. — kennen wir uns eine Yorstellung von der substantiellen Besitzung einer Men- schenseele durch einen Dämon bilden. In jenem. Falle ist die Besitzung nur dynanuschi weil die Menschenseele an ihren Leib gebunden ist; in diesem Falle ist sie substantiell, obwol illocal, weil der Dämon kraft seines rein geistigen Wesens in den Wesensbestand des Menschen eindringen kann, ohne dessen lebendige Einheit zu zerklüften. In beiden Fällen aber sind die Kräfte der Seele biB auf die geistigen Wurzeln des Innenlebens unter den unnatürlichen Zwang einer firemden Macht gerathen und zu unfreiwilligen Formen eines aufgedrunge- nen Inhalts geworden'. UM Matiäi. VIU, 32. 81 Schweiii6^\ Wamm aber gew&hrte ihnen Jesus diese Bitte? warum ter- wies er sie nicht sofort in die Hölle? Er that lezteres nicht, ans dem- selben Grande, aus welchem nach der in der göttlichen Weisheit be- gründeten Weltordnnng die gänzliche Anfhebnng der Macht der bösen Oeister erst mit dem Endgerichte erfolgen wird, und die Erlösong d«r Menschen von allem Bösen snccesive vor sich geht, am einerseits dem Bösen Baam zu geben, sich ganz zu entwickeln and für das Gericht der Verdammnis aoszareifen, andrerseits den Mensche wie Frist zur BaBe and Bekehrang so anch Antrieb zur Entwicklung des neaen Le- bens im Glauben und in der Heiligung zu bieten, daB sie im Kampfe wider die Versuchungen des Bösen den Glauben bewähren. Durch die Erlaubnis, in die Schweine zu fahren, verbannt Jesus die Dämonen aus dem Gebiete des menschlichen Organismus und treibt sie in das Gebiet der unvernünftigen Creatur zurück, womit er sich als Erlöser der vom Satan gebundenen Menschheit und als Zerstörer des Reidis des Satans innerhalb dieser offenbart. — Ueber den Vorgang selbst, das djnjXOwf (oder elö^Xd-ov Mrk. u. Luk) slg rovg x^^^>^ ^^Bt sich nur so viel sagen, daß das Eingehen eines Dämons in ein Thier oder eine Thier- seele a priori als unmöglich zu leugnen, zu den Anmaßungen be- schränkten Menschenverstandes gehört, wenn dieses Eingehen auch nur in einem Eindrucke dämonischer Macht auf das physische Seelenleben des Thieres bestehen mag und sich dadurch nicht blos graduell, son- dern substantiell von der Besessenheit des Menschen unterscheidet Dieser unterschied tritt im vorliegenden Falle deutlich m Tage. „Siehe da stürzte die ganze Herde vom Abhänge herab in das Meer und kam im Wasser um^^ Diese Worte so zu deuten, daß die Beses- senen auf die Herde losstürzten und diese so in Schreck sezten, daß sie vom Abhänge herab ins Meer stürzte, ist mit dem djtijXd-ov oder 6^- ijXd-ov der Erzählung unvereinbar. Diese Worte nötigen zu der An- nahme, daß die Schweine durch eine Einwirkung der dämonischen Geistesmacht in unheimliche Angst versezt wurden, daß sie in blinder Raserei den Abgrund hinabstürzten, obschon wir uns von der Art und Weise dieser Einwirkung keine deutliche Vorstellung machen können. Durch das Ertrinken der Thiere im Wasser wurde übrigens der Wunsch der Dämonen, in jener Gegend eine Bleibstätte in einem lebendigen Organismus zu behalten, vereitelt. Daß sie aber mit den Säuen in dm See gestürzt sind und, wie Keim den Vorgang carrikirt, ,durdi das Was- ser abwärts in die Hölle fallen müssen^, ist willkürlich eingetragen. V. 33 f. Die Folgen dieses Ereignisses. Die Hirten flohen und mel- deten in der Stadt jiavra xal rä zc5v daifiovt^ofiivcDV „alles Ge- schehene und namentlich das mit den Dämonischen Vorgegangene^^ Da kam die ganze Stadt d. h. die Einwohnerschaft, wobei xäoa BkÄt zu pressen ist, heraus Jesu entgegen und bat ihn von ihrem Qebtote wegzugehen {rä ogia wie 2, 16, 4, 13), weil sie noch mehreren Scha- den von seinem Bleiben befürchteten. Mrk. u. Luk. erzählen genauer, wie die Leute, als sie aus der Stadt kamen und den Dämoniscbea be- kleidet und vernünftig zu Jesu Füßen sitzen sahen, in Furcht gecleihiii und Jesnm baten, ihr Gebiet zti verlassen, der geheilte Kranke abw, als Jesus in das Schiff einstieg, ihn bat, bei ihm sein (bleiben) ra dür- fen, Jesns aber diese Bitte ihm abschlug und ihm gebot, zn den Seini- gen nach Hause zu gehen und ihnen zn verkündigen , was der Herr an ihm gethan habe. — Der HanptanstoB an dieser Oeschichte concentrirt sich in dem Bedenken über die Sittlichkeit der Handlung Jesu und in der Frage nach dem Hechte, den Grergesenem ihre Schweine zu v^-> nicbten, worüber auch Jüey. nicht hinwegzukommen weiß. Dieses Be- denken last sich freilich nicht beseitigen durch Auskunftsmittel wie die, daß der Untergang der Schweine nicht eine That Jesu, sondern der Dämonischen gewesen sei, oder daß die Dämonen den Unt^gang der Thiere verursachten, den Jesus nicht voraus sah. Denn war Jesus der Sohn Gottes, so sah er auch die Folgen voraus, welche seine den Dä- monen gegebene Erlaubnis nach sich ziehen werde. Die Frage aber, wie Jesus habe die Ungerechtigkeit begehen können, den Leuten 2000 Schweine zu vernichten, ist — wie schon ti. Olshamen treffend be- merkt hat — ,völlig der albernen Bemerkung parallel, wie Gott so un- gerecht sein könne, hie und da Yiehsterben eintreten zu lassen. Die einfache Antwort ist, daß wo das Vieh stirbt die Menschen lebendig werden sollen, um zu lernen, daß ein Gott ist und daß eben alles, was er thut, das Rechte ist^ Ob die Schweine den heidnischen Einwohnern Gergesa's gehörten oder Juden, die aus Gewinnsucht diese Thiere la- gen, ist für die Sache von keinem Belange, und auch der Untergang dieser Thiere hat für den Gesichtspunkt der Evangelisten nur tnt^g^- ordnete Bedeutung. Die Hauptsache ist das Wunder der Bettung eineif Seele aus der Gewalt des Satans. Diese Wunderthat sdte eine BoV Schaft an die Bevölkerung jener Gegend sein. Dieser in dem xal ra X€ov öaipLOViJ^ofihxov des Mattk nur angedeutete Gesichtspunkt trilt in der Belation des Mrk. u. Luk. deutlich hervor. Denn — wie K1&*' siermann, das Markusevangelium nach s. Quellenwerthe f. die ev. Ge- schichte. Gott. 1867. S. 109 ff. durch sorgfältige Erörterung des auA- ÜQhrlichen Berichtes des Mark. (u. Luk.) überzeugend nachgewiesen ^^ als auf die Nachrkht von dem Untergange der fierde die Bewohnor der Stadt herauskommen^ sehen sie den Besessenen, der bisher die Straße unsicher gemacht hatte und von Niemand gebändigt werden konte, ruhig, angekleidet und ganz bei Vernunft zu Jesu Füßen sitzen. Dar- über kam sie Furcht an; denn sie erkennen an der wunderbaren Tef- ftndening dieses Menschen, daß von Jesu eine Wirkung göttlicher Macht und Gnade ausgegangea ist. ,Als Selbstanbietung des Erlösers aus Sa- tans Gewalt und als Forderung eines Sinnes, dem nichts tu thetier ist, um es filr das Gut der Erlösung vom Satan hinzugeben, hat die That Jesu dne die ganze Bevölkerung umspannende Bedeutung^ {KlosU). Für dieses Anerbieten haben diese Menschen aber keinen Sinn. Die Sorge vor weiterer Beschädigung ihrefi irdischen Gutes veranlaßt sie, Jesum zu bitten, er möge ihre Gegend verlassen. Und er kehrt auf dem Schiffe nach Galiläa zurück, gestattet aber dem Genesenen nicht, bei Ihm zu Meiben, sofern hieß flm in sdft Hauä tM deft Beinigen ztttUck- 886 Mattih.IX, 1. zukehren und zu erzählen, was ihm Grott gethan habe. ,Denn die Stadt soll nicht blos in dem Verluste ihrer Herde ein Denkmal der Anwesen- heit Jesu in ihrem Grebiete haben, was ja der yoUen Warheit nicht entsprechen würde, sondern das Weilen des genesenen Menschen in ihrer Mitte soll ihr zugleich ein fortwährendes Zeugnis des Heils und der göttlichen Gnadenmacht sein, welche mit und in Jesu einst auch ihr genaht ist' (IClost. S. 110 f.). An dieser Begebenheit hat nicht allein der Unglaube aller Zeiten, sondern auch die neuere Theologie, welche die Existenz des Teufels und der DSmonen nur f&r jüdischen Volks- und Aberglauben hält, großen Anstoß genomineiL Keim (H S. 458 ff.) ergeht sich mit Witz und Spott über diese Geschichte und ihre Ausleger, um zu zeigen, daß ,die ümdeutung (des Berichts) keinerlei Be- zeugung, die buchstäbliche Deutung aber außer den Quellen keine Vemmifty sondern nur den jüdischen Volksglauben oder Aberglauben zum Seeundanioi hat' (S. 461); will aber trozdem nicht mit Strauss die ganze Geschichte als ein „Prachtstück der Sagenwelt'^ preisgeben, sondern einen ,geschichtlichai Ken, wenn auch kleinsten ümfangs' als Grundlage festhalten, daß nämlich Jesus im Gebiete ron Gadara zwei Besessene geheilt (d. h. von ihrer Dämonomanie be- freit) habe, und daß der unheimliche Wunderthäter von den Gadarenem hinweg- gebeten und gegen seinen Willen anfs Schiff zurückgetrieben wurde. JHe Zu- that der Vierfüßler hat die Sage gemacht, indem sie die Heilung aus dem Leben eommentiren und die Ausweisung durch salzigen Judenspott erklären und rächoi wolte' (S. 462 f.). — Ohne die Anerkennung der Bealität b5ser Geister und der Möglichkeit ihrer Einwirkung auf die Menschen läßt sich freilich diese Begeben- heit weder begreifen noch rechtfertigen. Wird aber die Möglichkeit dämonischer Krankheiten anerkant, da zur Lengnung derselben remünftige Gründe fehlen, so erscheinen auch die Schwierigkeiten, welche die vorliegende Geschichte da^ bietet, nicht unlösbar, obwol in diesem psychologisch noch sehr wenig au^ hellten Gebiete manche Punkte nur nach Vermutung erklärt werden können. Cap. IX. Heilung eines Gichtbrüchigen. Berufimg des Matthäus und ZöUnergastmahl. Vom Fasten. Todten- erweckung und Krankenheilungen. Die drei ersten Vorgänge (y. 1—17) haben in derselben Reihenfolge Mark. (2, 1—22) u. Luk. (5, 17—39) an die Bergpredigt und die Hei- lung des Aussätzigen (Mtth. 8, 2—4) angereiht, jedoch chronologtsch nicht eng mit dieser Heilung verknüpft. Die Wunder der Auferweckimg der Tochter des Jairus und der Heilung des blutflüssigen Wdbes stehen bei Mark. (5, 22—43) und Luk. (8, 41—56) nach der Heüung der dä- monischen Gergesener, als in die Zeit fallend, da Jesus bei der Bflk- kehr aus Peräa das Schiff verlassen hatte und sich wieder viele Volks- haufen um ihn versammelten. Die beiden Heilungen v. 24—37 fehton bei Mark. u. Lukas. V. 1—8. Die Heüung des Giohtbrüohigen. Vgl Mrc. 2, 1—12 u. Luc. 5, 18—26. Als Jesus nach der Rückfahrt über den See wieder Matth. IX, 1-^. 2S7 nach Gapernamn (t^p Idlav noXiv s. zu 4, 13) gekommen war, brachte man einen Paralytischen d. i. einen an den FüBen Gelähmten, anf einem Tragbette liegend zu ihm. Da Jesus ihren (des Paralytischen und seiner Tr&ger) glauben sah, sprach er zu dem Oichtbrüchlgen : „Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben^' {dq)i(x>VTCu nach Suidas dorische Form des perf. infin. pass., vgl. Winer Gr. S. 77, woflü* »B dq>lsvTcu bieten). Nach Mrk. n. Lnk. brachten die Leute, da sie wegen des großen Andrangs des Volks nicht durch die Thür des Hauses zu Jesum gelangen konten, den Kranken auf das (flache) Dach (des Hauses), dekten dasselbe auf und ließen ihn auf dem Tragbette in das Zimmer hinab vor Jesum hin. Diese Anstrengung, den Kranken zu Jesum zu bringen, war ein Zeichen ihres Glaubens an seine Macht zu helfen. Doch ist idciv nicht hierauf zu beziehen, sondern ihren Glau- ben sah Jesus, indem er als Herzensktlndiger ihr Inneres durchschaute, sowie er nach y. 4 die Gedanken der Schriftgelehrten sah (Idciv) d. h. durchschaute. Vermöge seines Blickes in das Innere der Menschen (Job. 2, 25) erkante er auch, daß die Paralysis dieses Kranken ihren Ursprung und Grund in besonderen Stlnden desselben hatte, und ver- sicherte ihn der Vergebung seiner Sünden als der sittlichen Bedingung der leiblichen Heilung, nicht als eines Mittels, durch psychische Ein- wirkung auf den Organismus die Heilung zu erzielen. Die Anrede rixvov ist Ausdruck väterlicher liebe. — V. 3 ff. Ueber diesen Aus- spruch Christi urteilten einige der anwesenden Pharisäer iv kavrotg iu ihrem Innern: oirog ßXaög>j]/i6t „dieser (Jesus) lästert Gott^', indem er die Gott allein zustehende Macht, Sünden zu vergeben, sich anmaßt und dadurch Gott die gebürende Ehre entzieht. Dieses Urteil wäre be- gründet gewesen, wenn Jesus, wofür die Pharisäer ihn hielten, bloßer Mensch gewesen wäre. Um sie dieses Irrtums zu überführen dekt ihnen Jesus die Gedanken ihrer Herzen auf und erweist sich ihnen dadurch als Herzenskündiger. „Warum denket ihr Böses in euren Herzen?^ ncvTjQa sind die Gedanken, daß Jesus Gott lästere. Vor hdvfietöß'S bieten sehr viele Codd. vfistg, welches Tisch. 8 wol mit Unrecht getilgt hat Denn durch vnslq werden diese Leute dem Kranken und seinen Trägem, die in vollem Vertrauen zu Jesu gekommen waren, scharf entr gegengesezt. „Denn was ist leichter zu sagen: deine Sünden sind ver- geben, oder zu sagen: stehe auf und wandle ?'' Die Anknüpfung durch yoQ zeigt, daß mit dieser Frage der Vorwurf, daß sie böse Gedanken über Jesum hegten, begründet werden soll. Der Sinn der Frage ist: Das leztere ist eben so leicht und eben so schwer zu sagen wie das erstere. Zu dem Einen gehört nicht weniger Macht als zum Andern. V. 6. „Da- mit ihr aber sehet, daß des Menschen Sohn Macht (k§ovöta göttliche Vollmacht) hat, auf Erden Sünden zu vergeben (die Sündenvergebung nicht blos zu verkünden, sondern zu vollziehen), da spricht er zu dem Gichtbrüchigen: Stehe auf, nimm dein Bett und gehe in dein Haus'^ ijtl r^g y^g ist nicht mit Mey. von dtpiivai afi. zu trennen. Die Sün- denvergebung als Prärogative Gottes geschieht im Himmel; der Men- schensohn übt sie auf der Erde. Die Einführung des Nachsatzes mit SS8 Matth. IX, 7—10. rote Xiysi entspricht formell nicht dem Vordersätze, sondem solte formgerecht lauten: ,80 sage ich nun auch zu dem Kranken: Stehe auf u. 8. w. Statt dessen ist die Aufforderung an den Kranken: k/egd-elq xtX, mit tote Xiyec angefügt, nach einer der inconcinnen mündliches Ausdrucksweise nachgebildeten Breviloquenz. Die Worte röze Xiysi r(ß jucgak, sind daher nicht in Parenthese zu setzen. ^Eyslgcu und k/egO-elg sind intransitiv gebraucht, wie im Griechischen viele Activ- verba neben der transitiven auch die intransitive Bedeutung haben; namentlich Yerba der Bewegung; vgl. kühner Gr. n S. 81 ff. — T. 7f. Der sofortige Erfolg dieses Wortes, womit Jesus seinen Gegnern be- wies, daß er als der Menschensohn die Macht besitze, Sünden zu ver- geben, machte auf die Yolksscharen einen mächtigen Eindruck. 'Eg^o- ßijdTjaav sie erschraken. Diese von Lehm. u. Tisch, nach ^BD u. Minusk. aufgenommene Lesart besagt mehr als das ed'av/iaoav der rec., welches troz der starken Bezeugung wol nur Glosse ist. Die sichtbare Offenbarung göttlicher e^ovala erfülte die Gemüter mit Furcht vor der Nähe Gottes und trieb sie zum Preise Gottes, der solche Macht den Menschen gegeben, zolq dvß^Qcijcoig ist nicht Plural der Kategorie (vgL 2, 20), so daß nur Jesics gemeint wäre {Keim)^ sondem steht ge- nerisch: dem menschlichen Geschlechte. Sie ahnen, daß in der Person des Menschensohns diese Macht als eine neuerGabe Gottes der Mensch- heit verliehen sei, weshalb sie Gott preisen. Y. 9—13. Die Berufung des Zöllners Matthäus und das Zöll- nergastmahl. Ygl. Mrc. 2, 13—17 u. Luc. 5, 27—32. Dieses Ereignis, welches alle drei Evangelisten an die Heilung des Gichtbrüchigen an- gereiht haben, weil es in die Zeit fiel, in welcher Jesus, nicht lange nach seinem öffentlichen Auftreten, am Ufer des Sees Genezaret dem heilsbedürftigen Yolke das Evangelium predigte und Kranke heilte, wird von Matth. weniger deshalb berichtet, um seine Berufung zum Apostel zu erwähnen, als hauptsächlich wegen des Yorfalls bei dem da- mit zusammenhängenden Gastmahle, nämlich wegen der Yerantwortung Jesu gegen die Pharisäer, die an seinem Essen mit den Zöllnern und Sündern Anstoß nahmen. Y. 9. „Yorübergehend von dort her sah Je- sus einen Menschen an der Zollstätte sitzen, Namens Matthäus.^ ^xsld'sv von dort her, wo er den Paralytischen geheilt hätte; xagd- yoov bed. nicht: weiter gehend, sondern vorübergehend (vgl. 20, 30. Mrc. 1, 16 u. a.), nämlich an dem Orte, wo die Zollstätte war. Der Name Ufatthaeus ist hier proleptisch gebraucht, denn vor seiner Beru- fung zum Apostel hieß er Levi, s. oben S. 14 f. Auf den Euf Jesu, ihm nachzufolgen, stand Matth. auf und folgte ihm nach, seinen Zollamts- dienst aufgebend. Ohne Zweifel hatte Matth. schon vorher Jesum ken- nen gelernt, oder wenigstens von seiner Predigt und seinen Wunder» thaten viel gehört, und den Gedanken, sich ihm anzoschlieften, in sei- nem Innern bewegt, so daß der hier berichtete Buf Jesu nur seinen EntschluS zur Beife brachte. — Y. 10 f. Als er (Matth.) darauf zu Tische lag, und viele Zöllner und Sünder gekommen waren und mt Jesu und seinen Jüngern zu Tische lagen, spradien die PharifABr V9i Matth. IX, 10-12. m seinen Jflngern; „warum laset euer Meister mit Zöllnern and Sündern?'^ Der AnstoB, den die Pharisäer an Jesu Tischgemeinschaft mit den Zöll- nern nahmen und Jesu Yerantwortong ist dem Evangelisten so sehr die Hauptsache, dafi er das Gastmahl selbst nur in einem Participialsatze erwähnt, in welchem, vom Zusammenhange abgesehen, avtov dpoxair- (livov eben so leicht auf Jesam als auf Matthäus bezogen werden kann« Dagegen berichtet Luk. v. 39 f. deutlich, daß Levi (Matthäus) ein gro- ßes Gastmahl in seinem Hause ausrichtete, an welchem ein großer Haufe von Zöllnern mit Jesu und seinen Jüngern teilnahm, womach avtov (bei Mtth. u. Mrk.) sich auf Matthäus bezieht. Aber auch von Luk. abgesehen wird diese Beziehung schon durch das bei Mtth. fol- gende r(p ^ijöov gefordert, welches zeigt, daß Jesm nicht als Subject des Satzes anzunehmen ist. Auch iv ry olxla (v. 10) führt nicht auf das Haus Jesu in Capernaum. Seite wol Jesus, der nicht hatte wo er sein Haupt hinlegte, in Capernaum ein Haus besessen und Gastmähler gegeben haben? Auch bei Mark, ist es klar, daß obUa avtov Levi's Haus ist; vgl. Klosterm. Mark.-Ev. S. 43 u. Godet zu Luc. 5, 29. An das Haus Jesu läßt sich nur denken, wenn man mit Mey. u. A. dvaatäg iqxoXovQTjCev avttp buchstäblich und sinnwidrig so faßt, daß Matth. auf den Enf Jesu sich von seinem Sitze an der Zollstätte erhob und Jesu nachging, und dabei willkürlich ergänzt, daß Jesus von dort nach Hanse gegangen sei, während j]xoXovd7]a6v nur das Eintreten in die Jüngerschaft Jesu aussagt. Dieses Nachfolgen schließt nicht aus, daß Matthäus beim Aufgeben seines bisherigen Berufs seinen Freunden ein Abschiedsmahl gab, warscheinlich in dem Zollhause, das er bis dahin bewohnt hat lieber die Zusammenstellung teXcovai xal afiOQtwkol „Zöllner und überhaupt Sünder^^ d. h. Menschen von üblem Bufe, s. die Bern, zu 5, 46. — Die Pharisäer (der Artikel ol steht generisch, der Sache nach einige Pharisäer) sind nicht als Teilnehmer am Gastmahle zu denken. Wie sie Jesum mit den Zöllnern zu Tische sitzen sahen, laßt sich aus dem Idoi^tsq nicht erkennen, läßt sich aber auf verschie- dene Weise denken. Daß sie zufällig oder absichtlich dazu gekommen sein selten, ist zwar möglich aber nicht warscheinlich. Und dies auch angenommen, ist es kaum denkbar, daß sie sofort ihre Verwunderung darüber gegen die Jünger so geäußert haben selten, daß Jesus es hörte. Dies geschah offenbar erst, als die Gäste, folglich auch Jesus und seine Jünger nach Beendigung des Mahles das Haus verlassen hatten. Y. 12 f. Die Antwort Jesu: „Die Gesunden (ol laxvovtsg die Le- benskräftigen) bedürfen eines Arztes nicht, sondern die Kranken'', dekt den Pharisäern den inneren Grund ihres Anstoßes an seinem Verhalten aof. Weil sie sich für geistig gesund d. i. gerecht halten, so können sie wegen ihrer eingebildeten Gerechtigkeit Jesu Stellung zu den Sündern nicht begreifen. Gegenüber den Pharisäern sind die Zöllner geistig Kranke, die Jesum aufsuchten, weil sie Verlangen nach dem Heil empfanden, und denen als heilbegierigen Seelen Jesus der Sünderheiland nachging. Der ganz allgemein ausgedrükte Spruch gilt selbstverständ- lich von den beiden Volksklassen überhaupt, ohne alle einzelnen Indi- 240 Matth. IX, 13. vidnen derselben zu treffen, und erhält die Beziehung auf die welche sich fdr gesund und krank hielten durch die Anwendung auf den vorliegen- den concreten Fall. Wie nicht alle einzelnen Pharisäer Gegner Jesu waren, so zeigten auch nicht alle einzelnen Zöllner Verlangen, Jesa nachzufolgen. — Um aber den Pharisäern den Grund ihres Vertrauens auf Gerechtigkeit aufzudecken und sie zur Selbstprüfnng zu veranlas- sen, fftgt der Herr einen zweiten Spruch hinzu: „Gehet hin und lernet was es heißt: Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer*^ Damit sagt er ihnen rückhaltlos, daß sie und ihre Schriftgelehrten (ol ygafifiatstq avTcov Luc. y. 30) Gottes Wort nicht verstehen, ihr Anstoß an seinem Verhalten gegen dio SOnder seinen tieferen Grund in Mangel an Ya- ständnis der Schrift und Erkentnis des göttlichen Heilsrathes habe. noQsvd-ivzeg äh fiad'STS entspricht der rabbin. Formel ^^ W ,geh fort und lernet mit der man Einen abwies, damit er über die Sache weiter nachdenke oder Belehrung darüber suche-, vgl. SchöUgenadh.l IX iCTiv was (das angeführte Wort) dem Sinne nach ist d. h. welchen Inhalt und Sinn es habe. Der angezogene Spruch steht Hos. 6, 6 (LXX) und besagt: Gott will Erbarmen statt Opfer, nicht Opfer statt Erba^ mens. iXsog ist barmherzige Liebe. ^ Das Opfer als Hauptbestandteil der Gtottesverehrung und Bothätigung der Frömmigkeit ist genant als pars pro ioto, statt des gesamten levitischen Gottesdienstes. Die Fröm- migkeit der Pharisäer bestand in pünktlicher Befolgung der Bitnalge- böte des Gesetzes. Darein sezten sie ihre Gerechtigkeit vor Gott und übersahen dabei nicht nur den ethischen Kern des Gesetzes, sondern auch, daß das Wesen der Gesetzeserfüllung in der Liebe Gtottes und des Nächsten bestehe (vgl. 22, 37-40. Luc. 10, 27). Damit zeigten sie ihren Mangel an Schriftverständnis, indem sie nicht einsahen, daß alles was Gott für und an Israel gethan, Bezeugung seiner Gnade und Liebe zu den Sündern war. Zwar bezeichnet iXeoq in der angef. Stelle, wie lon des Grundtextes die Liebe des Menschen zu den Elenden und Unglücklichen oder die mitleidigeNächstenliebe; aber Liebe und Barm- herzigkeit gegen den Nächsten kann nur üben, wer die Liebe und Barm- herzigkeit Gottes erkant und im eigenen Herzen erfahren hat. Der Schlußsatz: „denn ich bin nicht gekommen zu rufen Gerechte, sondern Sünder", begründet nicht blos das ütOQBvd'ivxeq fid&srs (Mey. u. A.), sondern die beiden Sätze, daß die Pharisäer, weil sie sich für gerecht halten, an Jesu Umgang mit den Zöllnern und Sündern Anstoß nehmen, und daß dieser Anstoß in Unkentnis der Schrift seinen Grund habe; und schließt sich an den aus diesen Sätzen sich ergebenden G^anken an: Würdet ihr euch nicht für gerecht halten und würdet ihr Gottes 1) Dieser zweite Spruch fehlt hier u. 12, 9 wo ihn Matthäus nochmals hat, in den Parallelstellen des Mrk. n. Luk. ; ist aber kein Zusatz des Matth., son- dern von Mrk. u. Lnk. nur weggelassen, weil das richtige Verständnis desselbok eine Eentnis des A. Test, voraussezt, die bei Heidenchristen nicht zu erwarten war. Haben doch selbst Ewald n. BUek den Sinn dieses Spruches mißverstan- den, indem sie meinen, Jesns wolte damit sein Benehmen rechtfertigen, sofern Liebe und Erbarmen die höchste Pflicht des Messias sei. Matth. IX, 14—16. 84X Wort in der Schrift verstehen, so würdet ihr aach meine Stellung zn den Zöllnern begreifen, denn ich bin nicht gekommen u. s. w. KaXetv absolut gebraucht heißt: zum Eintritt in das Himmelreich rufen oder einladen. Der Zusatz slg fisrdvoiav im älteren text rec, ist nur aus Luc. 5, 32 hereingekommen. V. 14—17. Vom Pasten. Vgl. Mrc. 2, 18—22 u. Luc. 5, 33-39. Aus dem rote folgt nicht, daß die Johannesjünger sofort nach Zurecht- weisung der Pharisäer die Frage wegen des Fastens an Jesum richte- ten, sondern nur daß es in damaliger Zeit geschah. Der Frage: „warum fasten wir und die Pharisäer, deine Jünger aber fasten nicht ?^^ liegt die Voraussetzung zu Grunde, daß das vrjöxeveiv d. i. die Sitte des Fastens zn bestirnten Zeiten einen notwendigen Bestandteil der gesetzlichen Frömmigkeit bilde, lieber das Fasten der Pharisäer s. zu 6, 16. Die Jünger des Johannes scheinen in Bezug auf das Faston die Sitte der Pharisäer befolgt zu haben, während die Lebensweise dos Täufers als Bnßprediger einem beständigen Fasten glich, s. zu 3, 4 u. 11, 18. IloXXd steht adverbial: oftmals, frequenter; vgl. Kühner Gr. II, 270. In der Antwort: „Können wol die Freunde des Bräutigams trauern, so lange der Bräutigam bei ihnen ist?'' bezeichnet Jesus sein Auftreten als ein Kommen des Bräutigams zu seiner Braut, um sich mit ihr zu vermählen, ol vlol zov vvfKpcovog die Söhne des Brautgemachs — Hebraismus für ol jtaQavvfig)ioi — sind die Freunde des Bräutigams, welche bei der Hochzeit die Braut unter Gesang und Musik in das Haus des Bräutigams abholten und in das Brautgemach führten. So bezeichnet Christus seine Jünger als die, welche durch die Verkündi- gung des Evangeliums die Menschheit Christo ihrem Bräutigam zuzu- führen berufen sind. Hevd^etv sagt Matth. statt vtjCxsvelv (Mrk. u. Luk.), um den Gegensatz zwischen der im Fasten ausgeprägten Ge- mütsstimmung zur hochzeitlichen Freude deutlich zu machen. Diese Büdrede konte den Fragenden nicht dunkel sein, da die Verbindung des Herrn mit seiner Gemeinde schon in Hos. 2, 21 f. vgl. Jes. 54, 5 als Vermählung mit derselben dargestelt war und der Täufer selbst nach diesem Bilde sich als Freund des Bräutigams und Christum als Bräutigam (Job. 3, 29) bezeichnet hatte. — So lange Christus der Bräutigam bei ihnen ist, haben die Jünger nur Anlaß zur Freude; aber es werden Tage kommen, wo der Bräutigam von ihnen genommen wird, alsdann werden sie fasten. Mit cbtagd^fj aüi amc5v deutet Christus auf seinen Tod hin, der ihm von Anfang an als der Ausgang seines irdi- schen Lebens klar bewußt war, nicht erst allmälig durch den gegen ihn sich erhebenden Widerspruch klar wurde, wie Hase, Weizsäcker, Keim, Witiichen u. A. schriftwidrig lehren. Die Trauerzeit, welche für die Apostel und ersten Jünger Jesu bei seinem Todesleiden bis zur Auf- erstehung, Himmelfahrt und Ausgießung dos heil. Geistes über sie ein- trat, stelt sich auch in dem Leben seiner Gläubigen ein, so oft densel- ben unter der Last zeitlicher Trübsale das Gefühl seiner geistigen Nähe entschwindet. V. 16 f. Mit dieser Antwort hatte der Herr den Johannesjüngern Keil, Comm. z. Evangel. Matth. 16 842 Matth. IX, 16. 17. erklärt, weshalb seine Jünger keinen Anlaß zur Befolgung der Sitte des Fastens haben, und damit implicite die Verschiedenheit seines Beruft von dem Berufe ihres Meisters, des Täufers angedeutet. Um ihnen aber diese Verschiedenheit deutlich zu machen, belehrt er sie weiter in zwei Gleichnissen über die Unvereinbarkeit der pharisäisch gesetzlichen Frömmigkeit mit dem Geiste des Evangeliums und dem neuen Lebens- elemente, welches er in die Welt einführe, und gibt ihnen damit zu ver- stehen, daß ihre Frage aus Verkennung des Wesens sowol der alttesta- mentlichen Religionsanstalt als des von ihm zu gründenden Gottesreiches hervorgegangen sei. „Niemand flickt einen Flicken nngewalkten Zeu- ges auf ein altes Kleid ; denn seine Ausfüllung reißt von dem Kleide los und der Riß wird ärger. Auch thut man nicht neuen Wein in alte Schläuche; sonst (bI de fijjye wie 6; 1) zerreißen die Schläuche und der Wein wird verschüttet; sondern man thutneuen Weinin neue Schläuche, so werden beide erhalten^', ^dxog bed. an sich nicht Zeug, sondern (von QTJytrvfic) ein abgerissenes Stück Zeug, einen Lappen, den man zum Flicken verwenden kann, xo jtXfjgwfia avrov die Ausftlllung des alten Kleides d. i. der aufgesezte Flicken, atgei ojt amoo nimt weg, reißt ab (ein Stück) vom alten Kleide, nämlich wenn der ungewaikte Lappen naß wird und das Zeug sich zusammenzieht. Man braucht da- bei zu OLiQU nicht xl zu suppliren, sondern die Vorstellung ist: ,macht eine Losreißung^ (Mey,). — Den Sinn dieser Gleichnisse anlangend ist so viel klar, daß das alte Kleid und die alten Schläuche Bilder der alt- testamentlichcn Weise der Frömmigkeit sind, der Lappen von unge- walktem d. i. neuem Zeuge und der neue Wein Bilder der neuen, durch Christum begründeten Heilsordnung. Doch sind die beiden Gleichnisse nicht tautologisch, sondern unterscheiden sich zunächst so, daß im ersten Teil und Ganzes, im zweiten Inhalt und Form einander gegen- übergestelt sind. Ln ersten sind die religiösen Formen des Judentums mit einem Gewände verglichen, in welches das religiöse Leben des Volks gekleidet ist, das aber alt geworden der Erneuerung bedürftig erscheint. Die Erneuerung läßt sich nicht dadurch bewirken, daß man ein einzelnes Stück neuen religiösen Lebens demselben aufsezt. Da- durch würde das alte Kleid nur einen noch ärgeren Riß bekommen. Die neue Lebensform der Jünger Christi, die sich in der Lossagung von der gesetzlichen Fastenübung zeigt, ist mit der Gesetzesform der alt- testamentlichen Religion unverträglich. Wolte Jesus seinen durch ihren Anschluß an ihn in eine neue Sphäre des religiösen Lebens ein- getretenen Jüngern die Beobachtung der jüdischen Fasten auferlegen, so wäre dies eben so verkehrt, als wenn man mit einem neuen Lappen ein altes Kleid ausbessern wolte, um es noch länger zu erhalten. — Doch nicht blos neue Formen des religiösen Lebens will Jesus ein- führen, sondern ein neues Lebensprincip in seiner Gemeinde pflanzen, für welches die Formen des alttestamentlichen Gesetzes nicht passen. Dies lehrt das zweite Gleichnis. Der neue Wein bezeichnet einen neu^ Lebensgeist. Wie neuer Wein, in alte Schläuche gefült, beim Abgähren die Schläuche zersprengt, womit Wein und Schläuche verdorben wer- Matth. IX, 17. 243 en, so l&Bt sich der Geist des Evangeliums nicht in die alten Schläuche er jüdischen Weise der Oottesverehrung eingießen. Wie neuer Wein, enn er erhalten werden soll, neue Schläuche erfordert, so bedarf das on Christo in die Menschheit eingeführte neue Lebenselement neue 'ormen für seinen Bestand. Damit ist angedeutet, dafi die alttesta- Lentliche Weise der Frömmigkeit fallen wird, und die welche an die wige Dauer derselben glauben, Geist und Wesen des Evangeliums ver- ennen. Die Toratehende Auffassung des ersten Gleichnisses wird nicht getroffen m dem Einwände, welchen jyill. Beyschlag (die Gleichnisreden Jesu Mtth. 9, 1—17. Mrc. 2, 18—22. Luc. 5, 33—39 krit., exeg. u. bibl. theol. erörtert. Oster- rogr. der Univers. Halle- Wittenberg. Halle 1875. S. 19) gegen Stiers ähnliche, ber unklare Deutung erhoben hat, nämlich daß man Jesum, da er ja seine Jün- ar das mos. Bitualgesetz ruhig fortbeachten ließ, eher dessen hätte zeihen kön- QD, was er hier als Thorheit zurückweist, daß er ein altes Kleid mit neuem enge flicke. Dieser Einwurf hat aber überhaupt wenig zu bedeuten, wie \e§8chl. selbst zehn Seiten später (S. 29 ff.) gezeigt hat, wo er gegen den von feander u. Weiss erhobenen Einwand, daß die gangbare Auslegung unserer leichmsse mit dem sonstigen Verhalten Jesu und seiner Jünger nicht stimme, idem Jesus allerdings bei den Aposteln den neuen Wein in die alten Schläuche 98 Judentums oder der jüdischen Lebensform gegossen habe, recht gut aus- ibrt, daß Jesus zu keiner Zeit seines öffentlichen Lebens verkannt habe, daß 16 mosaisch -traditionellen religiösen Formen hinfallen würden vor dem sich itfialtenden Gottesdienst im Geist und der Warheit (Job. 4, 23). Es ist nur chein, wenn man aus diesem oder jenem Zuge seines Lebens das Gegenteil folgert. tr hat den Tempel seines Vaters Haus genant und mit dem Versuche begonnen m zu reinigen und so zu erhalten (?) — aber als Bethaus, nicht als Opferhaus, on dem im Gegenteil der Vieh- und Geldmarkt unzertrennlich war; er hat die este Israels besucht, aber nicht um an Opfern teilzunehmen, sondern um als rophet zu allem Volke zu reden; er hat mit den Seinen Passah gefeiert, aber m Gott zu preisen imd Liebesgemeinschaft zu feiern , nicht um Sühne mit zu anießen, die er vielmehr schließlich in seinem eigenen Blute den Seinigen dar- 9t zur Besiegelung eines neuen Bundes; er hat wol die einstweilige Fortdauer BT Opfer Torausgesezt (Mtth. 5, 24), auch wol einen geheilten Aussätzigen zum ringen des Beinigungsopfers angehalten (Mtth. 8, 4); aber diese Anschmiegim- sn an den noch währenden Stand des Uebergangs und der Unmündigkeit der Binen haben ihn nicht abgehalten, den Untergang des Tempels und somit auch BT Opfer zu weißagen und sich selbst in seinem Opfertode an die Stelle der- ilben zu setzen (S. 30). * Mit dieser Ausführung ist zugleich der Anstoß beseitigt, um dessentwillen »eyschl (S. 21 f.) das Gleichnis Jesu von dem neuen Lappen und alten Kleide [b eine Rechtfertigung nicht der Stellung seiner Jünger zu der alten Form des ndentums, sondern des Verfahrens seines Freundes, des Täufers fassen will, so aft Jesus damit erkläre, inwiefern die Johannesjünger, so lange sie noch auf am Standpunkte des Alten stehen, ganz recht thun, wenn sie bei der alten Fa- lenübung bleiben. Diese Auffassung des fraglichen Gleichnisses wird aber nur 16* 244 Matth. IX, 17. dadurch möglich gemacht, daß man die Fragenden für von den Johanneqüngem verschiedene Personen hält, welche Jesus sowol üher das Fasten der Johannas- jünger als über das Nichtf asten seiner Jünger belehrt hätte. Diese Annahme steht aber nicht nur mit der unzweideutigen Angabe y. 14, daß die Johannes- jünger die Frage an Jesum richteten, in Widerspruch, sondern hat aueh an dem Texte des Mark. u. Luk. keine haltbare Stütze; ^ und der neue DeutangsYenmch des Gleichnisses unterliegt selbst gewichtigen exegetischen Bedenken. Denn sa- gegeben, daß die Frage: ,warum fasten die Johannesjünger oft und deine Jünger fasten nicht?' eine Doppelfrage sei, die eine doppelte Beantwortung verlange, und daß das erste Gleichnis auf die erste Frage die Antwort gebe : sie thnn von ihrem religiösen Standpunkte aus ganz recht daran; denn da dieser Standpunkt noch der alttestamontliche ist, so würde ein einzelnes Stück der dem neuei Bunde entsprechenden Lebensordnung nur ihr altes jüdisches Frömmigkeiten wand zerfetzen (BeijscU. S. 22 f ) — dies alles zugegeben, konte doch Jesus das Verfahren der Johannesjünger nicht mit dem Grunde rechtfertigen wollen, daß sie mit dem Aufgeben der Fastensitte die Lebensordnung des alten Bundes schä- digen würden , ohne damit zugleich den Fortbestand der alten Bundesordnimg für berechtigt zu erklären und den Pharisäern eine Handhabe zu bieten, seis Auftreten oder wenigstens das von seinen Jüngern beobachtete Verfahren all eine unberechtigte Neuerung zu verurteilen. Noch weniger haltbar ist die Deutung des Chrys. u. TheophyU welche bd dem alten Kleide und den alten Schläuchen an die Jünger Jesu denken und bd dem neuen Lappen und dem neuen Weine an die christliche Fastenübung, wor- nach Jesus mit dem Gleichnisse sagen wolle, seine Jünger seien noch zu schwach, um die strenge Disciplin des N. Bundes zu ertragen, und müßten dazu ent durch den heiligen Geist bereitet werden. Diese Auffassung hat Neander dahin modificirt, daß das alte Kleid und die alten Schläuche des Menschen alte Natur bedeuten, die man nicht von außen her durch aufgezwungene Fasten und 6e- betsübuDgen umbilden könne. Hiemach hätte Jesus in einem Athemzuge seine Jünger als die Genossen des Neuen, des messianischen Hochzeitsfestes bezeich- net und als noch im Kleide des alten Menschen steckend den Johannestjüngeni und Iharisäern gleichgestelt. — Richtig hat übrigens schön Mey. bemerkt, daß im Sinne Jesu und der Entwickelung der apostolischen Kirche (Kol. 2, 20 ff.) das Fasten als gesetzliche Zucht zu den cxoixtL« tov xoafiov gehören mußte, so sehr es auch als freies Werk inneren Bedürfnisses gewürdigt und geübt wurde, Act. 13, 2 f. 14, 23. 2 Kor. 6, 5. 11, 27. 1) Nach Dej/schl soll die Angabe des Matth. aus einem Mißverständmne der von dem Verf. dieses Evang. benuzten Quelle entstanden sein, und der lich- tige und ursprüngliche Bericht uns noch im Ev. des Markus vorliegen. AÜdn in Mrc. 2, 18 müßte das Subject zu sg^ovini xal XByovaiv ausdrücklich genant sein, wenn es ein anderes als die vorher genanten ^uaO^rjzal laoawov xai ot $«- ()t(TaToc sein solte. Lukas aber, bei dem ol «fc elnoy allerdings nur die v. 30 er- wähnten Pharisäer und ihre Schriftgelehrten sein können, hat die beiden Vor- gänge (das Murren der Pharisäer über Jesu Essen mit den Zöllnern und die Frage über das Nichtfasten der Jünger Jesu ) in einer Weise mit einander ver- knüpft, die nicht ursprünglich sein kann. Matth. IX, 18-20. 245 Y. 18—26. Auferweokung der Tochter des Jairus und Hei- lung eines blutflüssigen Weibes. Vgl. Mrc. 5, 22—43 q. Luc. 8, 41—56. Diese beiden Wunderwerke hängen zeitlich zusammen. Die Heilang des blutflüssigen Weibes erfolgte während des Ganges Jesu zu Jairiis, um dessen gestorbene Tochter aufzuerwecken. So nach allen drei Evangelien, deren Berichte auch in allen wesentlichen Punkten mit einander übereinstimmen, obwol Mark. u. Luk. die äußeren Um- stände ausführlicher mitteilen als Matth., der sich auch hier auf die Hauptsache beschränkt hat. — Den Vater des gestorbenen Mädchens nent Matth. einfach ägxcov Vorsteher; nach Mark. u. Luk. war er Synagogenvorsteher und hieß Jaims, Dieser sprach Jesum um Hilfe an Tccüva ovtov XaXovvTog avrolg d. h. als Jesus die Johannesjünger über das Nichtfasten seiner Jünger belehrte. Diese Verknüpfung der Ereignisse fehlt bei Mark. u. Luk. , weil beide die überlieferten evan- gdischen Thatsachen nach anderen Gesichtspunkten geordnet haben. Nach Mey. soU Jairus seine Bitte Jesu vorgetragen haben, als derselbe noch mit den Zöllnern zu Tische saß; dies soll sich aus dem iyeQd-elg V. 19 ergeben. Allein iyeQd^elg besagt nur, daß Jesus sitzend mit den Johannesj&ngem geredet hatte. Wo oder in welchem Hause er sich aber befand, bleibt unbestimt, selbst wenn man mit Tisch. 8 u. Mey. OQXOov dcsXd'oiv (v. 18) nach ^^DEM u. a. für die urspr angliche Les- art hält Allein der ursprüngliche Text lautete wol nach ^^B aQXcov elg ytQOOeXd'civ, da daraus sich die verschiedenen Varianten, nament- lich durch Weglassung des Jtgog sowol elaeXd^aip als tlg aXd-civ, er- klären. Die Aussage: „meine Tochter ist eben gestorben^' lautet bei Mark. : „mein Töchterlein £Oxai:(Dq exBi liegt in den lezten Zügen oder im Sterben", bei Luk. referirend xal aikr/ djtid-i^rjöxev. Nach beiden starb das Mädchen erst, als der Vater Jesu Hilfe angesprochen hatte und Jesus auf dem Wege zu ihm war und mit dem blutflüssigen Weibe redete. Da kam ein Diener des Vorstehers und meldete den eingetre- tenen Tod, mit dem Hinzufügen: er möge den Meister nicht weiter be- m&hen. Diese Divergenz ist weder durch sprachwidrige Deutung des a(fTi ireXsvTijöev: jam moritur oder morti est proxima (Olear. Kuin.) noch durch die Annahme auszugleichen, daß der Vater seine Tochter im Sterben verlassen, und als er zu Jesum kam in der Meinung, daß der Tod bereits erfolgt sei, gesagt habe: sie sei eben gestorben. Die Verschiedenheit rührt einfach daher, daß Matth. den Hergang kurz zu- sammenfassend den Vater gleich den Tod melden läßt, da das Mädchen doch gestorben war, ehe Jesus hinkam. Der Vater bat, Jesus möge kommen und seine Hand auf die Tochter legen, so werde sie leben d. h. wieder ins Leben kommen (^tjostac hebraisirend wie ^y^^) — die Hand fllr das Organ haltend, welches die von Jesu ausgehende, Leben wir- kende Gotteskraft vermittelt. — V. 19. Jesus folgte dem Manne und seine Jünger; fiadTjzal die Anhänger Jesu insgemein; nach Mrk. oxXog xoXvq viel Volks, nach Luk. oi oxXoi die Volkshaufen, die sich um Je- sum geschart hatten. V. 20flF. Unter diesem Gefolge Jesu befand sich ein Weib, das 246 Matth. IX, 21—23. 12 Jahre lang am Blutflusse gelitten (atfioggootöa an einem krankhaf- ten Blatflusse leidend; näher läfit sich das Leiden nicht bestimmen). Mark. a. Luk. berichten, daß sie ihr Vermögen verbraucht habe, ma^ von den Aerzten Heilang zu erlangen, das Uebel aber schlimmer ge^ worden sei. Im festen Glauben, daß Jesus auch diese Krankheit heilem:i könne, trat sie von hinten, also schüchtern, herzu und faßte den Zipfel seines Kleides an, um dadurch die wunderbare Heilkraft Jesu auf fAc^h überzuleiten. Td xQccCJtsöov in Num. 15, 38 (LXX) für r«M ü^ Quaste, welche die Jaden an jedem der vier Zipfel des Obergewandc» tragen selten zur Erinnerung an die Gebote Gottes, s. m. Gomm. «r Num. 15, 37 ff. — Y. 22. Jesus aber wandte sich um und sagte zu ihr liebevoll: „Sei getrost, Tochter, dein Glaube hat dir geholfen^. Niclit die körperliche Berührung des Saumes seines Gewandes hatte Jesus gespürt, sondern vermöge seines höheren Wissens erkante er sowol die Berührung als auch das Motiv, welches das Weib zum Anrühren seines Kleides bewogen hatte, und 'den darin sich kundgebenden Glauben an ihn, als Heiland und Erlöser von allem Uebel. In diesem Sinne sprach er zu der Frau, daß ihr Glaube ihr Heilung gewährt habe, um aber gläubischen Vorstellungen von einer magischen Wirkung seines Ge- wandes oder Körpers vorzubeugen. Mark. u. Luk. erzählen umständ- licher, Jesus habe gemerkt, daß eine Kraft von ihm ausgegangen sei, und sich umgewandt, fragend: wer ihn angerührt habe; worauf die Jünger verwundert sagen: „du siehst das dich umdrängende Volk^, wie kann man da wissen, wer dich berührt hat. Da aber Jesu dessen un- geachtet umherblikte, um zu erfahren, wer es gethan, da erkante das Weib, daß sie ihre That vor ihm nicht verhehlen könne, und trat furcht- sam und zitternd herzu, vor ihm niederfallend, und bekante die gan^e Warhelt, d. h. nicht blos daß sie ihn angerührt, sondern auch in wa- cher Absicht sie es gethan hatte; worauf Jesus das angeführte Trost- wort ihr zusprach, und ihre Heilung von Stund an erfolgte. — Nach dem Ev. Nicodemi bei Thilo I p, 561 soll die Frau Veronica geheiBen haben und eine Heidin aus Paneas gewesen sein, wo man nach Euieh h, e. VII, 17 eine Statue zeigte, die sie zum Andenken an ihre Heilnng dort habe errichten lassen. Eine Legende, die an eine dort befindliche Statue (vgl. Rohins. N. bibl. Forsch. S. 537) geknüpft wttrde. V. 23 ff. Hierauf begab sich Jesus in das Haus des Vorstehers, wo- hin er (nach Mrk. u. Luk.) nur Petrus und die Söhne des Zebedftos, Johannes und Jakobus, und den Vater des Mädchens folgen ließ. Im Hause fand er die Flötenspieler und die lärmende Menge der Klage- weiber vor, welche die übliche Todtenklage anstellten (vgl. m. biW. Archäol. S. 572 f. u. Fr. Im. Grundt, die Trauergebräuche der Hebräer. Lpz. 1868. S. 23 f. Zu diesen sprach er: dvaxcogelTe „gehet fort (Mot bedarf man euer nicht), denn das Mägdlein ist nicht gestorben, sondern schläft^', d. h. sie ist nicht dem Tode für immer verfallen, sondern ihr Tod ist nur ein Schlaf, aus dem sie durch Gottes Wundermacht wieder erwachen wird. Nachdem das klagende Volk, das Jesum verlachte (Mrk. u. Luk.), hinausgetrieben war, ging er mit den Eltern des Kindes Matth. IX, 23—33. 247 nnd den drei Jflngern in das Gemach, wo die Todtc lag, erfaßte ihre Hand mit dem Worte: „Mädchen, stehe auf!'' und das Mädchen richtete sich alsbald auf. — Das Wort Jesu: ovx djtid^aps x6 xogäöiov, dXXä xad-evöei berechtigt nicht zur Annahme eines Scheintodes (Paul, Schleierm,, Schenk., Ew., Weizs. n. selbst Olshausen); denn Jesus be- zeichnet nur im Hinblick aof die vorzunehmende Auferwecknng ihren Tod als Schlaf, wie Job. 11, 11 vgl. mit v. 4 den Tod des Lazarus. Die Annahme eines Scheintodes hat auch Keim abgewiesen, ist aber dabei stehen geblieben, die Geschichtlichkeit des Factnms in Zweifel zu ziehen nnd das Wunder mit Strauss ins Gebiet der dichtenden Sage zu verweisen. V. 27—34. An diese Wunder hat Matth. noch zwei Wunderheilun- gen angereiht, die bei Mrk. u. Luk. fehlen, vielleicht nur um seine Dar- stellong der Wunderwerke Jesu mit der bedeutsamen Zehnzahl abzu- runden. — y. 27—31. Die Heilung zweier Blinder. Als Jesus von dort (vom Hause des Jairus) nach Hause ging, folgten ihm zwei Blinde, an denen er vorübergegangen war {jcagayopti v. 27 wie v. 9), nach mit dem lauten Rufe: „Erbarme dich unser, Sohn Davids^' (d. i. Messias), bis in das Haus hinein, in welchem er zu Capernaum wohnte. Dort fragte Jesus sie: „Glaubet ihr, daß ich dies thun kann (euch das Augen- licht wiedergeben)?" und rührte nach Bejahung seiner Frage ihre Augen an mit dem Worte: „Gemäß eurem Glauben geschehe euch'^; worauf ihre Augen geöffhet d. h. wieder sehend wurden. — Y. 30. Kai ipsßQift^dtl TCtX. „und sie anzürnend sprach Jesus zu ihnen: Sehet zu. Niemand soUs wissen'^ Die gemessene Form des Verbots entspricht dem Affecte der Rede, ifißgcfiäad^ai eig. darein schnauben, c. rivl Zorn oder Unmut an jem. auslassen, daher zürnend verbieten, so hier u. Mrc. 1, 43, oder sich unmutig oder zürnend über etwas auslassen, so Mrc. 14, 5 von den Jüngern ausgesagt, endlich Job. 11, 33. 38 von demUn- mnte oder Zorne, den Jesus im Geiste empfindet. Das zürnende Ver- bieten läßt sich nicht mit Mey. ,aus dem Gefühl der zu besorgenden Erfolglosigkeit' erklären; denn in diesem Fall würde Matth. kfjßQi- fiäcd-ai wol öfter gebraucht haben, sondern hängt hier wol damit zu- sammen, daß die Blinden auf der Straße Jesum als „Sohn Davids'^ an- schrieen, also ihn öffentlich als Messias anriefen. Um diesem unzeiti- gen Rufen als Messias vonseiten solcher, die ihn nur seiner Wunder wegen dafür hielten, vorzubeugen, untersagte ihnen Jesus mit Zornes- onwillen, die Heilung zu verbreiten. V. 31. Aber vor großer Freude über die ihnen widerfahrene Gnade können sie nicht anders als ihrem Herzen Luft machen durch Verkündigung dessen, was der Herr an ihnen gethan hat. Y. 32 f. Heilung eines dämonisch Stummen. Während jene hinausgingen, brachte man zu Jesu ävd^gcojtov x(oq)6v öaifiovi^oftevov einen Menschen, dessen Stummheit nicht von physischen Ursachen her- rflhrte, sondern von einem Dämon, der den Gebrauch der Sprachorgane gebunden hatte. Als daher Jesus den Dämon ausgetrieben hatte, redete der Stumme, war der Bann, der auf ihm lastete, gehoben. Darüber staunte 248 Matth. IX, 33-38. die Volksmenge, nämlich als sie von dieser Heilang Kunde erhielt, denn Augenzeugen derselben konten die ox^oc nicht gewesen sein, jbt sie Jesus in seiner Wohnung verrichtet hatte. Das Volk sprach: „Nie- mals ist es so geschehen in Israel''. Ovrcog steht nicht für rovzo oder TOKyvTO XI so etwas; sondern egxüvf] ist unpersönlich gebraucht, wobei es als Subject zu denken und die nähere Bestimmung des Snbjects aus dem Vorhergehenden zu entnehmen ist; hier: das Austreiben der Dä- monen — dies ist niemals unter den Israeliten auf so herrliche Weise zur Erscheinung gekommen (Mey,), V. 34. Ganz anders urteilten die Pharisäer: Jesus triebe die Dämonen aus durch den Obersten der Dä- monen [Iv xm agxovTL kraft des Obersten, vgl. Mrc. 3, 22). lieber diese böswillige Beschuldigung s. das Nähere zu 12, 34 ff., wo die Pha- risäer sie wiederholen und Jesus ihnen antwortet. V. 35—38. Der Inhalt dieser Verse vermittelt den üebergang zu der in c. 10 folgenden Verordnung und Ausrüstung von zwölf Jüngern zu Aposteln, womit Jesus den Grund zur Stiftung einer Gemeinschaft der Bekenner seines Namens (exxXrjöla) legte, in welcher das Beich Gottes sichtbare und dauernde Gestalt für seine Entwickelung auf Erden gewinnen solte, und gewonnen hat. In v. 35 ist das bisherige Wirken Jesu in einen allgemeinen Ueberblick zusammengefaßt, wie 4, 23, um die mit 4, 23 eingeleitete Beschreibung desselben abzurun- den und daran die Erzählung seiner weiteren Wirksamkeit anzuknüpfen. V. 36. Da er die Volkshaufen sah, die zu ihm kamen, um die Predigt des Evangeliums zu hören und ihre Kranken von ihm heilen zu lassen, empfand er Mitleiden oder Erbarmen in Bezug auf sie {k6JiXcc/xvlc9fi jtBQl avxcop treffend Luther: es jammerte ihn derselbigen), „weil sie geplagt und hingeworfen waren, wie Schafe, die keinen Hirten habend Statt der reo. kxXeXvfiivoi y nach welcher Luther „verschmachtet" tibersozt, ist nach ^BCDE u. den meisten üncialcodd. hOTCvXfiivoi zu lesen, in der Vulg. vexati übersezt. OtcvZXco bed. zerzausen, zerzerren, zerreißen, hier im Bilde einer hirtenlosen Herde schutzlos dem Elende preisgegeben; igiftfievoi (Tisch. QSQififiivoi Lehm,, rec. kQQififiivoi hingeworfen, wie marode Schafe, die nicht mehr fortkönnen, hinge- strekt. Dieses geistige Elend des Volks erregte Jesu Erbarmen, daß er zu seinen Jüngern (fiadTjzal im weiteren Sinne) sprach : „die Ernte ist groß, aber der Arbeiter sind wenige". Die Ernte ist Bild der Ein- sammlung der Seelen in das Eeich Gottes. Die Welt ist verglichen mit einem Ackerfelde, auf welchem die Menschen gesäet sind, daß sie wach- sen und für das Himmelreich reif werden sollen , vgl. Job. 4, 35 f. und die Parabel Mtth. 13, 24-30 mit ihrer Deutung v. 37—43. „Bittet also den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter hinausthue in seine Ernte". Der xvQiog tov ß^sQiöftov ist Gott als Herr der Welt, dem der Acker gehört, von dem geerntet werden soll. ixßdXxi hinaustriebe — ein starker Ausdruck im Gefühl des drängenden Bedürfnisses (Mey.) Ob- wol die Jünger als Arbeiter in Aussicht genommen sind, heißt Jesus sie doch Gott um Arbeiter bitten, weil in dieser Bitte sich das Gefühl aus- spricht, daß nur Gott die Tüchtigkeit zu solcher Arbeit verleihen kann, MattL X, 1. 2. 849 dieses GefOhl aber die notwendige Bedingung für erfolgreiches Wirken im Reiche Gottes ist. Cap. X. Verordnung und Ausrüstung von zwölf Jüngern zu Aposteln. Y. 1. Nicht die Wahl oder Bemfong, sondern die Bestallung von zwölf Jüngern zu Aposteln wird hier und in den Parallelstellen Mrc. 6, 7 ff. u. Luc. 9, 1 ff. horichtet. Die Wahl der Zwölfe ist in unserem Evangelium übergangen, und nur die Berufung der beiden Brüderpaare 4, 18 ff. und gelegentlich in 9, 9 die des Matthäus erwähnt; sie wird aber in :nQooxaXeodfi6vog zovg öoiöexa /lad^räg avzov „zu sich rufend seine zwölf Jünger^' (v. 1) als eine den Gemeinden bekante Thatsache vorausgesezt, und nur das Verzeichnis ihrer Namen mitge- teüt. Selbst die Aussendnng dieser Zwölf ist in v. 3 nur kurz ange- deutet, um die folgende Instruction zu motiviren, nicht aber, wie bei Mrk. u. Luk. zu lesen, berichtet, daß sie ausgingen und das Evange- lium predigten, weil diese erste Aussendung nur den Zweck hatte, die Jünger für ihren künftigen Beruf practisch auszubilden, nur eine Probe- mission war, in der sie durch practische Anwendung der ihnen ver- liehenen Gabe ihre Befähigung für denselben versuchen selten. Diesen Zwölf gab Jesus Vollmacht über unreine Geeister d. h. Dämonen Scre kxßdXXeip amd epexegetisch: „sie auszutreiben'^ ^^^ Macht jegliche Krankheit zu heilen (d'SQOJievscp hängt nicht von Saxs , sondern von igovalap ab). Vgl. zur Construction 1 Kor. 9, 4 f. und zur Sache Mtth. 4, 23. Jesus erteilte ihnen die Macht, um das Werk, das er begonnen, fortzufahren. Auf welche Weise er ihnen diese Macht verlieh, ist nicht näher bestirnt; offenbar durch die wirksame Elrafk seines Wortes; nicht durch irgend welche weitere Manipulation, wie Handauflegung oder Anhauchung (Joh. 20, 22), was wol erwähnt sein würde. V. 2—4. Me Namen der zwölf Apostel. Vgl. die drei anderen Ver- zeichnisse Mrc. 3, 16—19. Luc. 6, 14-16 u. Act. 1, 13. — Die Be- zeichnung cbtoOToXoi, welche Matth. nur hier und auch Mark, nur 6, 30 braucht, ist Amtsname, den diese Jünger von ihrer Aussendung {djco- aroXi]) erhielten, nach Luc. 6, 13 u. Joh. 13, 16 von Jesu selbst ihnen gegeben, und dadurch der sie vor anderen Jüngern auszeichnende Amtstitel geworden. Zwölf wählte Jesus mit Rücksicht auf die Zahl der Stämme Israels, um sie als die zwölf Patriarchen des neuen Volkes Gk>ttes, des geistlichen Israel, welches an die Stelle des alten treten solte, darzustellen; vgl. 19, 28. ^ — Die Reihenfolge der Zwölf bleibt 1) „ Die Erwählmig der Zwölfe ist der erste constitoirende Act Jesu, die erste und im Gnmde (neben den Sacramenten) die einzige von ihm getroffene organisatorische Maßregel. — Man kann sich keine entschiedener messianische Handlung denken, und die Kritik, welche behauptet, Jesus sei nicht von Anfang an entschlossen gewesen, in der Bolle eines Messias aufzutreten, müßte erst die Wahl der Zwölfe mit ihrer augenscheinlichen Bedeutung aus der Oeschichte auslöschen". Godet, Lukas S. 159. 250 Mattfa. X, 2. sich In allen vier Verzeichnissen darin gleich, daß Petrns an der Spitze, Jndas Iskariot am Ende steht und die Aofzählnng in drei Grappen von je Vieren gegliedert ist, deren Spitzen Petras, Philippns nnd Jakohns (Alphäi Sohn) bilden. i Daraus whellt klar, daß die ZwOlf in ihrer Stellung zu Jesu drei concentrische Kreise stufenweis abnehmender Nähe bildeten. Ferner sind bei Matth. und in Act. 1, 13 die Brüder- paare Petrus und Andreas, Jakobus und Johannes durch das vor jedem Namen wiederholte xal zu einer Vierzahl verbunden ; so nach Tischend. 8, wo xal auch vor ^Idxmßog nach ^*B u. Syr. aufgenommen ist; die übrigen acht sind paarweise aufgezählt. Während aber bei Matth. und eben so in Luc. 6, 14 die Brüder aufeinander folgen: Petras und An- dreas, Jakobus und Johannes, hat in Mrc. 3, 18 u. Act 1, 13 Andreas die vierte Stelle erhalten, was sich bei Mark, daraus erklärt, daB er die drei, welchen Jesus bedeutsame Namen gab (Simon-Petrus, dem. Johannes und Jakobus den Namen Boanerges) zuerst nennen wolte; im Act. 1, 13 aber durch die Reihenfolge Petrus, Johannes, Jakobns und. Andreas die rangmäßige Stellung der Genannten in dem Apostelcolld- gium angedeutet ist. — In der zweiten Vierzahl hat Matthäus im Mtth.- £v. und in Act. die vierte, bei Mark, und Luk. die dritte Stelle, nnd Thomas bei Mtth. die dritte, bei Mrk. u. Luk. die vierte, in Act 1 die zweite Stelle erhalten. In der dritten Tesserade ist nur Lebbäus (Thad- däus) bei Mtth. u. Mrk. vor Simon Zelot., bei Luk. u. in Act nadi dem- selben genant. Die paarweise Aufzählung der lezten acht bei Mtth. und teilweise auch in Act 1, 13 hängt wol damit zusammen, daß Jesus sie nach Mrc. 6, 7 6vo 6vo je zwei zusammen aussandte. — ügcoTog Sir (Küv Erster Simon. Mit jtQwrog wird die Zählung eingeleitet, aber das Weiterzählen ist unterlassen, um die Zählung nach Paaren durch- zuführen. Wenn hiernach auch jtQcorog nur Zahlwort sein soll, in der Bed. erstens, so ist doch die Voranstellung des Petrus in allen Ver- zeichnissen weder zufällig, noch daraus zu erklären, daß er und sein Bruder Andreas* als jcQtDXoxXrjtoi galten (Mtth. 4, 18), weil mit der gleichzeitigen Berufung Petrus nicht der erstberufene wurde, zumal nach Job. 1, 41 f. Andreas Jesum früher kennen gelernt hatte, als Petrus. Die Voranstellung des Petrus hängt vielmehr mit dem Vor- range zusammen, welchen Petrus unter den Aposteln als prmus inier pares hatte und welcher von Jesus selbst anerkant wurde (16, 16 ff.). — lieber Simon genant Petrus und Andreas und über die Söhne des bedäus Jakohits und Johannes s. zu 4, 18 u. 21. Andreas wird i Evang. Job. außer 1, 35—43 noch 6, 8 u. 12, 22, außerdem Mrc. 13, 3.- sonst in der evangelischen Geschichte nicht weiter erwähnt Jakob und Johannes gehörten mit Petras zu den vertrautesten Jüngern Jes (vgl. Mrc. 5, 37. Luc. 8, 51) und waren Zeugen seiner Verklftrun 1) Schon Bengel bemerkt: Universe ordines habent tres guatemiones, qum ntülus cum alio qvicquam permutat : tum, in primo semper primus est I^nu: secundo Pkilippus, cf, Joh. 1, 42. 44. 12, 22; in tertio Jacobus Alphaei; in * Zw ceteri apostoli loca permutant. Proditor semper extremus. { Matfch. X, 3. 251 (Mtih. 17, 1). JakobüB wurde schon im J. 43 oder 44 auf Befehl des Herodes Agrippa enthauptet Act. 12, 2. V. 3. Von den übrigen war PhiHppus aus Bethsaida gebürtig (Joh. 1, 44 ff.) und ist noch Joh. 6, 5 ff. 12, 21 ff. u. 14, 8 in Berührungen mit Jesu erwähnt. — BagB-okofialog d. i. "^»bn ^ Sohn des Tolmai (vgl. ßoXfil 2 Sam. 13, 37 LXX). Sein eigentlicher Name war Nathor nael, aus Eana in Galiläa gebürtig, der nach Joh. 21, 2 zu den Aposteln gehörte, unter diesem Namen aber in den Apostelverzeichnissen nicht Yorkomt, sondern nur unter dem Zunamen Bartholomaeus , in Verbin- dung mit PhiHpptM, welcher nach Joh. 1, 46 ff. den Nathanael auf Je- sum als den Messias aufmerksam gemacht und zu ihm geführt hatte. — Gleich bei dieser ersten Begegnung wurde er von Jesu als ein echter Israelit ohne Falsch bezeichnet. Die beiden Namen verhalten sich wie Siman und Bar Jona zu einander. — Ocoiiäg d. i. B»ri Zwilling, J/rfv- (ioq (Joh. 11, 16. 20, 24), vermutlich von der Art seiner Geburt so ge- nant, und gehörte nach Joh. 21, 2 zu den galiläischen Fischeraposteln. — üeber Matthäus den Zöllner s. zu 9, 9. — ^dxooßog 6 zov jiXq)alov Sohn des Alphaeus ist höchst warscheinlich eine Person mit Jakobus minor (6 (iixQog Mrc. 15, 40). Dies ergibt sich daraus, daß sein Va- ter 'AXq)atog= ^thn mit EXcojtag dem Manne der Maria, ^ ädsXg)i] der Mutter Jesu (Joh. 19, 25) identisch ist, welche Mrc. 15, 40 die Mutter des Jakobus des Kleinen und des Joses genant wird. — Asß- ßalog heiBt bei Mrc. 3, 18 Oaödatog und bei Luk. c. 6, 16 u. Act. ], 13 7ovöag 7axcißov. Der Zusatz 6 ijtixXTjd-slg Oaödatog im Texte des Matth. ist zwar wol nur eine aus Mrc. 3, 18 geschöpfte Glosse, und deshalb von Tischend, 8 weggelassen, aber die Identität der Per- son ist nicht zweifelhaft. Denn AsßßaTog d. i. '^^b von inb der Beherzte ist ein Beiname, und Oaööalog = '^i^'ir) komt im Talmud als Name ver- schiedener Männer vor*, vgl. Lightf,, SchöUg. u. Weist ad h.l^ Auch die Identität des Lebbaeus = Thaddaeus mit dem bei Luk. statt seiner genanten Judas Jakobi muB angenommen werden, wenn man nicht 13 1) Dagegen sezt zwar der glossematische Zusatz 5 imxXri^eie 0addaToe voraus^ daß Lebbaeus der eigentliche Name, Thaddaeus nur ein Zimame war. Dafür läßt sich noch anf&hreii, daß nach den apokryphischen, aber alten Acta des Lebbaeus (s. bei Tischend. Acta apostol. apocryph. p,261ss,) Lebbaeus dni Namen &ctddaTos angenommen habe, als er von Johannes dem Täufer ge^ tauft wurde, imd vorher Aeß^aTos gehießen habe, und daß die Bezeichnung o inixlrid-üs ©ai^aXot; auch in den Constitutt. apost. 6, H, 1. 8, 25 vorkomt, wodurch, wie Mey. meint, zugleich die Angabe des apostolischen Namens bei Mark, vor der bei Matth. bevorzugt werde. Allein diese apokryphischen Anf;a- ben beweisen weiter nichts, als d& die Glosse o inixX. Qcid, schon sehr alt ist. Dessen imgeachtet kann sie doch blos daraus entstanden sein, daß schon in alter Zeit der Name A^ßßctXog, welchen der apostolische Yerf. des ersten Evangeliums hat, fftr ursprünglich, dagegen der von dem Apostelschüler Markus gegebene Name ©addatos für ein Zuname gehalten wurde. Matthäus aber kann aen Bei- namen Aeßßatos vorgezogen haben, weil derselbe verbreiteter oder bekanter als ®addatoe war. Lukas aber gibt nur den eigentlichen Namen Judas des Jakobus Bruder an, weü dieser Jünger in den heidenchristlichen Gemeinden nur imter diesem Namen bekant sein mochte. 262 Matth. X, 4. Apostel erhalten will, and läßt sich auch rechtfertigen. DaB nämlich Juden zwei Namen hatten, einen von der Gehurt oder Beschneidung her, den andern von einem merkwürdigen Lebensereignisse erhalten, dafür finden sich im A. u. N. Testamente viele Belege. Und bei der herschenden Sitte, Beinamen zu geben, konte jemand auch wol zwei Beinamen erhalten. Sodann komt in Joh. 14, 22 ein Apostel Namens Judas vor, der ausdrücklich von dem Iskarioten unterschieden wird. 7ov6ag ^axoißov ergänzt man gewöhnlich durch ddsX^og: Bruder des Jakobus. Diese Ergänzung ist sprachlich statthaft, vgl. Winer Gr. §. 30, 3 S. 179 d. 7. A. u. kühner II S. 285, und läßt sich durch den Einwand, daß sie gegen die Analogie der Apostel Verzeichnisse sei, nicht widerlegen. Sie wird vielmehr dadurch als richtig erwiesen, daß der Verf. des Briefes Judä v. 1 sich als dÖBX^og 'laxoißov bezeichnet — eine Bezeichnung, welche voraussezt, daß Jakobus eine in den ersten Christengemeinden allgemein bekante Persönlichkeit war, die im Kreise der Apostel zu suchen ist, nämlich der Jakobtcs, welchen Paulus Gal. 1, 19 zur Unterscheidung von dem Bruder des Johannes als döeXfpov Tov KvqIov bezeichnet. Dagegen hat die Ergänzung von vlog, nach welcher Judas der Sohn eines nicht weiter bekanten Jakobus genant wäre, sehr wenig Warschoinlichkeit. — Ueber die ddsXfpol Jesu s. zu 12,46. — V. 4. 2l[i(ov 6 Kavavaloq (s. Lehm. u. Tiseh. nach BCDEal statt der rec. xavavtcTiq)^ Luc. 6, 15 2l(ia)va xbv xaXavfievop ^t/XcO' Ti]v genant der Eiferer. ^ijXwxijg ist die griech. Uebersetzung des aram. '»»Sß oder ''?»5R Eiferer (Ex. 20, 3. 34, 14), analog dem hebr. ■»•nn? = eßgalog LXX. Die Erklärung des Luk. ist richtig und die Meinung, daß xavavalog von einem Ortsnamen abzuleiten sei, unerweis- lich, da bei der Ableitung von der Stadt Kana in Galiläa (Luther, Calov) das Wort Kavalog lauten müßte, und an Canaaniter nicht zu denken ist, weil "i:^» in der LXX Xavavalog lautet. Den Zunamen der Eiferer hatte Simon von dem, was er früher gewesen war, erhalten. Die Zeloten waren Eiferer für das Gesetz und die Theokratie, welche nach dem Vorbilde des Pinehas (Num. 25, 9), die Verletzungen des Ge- setzes rächten, dabei aber oft große Ungerechtigkeiten verübten. — 7ovdag 6 ^löxagiairr/g , vollständiger 7ovöag 2l/ia)vo^ ^loxagicizr/g Joh. 6, 71. 13, 26. Den Zunamen erklärt man gewöhnlich nach «S'^K nwpj Mann von Keriot, einer Stadt im Stamme Juda Jos. 15, 25. Aber obgleich diese Erklärung schon der Variante dxb Kagvcirov in «* u. 3 Minusk. zu Joh. 0, 71 zu Grunde liegt, so ist sie doch sprachlich noch nicht genügend gerechtfertigt. Darüber kann zwar kein Zweifel aufkommen, daß das hebr. n't'^ip ^"^fi^ einen Mann von ICariot bedeuten könne; aber daß bei der Uebertragung dieser Benennung ins Griechi- sche das Wort «5'^« als Bestandteil eines nomen propr. gefaßt und griechisch cö ausgedrükt worden wäre, dafür fehlen stichhaltige Belege. Die Berufung auf Joseph. Antt. VII, 6, 1 wo aiö «S'^k 2 Sam. 10, 6 durch 6 ioToßog wiedergegeben ist, liefert hiefür keinen Beweis. Denn Joseph, folgt hier wie gewöhnlich den LXX, welche aiö ^^^ 2 Sam. 10, 6 u. 8 als ein Wort, nämlich als nomen propr. eines Volks oder Lan- Matth. X, 5. 363 des gefaßt nnd griechisch ^ötciß geschrieben haben, woraus Joseph. einen König ^atoßov ovofia gebildet hat. Auch Ewald (6r. §. 273^) hält nio t"^^ 2 Sam. 10, 6 für einen Eigennamen, und meint, daß der Fürst des Landes Tob so heiße; aber ohne diese Meinung durch Ana- logien belegen zu können. In den mit t'^^ gebildeten hehr. Namen hat das zweite Wort der Composition in der Regel appellative Bedeutung, wie ^fMn^ Mann dos Glanzes IChr. 7, 18, neben 'isötoä Vater des Glanzes 1 Chr. 8, 3; ^^^. Freimann (1 Chr. 4, 5) neben ^n Frei Ex. 17, 10; ntiab^K 2 Sam. 2, 8 ff., wovon auch b^aw« Mann d. i. Anhänger Baals nur eine scheinbare Ausnahme macht, da ^$a Iferr, Eigentümer eigentlich Appellativum und nur mit dem Artikel ^^Vl zum Eigen- namen geworden ist. Hiernach würde ^öxagicix entweder Städtemann {xagtcir von ^^Iß) oder Mann des feindlichen Entgegenkommens (von '^'^p^ Lev. 26, 21 ff.) bedeuten, wobei noch fraglich bleibt, ob erst Judas den Beinamen 'löxaQtcixrjq erhalten oder, falls in Joh. 6, 71 u. 13, 26 nach den ältesten Codd. ^BC u. v. a. ^laxagtcirav die ursprüngliche Lesart ist, schon sein Vater Simon denselben geführt hat. — Der Bei- satz 6 xal jtaQadovg avrov der ihn auch überlieferte (nicht verrieth, was jtQOÖovg heißen müßte, vgl. jtQoöorrjg lyivsTO Luc. 6, 16) dient zur Charakteristik dieses Jüngers, indem er auf das tragische Ende sei- ner Berufung zum Apostel hinweist. V. 5—42. Die Instruction der AposteU Dieselbe enthält a, die Anweisung, wo und wie sie ihren Beruf ausrichten sollen (v. 5—15), h, eine Belehrung über ihre Stellung zu der Christo feindlichen Welt (v. 16—39) und schließt mit einem kurzen Hinweise auf den Lohn, welchen die Aufnahme der Jünger des Herrn bringen wird (v. 40—42). — Ueber die Parallelen bei Mark. u. Luk. s. am Schluß der Erklärung. V. 5. Bei der Aussendung gebot Jesus den Zwölfen: „Auf den Weg der Heiden geht nicht ab und in eine Sfadt der Samariter geht nicht hinein". 'Odoq id^väv Weg der zu Heiden führt, vgl. Act. 2, 28. 16, 14 u. oöoq ^AiYVjtTOV Jer. 2, 18; nicht ,eine Straße im Heidenlande, (Weiss), IloXiq SafzagsircSv eine Stadt (nicht die Hauptstadt) der Samariter. Die Samariter, welche nach der Zerstörung des Zehnstäm- mereichs aus der Vermischung der nach Samaria verpflanzten heidni- schen Kolonisten mit den Ueberresten der bei der WegfQhrung der Ephraimiten im Lande zurückgebliebenen Israeliten entstanden waren, wurden trozdem, daß sie im Laufe der Zeit den groben Götzendienst aufgegeben und einen monotheistischen Cnltus nach dem mos. Gesetze in einem auf dem Garizim erbauten Tempel eingeführt hatten, doch den Heiden gleich geachtet, teils wegen der bitteren Feindschaft, die zwischen ihnen und den Juden bestand, teils auch weil ihre mono- 1) Verfehlt sind jedenfalls die von Light f. hör, ad Matth, 10 vorgeschla- genen Ableitungen von 5<"»ö-npc&^ SchurzfeU oder von «-»rD« Erdrosselung, wie auch die Erklärung von d'^'^ljU) tt5*^x {Patü., HngHb.), weil sie weder sprachlich nahe liegen, noch auch die Voraussetzung, daß Judas diesen Beinamen erst nach dem Verrathe Jesu erhalten habe, dem geschichtlichen Charakter der Apostelverzeichmsse entspricht. 2M Matth. X, 6. iheistische Gottesverehrung, von der göttlichen Offenbarung losgelöst, der im A. Test, durch die Propheten fortentwickelten und in Christo vollendeten Offenbarung Gottes fast eben so ferne stand als das Heiden- tum. — Das Gebot aber: nicht zu den Heiden und den Samaritern zu gehen, ist nicht unbedingt, sondern relativ zu fassen. Dies ergibt sich schon aus dem Gegensatze: „geht aber vielmehr (dl (lälXov) zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel'^ und noch deutlicher ans dem weiteren Contexte, namentlich aus dem Worte v. 23: „ihr werdet die Städte Israels (d. h. eure Mission in den Städten Israels) nicht vollendet haben, bis der Menschensohn gekommen sein wird'^ Hieraus erhellt klar, daB die Apostel nicht zu den Heiden und den Samaritern gehen, sondern vielmehr d. h. zuvörderst und zunächst dem Yolke Israel das Evangelium verkündigen sollen, weil sie bis zum Kommen des Men- schensohnes mit diesem Arbeitsfelde nicht werden zu Ende gekommen sein. In dieser Vorschrift liegt weder jüdischer Particularismus, noch ist dieselbe blos auf die erste Aussendung der Apostel zur Erprobung ihrer Befähigung für den apostolischen Beruf zu beschränken, was mit dem übrigen, ganz allgemein gehaltenen Charakter der Instruction strei- ten würde. Die relative Fassung dieser Vorschrift entspricht vielmehr der durch die ganze Schrift durchgehenden Anschauung, daB das Reich Gottes in Israel gegründet wird und von Israel aus zu den übrigen Völ- kern gelangen soll. Christus schließt damit den Aposteln das Gebiet der Heiden und Samariter weder überhaupt noch auch nur ftajezt zo, sondern weist sie nur an, das Missionswerk in Israel zu beginnen und so lange fortzusetzen, bis da kein Raum für sie mehr sein werde. So verfuhr der Erlöser selbst. Er beschränkte seine Wirksamkeit auf das Volk Israel. Er reiste zwar von Jerusalem nach Galiläa durch Samaria und zog sich einmal auch in die Gebietsteile von Tyrns und Sidon zurück (Joh. 4, 4. Mtth. 15, 21); nirgends aber lesen wir, daß er in Samaria oder im Gebiete von Tyrus und Sidon das Evangelium gepre- digt und Wunder gethan habe wie in Galiläa und Judäa, sondern nur, daß er am Jakobsbrunnen bei Sichem mit dem samaritischen Weibe in ein Gespräch sich einließ und, weil er hier einen empfänglichen Boden für die Aufnahme des Evangeliums fand, sich dem Weibe und den aus der Stadt zu ihm gekommenen Samaritern als Heiland offenbarte und zwei Tage dort blieb, dann aber wieder nach Galiläa zog (Joh. 4, 40. 43), und daß er im phönizischen Gebiete dem cananäischen Weibe, nachdem er derselben erklärt hatte, daß er nur zu den verlorene Schafen vom Hause Israel gesandt sei, um ihres großen Glaubens wil- len die erbetene Hilfe gewährte. Aehnlich verfuhr auch der Apostel Paulus, welchen der Herr doch sich zu einem Rüstzeug erwählt hatte, daß er seinen Namen vor Heiden und Königen und vor den Söhnen Israels trage (Act. 9, 12). Allenthalben verkündigte er das Evangelium zuerst den Juden, und erst, wenn die Juden sich dagegen verstokten, den Heiden. Der Befehl Christi an die Apostel nach seiner Auf- erstehung, das Evangelium allen Völkern zu verkündigen, ist nicht eine Erhebung des apostolischen Berufs zum Universalismus im G^ensats Matth. X, 7—10. 95S zu dem Particularisrnns der vorliegenden Instruction^ Bondem nur die offene Erklärung über die universelle Bestimmung des Evangeliums, die impücite sowol in dem Verhalten Jesu g^;en Samariter und Heiden, als auch in der nur relativen Beschränkung der apostolischen Mission auf Israel in unserem Verse schon enthalten war. Tä utgoßaxa xa cbtoXooJLora die ohne Hirten in der Irre gehenden Schafe, der Sache nach: die vom Wege des Heils abgekommenen Glieder des Bundesvolks; Tgl. fOr dieses Bild Jes. 53, 6. Jer. 50, 6. £z. 34, 5. Bam d. i. Familie Israels im A. T. stehende Bezeichnung des Bundesvolks nach seiner gemeinsamen Abstammung von Jakob-Israel. V. 7 u. 8. Das Wirken der Apostel ist als Fortsetzung der Thätig- keii Jesu bezeichnet: Verkündigung des Evangeliums und Heilung der Kranken, vgl. 4, 17 u. 23. Zu t*exQOvg lyBlgexB vgl. 9, 25 u. Act. 9, 37—41. 20, 9ff.^ jdooQsäv iXdßsrs — öots bezieht sich nicht blos auf die Wundergabe, sondern auch auf die Verkündigung des Evangeliums, auf alles was die Apostel bringen. Denn konten die Apostel von denen, welchen sie das Evangelium predigten, ihren Lebensunterhalt bean- spruchen (v. 10 vgl. 1 Kor. 9, 4 ff.), so lag es auch nicht ferne, dafür Greld oder Geschenke anzunehmen. — V. 9 u. 10. N^ xrijötjo^e kann heißen: schaffet euch nicht an, nämlich zur Eeise, versorgt euch nicht damit, oder nohie possidere (VulgJ, lasset euch kein Geld geben (WWce, Urevangel. S. 355). Für die zweite Auffassung scheint das öcogeav zu sprechen v^allein nach v. 10 kann nur die erste richtig sein, da in diesem Verse unzweifelhaft vom Anschaffen des Eeisebedarfs die Bede ist, beide Verse aber nur ein Verbum haben (gegen Weiss). Wie sie keine Tasche für die Reise {ßlg böov) sich anschaffen sollen, so auch nicht Gold oder Silber oder Kupfer d. h. keinerlei Art von Geld, in ihre Gürtel, welche die Orientalen für die Aufbewahrung des Geldes be- nutzen, jr^'pa elq odov eine über die Schulter gehängte Reisetasche. Auch nicht zwei Unterkleider (;c2^a^), nicht um beide über einander anzuziehen, sondern um damit zu wechseln. So ist auch iirj ivövotjod'S dvo xix, bei Mark, zu verstehen. Auch nicht Schuhe (vjeoöjjfiata d. h. Sandalen, die unter die Fußsohlen gebunden wurden); auch nicht einen Stab sc. solt ihr euch für die Reise anschaffen, außer den Sandalen und dem Stabe, die ihr bereits im Gebrauche habt. So hebt sich einfach der scheinbare Widerspruch, daß sie nach Mrc. 8, 9 außer einem Stabe allein, weder Tasche, noch Brot . . . mitnehmen (qllQ(Daiv)y sondern San- dalen an den Füßen haben, und nicht zwei Kleider anzidien sollen. — Die Begründung dieser Vorschrift: „denn der Arbeiter ist seiner Speise 1) Diese Worte fehlen zwar in (PEFGKL u. v. a., und sind deshalb von vielen Kritikern angefochten worden, aber schon von Ginesb, gut verteidigt und von Lehm, u. Tischend, 8 nach V(BC*D u. a. recipirt und nach d^eganeveie ge- sielt worden, während Pritzsche sie nach Pd lunter ixßaXXBtB sezte. Die Zeu- gen f&r die Auslassung sind meist spätere, welche den älteren nicht die Wage halten. ,Die Auslassung scheint dadurch veranlaßt zu sein, daß von Todten- erweckungen der Apostel weder in v. 1 noch Luc. 9, 6, noch Marc. 6, 13, son- dam erst Act. 9, 36 ff. die Bede ist« (de Wette). 266 Matth. X, 11-14. wert'^ ist ein sprichwörtlicher Satz, dessen Anwendung sich von selbst ergab, vgl. Luc. 10, 6. V. 11—14. Ihr Verhalten bei Verkündigung des Evangeliums. V. 11. In welche Stadt aber oder Flecken ihr etwa {av) eingetreten sein möget, erforschet wer in ihr würdig ist; dort bleibet bis ihr fort- gehet (nämlich aus dem Orte), i^ezdaate erforschet teils durch Nach- frage, teils durch eigene Warnehmung beim Eintreten (v. 13). a^iog würdig, um bei ihm zu herbergen. Sie sollen nicht willkürlich die Her- berge wechseln, um nicht den Schein zu erwecken, als gingen sie dar- auf aus, Tag für Tag gut bewirtet zu werden, und wol auch um die Bewohner des Hauses erfolgreich für das Evangelium zu gewinnen. Dagegen liegt in diesen Worten nicht, was Mey. darin sucht, daß sie nur die häusliche Mission pflegen, nicht in den Synagogen, nicht auf den Märkten auftreten selten. — V. 12. In das Haus eintretend grüßt dasselbe, slg tijv olxlav nicht in das Haus, in dem ihr anlanget, son- dern das man bei der Nachfrage euch als würdig bezeichnet hat. Das Grüßen {da:n:d^€a^ai) bestand in Anwünschung von Heil oder Frieden. Der Gruß lautete ^) öftti vgl. Gen. 40, 23. Eicht. 19, 20. Luc. 10, 5 und solte im Munde der Jünger Jesu nicht inhaltsleere conventiondle Formel sein. V. 13. „Und wenn das Haus ist ein würdiges, so soll euer Friede auf dasselbe kommen; wenn es aber nicht ist ein würdiges, soll euer Friede zu euch zurükkehren'S d^la wie in v. 11 würdig euch aufzunehmen. Diese Würdigkeit zeigt sich in der Empfänglichkeit sei- ner Bewohner für die Aufnahme des Evangeliums, was Lnk. in 10, $ so ausgedrükt hat: wenn dort vlog elgijvijg ein für den Frieden Empfänglicher ist. Die Imperative iXO^iza) und dvaöTQaq>i]T(D stehen nicht für das Futurum, noch conjunctivisch: so möge kommen — zu- rükkehren {BL, de W,\ sondern befehlend: das im Gruße angebotene Heil soll kommen vermöge der von Christo ihnen verliehenen Geistes- macht, als eine reale geistige Kraft, die, wenn sie von dem Hause nicht angenommen wird, wieder zu den Aposteln zurükkehrt, so daß sie, wie Euthym. bemerkt, beim Weggehen den Frieden mit sich fortnehmen. — V. 14. Das Haus aber, welches, oder die Stadt, welche die Boten des Herrn nicht aufnimt, auch ihre Worte nicht hört, von dort sollen sie weggehen und den Staub von ihren Füßen schütteln. Die Satzbildnng in V. 14 ist anakoluthisch , indem der den Nominativ absolutns um- schreibende Belativsatz mit Nachdruck an die Spitze gestelt und bei oq an das Haus oder die Stadt gedacht ist, dessen oder deren Bewohner sich durch Nichtaufnahme der Boten des Friedens als unwürdig gezeigt haben. Das fgcö, welches Lehm, u. Tisch, 8 nach ^BD aufgenommen haben, soll nach Mey. die im N. T. seltene Construction des l^iQyjecd-ai mit bloßem Genitiv (Act. 16, 39) glossiren. Aber dazu würde Ix aus- gereicht haben. Das Abschütteln des Staubes von den Füßen ist nicht blos Zeichen der verdienten Verachtung, mit der man Solche den Hei- den gleichsezt, deren Staub beflekt {Mey,). Denn aus der Satzung spä- terer Rabbinen, daß der Staub von heidnischem Lande unrein sei (vgl. Lighif. ad h, l) ^ folgt keineswegs, daß durch diese Handlang das Matth. X, 15. 16. 257 anempfängliche Hans für unrein erklärt worden sei. Die sinnbildliche Handlang ist ein drastisches Zeichen des Abßrechens jeder Gemein- schaft, eine Realerklärung, daß man mit solchem Hause oder Orte nicht das Mindeste gemein haben wolle, nicht aus Furcht vor Verun- reinigung, sondern um dem Gerichte zu entgehen , dem eine solche Stadt durch Abweisung der Boten des Friedens verfiel. Dies wird be- stätigt durch die feierliche Erklärung Christi v. 15: „warlich ich sage euch, es wird dem Lande der Sodomer und Gomorrer erträg- licher ergehen am Gerichtstage als jener Stadt". Die Umkehrung von Sodom und Gomorra durch einen Feuer- und Schwefelregen (Gen, 19, 24 ff.) bildet schon im A. T. ein stehendes Exempel des göttlichen Yertilgungsgerichts, das die Grottlosen treffen wird, vgl. Deut. 29, 22. Jes. 13, 19. Jer. 49, 18. Das Land von Sod. u. Gom. ist als der :^6Xtg kxelvfj correspondirend genant statt der Bewohner. Da das Land von Sodom u. Gomorra mit seinen Bewohnern längst von der Erde ver- schwunden war, so sezt dieser Ausspruch die Auferstehung der Gott- losen zum Gericht voraus (Joh. 5, 29); wogegen der Einwand: daS auch die in den Gottesgerichten der Vergangenheit Umgekommenen, deren Seelen sich in dem provisorischen Strafort des Hades befinden, immer noch ihr definitives Urteil am messianischen Gerichtstage zu er- warten haben {Weiss\ nichts verschlägt, weil die Distinction: nur die Seelen, nicht aber die Personen werden ihr Endurteil empfangen, schriftwidrig eingetragen ist. Die Drohung selbst, welche Jesus im klaren Selbstbewußtsein des Weltrichters ausspricht, beruht auf dem Grundgesetze der sittlichen Weltordnung, daß die Schuld um so größer wird, je völliger der Wille Gottes, dem man widerstrebt, kundgethan war, vgl. 11, 20 ff. Luc. 12, 47. Von V. 16 an richtet der Herr seinen Blick auf die Zukunft der Apostel und sagt ihnen nicht nur die Verfolgungen voraus, die sie von- seiten der feindlichen Welt werden auszustehen haben, sondern ver- heißt ihnen zugleich außerordentlichen Beistand des göttlichen Geistes f&r diese schwierigen Verhältnisse, um sie für die ihnen bevorstehenden Leiden zu stärken, daß sie sich dadurch nicht sollen an ihrem Berufe irre machen lassen. Vorbereitet ist die Ankündigung der Verfolgungen durch den Gedanken v. 14 u. 15, daß nicht jede Stadt die Jünger auf- nehmen werde, und eingeleitet wird sie v. 16 durch den Ausspruch: „siehe ich sende euch wie Schafe mitten unter Wölfen", durch den im Allgemeinen ihre Stellung in der gottfeindlichen Welt charakterisirt vrird, um daran eine Regel für ihr Verhalten in dieser schwierigen Stellung zu knüpfen, ^öov dient hier wie immer, um auf etwas Neues hinzuweisen. Auch syd hat wie immer (vgl. Winer Gr. §. 22, 6) Nach- druck. Ich der Menschensohn, der erschienen ist, das Himmelreich zu gründen und die Herschaft des Fürsten dieser Welt zu zerstören. Mit kyoi betont also Jesus seine Stellung zu der im Argen liegenden Welt und ruft damit den Jüngern alles ins Gedächtnis, was er ihnen bisher über seine Person und sein Kommen in die Welt gesagt hatte. Die Verbindung des djcoörekkw mit h (lioo) Xvxcov ist prägnant (vgl. Keil, Comm. z. Eyaogel. Matth. 17 258 Matth. X, 17. 18. Winer §. 50, 4) and besagt: ich sende ench wie Schafe unter Wölfe, so daß eure Stellung bei Ausrichtung meiner Botschaft an die Welt der Stellung von Schafen gleichen wird, die sich mitten unter Wölfen be- finden, d. h. ihr werdet dabei in steter Lebensgefahr schweben. Ver- haltet euch also in diesen gefahrvollen Verhältnissen „klug wie die Schlangen und ohne Falsph wie die Tauben^S Die Schlange ist nach Gen. 3, 1 Bild der Klugheit, und die Taube Bild argloser sittlicher Lauterkeit. Klugheit sollen die Jünger zeigen in dem Erkennen der Gefahr und in der Wahl der rechten Mittel dagegen, äxigaiog ange- mischt, in ethischem Sinne: lauter in Gesinnung und Handlungsweise, ohne Falsch in Bezug auf die Wahl der Mittel zur Erreichung des Zweckes, vgl. Phil. 2, 15. Rom. 16, 19. Die Vereinigung dieser beiden Eigenschaften ist sehr schwierig. V. 17 f. ÜQOöixBXB öi nehmt euch aber in Acht, ist nicht nähere Bestimmung der Klugheit {de W. u. A.), sondern weitere Ausführung der Mahnung zur Klugheit und Taubeneinfalt (Mey.). äjtb tcdv avO-oei- :jt(X)v vor den Menschen. Der Artikel steht generisch: vor den Menschen insgemein, nämlich in ihrem natürlichen Zustande und Zusammenhange mit der gottentfremdeten Welt. Als solche werden sie die Boten des Evangeliums hassen und verfolgen ; sie werden sie den Synedrien über- liefern und in ihren Synagogen geißeln. Tä ovviögia (Flur.) bezeich- net nicht das sogen, große Synedrium, sondern die sogen, kleinen San- hedrin d. h. die Ortsgerichte in größeren und kleineren Städten, über deren Zusammensetzung und Competenz die talmudischen Angaben mit den Nachrichten des Joseph, nicht übereinstimmen; vgl. m. bibl. Archäol. §. 149. Anm. 6 u. Leyrer in Iferz/s Realencykl. XV S. 324 1 Die Synagogen kommen hier in Bezug auf die Befugnis, Disciplinar- strafen zu verhängen, iu Betracht. Die Geißelung als eine Synagogen- strafe ist durch das N. Test, außer Zweifel gesezt, vgl. Act. 22, 19. 26, 11. 2 Kor. 11, 24, läßt sich aber aus der älteren rabbinischen Li- teratur nicht belegen, vgl. Vitringa, de Synagoga vet III, 1 c. 11 u. Winer RW. H S. 571. — V. 18. Und nicht blos den jüdischen Ge- richten werden sie überliefert, sondern auch vor heidnische Obrigkei- ten und Könige werden sie geführt werden. Die Verbindung xa\ — de in einem Satze ist steigernd, wie et-vero ,und auch' {Winer S. 412 £), eigentl. und andrerseits, hinwiederum, vgl. Kühner Gr. II S. 796, 3. ^ysfiovag Machthaber begreift die dreierlei römischen Oberverwalter der Provinzen: Propraetores, Proconsules und Procuratores, in sich; vgl. Fischer de vitiis Lexic. N, T, p, 432 ss. ßaöiXetg Kömg^ a. B. Agrippa, hier Bezeichnung aller selbständigen Regenten, elg fia^TV' Qiov sd^vECiv zum Zeugnisse ihnen (den Juden) und den Heiden d. h. daß ihnen ein Zeugnis über mich, oder was dasselbe ist, über das Evangelium durch euer Bekentnis gegeben werde. Diese nähere Be- stimmung des Zeugnisses ergibt sich aus dem svexav hfiov. Unrichtig wird gewöhnlich (noch von Bg.-Crus., BL u. Weiss) avxolg auf ^6- fiovag bezogen, wozu schon die Unterscheidung von xal rotg iß^sciv nicht paßt, da ja die Statthalter und Könige auch Heiden waren. Matth. X, 19—22. 259 Hieza komt, daS alles von jcagaöcicovöiv an in eine Kategorie äUt, welche eine Bestimmung hat, und schon aus diesem Grunde slg fiagvo- Qiov TcvL nicht blos zur zweiten Hälfte dieser Aussage gehören kann, sondern auf beide Sätze sich beziehen muß, folglich avxolg auf die in jtaQaöciöovöiv und (iaötiyciöovaiv handelnden Subjecte d. h. auf die Juden zurückweist, wie schon Maldon., Beng,, Lange, Hilgf. u. Mey. richtig erkant haben. V. 19 u. 20. Für diese Fälle sichert der Herr ihnen zum Trost den Beistand des göttlichen Geistes zu. „Wenn sie euch aber überliefern, solt ihr nicht sorgen, wie oder was ihr reden soUet'S jroog 7] xl wie oder was. Durch das disjunctive ri werden die beiden Momente, das Wie und das Was, stärker hervorgehoben. Im folgenden wird nur xl weiter erwähnt, weil mit dem xl zugleich das ütmg gegeben ist. „Es wird euch gegeben werden in jener Stunde'% da ihr euch zu verant- worten und Zeugnis abzulegen haben werdet, nämlich von dem Geiste Gottes (laut v. 20).^ „Denn nicht ihr seid die Redenden, sondern der Geist eures Vaters ist der Redende in euch^^ Mit laxi (praes,) ist die künftige Lage vergegenwärtigt. Der Gegensatz von ov und dXhx ist absolut hingestelt, um die Bestimtheit der Zusage zu betonen. Der Sache nach ist der Geist Gottes nur der intellectuelle Urheber dessen, was sie reden werden. Y. 21 f. Nach diesem Trostworte schildert der Erlöser noch weiter die Feindschaft gegen die Bekenner seines Namens und erklärt, daB dieselbe nicht blos von den Juden und Heiden ausgehen, sondern auch in die innigsten Familienverhältnisse eindringen werde. Ein Bruder werde den andern, ein Vater das Kind dem Tode überliefern; Kinder werden gegen Eltern auftreten, um sie zum Tode zu bringen, naga- öciasi slg d-avaxov zum Tode überliefern d. h. die Hinrichtung veran- lassen, ijtavaöxijöovxai werden aufstehen, auftreten teils als Anklä- ger, teils als Zeugen vor Gericht, d-avaxovv ums Leben bringen durch Anklage, nicht geradezu todtschlagen. Dieser Schilderung (v. 21) liegt die Stelle Mich. 7, 6 zu Grunde, wo der Prophet mit ähnlichen Wor- ten die furchtbare Höhe des sittlichen Verderbens schildert, welches beim Anbruche des Gerichts in Israel sich zeigen werde. Die Beziehung dieser Worte auf die Verfolgung der Apostel liegt im Contexte unserer Stelle und ist v. 22 klar ausgesprochen: „Ihr werdet sein gehaßt von 1) In V. 19 variiit die Lesart zwischen 7rofpa(ft(fai(r/i' (nach CE^PKMSUVah\ na^aotoaovffiy (Griesb.n&ohDGLXah) und naQadcoi]Tf]v löslv wol die ursprüngliche Lesart, and die rec. löslv \ nQoqyfixtjv nur Conformation mit den voraufgegan- genen Fragen). Diese lezte Frage bejaht der Erlöser: „Ja sage ich euch (einen Propheten sähet ihr), und zwar mehr als einen Propheten'^ Ob jtSQiOOoTSQov als neutr. oder als masc, zu fassen sei, läßt sich nicht entscheiden, da beide Auffassungen zulässig sind. In wiefern Johannes xBQiOO&tBQOv jtQoq>j]TOv war, sagt der Herr in v. 10: „Derselbe ist der, von welchem geschrieben ist: Siehe ich sende meinen Boten vor dir her, welcher deinen Weg vor dir bereiten wird". Die Worte sind aas Mal. 3, 1, dort als Rede des seine Erscheinung ankündigenden Got- tes lautend: „ich sende meinen Boten vor mir her, der meinen Weg vor mir bereiten wird, hier und Luc. 7, 27 wie schon Mrc. 1, 2 in der An- wendung auf die Erscheinung des Messias so angeführt, daß Gott sie zu Christo gesprochen hat, daher jcqo jiQoOcinov aov — oöov oov ifUtQoa&dp aov. Mehr als ein Prophet ist demnach Johannes, sofern als er von Gott gesandt ist, dem in die Welt kommenden Erlöser den Weg zu den Herzen der Menschen zu bereiten. — V. 11. Vermöge die- ses seines Berufes ist — wie der Herr mit feierlicher Versicherung (dfi^v Xiyco v/itv) fortfährt — „nicht aufgestanden unter den von Wei- bern Geborenen ein Größerer als Johannes der Täufer", retn^rol ywaixAv nach dem hebr. to« iA«; Hi. 14, 1. 15, 14 gebildet, ist eine dem feierlich gehobenen Tone der Rede entsprechende Bezeichnung der Menschen, ohne die Nebenbedeutung der Sterblichkeit, Schwäche, Sün- digkeit (s. Weiss gegen Mey.), k/i^yeQxai steht vom geschichtlichen Auftreten, wodurch fisl^mv Größerer auf den Beruf des Täufers be- schränkt wird. Der Zusatz jtQoqyi^q Luc. 7, 28 ändert den Sinn nicht, sondern macht die Beziehung der Worte auf den propjietischen Beruf des Täufers nur deutlicher. Als der Herold des Messias ist Johannes vor allen andern Propheten ausgezeichnet. — „Aber der Kleinere im Himmelreiche ist größer denn er". ^0 fiixQOTSQog ist weder direct noch indirect (kleiner als alle andere, BL, Weizs., Keim) in den Superlativ umzusetzen, sondern die Bedeutung des Comparativs festzuhalten : der im Himmelreiche eine verhältnismäßig geringe oder niedrige Stelle einnimt, zu den Kleineren (nicht: Kleinsten) im H. gehört. ^0 fcixQOt. von Jesu verstehen zu wollen {Chrys,, Theophyl, auch Luther m. A.) ist sinn- und contextwidrig; und diese Deutung nur ersonnen, weil man meinte, daß durch die Fassung des (ilxqotbqoq von Gliedern oder Bür- gern des Himmelreichs Johannes von demselben ausgeschlossen würde. Aber von dem Himmelreiche, in welchem — wie Mey, sich ausdrükt — doch die Propheten und Patriarchen Platz finden, ist gar nicht die Rede-, fj ßaCiXsla rcov ovq, ist nicht = ^ ßaadela ^ hjtovgaviog das Keili Comm. z. Evangel. Matth. 18 274 Matth. XI, 11. 12. himmlische Reich der Seligkeit (2 Tim. 4, 18), sondern das dnrch Christum auf Erden gegründete Himmelreich; und der Ausspruch be- zieht sich nur auf die Stellung, welche Johannes als der lezte Prophet des A. Bundes zu diesem eingenommen hat. Als solcher gehört er dem Himmelreiche nicht an, und zwar nicht deshalb, ,weil er noch nach dem Erwarteten fragt (v. 3) und noch in Gefahr steht, an Jesu irre zu wer- den^ ( Weiss\ sondern weil er den von Gott ihm angewiesenen Beruf, dem Gründer des Himmelreichs den Weg zu bahnen, nicht eigene verlassen durfte. Ueber das Gottesreich des A. Bundes, dessen leztei und größter Prophet Johannes war, ist aber das von Christo gegrfliw« dete Himmelreich so erhaben, daß der Kleinere im Himmelreich gröBc^-^ als Johannes ist, weil die Genossen des Himmelreichs in den Gnadeo- stand der Gotteskindschaft eingetreten und der ooxtjQla teilhaftig ge- worden sind, nach welcher die Propheten, die von derselben weißagtes^ noch gesucht und geforscht haben (1 Petr. 1, 10 ff.). Fragt man abar, warum Johannes, nachdem Gott ihm Jesum als Heiland und Erlöser offenbart hatte, daß er von ihm als dem Lamme Gottes zeugen konte, und nachdem Jesus die Gründung des Himmelreichs in Angriff genom- men hatte, sich ihm, dem Messias nicht als Jünger anschloß, sondern neben der Geistestaufe Christi noch die Wassertaufe zur Buße fort- sezte, so ist die Autwort bereits in der obigen Bemerkung gegeben, daß er ohne besondere göttliche Weisung den ihm zugewiesenen Heroldsberuf nicht aufgeben durfte, sondern auf dem Posten, auf wel- chen Gott ihn gestelt hatte, auszuharren hatte, bis Gott ihn von dem- selben abrief — was mit seiner Gefangennahme geschah. Uebrigens ist der Ausspruch 6 de /itxQÖreQog xxX. weder blos ,beiläufige Bemer- kung' {Mey.\ noch ,der notwendige Abschluß des Urteils über den Tftu- fers, um ihn gegen den Vorwurf eines Wankelmütigen oder Weichlings in Schutz zu nehmen' (Weiss) ^ vgl. dagegen v. 14, wo erst das End- urteil über Johannes folgt, sondern dient zur Vermittelung des IJebe^ gangs von dem Zeugnisse Jesu über die Stellung des Täufers zum Beiche Gottes zu der v. 12 folgenden Aussage über das Himmelreich, y. 12. „Von den Tagen Johannes des Täufers aber bis jezt leidet das Himmelreich Gewalt und Gewaltbrauchende reißen es an sich". Das 6i ist weder unpassend {Bl) noch blos metabatisch, wie Mey, sagt, aber es im Sinne von ydg faßt, indem er den Zusammenhang so be- stimt, daß Jesus in v. 12 als Beleg dessen, was er v. 10 u. 11 über Jo- hannes gesagt hatte, die gewaltige Erregtheit für das Messiasreich seit des Täufers Auftreten hervorhebe. 6i ist adversativ und der Zusam- menhang dieser: Obgleich aber Johannes der Täufer nach seinem gott- geordneten Berufe dem Himmelreiche nicht angehört, so ist doch sein Auftreten von entscheidender Bedeutung für dasselbe. Die Tage Jo- hannes des Täufers sind die Zeit seines öffentlichen Wirkens, die seit seiner Gefangensetzung der Vergangenheit angehören: von jener Zeit an bis jezt iagTi)^ der Gegenwart, in der Jesus von ihm redet, ßia^i^m erklärt Hesych. richtig: ßiaicoQ xQazetrai wird mit Gewalt eingenom- men, erobert. Es ist Passivum, nicht Medium : ,os bricht mit Gewalt Matth. XI, 12. 13. 275 herein^ {Beny,, Stier, Baur)^ oder: greift mit Gewalt tun sich, breitet sich mächtig ans (0. v. GerL) oder: es bahnt sich unanfhaltsam selbst die Bahn (Ew.). Die mediale Fassung paßt nicht zu dem folgenden Satz, wo ßiaoral die sind, welche das ßcd^609-at wirken. Auch liegt in ßiäC^BCd-at nicht der Begriff gewaltiger Aufregung, nngestttmen Ver- langens nach dem Reiche Oottes {de W,) oder des begierigen, alle Hin- demisse überwältigenden Trachtens nach dem nahen Messiasreiche {Mey. nach Chrysost n. A.), sondern nur der Gedanke, daß das Him- melreich mit Oewaltübong eingenommen werden kann, vgl. Oppenr, S. 429 iL In diesem Sinne hat auch Luther seine Uebersetzung: leidet Gtowalt in der Bandglosse gedeutet: ,die Gewissen, wenn sie das Evan- geliun vernehmen, dringen sie hinzu, daß ihnen Niemand wehren kann^ Der Gedanke ist dieser: Mit dem Auftreten Johannes des Täufers ist die Zeit gekommen, daß man in das Himmelreich eingehen kann, aber das Eingehen in dasselbe, das Gewinnen des Himmelreichs erfordert ernste Anstrenguog; es wird mit Anwendung voller Kraft erobert (vgl. xäg slg ccvxtjv ßid^erai (Luc. 16, 16). Nur die welche Gewalt brau- chen {ßiaoral) reißen es an sich, erlangen es als Eampfesbeute. An- wendung von Gewalt ist nämlich nötig, weil fierdpoia Sinnesänderung, Buße und ernstes Streben nach Gerechtigkeit, und zwar einer Gerech- tigkeit, die besser ist als die der Pharisäer und Schriftgelehrten, un- erläßliche Erfordernisse für den Eingang in dasselbe sind, und wer nicht der Buße würdige Frucht schaffet, gleich dem unfruchtbaren Baume abgehauen und ins Feuer geworfen wird (vgl. 3, 2—11. 5, 20 ff.). Die Anforderungen, welche Christus in der Bergpredigt an seine Jün- ger stelt, sind nicht leichter, sondern eher noch schwerer als die von dem Täufer geforderte fisrdrota. Gänzlich verfehlt hat noch JFeiss den Sinn dieser Worte und den Gedankengang der Bede Jesu bei der Behauptung, daß ßtd^eo&cu auf das Gottesreich angewandt nur einen tadelnden Sinn haben könne, und daß Jesus damit das von dem Täufer angeregte Verlangen, , welches die Verwirklichung des Gottesreiches in der Form der nationalen Theokratie und damit die Erfüllung aller Verheißung gleichsam mit Gewalt herbeizwingen weite, und die lang- samen Wege, auf denen Jesus jenes Ziel herbeizufähren strebte, per- horrescireS Diese Auffassung hängt mit der irrigen Deutung des ßiä- ^erai fj ßaö, r. ovq. von einem stürmischen Verlangen nach dem Got- tesreiche zusammen, und ist nicht nur mit dem folgenden Ausspruche Christi, daß Johannes der Elias sei, der kommen solle (v. 14), sondern auch' mit der durch öi v. 16 eingeführten Büge des Verhaltens des Volks sowol gegen den Täufer als gegen ihn, den Menschensohn unver- einbar. Nicht stürmisches, durch den Täufer angeregtes Verlangen nach dem Gottesreiche tadelt der Herr v. 16—19 an der yevsd seiner Zeit, sondern Leichtsinn und launenhaften Eigensinn, dem weder der Bnßemst des Täufers noch die Sünderliebe Jesu zusagt. In V. 13 f. begründet Jesus den Gedanken, daß seit dem Auftreten des Täufers das Himmelreich gewonnen werden kann. „Denn alle Propheten und das Gesetz weißagten bis auf Johannes, und wenn ihr's 18» 276 Matth. XI, 14—16. aufnehmen wollet, Er ist der Elias, welcher kommen soll". Alle Weißa- gung des A. T. von der Vollendung des Gottesreiches reicht bis auf Johannes. Sein Auftreten bildet den Endtermin aller Weißagimg; mit ihm begint die Erfüllung derselben; denn er ist der Elias, welcher dem Kommen des Herrn (des Messias) zur Yollendung des Gottesreiches durch das Gericht unmittelbar voraufgehen soll, Mal. 3, 1. 23. Neben jcdpteg ol jtQoq)7Jrai ist noch 6 vofcog genant, weil schon mit diesem die Weißagung anhebt, vgl. Job. 5, 46. Act. 7, 37. Rom. 10, 6; aber erst nach den Propheten, weil das Gesetz nur die Keime und Anfänge der Weißagung enthält, die erst in den Schriften der Propheten eine solche Ausbildung erhalten hat, daß ihre Verwirklichung oder Erfül- lung Object der Hoflfhung des ganzen Volkes wurde. Mit sl d-iXste öe^aad-ai wenn ihr aufnehmen wollet sc. meine Rede über den Täufer, will Jesus den folgenden Ausspruch, daß Johannes der kommende Elias ist, nicht etwa restringiren, daß Johannes nur im gewissen Sinne der Elias sei {Olsh.)^ sondern das zu Sagende den Zuhörern als wichtig und beherzigenswert einschärfen. Johannes ist wirklich der geweißagte Elias, wenn ihr ihn nur als solchen anerkennen, d. h. als den Wegbe- reiter des Messias aufnehmen und euch durch ihn bekehren lassen wollet. Das Prädicat 6 ft^XXcov SQXsod-ai sezt die Erwartung des Elias vor der Erscheinung des Messias, gemäß der Weißagung des Maleachi, als unter dem Volke verbreitet und wolbegründet voraus, und weist damit implicite die rabbinische Vorstellung, daß der in den Himmel entrükte Elias leibhaftig wieder erscheinen werde, s. Lightf. ad 17 y 10, als Mißverstand der Schrift ab, vgl. 17, 12. — Um aber seine Rede den Zuhörern noch dringender ans Herz zu legen, schließt der Erlöser dieselbe v. 15 mit der Mahnung: „Wer Ohren hat zu hören der höre". Diese Mahnung bezieht sich nicht blos auf den Ausspruch v. 14, son- dern auf die ganze Rede über Johannes v. 7—14, und Jesus gebraucht sie stets nur, um die Zuhörer zu ernstem Nachdenken über vorgetra- gene Lehren aufzufordern ; sei es weil das Verständnis derselben nicht auf der Oberfläche lag, so 13, 9. 15. Mrc. 4, 9. 23. 7, 16. Luc. 8, 8. 14, 35, sei es weil es an gutem Willen zur Beherzigung der Rede fehlte, so hier u. Apok. 2, 7—3, 22. V. 16—19. Jiüge des leichtsinnigen und launenhaften Charakters der Zeitgenossen, Dieser Tadel ist mit advers. de eingeführt und da- durch in Gegensatz zu der Erklärung über Johannes den Täufer geseat, womach der Uebergang so zu fassen: Johannes war der Elias, welcher der Weißagung gemäß dem Messias den Weg bereiten solte; ihr aber habt euch durch ihn nicht für die Aufnahme des Erlösers bereiten las- sen, weil ihr eigensinnigen Kindern gleicht, denen Niemand es recht machen kann. „Wem soll ich dieses Geschlecht vergleichen?" yspsav xavxrjv ist die gegenwärtige Generation des Volks im Großen und Gan- zen. „Es ist gleich auf den Märkten sitzenden Kindern, welche den anderen (Kindern) zurufen: wir haben euch Flöte gespielt und ihr habt nicht getanzt, wir haben Trauerlieder gesungen und ihr habt nicht ge- wehklagt". Die spielenden Kinder sind als in zwei Parteien einander Matth. XI, 17—19. 277 gegenüber sitzend gedacht, wobei die eine Partei die andere {totq eri" Qoig) auffordert, in die von ihr in Vorschlag gebrachten Spiele einzu- stimmen, diese aber es nicht thun wollen. Die Flöte war ein sehr be- liebtes musikalisches Instrument, welches zu Freuden- und Trauerge- sängen (vgl. 9, 13) geblasen wurde; vgl. m, bibl. Archäol. §. 137, 3. xojnso&aL sich schlagen für wehklagen, weil man bei schmerzlicher Trauer sich an die Brust schlug, s. zu Nah. 2, 8. Daß das Volk solchen eigensinnigen Kindern gleicht, beweist der Herr {yccg v. 18) aus seinem Verhalten zu den beiden Gottesgesandten. „Johannes (der Täufer) kam (trat auf) nicht essend und nicht trinkend" — hyperbolische Bezeich- nung der Askese des Täufers (vgl. 3, 4) „und sie sagen: Er hat einen Dämon (Teufel)" d. h. er ist von einem finstern Dämon beseelt, der ihn verführt, sich der ordentlichen Nahrung zu enthalten. „Der Menschen- sohn kam essend und trinkend" d. h. sich keinerlei asketische Ent- haltungen auflegend und an Gastmählern teilnehmend; „und sie sagen : siehe ein Mensch, der ein Fresser und Weinsäufer, ein Zöllner- und Sünderfireund ist". Dieser Vorwurf gründete sich teils auf die Teil- nahme Jesu an dem Gastmahle, welches der Zöllner Matthäus gegeben hatte (9, 10 ff.), teils darauf, daß Jesus seine Jünger von der pharisäi- schen Fastenübnng entbunden hatte (9, 14 ff.), und überhaupt auf seinen Umgang mit den von den Pharisäern verachteten Zöllnern und in üblem Rufe stehenden Sündern. — Dieser Nachweis, daß das Volk launen- haften Eondern gleiche, legt die Annahme nahe, daß in dem Gleichnisse bei der einen Partei der spielenden Kinder an den Täufer und an Je- som zu denken sei. ,Die Spitze des Gleichnisses — sagt noch Oppenr. S. 432 — liegt offenbar darin, daß ein Teil der Kinder den andern thatsächlich ganz Entgegengeseztes vorgeschlagen, und nichts Anklang gefunden, auf nichts eingegangen worden. Die besondere Deutung der beiden Parteien von Kindern auf die Juden einerseits und Johannes und Jesus andrerseits ist durch die weiteren Worte des Herrn (v. 18 f.) so nahe gelegt, daß man sie nicht umgehen kann^ Demnach hat die Mehrzahl der alten und neuen Ausll. in den Kindern, welche die Freu- den- und Trauerspiele anstimmen, Jesum und Johannes, in den wider- spenstigen Kindern die Juden abgebildet gefunden, während de W., Lange, Bl, Keim meinen, daß unter den jtaiöloig die Juden, unter den kcigoiQ Jesus und Johannes abgebildet seien. Aber beide Annahmen sind unhaltbar. Wenn Jesus das Geschlecht seiner Zeit d. h. das jüdi- sche Volk mit spielenden und launenhaften Kindern vergleicht, und zur Begründung dieser Vergleichung das Verhalten dieses Geschlechts zu dem Täufer und dem Menschensohn (d. i. Jesus) anführt, so kann er nicht zugleich den Täufer und sich selbst der einen oder anderen Par- tei dieser launenhaften Kinder gleichstellen, wie schon Olsh, u. Dach- sei richtig eingesehen haben. Die Teilung der Kinder in zwei Parteien gehört nur zur Einkleidung des Gedankens, zur Veranschaulichung der Warheit, daß das Volk nicht weiß, was es eigentlich will. Weil die Einen dies, die Anderen jenes wollen und jeder eigensinnig nach sei- ner Laune dahin lebt, so findet bei diesem Geschlechte weder Johannes 278 Matth. XI, 19. mit der Strenge seiner Baßforderang and Baßübang, noch Christas mit der milden Form seines Aoftretens Anklang. " Sehr verschieden wird der folgende Aassprach gedeatet, in welichem Jesas ohne Zweifel das Schlaßarteil in Bezag aaf die verkehrte Be- arteilang, welche Johannes and Er von den Jaden erfahren haben, &llt (Mey.) : xal köixaici&fj TctX, „and gerechtfertigt worden ist die Weis- heit vonseiten ihrer Kinder'^ Statt rixvcov hat Tisch, 8 Igycov aafge- nommen, aber nar nach ^B* a. etlichen Godd. des Bieron. and Yerss., wogegen alle anderen üncialcodd., Itala a. A. xixva>v haben, wie Lac. 7, 35 mit dem Zusätze jtavxmv, so daß ig^wv nar für ein verfehltes Interpretament gehalten werden kann; jedoch nicht vom Evangelisten herrührend, der an derErwähnang der Kinder der Weisheit (Lac. 7, 35) Anstoß genommen and den Gedanken dahin geändert habe, daß die göttliche Weisheit schließlich durch den Erfolg ihrer Wege (rä ifja avT^g) als die richtige bewährt and erklärt sei, wie Weiss meint ^ aog}la kann nar die göttliche Weisheit sein, die in dem Aoftretai des Täufers und Christi sich kundgegeben, und jenem seinen BaSemst, diesem seine milden Grundsätze vorgezeichnet hat. So nach Münster, Vatabl, Beza u. Calov die meisten neueren AusU. Die rixva atn% die Eonder der Weisheit sind die, welche sich von der göttlichen Weis- heit leiten und bestimmen lassen; vgl. Kinder des Lichts = die im Lichte wandeln. Hiemach können mit Tsxva amfjq selbstverständlich nicht die Juden gemeint sein, entweder als übelweise Kinder {Ew.\ welche die göttliche Weisheit gerade dadurch am besten rechtfertigen, daß sie mit ihrer Weisheit selbst nicht wissen, was sie wollen; oder als das unter der Erziehung und Leitung der göttlichen Weisheit stehende Volk, wie Oppenr, meint und die Rechtfertigung der göttlichen Weis- heit seitens ihrer Kinder in den Aeußerungen der Juden über Johan- nes und Jesum sucht. Diese hatten nämlich statt des Johannes einen weniger strengen Gottesboten begehrt, den habe die göttliche Weisheit ihnen in Christo gegeben; statt Christi hingegen mit seiner freieren Lebensweise einen strengeren, und auch für einen solchen hatte die göttliche Weisheit gesorgt. Durch diese Aeußerungen sei das Thun der göttlichen Weisheit nach allen Seiten als das richtige dargestelt. Aber die Urteile der Juden tadelt ja Jesus als Aeußerungen launenhafter Kinder. Diese können doch weder das göttliche Verfahren als das richtige darstellen, noch als Aussprüche der Weisheit gelten. — Wären unter den Kindern der Weisheit die Juden zu verstehen, so müßte man dixaiovcd-ai entweder mit Chrys., TheophyL u. A. in der Bed. freigesprochen werden von einer Anklage oder Schuld ihrer Kin- der fassen oder mit Schneckenhurger (Beitrr. S. 51) erklären: die Weisheit ist von ihren eigenen Kindern gemeistert (anmaßend verur- teilt) worden. Aber diese beiden Erklärungen lassen sich sprachlidi nicht rechtfertigen. Die Bed. des öixacovöd'ai djta rijg afiOQvUxg voä der Sünde freigesprochen oder frei werden (vgl. Sir. 26, 29. Rom. 6, 7) läßt sich nicht auf die Verbindung dieses Verbums mit einer Person {djto rcvog) übertragen, da cbco tcov xixvoov nicht heißen kann: von Matth XI, 20. 21. 879 der Sünde oder Schuld der Kinder. Die Kinder der Weisheit sind die Jttnger Jesu, nur nicht blos die zwölf Apostel, sondern alle, die sich teils durch den Täufer zu Jesu, t^ils durch die Predigt Jesu zum Glau- ben an ihn als Heiland leiten ließen. Richtig bemerkt Mey,: diese Ver- ehrer der Weisheit sind dieselben, von welchen v. 12 das ßid^siv Tf]P ßaOiXslav ausgesagt ist. Seitens dieser (djco) ist die göttliche Weisheit gerechtfertigt worden, d. h. in ihren Ordnungen und Wegen als die rechte erkant und anerkant worden. Der Aorist edixaici&rj steht we- der für das Präsens, noch hat er die Bed. des Pflegens, sondern sezt die Bechtfertigung als Factum, das bereits vorgekommen ist, und da- von absehend, daß diese Fälle sich wiederholen. Endlich xal steht in der Bedeutung aber mit Nachdruck, den auch die Voranstellung des Verbums hat. V. 20—24. Weheruf über die Städte, die sich durch Jesu Wun- derwerke nicht hatten zur Buße leiten lassen. Diesen Abschnitt hat Luk. in die Instructionsrede der siebzig Jünger (10, 13—15) eingefügt, wo er nicht ursprünglich sein kann. Tore damals, als Jesus die Un- empfänglichkeit des Volkes rügte, opsiöl^stv schelten, mit Worten strafen, övpdfisig Machtäußerungen, nicht blos Wunderthaten, sondern auch Erweise göttlicher Macht in Reden; ort ov iisrev&qöav weil sie nicht Sinnesänderung gezeigt, nicht Buße gethan hatten. — V. 21 ff. Genant sind Chorazin und ßethsaida und (v. 23) Capemaum. Wun- derwerke Jesu in Chorazin und Bethsaida sind in den Evangelien nicht erzählt, weil die Evangelisten nicht darauf ausgingen, alle Thaten Jesu zu berichten; vgl. Job. 20, 30. Capemaum hatte Jesus zu seinem Wohnorte erwählt, von wo aus er seine Wanderungen in Galiläa unter- nahm, s. zu 4, 13. Die beiden anderen Städte lagen nicht weit davon, auch am Ufer des Genezaret-See's, nach dem Zeugnisse des St. Willi- bald im 8. Jahrb. nördlich von Capemaum. Die genauere Bestimmung ihrer Lage ist aber noch streitig, wie die von Capemaum. Chorazin wird von Weser in Riehm's Hdwb. der bibl. Altertsk. I S. 235 über- einstimmend mit Wilson in der Ruinenstätte Keräzeh, eine Reisestunde nordöstlich von Teil Chüm gesucht, während Robins. (N. bibl. Forsch. S. 471 f.) bei seiner Annahme, daß die Lage in Teil Chüm zu suchen sei, stehen blieb, weil zu dieser Oertlichkeit die Angabe des Hieron., daß es am Seeufer liege, besser paßt. — ßethsaida (d. i. Fischhausen, Ort des Fischfangs) sucht Furrer (in Schenk. Bibellex. I S. 429) mit Seetzen u. Ritter bei Chan Minijeh am Fuße des Bergs, dessen steil ins Wasser hinausragende Felsen von Norden her den Zugang zu der schö- nen Ebene el Ghuweir abschließen, weil Beths. nach Marc. 6, 53 in der Landschaft Gennezar d. i. der Ebene Ghuweir lag. Dagegen Robins. a. a. 0. S. 470 f. sucht es bei Ain el Täbigha, 20 Minuten wei- ter nördlich, wo der das Ufergelände einfassende Bergzug sich zu nie- drigen Hügeln senkt, überaus starke Quellen mit salzigem Wasser dem 8ee zuströmen, und ein um die Hauptquelle solid gebauter achteckiger romischer Wasserbehälter auf eine alte Ortschaft schließen läßt. — Von diesem Bethsaida am Westufer ist ein anderes im Norden des 280 Matth. XI, 21—24. See's, östlich vom Ufer des in denselben einfließenden Jordan zu un- terscheiden, wo jezt in der fruchtbaren Ebene Baticha noch umfang- reiche Ruinen vorhanden sind. Dieses Beihsaida, ursprünglich ein Dorf wurde erst unter Tiberius von dem Tetrarchen Philippus zur Stadt ausgebaut, und zu Ehren der Tochter des Augustus JuUa, Gemahlin des Tiberius, Julias genant. In der Nähe dieses Bethsaida Julias fand nach Luc. 9, 10 die Speisung der Fünftausend statt, wie auch die merk- würdige Blindenheilung Mrc. 8, 22 ff. — Chorazin und Beihsaida sielt Jesus mit den Seestädten Tyrus und Sidon in Parallele, als am galiläi- schen Meere gelegene Handelsstädte, sofern ihre Bewohner gleich denen jener üppigen heidnischen Handelsstädte so tief in irdischen Mammonsdienst versunken waren, daß sie alle Empfänglichkeit fftr religiöse Warheit verloren hatten. Selbst jene lasterhaften heidnischen Städte, denen die Propheten das göttliche Gericht wegen ihrer Sünden gedroht hatten (vgl. Jes. 23 u. Ezech. 26 u. 27), würden, wenn solche Machtthaten wie zu Chorazin und Bethsaida in ihnen geschehen wären, längst in Sack und Asche Buße gethan haben. lieber diese Zeichen ernster Bußtrauer, Anlegen des sackähnlichen härenen Gewandes und Aschestreuen auf das Haupt oder sich auf Asche setzen, vgl. Jon. 3, 5 u. 6 u. m. Comm.,z. d. St. ,Die Machtthaten, welche die göttliche Sen- dung Jesu vor ihnen beglaubigt hatten, waren also groß genug, um selbst bei den tiefgesunkensten Heiden seiner Bußpredigt Nachachtung zu erzwingen' (TFeiss)^ hatten aber — dies liegt in dem Wehe — diese Wirkung nicht erzielt. nk9]v übrigens oder doch im Sinne von cek' rum, um nichts weiteres hinzuzufügen. So richtig Met/.; vgl. über die- sen Gebrauch von jiXtJv, wobei der Gedanke zu Grunde liegt: doch um das Gesagte nicht weiter zu verfolgen, bei den Klassikern vgl. Passow Hdwb. II, 1 S. 955. — V. 23. Capemaum wird Sodom gleichgestelt, welches längst schon durch ein Gottesgericht vom Erdboden vertilgt war. Bis in den Himmel erhöht wurde Capern. nicht durch seinen Wol- stand, den es durch Handel, Fischerei u. dgl. erlangt hatte {Grot, Kuin., Fritzsche), sondern dadurch, daß Jesus der Sohn Gottes es zum Mittelpunkte seines erlösenden Wirkens gemacht und durch seine Wunder hoch verherrlicht hatte. ^ Weil Capern. diese göttliche Gna- denheimsuchung nicht beachtet hat, soll sie bis in den Hades (die Hölle) hinabgestoßen werden (xataßißaod^TJo^] ist durch ^CEFG al plur. als die richtige Lesart, die Variante xaraßTJö?^] nur durch BD. Ital. be- zeugt). Im lezten Satze ist efieipsv av zu lesen und av richtig ge- braucht, da die Vordersätze nur einen gedachten Fall setzen. — Zu V. 24 vgl. 10, 15. 1) Statt der rec. fi v\po)&€Taa (nach EFGSU dl.) haben Lehm, u. Tisch. 8 fJLTi vxpco&i^arj nach ^BCDL aufgenommen; aber fjiri entstand wol nur durch doppelte Schreib'img des Endbuchstabens von KacpccQvaovfji^ welches dann die Aenderung des lipcoi^rjs in Ixfjüy&riar) nach sich zog. ^17 — v%fß(o&, gibt keinen passenden Sinn, da die Eeflexion : doch nicht bis in den Himmel bist du erhoben? dem Gegensatze: bis in den Hades wirst du hinabgestoßen werden, nicht entspricht. Warscheinlich ist ^' vxpm^r^s die ursprüngliche Lesart, und das Particip nur daraus entstanden, daß man 7; als Artikel faßte. Matth. XI, 25. 881 V. 25— 30. Erklärung Jesu über die räthselhafie Thaisache der ühempfänfflichkeit des Volks im Großen und Ganzen fttr die Aufnahme des Evangeliums, in einem an Gott seinen himmlischen Vater gerich- teten Gebete v. 25-27 ausgesprochen, vgl. Luc. 10, 21 u. 22*: Der Aufschluß, welchen der Erlöser in diesem Gehete über den Erfolg sei- nes bisherigen Wirkens gibt, bildet einen passenden Schluß des Berichts über die erste Hälfte seiner galiläischen Wirksamkeit, und gewährt gegenüber der Drohung des Gerichts v. 20—24 einen Einblick in das Geheimnis der Entwickelung des Reiches Gottes, welcher zur Fort- setzung des begonnenen Werkes ermutigt. Durch kv hxelvcp rä xaigä wird das Folgende in den Zeitabschnitt gesezt, in welchem nach Y. 2--24 die Unempfänglichkeit des Volks gegen Jesu messianische Wirksamkeit sich herauszustellen begann. 'Ajtoxgid-slg ist wie das hebr. ^^ öfter so gebraucht, daß die Veranlassung, auf welche die Rede als Erwiderung sich bezieht, nur in den Umständen gegeben ist, nicht eine Rede vorhergeht, auf welche geantwortet wird. „Ich preise dich Vater, Herr des Himmels und der Erde, daß du dieses den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen offenbaret hast! Ja, Va- ter, daß also geschehen ist was wolgefällig sror dir^^ ^E^ofioXoyovfiai c. datw. im Sinne des hebr. rtiin lobpreisen, wie Gen. 29, 35 LXX u. ö. Als Vater {jtatSQ u. 6 Jtanjg v. 26 statt des Vocativs) redet Jesus Gott an, nicht in dem allgemein religiösen Sinne, in welchem Jesus seine Jünger lehrte, Gott als „unsem Vater'^ anzurufen; auch nicht so, ,daß das zu dem allgemein religiösen Eindschaftsbewußtsein hinzutretende Besondere doch nichts anderes ist als das Bewußtsein, zum centralen Organ des Gottesreichs, zum Messias, berufen zu sein, wie Pfleiderer (die Relig. 11 S. 427) die Anrede deuten will, sondern in dem Sinne des einzigartigen Verhältnisses, in welchem Jesus als der eingeborene Sohn Gottes zum himmlischen Vater steht, wie ans v. 27 deutlich erhellt. Den Vater bezeichnet er als den Herrn des Himmels und der Erde d. i. als den allwaltenden Regierer der Welt, weil er die preiswürdige Ord- nung begründet hat, nach welcher sich die Ausbreitung seines Reiches vollzieht (Weiss) ^ nämlich so, daß er Tccma vor Weisen und Klugen verbirgt und es Unmündigen offenbart. Tama hat kein bestirntes Object, worauf es sich bezieht (auch in Luc. 10, 21 nicht), sondern läßt sich nur aus dem weiteren Zusammenhange bestimmen. Mey. denkt an die durch Jesum den Jtlngern enthüllten Verbältnisse des Messias- reichs (13, 14), Weiss an die neue Gottesoffenbarung, die in seiner Person und Sendung den Menschen gegeben ist. Nicht unrichtig, aber zu unbestimt. Gemeint ist die göttliche Gnadenordnung, nach wel- 1) Lukas a. a. 0. teilt diese Gebetsworte mit, als nach der Kükkehr der Siebenzig mit der freudigen Erklärung, daß ihnen auch die Dämonen in seinem Namen unterthan seien, von Jesu gesprochen. Da Matth. die Anssendnng der Siebenzig nicht hat, so sachten Ewald u Weiffenbach nach älterem Vorgange den Anlaß in der Bükkehr der zwölf Apostel zu Jesu nach ihrem ersten Mis- fidonsversuche. Allein für diese Annahme liegt kein triftiger Grund vor^ da der bei Matth. vorliegende Anschluß sachlich gut begründet ist. Sn Maltii. XI, 25-27. eher der Mensch nicht durch Tagend und Gerechtigkeit seine Seligkeit schaffen kann, sondern das in Christo geoffenbarte Heil gläubig an- nehmen, dnrch Erkentnis der Sünde und Glauben an Christum, den Heiland der Sünder sich erlösen und beseligen lassen muß. Dieses Ge- heimnis der göttlichen Liebe, daß Gott seinen eingeborenen Sohn sen- det, auf daß alle die an ihn glauben, das ewige Leben empfangen, ver- hüllt Gott vor Weisen und Einsichtigen, d. h. allen denen, die durdi ihre menschliche Weisheit und Einsicht den Weg zum Leben finden zu können meinen, den Pharisäern samt dem ihnen anhangenden Volke; offenbart es dagegen den vrjjtloig d. h. Unmündigen (vrjjtioq hier wie Rom. 2, 10 dem hebr. Q'^^nsa Ps. 19, 8. 116, 6 entsprechend) d. h. nicht dem einfältigen und arglosen Volke (Keim)^ sondern den auf eigene Weisheit yerzichtenden Jüngern, die in Glaubenseinfalt das ihnen von Christo dargebotene Heil ergreifen. Vgl. zur Sache 1 Kor. 1, 26—29. Näl 6 naxiqQ bekräftigende Wiederholung, wozu wieder e^OfioXoyov- (uxl COL hinzuzudenken. Das folgende oxl nicht denn, sondern daß. cmooq svöoxla ky- so (und nicht anders) geschah Wolgefallen vor dir d. h. was vor deinem Angesichte wolgefällig ist (evöoxi/z Gegenstand des Wolgefallens), d. i. nicht ,was dir wolgefälliger Anblick ist^ (Mey,)j sondern: was zum Wolgefallen vor Gott gereicht, dem Wolgefallen d. 1 dem Liebesrathe Gottes entspricht. Nur durch diese göttliche Heils- ordnung wird allen Menschen der Zugang zum Heile, die Erlangoog des ewigen Lebens möglich, während, wenn dazu besondere mensch- liche Weisheit und Einsicht erfordert würde, der Zugang dem gröBtea Teile der Menschen verschlossen wäre. V. 27. Diese preiswürdige göttliche Ordnung besteht darin, daß der Vater dem Sohne Alles übergeben hat und der Vater nur von denen erkant wird, welchen der Sohn, der allein den Vater erkent, es offen- baren will. So schließt sich dieser Vers an den Preis Gottes an. Die Anbetung wird zur anbetenden Betrachtung, die gleich dem Lobpreise vor dem anwesenden Volke laut ausgesprochen zu denken ist ndvta bezieht sich dem Contexte zufolge auf alles, was zur Ausführung des göttlichen Liebesrathschlusses gehört, alle die dazu erforderliche Macht und Gewalt im Himmel und auf Erden (28, 18).., Diese Beschränkung fordert die folgende Erklärung Jesu über sein Verhältnis zum Vat^. Jesus ist der Sohn, welchen niemand erkent außer der Vater, sjuj^- pciöxeip ist ein das innerste Wesen der Person erfassendes Erkenn^ ,eine adäquate und volle Erkentnis^ {Mey,)^ die man aber nicht mit Weiss, ,allein auf sein innerstes sittliches Wesen, wie es allein der He^ zenskündiger (Luc. 16, 15) vollkommen durchschaut und wie es den Sohn zur allseitig dem Willen Gottes entsprechenden Ausführung sei- ner Rathschlüsse befähigt', beschränken darf. Diese Beschränkung ist contextwidrig. Denn zur rechten und vollen Erkentnis des Sohnes, von welcher das Heil der Menschen abhängt, gehört nicht blos die Erkent- nis seines sittlichen Wesens, seiner Sündlosigkeit und fleckenlosen Heiligkeit, sondern auch seiner göttlichen Natur und seiner Wesensein- heit mit dem Vater, ohne die eine volle Einsicht in das Erlösungswerk Mfttyt n, 28. 29. 9M nicht möglich ist. Einseitig ist es, das £rk«men des Söhnet anf smne Sendung in die Welt oder auf seinen übernatürlichen Ursprung be- ziehen zu wollen; und willkürlich, mit de W. hinter 6 jiotijq den Satz: und wem es der Yater offenbaren will, zu ergänzen. Der Gedanke, daB der Yater die Erk^tnis des Sohnes den Menschen offenbare, komt im N. T. nicht vor. „Auch den Vater erkent niemand aufier der Sohn und wem irgend der Sohn (ihn) offenbaren will^S Dies folgt notwendig ans der Wesenseinheit des Vaters und Sohnes, daß nämlich der Sohn allein das Wesen des Vaters vollkommen erkent und nur er dasselbe den Menschen offenbaren kann, und durch Vollziehung des Liebesrathes der Erlösung geoffenbart hat. Als Object des cbioxaXvtpai ist text* mäßig rov ütaxiga zu denken. — Die Vv. 25-27 klingen ganz Johan- neisch, vgl. Joh. 3, 35. 10, 15. 6, 46 u. a. Nach solchen Aussprüchen, — sagt Goäei zu Luc. 10, 22 — können wir keine wesentliche Ver- schiedenheit zwischen dem Jesus der Synoptiker und dem des Johannes zugeben. V. 28 ff. Da der Vater alle zur Ausführung seines Liebesrathes er- forderliche Gewalt dem Sohne übergeben hat und nur durch den Sohn erkant werden kann, so kann auch nur der Sohn den wahren Seelen- frieden gewähren. So schließt sich an die Gebetsbetrachtung die Auf- forderung an: „Her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ich will euch erquicken'^ Ol xojticovrsg die sich im Dienste des Gtesetzes abmühen, ihre Seligkeit zu schaffen ; jt6g)OQTiOfiivoL die mit der schweren Last nicht nur der ihnen auferlegten Gebote und Satzun- gen, sondern auch des drückenden (refflhls des Schuldbewußtseins be* laden sind. Diese Worte hauptsächlich oder ausschließlich auf die Last der pharisäischen Satzungen (vgl. 23, 4) beziehen zu wollen ist einsei- tig und durch den Context nicht angezeigt. Die Befreiung von dieser Last wird dvcutavsiv genant: Buhe schaffen. Ausruhen gewähren, und zwar dvcatavöig ralq ywxatg Buhe für die Seelen d. i. Frieden der Seele. Dieser ist seinem tiefsten Grunde nach durch das Bewußtsein der Sünde und Schuld vor Gott gestört und kann nur durch Befreiung der Seele von dem Drucke der Sündenschuld hergestelt werden. — Wie wir denselben erlangen können, sagt v. 29. „Nehmet mein Joch auf euch und lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, so werdet ihr Buhe finden für eure Seelen'^ Das Joch ist ein von Lastthiereu hergenommenes Bild der Zucht und Schule, vgl. Jer. 5, 5. Sir. 51, 26. Im Gegensatze gegen das Joch des Gesetzes mit sei- nen Cteboten und Satzungen, die es den Menschen auferlegte, nent Je- ans seine Zucht und Leitung auch ein Joch, worunter weder sein Kreuz — das Joch, das er selbst trug {Calv. Olsh.) zu verstehen, noch auch bibs seine Lehre, sondern alles, was Jesus seinen Jüngern als notwendig illr den Eingang in das Himmelreich auferlegt. Unter seiner Zucht sol- len wir von ihm lernen, nämlich die Gesinnung seiner Sanftmut und Herzensdemut. Nicht blos seine Lehre, sondern auch seine Gesinnung sollen wir uns zu eigen machen, vgl. Phil. 2, 5 ff. In den Worten: ich bin sanftmütig . . . liegt kein Gegensatz gegen das herrische und hoffär- 284 Mattii. XI, 30. tige Wesen der Gesetzeslehrer und Pharisäer (Mey.)^ sondern nur die Gesinnung aasgesprochen, welche Christi Jünger von ihrem Meister lernen sollen, vgl. 5, 5. Eine Gesinnung des sanften, in Gott gelasse- nen Duldens, in welcher Christus sein Leben für die Sünder dahin ge- geben hat, um sie von dem Verderben zu erretten. — Durch Eintreten in die Zucht Jesu und durch Aneignung seiner Gesinnung finden wir die Erquickung für unsere Seelen, die auf dem Wege des Gesetzes nicht erlangt wird, weil durch des Gesetzes Werke niemand vor Gott gerecht wird. V. 30. „Denn — sezt der Herr ermunternd hinzu — mein Joch ist sanft und meine Laat ist leicht^^ Zvyoq (lov das von mir meinen Jüngern auferlegte Joch. XQV^'^^^ ^^^ Luther nach dem suave der Vulg. sanft übersezt, heißt eig. gütig, freundlich (vgl. Luc. 6, 35), und ist von dem C;üy6q ausgesagt, weil dieses sinnbildlicher Ausdruck für die Leitung Jesu ist, in welcher Liebe und Erbarmen waltet. TO (poQxlov, die Last, die er auflegt, ist leicht, weil er nur gläubige Hingabe an seine Person verlangt und die zur Selbstverleug- nung und zum Kreuztragen in seiner Nachfolge erforderliche Kraft durch seinen Geist verleiht. Das galiläische Wirken Jesu Christi. Zweite cap. xn— xvin. Die in c. 11 berichteten Thatsachen bereiten den Wendepunkt für das fernere messianische Wirken Jesu in Galiläa vor. Als Jesus in der Bergrede sich dem Volke als Erfüller des Alten Bundes und Gründer des Himmelreichs angekündigt, sodann durch Wunder undMachtthaten seines Wortes als den verheißenen Messias bezeugt und hierauf seine Jünger mit der Macht ausgerüstet hatte, als seine Apostel durch Grün- dung einer Gemeinde seiner Bekenuer das Himmelreich auf Erden zu bauen, hatte er dem Volke Israel das Reich Gottes so nahe gebracht, daß es sich für oder wider den ihnen eröffneten Weg zum Eingehen in dasselbe entscheiden mußte. Damit war die Krisis herbeigeführt, daß wol eine kleine Zahl von heilsbegierigen Seelen sich gläubig ihm als Heiland und Erlöser anschloß, aber die irdisch gesinnte Masse des Volks an den ernsten Forderungen seiner Heilspredigt Anstoß nahm, weil dieselbe ihren sinnlichen und fleischlichen Erwartungen vom Mes- sias und seinem Reiche nicht entsprach, und daß die geistlichen Führer des Volks, die Pharisäer und Schriftgelehrten, feindselig gegen Jesum aufzutreten begannen. — Diese Krisis weiter zu vollziehen und die Gnade und Warheit Gottes zum Siege hinauszuführen, diese Absicht tritt in der zweiten Hälfte der Wirksamkeit Jesu in Galiläa deutlich zu Tage. Matth. XII. 885 Die Schilderung derselben in c. 12—18 ist nach den einzelnen 1f anderangen Jesu in Galiläa und im Nordosten dieser Landschaft so geordnet, daß sich vier Gruppen geschichtlicher Vorgänge unterschei- den lassen. 1. Eine Reihe von Ereignissen, welche zeigen, wie sowol iie Feindschaft der Pharisäer gegen den Erlöser sich steigert, als auch lie Unempfänglichkeit des fleischlich gesinnten Volks gegen die Pre- ligt des Evangeliums zunimt, so daß Jesus nicht nur seinen böswilligen Widersachern ihre Verstockung gegen den heiligen Geist aufdecken naß (c. 12), sondern auch das Volk nur noch in Gleichnissen über das limmelreich belehren, und auch in seiner Vaterstadt um ihres Unglau- bens willen nicht viel Zeichen thun kann (c. 13). 2. Eine durch die Nachricht von der Enthauptung des Täufers veranlaßte Fahrt über das ^aliläische Meer, um sich in eine Wüste Peräa's zurückzuziehen, wo er Lie Volksmenge, die ihm dahin nachgezogen war, wunderbar speiste, ind die Bükkehr ins Land Genezaret, wo alsbald Pharisäer und ^chriftgelehrte wiederum seine Jünger der Uebertretung der überlie- erten Satzungen beschuldigten, daß Jesus die Heuchelei dieser Volks- Ährer rügen muß (c. 14, 1—15, 20). 3. Eine Wanderung in die Ge- bend von Tyrus und Sidon, wo Jesus dem cananäischen Weibe um ihres Glaubens willen die erbetene Heilung ihrer kranken Tochter gewährt, and die Bükkehr in die Nähe des galiläischen Meeres, wo er die Kran- ken des bei ihm Hilfe suchenden Volkes heilt und die Volksscharen, die in der Steppe drei Tage bei ihm ausgeharret hatten, wiederum wunderbar speist, nach Entlassung des Volks aber auf der weiteren Wanderung in Galiläa die Pharisäer und Sadducäer, die ein Zeichen vom Himmel von ihm verlangten, auf das Zeichen des Propheten Jonas verweist, und seine Jünger vor dem Sauerteige dieser Menschen warnt, sodann in der Nähe von Cäsarea Philipp! den Jüngern die Frage vor- legt, was die Leute und sie gelber von ihm urteilten und, als Petrus das Bekentnis, er sei Christus der Sohn des lebendigen Gottes, abgelegt hat, ihnen verbot, ihn als Christus dem Volke bekantzumachen und an- fing, sein in Jerusalem bevorstehendes Leiden und Sterben mit seiner Auferstehung am dritten Tage ihnen zu verkündigen (c. 15, 21 —16, 28). 4. Die Verklärung Jesu, Heilung eines mondsüchtigen Knaben, den seine Jünger nicht hatten heilen können, Entrichtung des Zinsgroschens (c. 17) und Belehrung seiner Jünger über die Größe im Himmelreiche und über die Pflicht, Versündigungen des Bruders' zu vergeben (c. 18). Obgleich nun in diesem Abschnitte unsers Evangeliums die Erzäh- lung von der messianischen Bezeugung Jesu im Ganzen an den chrono- logischen Faden seiner Wanderungen durch die verschiedenen Teile Galiläa's geknüpft ist, so tritt doch auch hier die Bücksich tnahme auf die Zeitfolge der einzelnen Begebenheiten so zurück, daß nur eine chronologische Angabe vorkomt (17, 1) und durchweg der höhere Ge- sichtspunkt vorwaltet, die weitere Ent Wickelung der Erisis zur An- schauung zu bringen. Indem der Erlöser einerseits den Pharisäern immer rückhaltsloser den Widerspruch ihrer Satzungen mit den Gebo- ten Gottes, ihren Mangel an Verständnis der Schrift und des göttlichen S86 Mfttth. XII, 1. Heilsrathes und die bösen Gedanken ihrer Herzen anfdekt, anderei seits sich den Yolksscharen durch Yerkttndigong des Himmelreich! darch Heilung ihrer E^ranken und durch wunderbare Speisung als Hei land und Helfer in jeglicher Not kundgibt, der gekommen ist, die vei lorenen Schafe vom Hause Israel zu retten: sucht er insbesondere sein Jünger durch Belehrung über das Wesen und die Entwickelung d( Himmelreichs in der £rkentnis des Heils zu fördern und durch Erweif seiner göttlichen Machtvollkommenheit im Glauben an ihn als den Soh des lebendigen Gottes festzugründen, um sie alsdann durch die Yoraoi Verkündigung seines Todes und seiner Auferstehung und durch df Wunderzeichen seiner Verklärung auf den Ausgang seines irdische Lebens vorzubereiten, damit sie nicht, wenn dieses alle irdischen Yo] Stellungen vom Messias und seinem Reiche erschütternde und niedei schlagende Ereignis eintrete, im Glauben an seine Gottessohnscha und seinen Sieg über die Welt und den Fürsten dieser Welt irre wei den möchten. Cap. XII. Verantwortung Jesu wider die Pharisäer wegei Sabbatübertretung und über die Beschuldigung der Da monenaustreibung durch BeelzebuL Abweisung des Vei langens nach einem Zeichen. Erklärung Jesu über sein Verwandten. Durch kv kxslvcf) xtp xaiQcp wird das Folgende nur ganz im Allg( meinen in dieselbe Zeit mit dem Vorhergehenden gesezt, nämlich i die Zeit, da Jesus nach der Verordnung der Apostel in den Städte GalUäa's lehrte und predigte (11, 1). Das Gap. enthält fünf Vorgänge a. das Aehrenpflücken der Jünger Jesu am Sabbate (v. 1—^); b. di Heilung einer verdorrten Hand am Sabbate (v. 9—14), woran MatÜ eine Reflexion über das geräuschlose Wirken Christi angereiht hs (v. 15—21); c. Jesu Antwort auf die Beschuldigung, daß er die Dämc nen durch Beelzebul austreibe (v. 22—37)-, d. die Abweisung der Foc derung eines Zeichens (v. 38—45); e. cUe Erklärung Jesu über seic Mutter und seine Brüder (v. 46—50). — Die vier ersten Vorfälle ze gen den Anfang der offen gegen Jesum hervortretenden Feindschaft d« Pharisäer. Die beiden ersten sind auch von Mark, und Lukas mit eil ander verbunden, aber vor der Bergpredigt berichtet. V. 1—8. Das Aehrenpflücken am Sabbate. Vgl. Mrc. 2,23—^ Luc. 6, 1—5. — V. 1 ff. An einem Sabbate wanderte Jesus durch S Saatfelder, und seine Jünger, welche hungerte, fingen an Aehren s pflücken und zu essen. Der Plur. totg ödßßaöiv von einem Sabbft> (vgl. ^/liQa T(3v oaßßaxcov Luc. 4, 16) erklärt sich aus der Uebertn gung der aram. FormMnauä ins Griechische, s. Winer Gr. S. 167. Aehr^ auf dem Felde eines Anderen zu pflücken zur Sättigung war erlan^ Deut. 23, 25. Die Pharisäer aber, die dies sahen, erklärten es Da verstanden werden, daß Jesus an dem nämlichen Sabbate, an wel- hem er mit seinen Jungem durch die Kornfelder gegangen war, noch a die Synagoge sich begab; aber notwendig ist diese Auffassung (von ^€y., Weiss n. A.) nicht, weil die Zeit nicht näher angegeben ist. ^vvcc/corfii avTcov ist nicht eine Synagoge der Pharisäer, denn Syna- ogen hatten nicht die Pharisäer, sondern die Juden, amcov ist hier ben so unbestimt gebraucht wie 11, 1 bei jioXbciv avtcqv, daß die &here Bestinmiung aus der Sache entnommen werden muß. Zwar mei- en Mey. u. Weiss, daß kjcTjQcirTjöav etc. v. 10 diese ungenaue Be- Lehung verbiete, weil das Subject von ijtrjQ. durch v. 14 als ol ^agi- cctoi bestimt werde. Allein wenn es auch Pharisäer waren, welche die drsuchliche Frage v. 10 an Jesum richteten, so folgt daraus weder daß ie Synagoge ihnen gehörte, noch daß die Fragesteller die nämlichen 'ersonen mit (fen Pharisäern waren, welche mit Jesu beim Gange durch ie Kornfelder zusammen getroffen waren, sondern nur, daß unter den a der Synagoge Versammelten sich auch Pharisäer befanden, welche lie Anwesenheit des Menschen mit der verdorrten Hand benuzten, Jesu lie Frage, ob eine Heüung am Sabbate erlaubt sei, vorzulegen, und die lann in v. 14 als ol ^agioaloi bezeichnet werden, wobei der bestimte Artikel ol nicht auf die v. 2 erwähnten Pharisäer zurückweist, sondern in V. 14 wie in v. 2 generisch zu fassen ist d. h. die Fragenden als zur P&rtei der Pharisäer gehörend charakterisirt. V, 10. x^^Q^ sxcop^fjQav nae dürre (Mrc. igfjQafifiivrjv verdorrte) d. h. gelähmte Hand habend. Den Anlaß zur Frage: ob es erlaubt sei am Sabbate zu heilen, fanden lie Pharisäer vermutlich darin, daß der £j*anke sich mit der Bitte um Heilung an Jesum wandte. Mrk. u. Luk. erzählen, daß sie Jesum be- lauerten (:^aQerf}QOW avx6v\ ob er am Sabbate eine Heilung vorneh- men würde. Damit läßt sich die Angabe des Mtth., daß sie ihm die Frage: d s^söriv octX. vorlegten, unschwer vereinigen. lieber den Ge- brauch des sl bei directen Fragen im N. T. u. der LXX s. Winer Gr. S. 474 (§. 57, 2). Nach talmudischer Satzung war das Heilen am Sab- bate nicht erlaubt, außer in lebensgefährlichen Fällen, vgl. Liffhtf, u. Schöttg, z. d. St. Lighif. bemerkt daher über die vorliegende Frage: mn tarn quaerentium est quam negantium. Daß Jesus anders urteilen würde, sezten sie voraus und fragten nur tva T^arrffGi^ficoCiv axrtov XSL der Absicht, ihn wegen einer Sabbatübertretung anzuklagen, näm- lich vor dem Ortsgerichte. Aber Jesu Antwort vereitelt ihr Vorhaben. — V. 11. Er antwortet mit der Gegenfrage: „Welchen Menschen wird ms wol aus eurer Mitte geben, der ein Schaf haben und, wenn dieses am Sabbate in eine Grube gefallen wäre, es nicht erfassen und aufrichten werde?" (d. h. das in die Grube gefallene und darin zusammengeknickte 3chaf nicht herausziehen und auf die Beine stellen werde). Die Con- itraction des Satzes ist anakoluthisch wie 7, 9. Die Futura bezeichnen )inen gesezten möglichen Fall, vgl. Kuhner II S. 147. jtQoßazov ev Keil, Comm. z. Erangel. Matth. 19 290 Matth. XU, 12—17. ist Zahlwort: ein einziges Schaf, das für ihn um so größeren Wert hat ßoövvog Vertiefung, tiefe Grube, nicht speciell Cisterne. Der Plur totg odßßaöi steht in unbestimter Allgemeinheit, nur die Qualität dec Tages bezeichnend. Daß in vorkommendem Falle jeder dies thui werde, nimt Jesus als nicht fraglich an, und argumentirt ex concessis. „um wieviel nun ist ein Mensch vorzüglicher als ein Schaf; also ist ef erlaubt an den Sabbaten xaXc5g Jtoietv rede agere recht zu thun' (vgl. Act. 10, 33. 1 Kor. 7, 37 f. Jak. 2, 8. 19 u. a.); nicht gleicl evjtoiBlv wolthun (de W,, Bl.)^ wie TcaXciq jioibIv Luc. 6, 20 u. TcaXo- notelv 2 Thess. 3, 13 vorkorat, hier aber weniger paßt. Es wird da- durch, nach der richtigen Bemerkung von Mey,, das ^BQajt^etv in di( Kategorie der Pflicht gestelt und damit die moralische Ungereimtheil der Frage v. 10 aufgedekt. Damit ist der Schluß Jesu gegen allen Wi' derspruch gesichert, und die von de W. aufgeworfene Frage: ob di< Heilung keinen Aufschub erleiden konte, abgeschnitten. Die richtig« Auffassung des TcaXmq Jtoietv erhält eine Bestätigung durch die Frage welche Jesus nach Mrc. v. 4 u. Luc. v. 9 den Gegnern vorlegt, ob ei erlaubt sei, am Sabbate Gutes zu thun oder Böses (ayad-Oütoi^öOL ] xaxojtot^oac), — V. 13, Darauf hieß Jesus den Kranken seine Harn ausstrecken, und, sowie er dies that, war die Hand hergestelt als gesunc wie die andere, vyi^g ist prädicativisch zugesezt, um cbtsxaxBöxad^ näher zu bestimmen, vgl. Winer S. 490 u. 580; über das doppelt« Augment in djcexareörad^ s. Winer S. 69 f. — V. 14. Die Pharisäer aber wurden darüber, daß Jesus sie ad absurdum geführt, dermaSei aufgebracht, daß sie s^eXO^ovreg (aus der Synagoge) hinausgegangen einen Rath wider ihn faßten {övfißovXiov sXaßov eine Berathung vor nahmen iMeyJ)^ ihn umzubringen, vgl 22, 15. So weit war ihr In grimm gegen Jesum schon gestiegen. V. 15—21. Jesu geräuschloses Wirken. V. 15 f. Als Jesus voi diesem Plane Kunde erhielt, zog er sich von dort zurück, weil er dl Verbitteruug seiner Gegner nicht vor der Zeit noch weiter erregen sondern sich erst dem heilsbegierigen und heilsbedürftigen Volke nocl weiter als Heiland offenbaren wolte. ^ Daher entzog er sich auch dec Volke nicht, sondern heilte alle Kranken unter den ihm nachfolgende' oxXoig (das sd-sQajtevösv avrovg ütdvrag ist ein etwas ungenaues Ausdruck, da die jtoXXol, die ihm nachfolgten, nicht lauter Berank: waren), gebot ihnen aber ernstlich, ihn nicht offenbar zu machen, d. t nicht durch Ausbreitung seiner Wunder ihn als Messias bekant s machen; vgl. über dieses Verbot die Bem. zu 8, 4. In diesem Verhalte^ 1) Wohin Jesus sich begab, läßt sich nicht bestimmen, da weder im Voi hergehenden der Ort des Connictes mit den Pharisäern angegeben ist, noch aucs im Folgenden nähere topographische Notizen vorkommen. Ans v. 46 ergibt sics nur, daß die folgenden Beden wider die Pharisäer in einem Hanse gehalten wna den, und ans 13, 1, daß Jesus ans jenem Hause gehend sich an das (galiläisehfl Meer sezte. Damit stimt auch die Angabe Mrc. 3, 7 ff., daß Jesus sich an da Meer begab. Mehr läßt sich weder aus Mrc. 3, 7 ff. noch ans Luc. 6, 19 ff. ent nehmen, da diese beiden Evangelisten an den Conflict mit den Pharisäern de> Bericht von der Bergpredigt angereiht haben. Matth. XII, 17—20. 291 Jesu , daß er dem Streite seiner Widersacher auswich and mit Yer- meidung alles Aufsehens das Heil der Völker gründen wolte, erblikt der Evangelist einen Beleg dafür, daß diese stille geräuschlose Wirk- samkeit Jesu der Weißagung von dem Wirken des Messias entsprach. Dies der Sinn der Bemerkung: „auf daß erfüllet würde der Ausspruch iarch den Propheten Jesaja: „Siehe mein Knecht u. s. w." Das ange- nQhrte Prophetenwort steht Jes. 42, 1—4 und ist gedächtnismäßig nach lern hebr. Grundtexte griechisch wiedergegeben, abweichend von der r*XX, an welche nur der lezte Satz: xal reo ovofiavi avrov statt des tiebr. in'j'ini sich anschließt. '0 jtalq fiov, "''na? der Knecht des Herrn ist der Messias ^ ixn'^^TQ wie schon der Targumist erläuternd zugesezt liat ; nicht Jaga^X 6 kxXextog fiov nach der Deutung des ^T^^ in der l^^'X^'^g^T oV ^geziöa den ich auserwählt habe {algszl^a) nach späterer Gräcität für aigov/iai, in der LXX oft für *ina gebraucht), ist freie Wiedergabe des hebr. ia "Jjbrjx den ich aufrecht halte. 6 dyajtrjTog fiav ='^T^^ mein Erkorener; xqIöiv wie in der LXX für oB^a das göttliche Recht d. i. die wahre Religion als Lebensnorm gedacht; ovx iglöec er wird nicht zanken statt P?2K^ ikh er wird nicht schreien, ist mit Bücksicht auf den Anlaß zu dem v. 15 erwähnten dvexcoQfjOsp ixeld-BV gewählt, und bezeichnet in Verbindung mit dem folgenden OftÖB XQavydosi xrZ. das stille, sanftmütige und demütige, alles markt- schreierische Wesen vermeidende Wirken des Messias. Der folgende Satz: „zerstoßenes (geknicktes) Rohr wird er nicht zerbrechen und glimmenden (jvq)6/isvov eig. rauchenden) Tocht nicht auslöschen^', ist BUd der seelsorgerischen Milde, mit der er sich der Schwachen und Verzagenden, deren inneres und äußeres Leben dem Erlöschen nahe ist, annimt. Das Nichtzerbrechen und Nichtauslöschen ist Litotes für: er wird das im Ersterben begriffene Leben nicht nur nicht verderben, son- dern retten. Im nächsten Satze: „bis er das Recht xglötv (:=t3&^» wie in Y. 18) zum Siege hinausgebracht haben wird'', sind zwei Sätze des prophet Textes : „zur Warheit wird er hinausführen das Recht" und „bis er auf Erden das Recht gegründet haben wird", zusammengezogen, wobei noch na«b (elq dXjjd-eiav (LXX) durch slg vtxog wiedergegeben ist, als ob es ni^i Hab. 1, 4 hieße. Endlich durch t(3 ovofiarl öov statt 'in'ninl? auf seinen Namen st. auf seine Lehre harren die Heiden, wird der Gedanke nur unbedeutend modificirt. Das Harren auf die Lehre des Messias involvirt die Erwartung seiner Erscheinung; der Name ist ja nur die Offenbarung des Erscheinenden. Und ed'W] Hei- denvölker für o''?« Eilande ist nur Verdeutlichung der Sache, da Jesaja ü^t^ die fernen Eilande des Westens für ferne Heidenvölker braucht. Alle Abweichungen vom Grundtexte erklären sich daraus, daß die Weißagung aus dem Gedächtnisse citirt ist, und die Uebereinstim- rnong des Matth. mit den LXX aus der allgemeinen Verbreitung dieser Uebersetzung in Palästina. Das Motiv zur Anführung dieser Weißagung liegt zunächst in der Absicht des Evangelisten, zu zeigen, daß das in v. 15 u. 16 berichtete Verhalten Jesu, seine Widersacher nicht durch weiteren Streit mit 19* 292 Matth. Xn, 21. ihnen noch mehr zu reizen, sondern ihnen ans dem Wege gehend das Werk der Bettnng des hilfsbedürftigen Volks geräuschlos fortzusetzen, dem von Jesaja geweißagten stillen, sanftmütigen und demütigen Wir- ken des Messias entsprach, also Jesus auch hiedurch sich als den ve^ heißenen Messias kundgethan hat. Zur Erreichung dieser Absicht hätte aber die Anführung nur der dieses stille und friedfertige Wirken des Knechtes des Herrn schildernden Sätze und Verse hingereicht, während doch in dem angeführten Prophetenworte der Gedanke, daß der Herr seinen Knecht mit seinem Geiste ausgerüstet hat, um das Hecht oder Gericht den Heidenvölkern zu bringen, und daß derselbe nicht ermat- ten und erlahmen werde, bis er das Recht zum Siege hinausgefohrt habe, einen Grundzug, um nicht zu sagen den Grundgedanken dieser prophetischen Verkündigung bildet, wie die lezten Worte, daß auf seine Lehre oder seinen Namen die Heiden harren, unverkennbar zei- gen. Da nun Matth., obwol er in v. 20 die Worte des Propheten ge- kürzt und das Nichtermatten des Knechtes Gottes weggelassen hat, doch die Verkündigung des Hinausbringens der xgcöig zu den Heiden und des Harrens der Heiden auf seinen Namen nicht unterdrükt, son- dern durch kxßdXiu sig vtxog noch stärker hervorgehoben hat, so dür-' fen wir die Bemerkung von Mey. , daß bei längeren Citaten aus dem A. T. nicht jeder Bestandteil ein erfülltes Moment sein soll, sondern nur dasjenige, worauf es nach dem Zusammenhange eben ankomt, auf den vorliegenden Fall nicht anwenden und das Moment der Erfüllung lediglich in der Schilderung der geräuschlosen sanften und milden Wirksamkeit Christi suchen. Wir müssen vielmehr die Hervorhebung des Gedankens, daß der Messias gemäß dem in jener Weißagung aus- gesprochenen göttlichen Rathschlusse die xglöig siegreich zu den Hei- den hinausbringen werde, als eine Hindeutung darauf fassen, daß die Feindschaft der Pharisäer gegen Jesum seine rettende und erlösende Wirksamkeit nicht hemmen, sondern nur dazu beitragen werde, den Heiden das Evangelium zu bringen, die auf die Erscheinung des Hei- landes mit Sehnsucht harren. So auch Weiss, der freilich in dem Citate außerdem noch die Andeutung findet: daß wenn die Weißagung dem Messias die Gerichtsverkündigung wider die Heiden als seine Feinde übertrage, darin um so mehr für Jesum das Recht liege, seinen Feinden, die er, wie dieser Abschnitt zeigt, bereits unter seinem Volke findet, mit strenger Gerichtsdrohung entgegenzutreten. Dieser Gedanke liegt nicht in dem Citate. Von Gerichtsverkündigung wider die Heiden ist in der angef. Weißagung nicht die Rede, weder nach dem Grundtexte, wo für xQlCig oö^» steht, noch nach dem Wortlaute bei Matth., wo xqIöcv rotg ed^veötv djtay/eXel, den Heiden die XQlöig ankündigen, nicht von einer Gerichtsdrohung wider die Heiden verstanden werden kann, da die Heiden ja solche sind, die auf seinen Namen harren. Und auch davon abgesehen, daß in dem Citate xglöig für das hebr. D&tss steht, bedeutet xqlöig im N. T. nicht Straf Verkündigung, auch nicht, wie Mey. sagt, ,das messianische Gericht, welches Jesus durch seine ganze Wirksamkeit vorbereitet und schließlich am jüngsten Tage voll- Matth. XII, 22—24. 293 zieht, sondern Gericht im Sinne der Entscheidung, die der Messias herbeiführt, daß die Menschen sich für oder wider die göttliche War- heit der evangelischen Predigt erklären müssen und demgemäß entwe- der von dem Verderben der Sünde gerettet und beseligt oder verwor- fen und verdammet werden. Das jüngste Gericht ist nur der Abschluß der xQloig, die mit der Verkündigung des Evangeliums anhebt. Die Verkündigung der xglöig ist also nicht Gerichtsdrohung, sondern die Verkündigung des Evangeliums, welches den Heilsbedürftigen ein Ge- ruch des Lebens zum Leben ist und nur den Verstokten ein Geruch des Todes zum Tode wird (2 Kor. 2, 16). V. 22—37. Heilung eines dämonisch Blinden und Stummen und Warnung vor der Sünde wider den heiligen Geist. Vgl. Luc. 11, 14—23 und zur Rede Jesu Mrc. 3, 22—30. — V. 22 f. Ein Kranker, der durch dämonische Einwirkung Gesicht und Sprache ver- loren hatte, wurde durch Austreibung des Dämon (vgl. Luc. 11, 14) von Jesu geheilt, so daß der Stumme redete und (auch) sah d. h. wieder reden und sehen konte. lieber diese Heilung äußerten jtdvTsg ol oxXol d. h. alle Volksscharen, die zugegen waren, staunend: fi'qtL ovrog — Aavlö „doch nicht etwa dieser ist der Sohn Davids (d. h. der Messias)?" Diese Frage ist Ausdruck des Irrewerdens an dem bisherigen Urteile über Jesum, oder ,Frage des zweifelnden, doch aufkeimenden Glaubens' (Mey.). Die unscheinbare irdische Gestalt Jesu entsprach den Vorstel- lungen der ox^oc von der Erscheinung des Messias nicht, daß sie bis- her Jesum nicht dafür hielten; aber dieses Wunder machte einen so gewaltigen Eindruck auf sie, daß sie die in ihrer Seele auftauchende Frage, ob der Mann, der solche Wunder thue, nicht doch etwa der er- wartete Sohn Davids sei, nicht unterdrücken können. V. 24. Die Phari- säer aber, welche diese Aeußerung hörten, suchten diese Frage sofort niederzuschlagen durch die Entgegnung: „dieser treibt die Dämonen nur aus in Kraft Beelzebuls, als Obersten der Dämonen". Die Appo- sition aQXOVTL (ohne Artikel) xäv öai/iovlcov zu rcp BesXC^eßovX ist nicht zu übersetzen: dem Herscher der Dämonen, sondern als Herscher über die Dämonen, und besagt, daß Beelzebul als Oberster der D. Jesu die Macht über seine Untergebenen verliehen habe. Sie beschuldigen damit Jesum eines Bündnisses mit dem Teufel, vermöge dessen er Dä- monischkranke heile. Diese böswillige Beschuldigung, welche die Pha- risäer schon früher bei einem ähnlichen Falle geäußert hatten (s. 9, 34) \ 1) Ans der Aehnlichkeit dieser Erzählung mit der 9, 32 ff. berichteten Hei- lung eines Dämonisch -Stummen hat die neuere Kritik gefolgert, daß dieselbe nur eine Doublette jenes Vorfalls sei {Straussj de W., Keim), oder sich nur auf Vermischung verschiedener Thatsachen, nämlich der 9, 27 — 34 erzählten Hei- lung zweier Blinder und eines dämonisch Stunmien gründe (Schneckenb,, Hlqf,), oder, da Luk. c. 11, 14 nur das Stummsein des Dämonischen erwähnt, eine Um- gestaltung der in der apostolischen Quelle berichteten Heilung des Dämonisch- Stummen zeige, veranlaßt durch eine Eeminiscenz aus der in der Quelle ihr un- mittelbar voraufgehenden Erzählung von der Heilung der beiden Blinden 9^ 27—31 ( Weiss S. 320. Note). Dagegen hat aber schon Mey. richtig bemerkt, daß zwei verschiedene Ereignisse zu Grunde liegen und Luk. nur einer weniger 294 Matth. XII, 25—27. weist der Erlöser zurück, indcui er erstlich die Widersinnigkeit dies Beschuldigung zeigt (v. 25 f.), sodann durch ein argumentum e co cessis die Unlauterkeit und Bosheit ihres Vorwurfs aufdekt (v. 2' endlich den richtigen Schluß aus dem vorliegenden Factum zie (v. 28). — V. 25. Ihre Gedanken erschauend {elöcig wie löciv 9, * sagte er ihnen: „Jedes Beich gegen sich selbst zerteilt, wird yeröd« und jedes Stadt- oder Hauswesen gegen sich selbst zerteilt, wird nie bestehen". fiegiod'Slöa xad^ tavt^g d. h. in Parteien zerspalten, i sich gegenseitig bekämpfen. Durch solche Spaltungen wird jedes G meinwesen zerrüttet, daß es keinen Bestand haben kann. Daraus c gibt sich die v. 26 durch einfaches xal eingeführte Anwendung: „Wei der Satan den Satan austreibt, so ist er wider sich selbst zerteilt, n mag also sein Reich Bestand haben?" ^0 Saxaväq xov Saxaväv ds man nicht übersetzen: ein Satan den andern. Der Satan ist nur ein( Es gibt wol viele Dämonen, aber nur einen Satan, das Haupt aller D monen. Der Satan würde den Satan d. h. sich selbst austreiben, we* er seine Diener, die Dämonen austriebe oder die Kraft zur Austreibo. derselben jemandem verliehe. Es ist ja nicht von der Austreibung d: ses oder jenes einzelnen Dämon die Eede, so daß man mit de W. e: wenden könte: warum solte der Satan nicht im Kampfe gegen c Kelch Gottes einmal eine Treulosigkeit gegen die Seinigen begehe sondern von der Austreibung der Dämonen überhaupt. Dazu konte c Satan nicht Jesu die Macht verleihen, weil er dadurch sein Reich seil zerstört haben würde. Solche Thorheit ist dem Satan nicht zuzutrauc folglich ist die von den Pharisäern vorgebrachte Beschuldigung Je eine Absurdität. V. 27. „Und wenn ich kraft Beelzebuls die Dämonen austreil durch wen treiben eure Söhne sie aus?" Ol vlol vficiv sind die Sei 1er der Pharisäer als geistige Kinder derselben, die jüdischen Exor sten aus der Schule der Pharisäer. Diese trieben Dämonen aus dux den Geruch einer von Salomo bezeichneten Wurzel der Pflanze ^BaaT unter Anwendung von Zauberformeln {tqoüiol e^ogxciosojv) ^ welc der weise König Salomo gelehrt haben solte; vgl. Joseph. belLjud. V. 6, 3 und die Erzählung Antt. VIIT, 2, 5 von den Wunderkuren, welc ein gewisser Eleazar in Gegenwart Vespasians, seiner Söhne undvio Kriegsobersten verrichtet haben soll. — Die Möglichkeit der Däö nenaustreibung mit Erfolg war allgemeiner Volksglaube. Darauf gri det Jesus diese Widerlegung des ihm gemachten Vorwurfs. War 4< selbe Ausdruck innerer üeberzeugung, so traf er auch die Exorcisl aus der Schule der Pharisäer. Da sie aber diese sicher nicht au eines Bündnisses mit dem Teufel beschuldigten , so war ihre Ankla gegen Jesum perfide Verleumdung, und der Erlöser konte ihnen ©i gegenhalten, daß darüber ihre Schüler sie richten werden, öia tqV fenauen Ueberliefening folge , das hier und 9, 34 sich anknüpfende Wort ^ harisäer vom Beelzebul aber für traditionelle Verdoppelung oder ümbildo nichts beweise, da die Pharisäer diesen Vorwurf oft genug ausgesprochen hal mögen. Matth. XU, 28—29. 295 deshalb d. h. wegen dieser Anschaldigung. Treffend schon Lightf. horae hebr. ad h. /.; Quodsi discipuU vestri daemonia ejiciunt, vos BeelzehuU non aiiribuitis — sed opus ab iis praesUium applauditis: im ergo possuni hoc in rejudices vestri esse, vos ex virulentia atque animi veneno haec de actionibus meis pronuntiare. — V. 28. „Wenn aber in Kraft des Geistes Gottes ich die Dämonen aastreibe, so ist demnach das Reich Gottes zu euch gelangt'S Zur Dämonenanstreibung reicht blos menschliche Kraft nicht ans. Dies sezt Jesus als von seinen Gegnern anerkant voraus. Wenn aber die Macht hiezu nicht vom Sa- tan herrühren kann, so kann sie nur von Gott kommen. Tertium non datur. Bv jivshfiaTi d'sov steht vor eye», weil darauf der Nachdruck liegt-, anders in v. 27, wo iyoi und der Gegensatz ot viel vficov betont sind. q)0'dvsiv bei den Klassikern zuvorkommen, so auch 1 Thess. 4, 15 ; hier nach späterem Sprachgebrauche einfach: hingelangen, wie Phil. 3, 16 u. ö. ßaoiXsla xov d-eov ist statt des dem Matth. geläufigen ßao. T(Sv ovQav(5v gewählt, um den innern Zusammenhang zwischen dem Geiste und dem Reiche Gottes deutlich zu machen. Das Gekom- mensein des Reiches Gottes ergibt sich aber aus der Austreibung der Dämonen kraft des Geistes Gottes insofern, als darin der Sieg des Gei- stes Gottes über die Herschaft Satans und seines Reiches zu Tage tritt and das siegreiche Wirken des göttlichen Geistes das Dasein des Rei- ches Gottes thatsächlich bezeugt. — Darin liegt implicite der Gedanke, daß derjenige, welcher in der Kraft Gottes die Dämonen austreibt, der Begründer dieses Reiches ist. Dieser Gedanke liegt der weiteren Rede Jesu V. 29 f. zu Grunde. y. 29. „Oder wie kann jemand in das Haus des Starken gehen und ihm seinen Hausrath rauben, wenn er nicht zuerst den Starken gebun- den hat? Dann erst wird er sein Haus berauben", (xal zore und wenn jenes geschehen, dann = dann erst). '0 loxvQog der Starke ist in der Anwendung des Gleichnisses der Satan ; sein Haus ist dessen Reich ; rä öxBvfi avTOV das Hausgeräthe (nicht die Waffen) des Starken sind nicht die Dämonen als Diener und Organe des Satans, sondern Bild des Eigentums, in der Anwendung die von Dämonen in Besitz genommenen Menschen, die als Sklaven des Satans zu seinem Haushalte gehören. Diese werden durch Austreibung der Dämonen ihm entrissen, und darin besteht die Plünderung seines Hauses. Diese Plünderung ist aber erst möglich, nachdem zuvor der Starke gebunden ist. Wenn aber die Dä- monenaustreibung die Bindung des Satans voraussezt, so hat Jesus, der durch Gottes Geist die Dämonen austreibt, den Satan gebunden, näm- lich durch die üeberwindung desselben bei der Versuchung c. 4, 2—11, und mit seinem öffentlichen Auftreten ist das Reich Gottes zu den Ju- den gelangt. Dies will der Erlöser mit dieser Bildrede seinen Wider- sachern sagen. Demnach ist das copulat. ^ in dem Sinne zu fassen: Oder zweifelt ihr noch daran, daß mit meinem Wirken oder meinem Kampfe gegen den Satan das Reich Gottes gekommen, so bedenkt, daß die Austreibung der Dämonen nur möglich ist, wenn zuvor die Macht des Satans gebrochen ist. — Hieran schließt sich v. 30 die Gnome: 296 Matth. XII, 30—32. „Wer nicht mit mir ist, (^er ist wider mich, und wer nicht mit mir sam- melt, der zerstreut", einfach an; einerseits das Urteil über die Phari- säer enthaltend, daß sie nicht mit Jesu sammeln d. h. das Reich Gottes mit ihm bauen, sondern die Ausbreitung desselben hindern, andrerseits eine Aufforderung an die ox^oi involvirend, sich für Jesam zu ent- scheiden und sich durch das feindselige Auftreten der Pharisäer gegen ihn im Glauben an seine Person und sein heilbringendes Wirken nicht irre machen zu lassen. An diese Zurechtweisung der Pharisäer knüpft der Erlöser noch die ernste Warnung vor der Sünde wider den heiligen Geist an.^ V. 31 f. Aiä xoiko weist auf alles Vorige von v. 25 an zurück. „Darum — weil eure Beschuldigung gegen mich eine aus Feindschaft fließende Verleumdung ist — sage ich euch: Jede Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben werden, aber des Geistes Lästerung wird nicht vergeben werden. Und wer irgend ein Wort redet wider den Menschensohn, vergeben wird ihm werden; wer aber irgend redet wider den heiligen Geist, nicht wird ihm vergeben werden weder in dieser Weltzeit, noch in der zukünftigen". ^Afiagrla und ßXa(jiprj(ila verhal- ten sich zu einander wie Genus und Species : Sünde und namentlich Lästerung (heiliger Objecto), fj xov jtvsvfiarog ßXaöq), ist die Läste- rung des heiligen Geistes (s. v. 32). Der allgemeine Ausspruch v. 31 wird in v. 32 verschärft. Die Lästerung wird als Keden eines Wortes wider den Sohn und wider den heil. Geist bestimt, und jene als vergeb- bar, diese als unvergebbar in dieser und jener Welt bezeichnet. *0 alcov ovTog = •'^jn ^Y'^ ist die Weltperiode vor der Erscheinung des Messias, 6 alcov 6 [liXXoov = «asi ö^i2> die Periode nach der Er- scheinung des Messias. Diese Einteilung des ganzen Weltverlaufs ist durch die erst mit der Ankunft Christi auf Erden deutlich gewordene Unterscheidung zwischen der Erscheinung Christi in Niedrigkeit zur Gründung des Himmelreichs und seiner Wiederkunft in Herrlichkeit zur Vollendung desselben durch das Weltgericht dahin modificirt wor- den, daß der aiwv ovrog bis zur Zeit der Vollendung des Keiches Got- tes dauert und der alcov fidXXcov erst mit der Parusie Christi eintreten wird. Aber für alle in der Zeit zwischen der ersten und zweiten An- kunft Christi lebenden Christen kann der zeitliche Tod als die Grenze zwischen dem alcov ovrog und dem alcov [isXXcov gelten. Denn da die Andeutungen des N. Test, über die Zwischenzeit zwischen dem Tode und der Auferstehung keinen sicheren Aufschluß darüber geben, daß diejenigen, welche im zeitlichen Leben auf dieser Erde die an sie er- gangene Predigt des Evangeliums nicht angenommen und nicht in 1) Diese zweite Hälfte der Rede Jesu (v. 31—37) fehlt bei Luk., weil er — wie Weiss richtig bemerkt — die Parabel von der Wiederkehr des bösen Geistes (v. 43 — 45), die ihm in die Rede von den Dämonenaustreibungen zu gehören schien, hier anknüpfte (11, 24 — 26) und damit den Anknüpfungspunkt für alles Folgende verlor. Nur den Spruch von der Gotteslästerung hat Luk. in verkürz- ter Form in eine Spruchreihe verwebt (12, 10), in die er nach dem Zeugnisse des Matth. 10, 17 — 33 nicht hineingehört, woraus man sieht, daß dieser Ausspruch Christi in der von ihm benuzten Quelle stand. i^-^Si:*- Matth. XII, 32. 897 Christo Yergebnng der Sünden erlangt haben, sich noch im jenseitigen Zustande bekehren können und Gnade finden werden: so komt für den einzelnen Christen die Zeit zwischen dem Tode und dem jüngsten Ge- richte nicht in Betracht. — Hinsichtlich der Bestimmung der als un- vergebbar bezeichneten Lästerung des heil. Geistes im Unterschiede von der Lästerung des Menschensohnes ist zunächst ins Auge zu fassen, daß Jesus den Pharisäern nicht ausdrücklich erklärt, daß sie mit ihrer böswilligen Beschuldigung der Dämonenaustreibung durch Beelzebul diese Sünde bereits begangen haben, sondern sie vor dieser Sünde nur warnt und ihnen vorhält, daß sie nahe daran seien, sie zu begehen, und wenn sie ihre Beschuldigung festhalten, sie wirklich begehen werden. Daraus folgt, daß diese Sünde nicht notwendig die Wiedergeburt vor- aussezt und etwa blos in dem Hebr. 6, 4—6 beschriebenen Abfalle vom Christentum besteht, sondern daß auch Solche in diese Sünde fallen können, welche die in dem Werke Christi oder in der Verkündigung des Evangeliums evident sich bezeugende Offenbarung des heil. Geistes böswillig abweisen und mit Bewußtsein sich gegen die Eindrücke der in Christo wirkenden Geistesmacht verhärten. — Von der Lästerung des Sohnes aber unterscheidet sich die Lästerung des Geistes so, daß jene stattfindet, wo man über der Niedrigkeit der irdischen Erschei- nung Christi seine specifisch göttliche Würde verkennt und schmäht, diese da, wo der Unglaube den sittlichen Eindruck des Göttlichen in Christo, dem er sich nicht entziehen kann, mit bewußter Entschlossen- heit in die Lüge seines Widerspiels verkehrt (v. Hofm, Schriftbew. 11, 2 S. 343). So hat z. B. Paulus Christum gelästert und seine Jünger ver- folgt (1 Tim. 1, 13), ohne den heil. Geist zu lästern, weil ihm in Jesu Person und Wirken die Kraft des Geistes Gottes noch nicht zum Be- wußtsein gekommen war. Einen solchen Zustand der Unwissenheit sezt Jesus auch voraus, wenn er für diejenigen, die ihn kreuzigten, Fürbitte bei seinem himmlischen Vater einlegt Luc. 23, 34, wobei nur fraglich ist, wie weit diese Fürbitte sich nicht blos auf die unmittelbaren Werk- zeuge, sondern auch auf die Urheber seiner Kreuzigung bezieht. — Aber jede Lästerung des Sohnes kann zur Lästerung des heil. Geistes führen, wenn der Mensch sich beharrlich gegen die ihm nahetretende Gotteskraft der in Christo geoffenbarten Heilsgnade verstokt. — Im Christenleben ist zwar jedes unsittliche Beden ein Betrüben des heil. Geistes (Eph. 4, 30), aber zur Blasphemie des Geistes wird erst das be- wußte und beharrliche Widerstreben gegen die Einwirkungen des heil. Geistes. Nicht vergeben wird die Lästerung des heiligen Geistes, weil je länger der Sünder der ihm nahegebrachten Gnade Gottes widerstrebt desto schwerer die Umkehr zur Buße wird, und die andauernde Ver- härtung zum Gerichte der Verstockung führt, daß er endlich nicht mehr sich bekehren kann, weil die Gnadenfrist für ihn abgelaufen ist. Wann dieser Moment für den Einzelnen eintritt, das ist für Menschenaugen verborgen und nur dem Herzenskündiger offenbar. So lange aber ein Sünder noch fähig ist, aufrichtige und ernstliche Reue über seinen Un- glauben und sein Widerstreben gegen das ihm nahegebrachte Evange- 298 Matth. XII, 32. 33. liam von der in Christo erschienenen göttlichen Gnade zu ftthlen, so lange hat er der Lästerung des heil. Geistes, die nicht vergehen wird, sich nicht schuldig gemacht, und noch nicht eine Sünde zum Tode (1 Joh. 5, 16) hegangen. — Wenn ührigens der Herr sagt, daß jede Sünde und jede Lästerung (mit Ausnahme der Lästerung des Geistes) den Menschen vergehen wird, so sezt er dahei die für die Yergehung unerläßliche Bedingung der Eeue und Buße als selhstverständlich vor- aus. Wo diese Bedingung fehlt, da wird auch die Lästerung des Sohnes oder das hartnäckige Widerstrehen gegen Christum und sein Wort zur Todsünde. Mehr über die schwierige Frage der Sünde wider den heiligen Geist s. bei Phil. Schaf, die Sünde wider den heil. Geist. Halle 1841 ; AI u, Oettingen , De peccato in Spiriium ."?., qua cum eschatologia christiana contineatw ratione^ Disput. Dorp. 1856, wo man die ältere Literatur und eine Beurteilung der ver- schiedenen Ansichten findet; Hrni. Weiss, Sünde wider den heil. Geist, in Herz.s Realencykl. XXI S. 182 ff. und Delitzsch im Conmi. z. Brief an die Hebr. (1857) S. 231 ff. — Del, gelangt zu dem richtigen Ergebnisse , daß die Blasphemie des heiligen Geistes a) ein Gattungsbegriff ist, der weil sie sowol von blos Berufe- nen als von Bekehrten begangen werden kann, zwei Arten dieser Sünde unter sich begreift; b) daß sie selbst nur eine Art der afiagtla nghg ^avaiov d. L der Sünde ist, welche keine Möglichkeit zu gewinnenden öder wiederzugewinnende seligen Lebens zuläßt 1 Joh. 5, 16, also c) die Sünde wider den heil. Geist nicht der Gipfel aller Sünde sei und niemand verloren gebe, in welchem die Sünde nicht bis zu dieser allen Bnßschmerz , alles Gnadeverlangen, alle sittliche Bes- serungsmöglichkeit schlecbthin ausschließenden Höhe gediehen sei, sondern daß es 1) Sünden gibt, welche vergeben werden können und wirklich vergeben wer- den, indem die sie sühnende Gnade ergriffen wird, 2) Sünden, welche vergeben werden können, aber unvergeben bleiben, weil die sie sühnende Gnade nicht rechtzeitig ergriffen worden, 3) Sünden, welche, selbst wenn in dem Menschen dann und wann das Verlangen, ihrer entledigt zu sein, aufdämmerte, auf ihm lasten bleiben, weil sich mit ihnen Selbstverstockung und richterliche Ver- stockung durch Gott verbindet, und daß zu diesen Sünden die zwiefache Art der Blasphemie des heil. Geistes gehöre (S. 234. Anm.). In V. 33—35 dekt der Herr den Pharisäern noch den verborgenen Grund ihrer gegen ihn ausgesprochenen Verleumdung auf, daß nämlich dieselbe aus ihrem bösen Herzen komme. V. 33. „Entweder machet den Baum gut und seine Frucht gut, oder machet den Baum faulig und seine Frucht faulig; denn aus der Frucht wird der Baum erkant". IIoL€tp in declarativem Sinne, von dem Urteile, wie Joh. 5, 18. 8, 53. 10, 33 u. a. So schon die griech. Kchvv. Der V. enthält die allgemeine Warheit, daß der Beschaffenheit des Baumes auch die Beschaffenheit seiner Frucht entspricht; die Anwendung dieser Warheit auf die Phari- säer folgt V. 34. Daher läßt sich, wie schon fVeiss bemerkt hat, der Sinn nicht mit Mey. so bestimmen: ,Urteilt nicht so ungereimt, wie ihr in eurem Urteile gegen mich thatet, wo ihr den Baum schlecht gemacht (mich für ein Werkzeug des Teufels erklärt) und ihm gute Frucht (die MattL XII, 38—38. 299 Dämonenaostreibung) beigelegt babet^, weil davon, daß sie Jesum für schlecht, für ein Werkzeag des Teufels, and seine Wirkung für gut er- klärt haben, in v. 34 nicht die Rede ist. Der Uebergang von v. 32 zu Y. 33 f. ist vielmehr mit Ew, u. Weiss so zu fassen: Meinet nicht, eure Bede sei ein bloßes Wort, welches nicht für eine unverzeihliche Sünde gehalten werden dürfe; denn die Worte kommen aus dem Herzen, und aas ihnen läßt sich die Beschaffenheit des Herzens eben so sicher er- kennen, wie aus den Früchten die Beschaffenheit des Baumes. — Y. 34. ^Ihr Otternbrut, wie könnet ihr Gutes reden, da ihr böse seid? Denn ans dem heraus, wovon das Herz Ueberfluß hat, redet der Mund'S üeber die Anrede ysvvTJfiaza sx^övcov s. zu 3, 5. Ilcog övvaod'S drükt die moralische Unmöglichkeit aus, die aus der Schlechtigkeit des Her- zens folgt, ohne daß damit die Möglichkeit einer Herzensänderung ausgeschlossen wird. Zu üiovtjqoI ovxsq vgl. 7, 11. — Dieser Gedanke wird in V. 35 weiter explicirt. „Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatze das Gute hervor, und der böse Mensch bringt aus dem bösen Schatze Böses hervor'S Der Zusatz r^g xaQÖlag des älteren text, rec. fehlt fast in sämtlichen Uncialcodd. und ist eine sachlich richtige Glosse. Yor ct/ad'd hat Tuch. 8 den Artikel xd nach ^CLUA ah aufgenommen. Das Herz als Centrum des geistig seelischen und sittlichen Lebens (vgl. Deh bibl. Psychol. S. 249 f.) ist als Schatz- oder Yorrathskammer ge- dacht; vgl. Luc. 6, 45). Zu sxßdXXsi vgl. 9, 38. — In v. 36 u. 37 weist der Herr zum Schlüsse noch auf die Rechenschaft hin, welche die Menschen am Tage des Gerichts werden ablegen müssen. ^Prjfia OQyov ein sittlich unnützes Wort. Dieser negative Ausdruck ist für den Ge- danken stärker als jcovijqop. Die Gonstruction v. 36 ist gleich der in 10, 14. 32. Denn aus den Worten (oder Reden) wird deine Rechtfer- tigung und deine Yerurteilung hervorgehen. Die Reden zu nennen for- derte der Zusammenhang. Da dieselben aber Aeußerung der Gesinnung sind, so wird mit der Zurechnung der Reden das ganze Yerhalten des Menschen gegen Gott oder seine Glaubensstellung gerichtet. Y. 38—45. Die Zeichenforderung. Ygl. Luc. 11, 29—31 u. 24—26, wo V. 43—45 zur Rede von der Dämonenaustreibung gezogen (s. die Anm. zu v. 32) und dadurch der Zusammenhang der Zeichenfor- derung mit der weiteren Rede aufgehoben ist. Matth. führt die Zeichen- forderung als Antwort etlicher Schriftgelehrten und Pharisäer auf die Yerantwortung Jesu wider die pharisäische Yerleumdung ein. Da Jesus die Yerstoktheit der Pharisäer scharf gerügt hat, so versuchten einige Schriftgelehrte und Pharisäer sich wegen ihrer ablehnenden Stellung zu Jesu zu rechtfertigen durch die Forderung, sich durch ein Zeichen als Messias zu legitimiren, womit sie zu verstehen gaben, daß sie ihn bisher nur deshalb nicht als Messias anerkant hätten, weil er sich nicht hinreichend als solcher legitimirt habe. Der zeitliche Zusammenhang dieser Zeichenforderung mit dem Yorhergehenden erhellt, von rote cbtsxgl^öav abgesehen, aus dem Schlüsse der Antwort v. 43—45, wo Jesus auf die Dämonenaustreibung zurükkomt. Daß der Bericht bei Mattb. ursprünglicher istalsbeiLuk. 11, 16, wird auch von ilfey. anerkant. 300 Matth. XU, 39. 40. ,^eister, wir wollen von dir ein Zeichen sehen". AiddöxaZs Lehrer = '^a'i; aTjfiBtov eine Wunderthat, die seine göttliche Sendung oder seine Messianität erweise. Die Dämonenaustreibung erachteten sie hiefür nicht für zareichend, da ja laut v. 27 auch ihre Schüler dergleichen thaten. Die Forderung eines Zeichens war aber nur ein Vorwand zur Bechtfertigung ihres Unglaubens ; darum antwortet der Erlöser scharf y. 89: „Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht fordert ein Zeichen, und ein Zeichen wird ihm nicht gegeben werden außer dem Zeichen des Propheten Jonas". MotxccXlg ehebrecherisch s. v. a. abtrünnig, treulos gegen Gott, nach der alttestamentlichen Anschauung der Ge- meinschaft Israels mit seinem Gotte unter dem Bilde eines Ehebundes, womach der Abfall des Volks von Gott als Ehebruch bezeichnet wird. „Das Zeichen Jonas' des Propheten" ist das Wunder, das er erlebt hat oder das an seiner Person geschehen ist, daß er nämlich ins Meer ge- worfen, von einem Meerungeheuer verschlungen und nach drei Tagen wieder lebendig ans Land gespieen worden, Jon. 2, 1. Jesus meint mit dem Jonaszeichen, das dem ungläubigen Geschlechte der Juden gegeben werden solle, seinen Tod und seine Auferweckung am dritten Tage. Zwar sagt er v. 40 nur: „Wie nämlich Jonas in dem Bauche des See- fisches drei Tage und drei Nächte war, also wird der Menschensohn im Herzen der Erde drei Tage und drei Nächte sein"; aber er sezt das Erlebnis des Jonas aus dem A. T. als bekant voraus-, und in der An- gabe, daß sein Aufenthalt im Herzen der Erde drei Tage danern werde, war ja implicite gesagt, daß er nach dieser Zeitfrist aus der Erde wie- der hervorgehen werde. Kfjroq jedes große Seethier oder Meerunge- heuer, in LXX für bi*ia a^ Jon. 2, 1; Luther: Walfisch; richtiger Hai- fisch, canis carcharias oder squalus carcharias L., der im mittellän- dischen Meere sehr häufig ist und einen so großen Bachen hat, daß er ganze Menschen lebendig verschlingen kann, s. m. Comm. zu Jon. 2, 1. xagöla rijg yrjq nach ta'ia;: aa^ Jon. 2, 4, vgl. Exod. 15, 8 gebildet, be- zeichnet das Innere oder die Tiefe im Innern der Erde, und ist nicht auf das Liegen Jesu im Grabe, sondern auf seinen Aufenthalt im Hades oder Todtenreiche zu beziehen (Tertul, Iren,, Theophyl u. v. a.) — Wenn der Erlöser in diesem Ausspruche das wunderbare Erlebnis des Propheten Jonas ein orjfcslov nent und als einen Typus auf seinen Tod und seine Auferstehung bezeichnet, so sezt er dieses Erlebnis des Propheten als ein geschichtliches Factum voraus, wie es im A. T. er- zählt ist. Denn nur eine reale Thatsache, nicht eine Dichtung oder ein Mythus konte die Thatsache seines Todes und seiner Auferstehung vor- bilden. Seine Auferstehung von den Todten aber nent er als das Zei- chen, welches das abtrünnige Geschlecht erhalten soll, nicht um anzu- deuten, daß infolge dieses wunderbaren Erweises seiner göttlichen Natur sich alle bekehren würden, sondern als eine für das Verhalten des ganzen Volkes zu ihm entscheidende Thatsache, die den Gläubigen Segen bringen, die Ungläubigen für das Gericht reif machen werde. Ganz verfehlt ist die Folgerung, welche Eationalisten und Neuprotestanten aus den Worten arifxeToy ov do&riacrai avifj ziehen, daß nämlich Jesus keine Matth. XII, 40. 301 Wunder gethan habe. Denn dabei ist ganz außer Acht gelassen, daß Jesus nur der yevea novi^ga xal (AoixnUs das verlangte Wunder abschlägt und sie auf das Wunderzeichen des Propheten Jonas verweist, weil dieser yBvea die Wun- der nicht genügten, durch die er sich als Messias bezeugte. Man hat daher auch nicht mit Mey. das Wort arifieiov zu pressen und von einem Wunder im eminenr ten Sinne zu deuten, sondern den Grund der Verweigerung des begehrten Zei- chens einfach darin zu suchen, daß das Verlangen aus unlauterem Herzen kam, nicht aus Heilsverlangen entsprang, sondern nur ein Vorwand zur Verdeckung des Unglaubens war. Für die aufrichtig nach dem Heile Verlangenden that Jesus Wunder, um sich ihnen als Erlöser zu erweisen (vgl. Joh. 11, 41 f.); aber die Ungläubigen sollen kein anderes Zeichen erhalten, als das Jonaszeichen. — Dieses Zeichen aber haben Paul, SMeierm.^ de FF., BleeJc, Neander, Krabbe u. A. nicht von der Auferstehung Jesu, sondern von seiner Predigt und seiner ganzen Erscheinung verstehen wollen; und Keim erklärt den 40. V. für einen unge- schikten Zusatz der späteren Zeit, in welchem Jesu eine irrige Deutung in den Mund gelegt sei. Allein diese Deutung verdankt ihre Entstehung weniger der Parallele Luc. 11, 30: „denn wie Jonas den Nineviten ein Zeichen war, also wird auch der Menschensohn es diesem Geschlechte sein'S auf die man sich da- für beruft;, als vielmehr dem Anstoße, den der Eationalismus an dem von Jonas berichteten und von Jesu als Thatsache bezeugten Wunder genommen hat. Denn wenn es bei Luk. heißt: „wie Jonas den Nineviten ein Zeichen wiirde (iyeyBTo), so wird^ es der Menschensohn diesem Geschlechte sein (eazai), so wird schon dadurch die Beziehung des Zeichens auf die Predigt Jesu als unrichtig erwiesen, da bei dieser Beziehung in den Worten der Gedanke läge: wie die Nineviten auf die Predigt des Jonas hin Buße thaten, so werde auch dieses Ge- schlecht auf Jesu Predigt hin Buße thun Ein ebenso contextwidriger als an sich irriger Gedanke; woraus hinlänglich sich ergibt, daß weder Luk. in v. 30 noch Matth. im 39. V. an die Bußpredigt des Jonas gedacht hat. Lukas hat das Jonaszeichen nur nicht näher bestimt. Die Gründe aber, welche gegen die Richtigkeit der in v. 40 des Matth. gegebenen Erklärung des Jonaszeichens an- geführt werden, sind überaus schwach. Wenn z. B. Bleek dagegen einwendet: ,daß der Erlöser seine Auferstehung als ein Zeichen für das Geschlecht, zu dem er hier redet, bezeichnet haben solte, sei schwierig, da Jesus sich dem ungläu- bigen Volke nach seiner Auferstehung nicht darstellte', so genügt zur Besei- tigung dieses Bedenkens der Hinweis auf die Thatsache, daß die apostolische Verkündigung der Auferstehung Christi, deren Zeugen die Apostel waren, schon am ersten Pfingstfeste 3000 Hörer derselben zum Glauben an Christum bekehrt hat, und überhaupt Christus durch seine Auferstehung von den Todten der Eck- stein geworden ist für den Bau seines Eeiches auf Erden. Die weitere Behaup- tung: daß die Nineviten nicht Zeugen des an Jonas geschehenen Wunders waren und in dem B. Jonas selbst nicht entfernt angedeutet werde, daß der Prophet sich in seiner Predigt auf dieses Ereignis berufen hatte, verliert dadurch alle Bedeutung, daß der Inhalt der Bußpredigt im Buche des Jonas nicht detailirt angegeben ist, wir also gar nicht wissen, in welcher Weise er sich den Nineviten als Prophet Gottes kundgegeben hat. Endlich der Einwand, daß in dem Johan- neischen Evangelium wie in der evangelischen Geschichte überhaupt der Herr vor seinem Leiden zwar wie auf seinen Tod so auch auf seine Auferstehung 302 Matth. XU, 40-43. prophetisch hingewiesen hat, aber nur auf verhüllte Weise in Andeutungen, deren Sinn und Beziehung selbst die Jünger erst nach erfolgter Auferstehung recht faßten, nicht aber in bestirnten Worten, wie hier würde geschehen sein', trägt in den Text mehr ein als Jesus gesagt hat. Von seiner Auferstehung redet Jesus auch hier nicht in bestirnten Worten, sondern nur andeutend, wie Joh. 2, 19. Mit Becht haben daher auch Mey. u. Weiss die eben besprochene Deu- tung des Jonaszeichens abgelehnt. y. 41 bringt nicht eine Erklärung des Jonaszeichens — für die Zeichenforderer solte die Hindeutung auf dieses Zeichen genügen — sondern handelt von der Büßpredigt des Jonas , um den Fragenden zn bedenken zu geben, daß, wenn sie nur glaaben wolten, schon sein bis- heriges Wirken und seine Predigt ihnen genügen könne, und ihnen das Gericht, welches sie durch ihren Unglauben sich zuziehen, anzukündi- gen. „Leute von Ninive werden aufstehen im Gerichte mit diesem Ge- Bchlechte und es verurteilen, weil sie Buße thaten auf die Predigt des Jonas; und siehe hier ist mehr als Jonas'', dvaöxrjöovxcu nicht: auf- erstehen aus dem Tode, sondern : auftreten beim Grerichte als Zeugen. [lexa mit d. i. zugleich mit den ungläubigen Israeliten, fj xgloig ist hier das Gericht der Entscheidung am jüngsten Tage. xaxaTCQlvsiv verurteilen durch ihr Erscheinen und das Urteil, das sie empfangen werden. Ex ipsorum comparatione isti meriio damnabuntur. August. Vgl. zur Sache Rom. 2, 27. Zu jtXslov — mos vgl. v. 6. — Aber nicht nur gegen die Bußpredigt ist das böse Geschlecht unempfänglich, son- dern gegen die Warheit überhaupt. Dies hält der Herr seinen Gegnern in dem Vergleiche v. 42 vor. „Eine Königin des Südens (d. i. die Kö- nigin von Sabäa im südlichen Arabien, 1 Kön. 10, 1 ff.) wird im Ge- richte mit diesem Geschlechte aufstehen und es verurteilen; denn sie kam von den Grenzen der Erde, um die Weisheit Salomo's zu hören; und siehe hier ist mehr denn Salomo". Dieses Geschlecht hört nicht auf die höhere Weisheit dessen , der mehr als Salomo ist. ex zcov ns- Qoxcov Tfjq y^q rhetorische Hyperbel zur Bezeichnung des im fernsten Süden gelegenen Sabäa. V. 43—45. Da aber dieses böse Geschlecht keine Empfänglichkeit für die ihm angebotene Erlösung zeigt, so wird es noch mehr der Ge- walt des bösen Feindes anheimfallen. Dies ist der Sinn der Bildrede von dem Besessenen, in welchen der Dämon, nachdem er ausgefahren war, mit sieben anderen noch schlimmeren Dämonen zurükkehrt. Der parabolische Charakter dieser Eede wird allgemein anerkant, aber Ab- sicht und Bedeutung von Weiss u. Mey, verkant, indem sie den Zusam- menhang mit dem Vorhergehenden so fassen, daß Jesus mit diesem Gleichnisse den Grund oder die Ursache der traurigen Erscheinung der Unempfönglichkeit des Volks aufdecke. Dazu paßt weder das überlei- tende 6i V. 43 noch die Anwendung der Bildrede v. 45. — Die Wahl dieses Gleichnisses war durch den zeitlichen und sachlichen Znsammen- bang der ganzen Rede mit der Heilung des Dämonischen (v. 22) nahe gelegt, wodurch Luk. 11, 24 ff. veranlaßt wurde, dieselbe der Verant- wortung Jesu gegen die Beschuldigung, daß er die Dämonen durch Matth. Xli, 44-46. 303 Beelzebnl austreibe, unmittelbar anzureihen. „Wenn der unreine Geist aasgeht aus dem Menschen (in welchem er gehaust hat), durchwandert er wasserlose Orte (d. h. Wüsteneien, die nach altem Volksglauben als Aufenthalt der Dämonen galten, vgl. Tob. 8, 3. Bar. 4, 35. Apok. 18, 2 u. Deutsche morgenl. Ztschr. XXI, 609), Ruhe suchend und findet sie nicht''*, da beschließt er in das Haus, aus dem er ausgegangen, zurück- zukehren, und dasselbe leer und geschmükt findend, komt er mit sie- ben anderen schlimmeren Geistern und nimt darin Wohnung. Das Haus ist die Menschenseele, aus welcher der Dämon ausgegangen ist und wo- hin er zurükkehren will. öxoXdC,ovra von einem Orte prädicirt, bed. leerstehend, wo jemand nicht mehr thätig ist. aeaagcofiivov x. xe- xoöfiijfi^vop gekehrt (gefegt) und geschmükt d. h; zur Wiederaufnahme hergerichtet und zum Wiedereindringen einladend. Diese Worte sind nicht Bilder der Gesundheit der Seele, welche den Dämon hindern ein- zugehen, weshalb er sieben andere Geister zu Hilfe hole, um in dieselbe einzudringen (Beng,, de W,, BL)^ sondern bildliche Beschreibung der lockenden, zum Wiederkommen einladenden Bereitschaft. Der Yer- gleichung liegt die Warheit zu Grunde, daß die Menschenseele immer unter dem Einflüsse einer höheren Geistesmacht stehe, entweder einer guten oder einer bösen. Ist der böse Geist gewichen oder vertrieben, und die Seele nimt den guten Geist nicht auf, um sich von ihm bestim- men und regieren zu lassen, so bereitet sie dem bösen Geiste Raum und eine zur Rükkehr einladende Stätte. Derselbe komt dann aber nicht allein, sondern bringt noch sieben (d. h. eine Vollzahl) schlimmerer Geister mit sich; und so wird ta eoxccra das Lezte d. h. der Lebens- ausgang dieses Menschen schlimmer als rä jtQcoxa das Erste d. i. der frohere Zustand, wo nur ein Dämon in ihm war. Eine Analogie hiefÜr bietet auf dem physischen Gebiete die Warnehmung, daß bei jeder Krankheit der Rückfall schlimmer und gefährlicher ist als die Krankheit war. Vgl. zur Sache 2Petr. 2, 20 und für den Gebrauch von xä ioxccra und rä Jtgcora Hi. 42, 12 isi^wt tr^'^m u. in*»'^*«!?. Die Anwendung: „also wird es diesem bösen Geschlechte ergehen^^ hat in den lezten Zeiten des jüdischen Staats eine grauenvolle Erfüllung erhalten. V. 46—50. Jesu Mutter und Brüder. Vgl. Mrc. 3, 31—35 u. Luc. 8, 19—21. — Während Jesus noch zu den Volksscharen redete ^ kamen seine Mutter und Brüder, um mit ihm zu sprechen, und standen }b§6q des Herrn. Hier komt man — wie v, Eofm. a. a. 0. VII, 2 S. 147 bemerkt — ,durch keinerlei Auslegungskünste darüber hinweg, daß Paulus den Jakobus, den er Unterschieds halber den Bruder des Herrn zubenennt, weil zu der Zeit, von der er spricht, der Bruder des Johannes noch lebte, unter die Apostel zählte Selbst Mey. kann hier nicht umhin anzuerkennen, daß dieser Jakobus mit zu den Aposteln ge- zählt sei, sucht aber dieses exegetische Zugeständnis durch zwei ganz nichtige Einwände zu beseitigen; 1. durch die Bemerkung, daß Jako- bus hier zu den Aposteln im weiteren Sinne gezählt werde, unter Ver- weisung auf 1 Eor. 15, 7. Allein daß dort Jakobus nicht als ein Apostel im weiteren Sinn von den Zwölfen unterschieden ist, das zeigt schon die ganz gleiche Erwähnung des Kephas neben den Zwölfen in v. 5 des- Keil» Comm. z. Eyangel. Matth. 20 306 Matth. XU, 46-50. selben Ka])itels. Noch haltloser ist 2. die Bemerkung, daß Paulos in Gal. 1, 19 Jakobus durch die Näherbezeichnnng rbv dÖBXq>bv xoi KvQiov von Jakobus Alphaei, der einer der Zwölf war, unterscheide. Denn Mey, hat hiebe! vergessen, daß zu jener Zeit, von welcher Pau- lus Gal. 1, 19 redet, nämlich der Zeit von Apostelgesch. c. 9, noch zwei Apostel des Namens Jakobus lebten, und die Näherbezeichnnng dessen, den er meinte, nötig war, um denselben von Jakobus, dem Bru- der dos Johannes zu unterscheiden. Daß aber Paulus nicht diesen, son- dern den Sohn des Alphäus meinte, ergibt sich aus der Vergleichnng von Gal. 1, 19 mit Gal. 2, 9 u. 12. Da es nämlich einen dritten Apo- stel des Namens Jakobus nicht gab, so kann der Jakobus, welcher nach der Hinrichtung des Zebedaiden Jakobus (Act. 12, 2) in Jerusalem neben Petrus und Johannes zu den Säulen der Gemeinde gezählt wurde (Gal. 2, 9), kein anderer gewesen sein, als der Sohn des Alphäus. Die- sen hätte zwar Paulus auch einfach nach seinem Vatersnamen bezeich- nen können, aber offenbar bewog ihn die Rücksicht auf die Gemeinden, die Bezeichnung 6 döeXtpoq xov KvqIov vorzuziehen, weil das Ansehen, welches derselbe unter den Judenchristen genoß, von diesen auf seine Verwandtschaft mit Jesu zurückgeführt wurde. — Dieser Jakobus aher ist derselbe, nach welchem Lukas (Ev. 24, 10) eine Maria, um sie näher zu bezeichnen, als ^ ^laxaißov zubenennt, nach welchem er auch 6, 16 den Apostel Judas durch die Zubenennung ^laxdßov von dem Iskarioten unterschieden hat, und nach welchem er diesen Judas noch Act. 1, 13 bezeichnet, wo es dieser Unterscheidung nicht mehr bedurfte. Aach diese Zubenennung sowol jener Maria als des Apostels Judas nach Ja- kobus ist nur Erklärlich, wenn Jakobus eine in den Gemeinden so he- kante Persönlichkeit war, daß eine nähere Bezeichnung desselben nicht erforderlich schien, außer wo es wie Gal. 1, 19 darauf ankam, ihn von dem Bruder des Johannes zu unterscheiden. Außer diesem Jakobus wird seit dem Tode des Bruders des Johan- nes (Act. 12, 2) in der apostolischen Gemeinde kein anderer Apostel dieses Namens erwähnt. Wo von Act. 12, 17 an seiner Erwähnung geschieht, wird er nicht näher bezeichnet, weil kein anderer gemeint sein konte, als der, welcher nach Act. 21, 18 an der Spitze der Orts- gemeinde von Jerusalem stand. Wenn also Paulus diesen unter die Apostel rechnet, so kann er nur eine Person mi't dem Apostel Jakobus Alphäi Sohn gewesen sein. Diese Identität wird außer Zweifel geseit durch die Vergleichung von Job. 19, 25 mit Mrc. 15, 40 u. Mtth. 27,56. Nach Joh. 19, 25 standen in der Nähe des Kreuzes Jesu seine Mutter und die dÖ£Xq)fj seiner Mutter, Maria rj xov KXcojtä, und Maria Mag- dalene; nach Mtth. 27, 56 waren unter den Weibern, welche von ferne die Vorgänge bei der Kreuzigung ansahen, Maria Magdalena und Maria die Mutter des Jakobus und Joses (Joseph) und die Mutter der Söhne Zebedäi; nach Mrc. 15, 40 Maria Magdalene und Maria die Mutter des Jakobus xov fiixQOv (minoris) und des Joses, und Salome. Dieselbe Maria, welche Johannes rj xov KXcojtä nent, heißt bei Mtth. u. Mrc Mutter des Jakobus und des Joses, und dann bei Mrc. 15, 47 kurzweg Mfttih. XII, 46-50. 307 MccQla ^ *Ia)Oijfcoq (Mutter des Joses) und 16, 1 9^ ^axcißov so wie Luc. 24, 10. War demnach die Mutter des Jakobus minor das Weib des Klopas, so war Klopas, dessen Identität mit ^thn Alphaeus allge- mein anerkant wird, der Vater sowol des Jakobns, welchen Paulus Gal. 1, 19 döeXg>dp rov Evglov nent, als auch des Jakobus und Joses, welche Matth. 13, 55 u. Mrc. 6, 3 als d6sXq)ol Jesu genant sind. Wenn aber Johannes jene Maria nicht, wie sonst geschieht, nach ihren Söhnen näher bezeichnet, so sezt er bei den Lesern seines Evangeliums voraus, daß sie von diesem Elopas wußten. Elopas war aber dadurch den Ge- meinden bekant geworden, daß sein Sohn Symeon seit dem Tode des Jakobus an der Spitze der Jerusalemischen Gemeinde stand (Etiseb. h. e. III, 11. 32; IV, 22 J, und er wird von Hegesippus bei Etiseh. als Bruder Josephs und wie Symeons so auch des Jakobus Vater genant; vgl. Hofm, a. a. 0. S. 149 f. Wenn aber die als Weib des Elopas be- zeichnete Maria von Joh. dd6Xq)f] der Mutter Jesu genant wird, so ist — da zwei leibliche Schwestern doch schwerlich denselben Namen hat- ten, damit schon gesagt, daß dieselbe nur dadurch d66Xg>9] der Mutter Jesu geworden, daß sie des Klopas Weib war, nämlich insofern, als die Männer beider Frauen Brüder waren, also Maria Jakobi genauer be- stimt eine Schwägerin der Mutter Jesu war. ^ Mit diesem Ergebnisse, nach welchem von den vier ddeXtpoi Jesu zwei, nämlich Jakobus und Judas, Apostel waren, lassen sich auch ohne sonderliche Schwierigkeit die oben angeführten Stellen vereinigen, in welchen die d66Xg)ol Jesu von den Jüngern unterschieden werden. In Joh. 2, 12 sind die fda^zal ^Itjöov nicht die zwölf Apostel, sondern nur die in Joh. 1, 35 ff. erwähnten fünf: Johannes, Andreas und Simon Petrus, Philippus und Nathanael. In den übrigen Stellen aber (Mtth. 12, 46. Joh. 7, 3 ff. u. Act. 1, 14) können die von den Jüngern unter- schiedenen döeXipol auch nur die beiden sein, Joses und Simon, die nicht zu den Aposteln gehörten, da in keiner dieser Stellen von allen dösXfpol die Bede ist, auch in Joh. 7 nicht, wo übrigens die Bemerkung Y. 5 : ovSk ycLQ ol dde2,q)ol avrov ejtlOTsvaap slg avvov bei dem prägnanten Sinn, in welchem Johannes jciöreveiv braucht, auch auf die Apostel Judas und Jakobus Alphäi, die in allen Verzeichnissen die lezte Stelle im Apostelkreise einnehmen, Anwendung leiden könte. — Sodann 1) Gegen diese gewöhnliche Auffassung von Joh. 19, 25 haben zwar neuere Kritiker geltend gemacht, daß Johannes nicht drei, sondern vier Frauen nenne, nämlich aufSer der Mutter Jesu noch die drei, welche nach Mtth. u. Mark, in der Nähe des Kreuzes Jesu standen: die Schwester semer Mutter d. i. die Salome, die Maria des Ellopas d. i. die Mutter des Jakobus und Joses, und die Maria Magdalene. Allein in diesem Falle dürfte vor Ma^ia 17 rov KXmna ein xai oder T^ nicht fehlen, schon um der Identificirung der Maria des Elopas mit der Schwester der Mutter Jesu (Salome) vorzubeugen. Vollends ausgeschlossen wird aber diese Deutung der Stelle dadurch, daß, wenn Salome, die Matter des Johannes und Jakobns, eine Schwester der Mutter Jesu gewesen wäre, diese bei- den Jünger von mütterlicher Seite her leibliche Vettern Jesu sein würden. Aber von einer Vetterschaft des Johannes oder Jakobus Zebedäi Sohn mit Jesu läßt sieh weder in der evangelischen Geschichte des N. T. noch in der kirchlichen XJeberlieferung irgend eine Spur entdecken. 20* 308 Matth. XII, 50. XIU. die Erwähnung der dÖ6Xg)ol in Verbindung mit der Mutter Jesu, sowol in unserer Erzählung 12, 46 ff. und in c. 13, 55 f. u. den Parallelen des Mrk. u. Luk., als auch in Job. 2, 12 u. Act. 1, 14 läßt sich durch die einfache Annahme erklären, daß nach dem Tode Josephs, der wol schon vor Jesu messianischem Auftreten gestorben war, da er seit Luc. 2, 41—51 nicht weiter erwähnt wird, oder auch nach dem öffentlichen Auftreten Jesu in seinem 30. Lebensjahre, seine Mutter Maria als Witwe ihren eigenen Hausstand aufgegeben hatte und zu ihrem Schwa- ger gezogen war. Wohnte sie aber im Hause ihres Schwagers Elopas mit ihm und seiner Familie zusammen in Nazarot, so konten auch die Nazaretaner über Josum urteilen: Ist dieser nicht der Zimmermanns Sohn? und seine Mutter heißt sie nicht Maria, und seine d6tXg>ol (heißen sie nicht) Jakobus u. s. w.? und seine dösXq)al sind sie nicht alle bei uns? (13, 55 f.) auch wenn die dösZq)ol und dÖ6Xq)al nicht leibliche Geschwister Jesu, sondern nur seine Vettern und Cousi- nen waren, da es ihnen ja nur darum zu thun war, ihre genaue Be- kantschaft mit der ganzen leiblichen Verwandtschaft Jesu anzugeben; wobei man übrigens daraus, daß sie wol Jesum den Zimmermannssohn nennen und den Namen seiner Mutter, aber nicht den Namen des Va- ters, Joseph, mit Eecht schließen darf, daß Joseph damals nicht mebr am Leben war. Nach dem Allem müssen wir die Ansicht, daß die dÖ6Xq)ol ^IijCov Vettern Jesu waren, für viel warscheinlicher halten als die Meinung, daß sie seine Stief- oder Halbbrüder gewesen seien, welche sich nur durch gekünstelte Deutung der Aussagen des Apostels Paulus über/a- kobtts rov d6eX(pov rov KvqIov notdürftig verteidigen läßt.^ Cap. XIII. Gleichnisreden vom Himmelreiche. Verachtung Jesu in Nazaret. Nachdem der Erlöser in c. 12 den Pharisäern erklärt hat, wenn er in Kraft des Geistes Gottes Dämonen austreibe, ja das Reich Gottes zu ihnen gelangt sei (v. 28), und sie vor Verstockung gegen den heiligen Geist gewarnt hat, belehrt er in c. 13 das Volk in Parabeln über die Gründung und Entwickelung des Himmelreichs von unschein- baren Anfängen an bis zu seiner Vollendung. Dieses Cap. enthält sie- ben Gleichnisse, von welchen die vier ersten vor dem Volke (v. 3—35), die drei lezten nach Entlassung des Volks zu den Jüngern gesprochen sind (V. 36—52). Im ersten (vom Säemaun) wird die Grundlegung des Himmelreichs mittelst des Wortes (v. 3—9 u. 18—23), im zweiten (vom 1) Die Literatur über diese von Origenes' und Hieronym.'s Zeiten an strei- tige und vielbesprochene Frage gibt am vollständigsten Winer im Bibl. RW. I S. 566 f. und S. 525 if. (unter Jacobus). Außerdem vgl. Wieseler in d. Theol. Stud. u. Krit. 1842 S. 71 ff. u. im Comment. zu Gal. 1, 19; Phil ^cÄq/über das Verhältniß des Jakobus, Bruders des Herrn, zu Jakobus Alphäi. fierl. 1842; Laurent^ Neutestamentl. Studien 1866. S. 153 ff , und unter den AusU. Wiesin- g(r zum Brief Judä (Einleit.), Huther, Brief Jakobi (Einl.), Hengstenberg, Evang. Johannis zu Joh. 2, 12, v. Hofmann a. a. 0. u. andere von Meyer zu u. Abselm. erwähnte Schriften u. Abhandlungen. Matth. Xm, 1—3. 309 Lolch anter dem Waizen) die seinem wahren Wesen nicht entsprechende Mischung von Guten und Bösen während seiner irdischzeitlichen Ent- wickelung (v. 24—30 u. 36—43); im dritten (vom Senfkorn) seine Ent- wickelung von den unscheinbarsten Anfängen zu einer Weltmacht, welche den Völkern eine Zufluchtsstätte gewährt (v. 31 u. 32), im vier- ten (vom Sauerteig) die unsichtbar und siegreich wirkende Kraft des- selben (v. 33) veranschaulicht; im fünften (dem Schatze im Acker) wird das Himmelreich als ein vor dem Blicke der großen Menge verborgenes Geschenk göttlicher Gnade (v. 44), im sechsten (von der Perle) als die vollkommene Befriedigung alles menschlichen Suchens und Sehnens (v. 45 u. 46) geschildert; endlich im siebenten (vom Netze) das der- einstige Aufhören der Mischung von Guten und Bösen oder die schließ- liche ewige Scheidung wahrer und falscher Eeichsgenossen in Aussicht gestelt (v. 47—50). — Alle diese Gleichnisse sind sehr einfach und er- scheinen uns leicht verständlich, waren aber dem Volke wie den Jün- gern dunkel, so daß der Herr selbst auf die Frage der Jünger: warum redest du zu dem Volke in Gleichnissen? antwortet: Euch ist gegeben, die Geheimnisse des Himmelreichs zu verstehen, jenen (den Volks- scharen) aber ist es nicht gegeben, und dann seinen Jüngern die beiden ersten Gleichnisse deutet. Die Dunkelheit lag in der darin vorgetrage- nen neuen Lehre vom Himmelreiche, und zwar in dem Grundgedanken der Gleichnisse, daß das Himmelreich nicht erst in der Zukunft bevor- steht, sondern in der unmittelbaren Gegenwart als eine welterneuernde Geistesmacht schon vorhanden ist, in dieser vor Menschenaugen un- scheinbaren Gestalt aber seinem wahren Wesen nicht entspricht, nur der Anfang der Verwirklichung ist, welchem erst nach längerer geisti- ger Entwickelung am Ende der gegenwärtigen Weltzeit die Vollendung durch die Scheidung der Bösen von den Guten und die damit eintre- tende Verwandlung des gegenwärtigen Weltzustands in eine höhere Ordnung der Dinge folgen wird. Dieser Gedanke war der allgemein jüdischen Ansicht vom Messiasreiche ganz fremd, daß das Volk ihn nicht fassen konte. ,Der Glaube an die innerliche Gegenwart des äußer- lich noch bevorstehenden Himmelreichs ist — nach der richtigen Be- merkung von Pfieiderer, die Relig. H S. 421 f. — das „Geheimnis" an jenen Parabeln, das nicht von Jedermann gefaßt wird, weil es nur denen überhaupt faßbar ist, die es in innerer Erfahrung erlebt haben, die in der Gerechtigkeit des Himmelreichs dessen Gegenwart besitzen'. V. 1—52. Die Qleichnisreden vom Himmelreiche. V. 1—3*. Aus dem Hause gehend sezte sich Jesus an das (galiläische) Meer. Da aber viele Volksscharen sich um ihn versammelten, trat er in ein Schiff, während das Volk am Ufer hin stand, und redete zu demselben in Gleichnissen. To jtXolov das dort eben befindliche Schiff. Doch fehlt der Artikel to in ^BCLZ al und ist von Tisch, 8 weggelassen, sjtl rov alyiaXov über das Ufer hin (vgl. Winer S. 380); die Ausbreitung der Volksmenge malerisch andeutend. IloXXa kv jtaQaßoXatg ,vieles in Parabeln' sezt voraus, daß Jesus eine Mehrzahl von Gleichnissen vor- trug. Auch Mrk. sagt: er lehrte sie iv jtagaßoXatg (4, 2 vgl. v. 32), 310 Matth. XIH, 3—9. hat aber nur zwei, nnd ein drittes ihm eigentümliches mitgeteilt. Nor Luk. hat an dieser Stelle blos das eine Gleichnis vom Säemann. — üagaßoh] das Nebeneinanderstellen, bes. das vergleichende, die Ver- gleichnng, das Gleichnis, im bibl. Sprachgebranche dem hebr. b^^ ent- sprechend, ist die Erzählung eines erdichteten, jedoch dem Bereiche natürlicher Vorgänge angehörenden Ereignisses, um eine Lehre oder höhere Warheit zu versinnlichen. Das Wort wird aber auch im weite- ren Sinne von jeder Bildrede gebraucht, 15, 15. 24, 82. Mrc. 3, 23. 4, 30 u. a., wie jcagoifila bei Johannes, z. B. 10, 6. Von der Fabel unterscheidet sich die Parabel dadurch, daß in der Fabel auch Tbiere, Bäume u. dgl. redend aufgeführt werden und die erzählten Vorgänge nicht der Wirklichkeit entsprechen. Eine Fabel erzählte Jotham Rieht. 9, 8 ff. Im N. T. kommen Fabeln nicht vor, sondern auBer den Para- beln nur Bildreden und Allegorien. Die Parabel aber bietet die War- heit, die sie veranschaulicht, doch in einer Verhüllung, die nicht für jedermann durchsichtig ist. Das Gleichnis — sagt 0. v. GerL — ,i8t ähnlich einer Schale, welche den köstlichen Kern ebensosehr /!2r die Fleißigen als vor den Trägen bewahrt'. Es hat die doppelte Eigen- schaft, die Warheit dem Geiste dessen, der sie unter dem sie darstel- lenden Bilde zu erfassen versteht, unauslöschlich einzuprägen, und sie dem unachtsamen Hörer, der durch die Hülle nicht einzudringen ver- mag, zu verhüllen. V. 3*^—9. Das Gleichnis vom Säemann und dem verschiedenen Er- folge seiner Aussaat, Vgl. Mrc. 4, 1—20 u. Luc. 8, 4—15. 'O öxsl- Qcov (substantivisch) der Säemann. Der Artikel drükt die Gk^ttung oder die durch einen Einzelnen verwirklichte Idee aus (Winer S. 101). Das Gleichnis stelt dar, was dem Säemann in seinem Berufe immer be- gegnet. Beim Säen fielen Körner otaga z^v oöov an den (den Acker begrenzenden) Weg hin, so daß sie nicht in die Ackererde eingeeggt wurden, sondern auf dem harten Boden unbedekt liegen blieben nnd von den Vögeln aufgefressen wurden. — Anderes fiel sjtl rä JcsTQciöfj auf felsige Stellen des Ackers, die nur mit einer dünnen Erdschicht überdekt waren. Es sproßte daher bald auf; als aber die Sonne auf- ging, wurde es versengt und verdorrte, weil es nicht Wurzel hatte, d. h. keine tieferen und stärkeren Wurzeln bilden konte. — Anderes fiel ixi räc; dxävd^aq auf die im Acker befindlichen Dornenwurzeln, die dann aufschössen {avißrjoav in die Höhe gingen) und die aufgehende Saat erstikten. — Anderes fiel auf das gute Land und gab (trug) Frucht; eins hundert, anderes sechzig, anderes dreißig (Körner) ; entsprechend der außerordentlichen Fruchtbarkeit des Morgenlandes, vgl. Dougtaei Analecia ss. 11, 15 ss,, Köster, Erläuterungen der heil. Sehr. S. 171; besonders Galiläa's, vgl. v. Raumer Paläst. S. 92 f. lieber hundertfäl- tigen Ertrag vgl. Gen. 26, 12 u. m, Comm. z. d. St.; in den fruchtbar- sten Teilen der Syrischen Ebene, der Ruhhe, noch jezt vorkommend, vgl. Wetzstein Reisebericht über Hauran S. 30. — Dem Gleichnisse liegt die allgemeine Erfahrungswarheit zu Grunde, daß das Gedeihen des ausgestreuten Samens von der Beschaffenheit des Bodens abhängt Matfci. Xni, 10-~14. 311 Wio in dieser Katarordnvng der Erfolg des Wirkens im Reiche Gottes vorgebildet ist, dies zeigt die Deutung des Gleichnisses v. 19-— 23. — Ueber die Mahnung v. 9 s. zu 11, 15. V. 10—17. Nach dem Vortrage dieser Parabel traten die Jünger zu Jesu hin und frsLgten ihn: warum er zu dem Volke (ovrolg) in S^ra- boln rede? Nach Mrk. fragten sie ihn um die Parabeln (tag jcagaßo- Xaq nach der bestbezeugten Lesart), was — nur allgemeiner ausge- drfikt — denselben Sinn ergibt. Bei Luk. lautet die Frage v. 9: was diese Parabel sei, d. h. welchen Sinn sie habe? weil er die Relation ab- gekürzt hat. Die Antwort lautet in den 3 Evangg. wesentlich gleich: „Euch ist gegeben zu verstehen die Geheimnisse des Himmelreichs, je- nen aber ist es nicht gegeben^' (Luk.: jenen aber in Gleichnissen; Mrk. erweiternd: jenen aber die draußen sind kv jtagaßoXalg ndvxa ylvB- xai), — Ai6(naL gegeben von Gott, nämlich durch Aufschließung eures inneren Sinnes; nicht durch den Auslegungsvortrag selbst. So richtig Mey. gegen Weizs, S. 413, wie noch Weiss mit de W. u. A. die Worte nach Mark, deuten will. Ta (ivörijgia t^^ ßaö r. ovq. die Geheim- nisse oder verborgenen Verhältnisse des Himmelreichs d. h. die den Menschen ohne göttliche Belehrung unbekant bleibenden Rathschlüsse der Verwirklichung des Reiches Gottes, vgl. Rom. 11, 25. 16, 25. Der Grund für diese göttliche Ordnung ergibt sich aus dem Erfahrungs- satze: „Wer da hat, dem wird gegeben, daß er reichlich habe {jcegiö' OBV&rjöBxat er wird mit üeberfluß versehen werden); wer aber nicht hat, von dem wird auch was er hat genommen werden". Dieser Satz gilt nämlich nicht blos im gemeinen Leben von dem irdischen Besitze, sondern seiner vollen Warheit nach von dem geistigen Besitze und den geist- lichen Gütern. Wer seine Geistesgaben nicht gebrauc.ht zur Ausbil- dung seines Geistes und zur Mehrung seiner Kentnisse, der verliert auch das Wenige, was er an geistiger Erkentnis besizt, und wird immer unflähiger und unempfänglicher für das Verständnis höherer Warheit, vgl. 25, 29. — V. 13. „Darum rede ich zu ihnen in Gleichnissen, weil sie sehend nicht sehen und hörend nicht hören, noch verstehen", ötä TOVTO weist auf öiaxl v. 10 zurück und führt die durch v. 11 u. 12 motivirte Antwort auf jene Frage ein. Weil ihnen von Gott nicht ge- geben ist, die Gleichnisse des Himmelreichs zu erkennen, indem nach göttlicher Natur- und Reichsordnung ihnen genommen wird was sie haben, deshalb wird ihnen die Predigt vom Himmelreiche in Parabeln d. i. in einer die Watheit verhüllenden Form geboten, welche sich nur denen erschließt, die für das Verständnis derselben empfängliche Sinne haben. Damit ist implicite gesagt, daß dem Volke durch Gott die Empfänglichkeit versagt ist, oder deutlicher ausgedrükt, daß das Volk dem Gerichte der Verstockung verfallen ist. Dies sagt der Evangelist V. 14 f. durch Anführung der Weißagung Jesaja's von der Verstockung Israels, die nun an den oxXoig sich erfülle.^ Dieses Citat hat Luk. 1) Gänzlich verfehlt, ja ins Gegenteil verwandelt hat Mey. den Sinn dieser Vv., indem er aus dem sprichwörtlichen Satze v. 12 die Anwendung zieht: ,Ihr ndt der euch bereits gewordenen Erkentnis dringet immer tiefer und völliger in 312 Matth. XUI, 14. 15. nicht, und Mark, hat es in die Rede Jesu verwebt. Daher haben beide den Ausspruch Jesu: ori ßXijtovrsg xtL y. 13 durch Umsetzung des Ott in cva damit sie sehend nicht sehen u. s. w. verdeutlicht. V. 14 f. „Und erfüllet wird ihnen die Weißagung Jesaja's, welche lautet: Mit Gehör werdet ihr hören und nicht verstehen, und sehend werdet ihr sehen und nicht einsehen. Denn fühllos gemacht ist das Herz dieses Volks; sie hören schwer mit ihren Ohren, und ihre Augen haben sie zugemacht, damit sie nicht dereinst mit den Augen sehen und mit den Ohren hören und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren, und ich sie heilen werde". Diese Worte stehen in Jes. 6, 9 u. 10 und sind nach der LXX wiedergegeben. Im hebr. Grundtexte lauten sie als Auftrag Gottes an den Propheten: „Geh hin und sage diesem Volke: Höret nur immer zu und verstehet nicht, und sehet nur immer and er- kennet nicht. Mache fühllos das Herz dieses Volks und seine Ohren schwerhörig und seine Augen überklebe, daß es nicht sehe mit seinen Augen und man ihm Heilung schaffe". Hiemach sind die Futora dxovosTS und ßZifpers Imperativisch gemeint, und ov iifj avviJTS und ov fifj löriTB den beabsichtigten Erfolg ausdrückend; und in hjtaxovin ist die passive Bedeutung festzuhalten, eig. fettgemacht worden ik das Herz, üiayjovco brauchen auch die Griechen vom Herzen för stumpf, fühllos machen. ^AvojcXriQomai ist stärker als das Simplex und mit Bedacht gewählt, avrotg ist Dativ der Beziehung: ,die Erfüllung widerfährt ihnen' (Mey,). Im lezten Satze ist Idöoiiai nach i^BCBE die Verhältnisse des Gottesreiches ein, das Volk aber unirde sein geringes Ver- ständnis der göttlichen Warheit völlig verlieren, wenn ich nicht durch paraholiscU Versinnlichung seiner Passungsschwäche zu Hilfe käme\ und dann in V. 14 Yor avanXriQovxaL den fremdartigen Gedanken einschiebt: , so gänzlich nicht sind sie schon dem reinen gleichnislosen Vortrag der göttlichen Warheit gewachsen'. Hiemach redet Jesus (nach Matth.) zn der Volksmenge in Parabeln, weil ,die bildlose Eede sie nicht anziehen und nicht zur Bekehrung führen würde, wel- cher eben ihre Stumpfheit entgegenstrebt*. Dagegen dachte de Wette sich die Sache so: Jesus trug das Gleichnis vor, um durch einen lebhaften Eindruck die Wißbegierde zu erregen, und sein Zweck war, daß die dadurch Angeregten kom- men und ihn fragen solten. Diejenigen die es thaten, hießen v. 10 Jünger, imd ihnen gab er die gewünschte Erklärung, wogegen er die unerregbare Menge, die dies nicht that, bedauerte und die Stelle des Jesaja auf sie anwandte. Dieser Verlauf der Sache sei von unserem Evangelisten, welcher die jesajanische Stelle und die darin liegende Schicksalsidee zu bestimt ins Auge faßte, nicht ganz in der Ordnung dargestelt und so die Ansicht veranlaßt wprden, als trage Jesus den Unfähigen etwas vor, das sie nicht fähig seien zu fassen, womit er etwas Zweckloses gethan haben würde. — Noch deutlicher nent es Keim II S. 442 ein ,grobes Misverständnis, daß Matth., Mark. u. Luk. die Verhüllung der Warheit vor dem Volke als den Zweck der Parabelrede angeben, damit die Draußenstehen- den sehend nicht sehen und hörend nicht hörend weil dieser Kritiker gleichfalls den Zweck dieser Lehrweise darin sucht, ,dem Volke die geistige Warheit nicht mehr nur in einzelnen Bildern und Zügen, welche das üebersinnliche ausmiJen, sondern durchweg bis zur ünsichtbarkeit der höheren Seele in eine sinnliche Körperwelt einzukleiden, wie der gemeine Mann sie betasten, fassen, verstehen konte' (S. 437). — Einer Widerlegung bedürfen diese Versuche, den Sinn der vorliegenden Berichte wegzudeuten, nicht, da sie den Stempel der Verlegenheit an der Stirn tragen. Matth. Xm, 15—18. 313 n. a. als die ursprüngliche Lesart dem Idöcofiai vorzuziehen. Aber auch das Futur Activ. hängt noch von fiijjtore ab (vgl. fViner S. 468) und ist nicht mit Fritzsche in dem Sinne: und ich will sie heilen, zu fas- sen. — Die Erfüllung dieses Ausspruches ist nicht, wie viele ältere und neuere AusU. meinen, consecutiv zu fassen, vom Erfolge: so daß sie durch ihre Verblendung und ihren Stumpfsinn nicht zur Erkentnis der Warheit kommen und nicht umkehren und zum Heile gelangen. Dieser Auffassung steht das /ifjjcors des Nachsatzes, welches die Absicht, nicht den Erfolg ausdrükt, entgegen. Der Gedanke ist vielmehr folgender: Dadurch daß Jesus infolge göttlicher Ordnung zu dem Volke in der bildlichen, die Warheit verhüllenden Form der Gleichnisse redet, voll- zieht sich an demselben das von Jesaja geweißagte Gericht der Ver- stockung, daß es mit sehenden Augen und hörenden Ohren nicht zur Erkentnis der Warheit komt, damit es nicht dereinst sich bekehre und das Heil erlange. Wie der Prophet Jesaja durch seine Verkündigung die Stumpfheit des Volkes wirken soll, daß es sich nicht bekehre, so redete Jesus zu den Volkshaufen seiner Zeit in Gleichnissen, damit sie die in diese Form eingekleidete Warheit nicht erkennen und des Heiles verlustig gehen. Hiedurch erhielt die Weißagung Jesaja's an dem jü- dischen Volke zu Christi Zeiten ihre volle Erfüllung. Dies ist ein Ge- setz der göttlichen Gnadenordnung, daß, obwol Gott will, daß Alle zur Erkentnis der Warheit und zum Heile gelangen, doch denen, die durch Geringachtung oder Verachtung seines Wortes der ihnen angebotenen Heilsgnade widerstreben, die Predigt des Heils selbst zum Gerichte der VerStockung in der Weise gereicht, daß dieselbe das Herz nur noch mehr verhärtet, damit die Ungläubigen das Maß ihres sündlichen Wider- strebens voll machen und für die Verdammnis reif werden. V. 16. Ganz anders steht es mit den Jüngern Christi. „Eure Augen aber sind selig zu preisen, daß ^ie sehen, und eure Ohren, daß sie hören'^ vficov ist mit Nachdruck vorangestelt, gegenüber dem ver- blendeten Volke, (laxagioi wie 6, 3 als Aussage. Das ort ßXsjtovöiv und äxovovöiv bezeichnet kraft des Contextes das Erkennen und Verstehen der Geheimnisse des Gottesreiches infolge ihrer Empföng- lichkeit für die göttliche Heilswarheit. Weshalb sie selig zu preisen sind, sagt v. 17, weil sie sehen und hören, was viele Propheten und Gerechte (des A. Bundes) zu sehen und zu hören begehrt, aber nicht gesehen und gehört haben. Dieser Gedanke wird durch das feierliche afisjv tvarlich noch mehr gehoben, um die das im A. Bunde geoffen- barte Heil weit überragende Herrlichkeit der in Christo erschienenen Gnade und Warheit Gottes den Jüngern ans Herz zu legen. Vgl. zur Sache 11, 39 f. 1 Petr. 1, 10—12. V. 18—23. Die Deutung des Gleichnisses. „Ihr {vfietq mit Nach- druck) nun höret das Gleichnis vom Säemann^^, d. h. was das Gleichnis besagt, welchen Sinn es hat. V. 19. „Ein Jeglicher, so er das Wort vom Beiche hört und nicht versteht, so komt der Arge und raubt das in seinem Herzen Gesäete. Dieser ist der, bei dem am Wege gesäet ist^S Wer der Säemann ist und was der Same bedeutet, gibt Matth. 314 Matth. XIU, 19-24. nicht ausdrücklich an, indem er sich wie immer auf die Angabe der Hanptmomente beschränkt, und beides aus der folgenden Erklärung deutlich wird. Der Same ist das Wort, die Predigt vom Himmelreiche, folglich der Säemann Christus, der das Evangelium vom Reiche ver- kündigt (4, 23). Die Construction des Y. ist anakoluthisch. Bei der Yoranstellung des jcavrog dxovovrog solte der Satz nach owiivroq mit hx Tfjq xagöiag aQjtä^st ro iöjraQfievov fortgesezt werden: Bei jedem der das Wort hört und nicht versteht, komt der Böse . . . Das ov övviivTog haben Mrk. u. Luk. nicht. Es ist aber bei der Anlage des Satzes mit jravrog für den Sinn unentbehrlich, da jtatrvog ohne diese Beschränkung unpassend wäre, und den Gedanken richtig ver- deutlichend, da das Wort, das nicht verstanden wird, nicht ins Herz eindringt, gleichwie die auf den harten Weg gefallenen Saatkörner nicht in das Erdreich eingesäet werden, so daß der Teufel es leicht dem Herzen rauben kann. ^0 ütovrjQog = 6 JSatavag (Mrk.) oder 6 öiaßoXog (Luk.). Ovrog kcxiv 6 öJtaQslg dieser ist der am Wege gesäete. Da ovrog auf jravrog zurückweist, so kann man nicht Xoyog hinzudenken {Paul). Der Ausdruck ist inconcis für : dieser ist der Mensch, bei dem an den Weg gesäet ist. Ebenso ist 6 öjtaQelg in v. 20. 22 u. 23 zu fassen. — Y. 20 f. Der auf felsigen Boden gefallene Same stelt den Menschen vor, der das Wort hört und mit Freuden aufhimt, aber in seinem Herzen nicht Wurzel für das Wort hat, sondern :xQ6axai' Qog zeitweilig ist d. h. ohne Beharrlichkeit des Glaubens; daher wenn Trübsal oder Yerfolgung um *des Wortes willen entsteht, alsbald An- stoß nimt d. h. sich am Worte irre machen läßt und abfält {dg)lCTatai Luc. V. 13). Trübsale oder Leiden, besonders Verfolgung gereichen ihm zum öxavöaXov, an welchem sein Glaubensleben untergeht, weil es mehr Sache zeitweiliger Gefühlserregtheit und nicht tief ins Herz ein- gedrungen war. — Y. 22. Der bei den Domen gesäet ist, bildet den Menschen ab, bei dem die Weltsorge und der Betrug des Reichtums das Wort, das er gehöret hat, ersticken, daß er unfruchtbar wird. fj [iigiftva Tov aloSvog die Sorge, welche die Weltzeit mit sich bringt d. i. die Sorge um irdische Dinge und Angelegenheiten dieser Welt; dütdrrj rov jtXovxov Trug des Reichtums d. i. der irdische Besitz, wel- cher den Menschen, der in ihm Befriedigung seiner Seele sucht, inso- fern täuscht, als er keinen Frieden gewährt. Wo beide das Herz er- füllen, da kann der Same des göttlichen Wortes nicht gedeihen und Frucht tragen, äxagjtog wird nicht das Wort (Beng, Weiss) ^ sondern der Mensch, wie 6^ xaQjto^OQsl v. 23 lehrt (Mey,). — Y. 23. Endlich bei dem auf das gute Land gesäet ist, das ist der welcher das Wort hört und versteht und der nun (og ö?]) Frucht trägt; und so bringt das eine Saatkorn hundert, das andere sechzig . . . Körner. Y. 24—30. Das Gleichnis vom Unkraute unter dem Waizen. Y. 24. Avrolg d. i. den Yolksscharen, wie v. 3. Der Aorist cofioioidT] ,ist gleich geworden^ erklärt sich daraus, daß mit der Gründung des Himmelreichs durch Jesu Auftreten und Wirken das Gleichmachen ins Werk gesezt worden, das in dem Gleichnisse geschilderte Yerhältnis eingetreten ist. Mattb. XIII, 25-8a. 315 Die Yergleichnng des Himmelreichs mit einem Säemann ist nicht so ge- meint, daß das Beich in der Person des Säemanns abgebildet sei, son- dern bezieht sich auf sein Säen und anf alles was an und mit der Saat geschieht. Nicht nur bei diesem, sondern bei allen Gleichnissen liegt der Yergleichangspunkt in dem ganzen dargestelten Vorgänge. Y. 25. Das Schlafen der Menschen ist nicht bloße Umschreibung der Nacht- zeit, so daß dieser Zug nur zum Schmucke des Bildes und nicht zur Auslegung bestimt w&re (Mey.)l Dies folgt aus dem Umstände, daß Jesus denselben nicht auslegt, keineswegs. Denn in der Auslegung sind nur die Hauptpunkte erklärt. Freilich darf man bei x&vq dvd-Qcistovq weder an Feldwächter (Beng.\ noch an die Arbeitsleute {Mich,, Paul) denken; denn ein eben besäetes Feld wird nicht bewacht, und Arbeits- leute würden anders, etwa durch öovXoi bezeichnet sein. Die Menschen als solche sind nicht zu deuten, sondern das Schlafen der Menschen ist Bild der Sorglosigkeit und Gleichgültigkeit gegen Gottes Wort, oder des Zustandes geistlicher Trägheit. Da kam sein (des Säemanns d. i. Christi) Feind d. i. der Teufel, und säete Lolch unter den Waizen. ^i^dviov lolium tremulentum, Tollkorn, welches auch im Oriente häufig unter Waizen wächst und, bevor die Aehre sich entwickelt, demselben sehr ähnlich sieht. Aber die Aehren sind verschieden und die Kömer schwarz und kleiner als die Waizenkömer, so daß der Waizen durch Sieben von ihnen gereinigt werden kann; vgl. Furrer in Schenk.' s Bibellex. IV, 57. Statt soJteiQsv hat Tisch. 8 nach »**^, ItaL, Vulg. u. etlichen Echw. hnioneiQBv aufgenommen, was für den Sinn sehr pas- send, aber zu schwach bezeugt ist. Kai djtrjXß'SV veranschaulicht die Heimlichkeit des Verfahrens des Feindes. V. 26. Als aber das Waizen- gras aufsproßte und Frucht d. h. Aehren ansezte, da kam auch der Lolch zum Vorschein, während man bis dahin die Halme von den Wai- zenhalmen nicht hatte unterscheiden können. — V. 27 ff. Auf die Frage der Knechte, woher der mit gutem Samen besäete Acker den Lolch habe, erklärte der Hausherr: das hat der Feind gethan; und auf die weitere Frage: ob sie den Lolch zusammenlesen solten {ßvXXs^G)[iBV deliberativ: sollen wir zusammenlesen), erwiderte er: „Nein, damit ihr nicht den Lolch zusammenlesend zugleich mit ihm den Waizen ent- wurzelt'*. Denn die Wurzeln beider sind in einander verschlungen, so daß mit dem Ausreißen des Unkrauts die Wurzeln der Waizenhalme gelockert und beschädigt werden. V. 30. „Lasset beides zusammen wachsen bis zur Ernte und zur Erntezeit will ich den Schnittern sagen: Sammelt zuerst den Lolch und bindet ihn in Bündel, um ihn zu ver- brennen, den Waizen aber führt in meine Scheuer ein". Während das vorige Gleichnis die geistig innerliche Entwickelung des Himmelreichs darstelt, veranschaulicht dieses zweite seine irdisch sichtbare Gestal- tung in der gegenwärtigen Weltzeit bis zum Weltgerichte. ^ Die Deu- 1^ Nach dem Voreange von Holtzm. u. Ew. hat Weiss mit unbedeutenden OrÜnaen die ürsprün^cläeit dieses Gleichnisses in Abrede gestelt mid darzu- thun versucht, daß die Angabe v. 25 wie das Unkraut unter den Waizen glom- men sei; ursprünglich dem Gleichnisse nicht angehört habe, sondern erst von 316 Matagegen denkt Weiss bei dem Neuen an die neuen Warheiten über das nresen des Gottesreichs und bei dem Alten an die altbekanten Ord- langen der Natur und des Menschenlebens, denen, wi& die Parabeln :ezeigt haben, die ewigen Ordnungen des Gottesreiches entsprechen. iile diese Näherbestimmungen des Neuen und Alten enthalten Momente er Warheit, die sich mit einander vereinigen lassen, so daß keine aus- aschließen sein möchte. V. 53—58. Verachtung Jesu in Nazaret. Vgl. Mrc. 6, 1—6. ^ — Tach Beendigung der Gleichnisreden begab sich Jesus von dort, wo er m galiläischen Meere diese Bede gehalten, in seine Vaterstadt Nazaret md lehrte in ihrer Synagoge so, daß sie (die Bewohner Nazarets) dar- über vor Erstaunen außer sich geriethen (kxjtXTjöOsoO^ai s. zu 7, 28) md sprachen: „Woher diesem diese Weisheit und die Machtwirkun- :en?*' Uarglg Vaterland, später auch Vaterstadt, hier Nazaret, wo Je- us aufgewachsen war 2, 23: ovvaycoyfj avrcov ihre (der Nazaretaner) lynagoge. IIod-BV rovrco xrX. fragen sich die Leute, weil sie die Her- cunft und den äußeren Bildungsgang Jesu kanten, vgl. Joh. 6, 41 f. r, 15. Tovrcf) ist verächtlich, övpdfieig Erweisungen übernatürlicher {[räfte, Wunderthaten, vgl. 7, 22. Nach ihrer Meinung ist Jesus ja 1) Diese Geschichte wird seit Schleiermacher von de W., Baur^ Bleek, Köstl, loUzm, , Keim u. A. mit dem Luc. 4, 16 — 30 berichteten Vorfalle in Nazaret dentificirt, dagegen nicht nur von Ä'^orr, Paul.^ Wieseler (chronol.SynopseS.284), Ehrard und Godet , sondern auch von Ew. u. Mey. für eine Begebenheit gehal- eskf die sich bei einem späteren Besuche Jesu in Nazaret zugetragen hat. Für lie Identität spricht weiter nichts, als daß Jesus beide Male in der Synagoge md am Sabbate auftrat und da — aber freilich in sehr verschiedenem Maße Pfiderspruch fand, sowie daß er beide Male das Sprichwort von dem Propheten V. 57 vgl. Mrc. 6, 4 u. Luc 4, 34) auf sich anwendet. Alles Uebri^e ist ganz verschieden. Bei Luk. gerathen die Nazaretaner über die Verkündigung Jesu (ermaßen in Zorn, daß sie ihn aus der Stadt stießen und von einem Felsabhange lerabstürzeu wolten, so daß Jesus nur durch ein Wunder dem Tode entging. ki Matth. u. Mark, verläuft alles friedlich; Jesus verläßt die Stadt nur, weil •T um des TJuglaubens ihrer Bürger willen dort nicht viel wirken kann. Wenn ;uch das von Luk. erzählte Factum nicht in den ersten Anfang des messiani- clien Auftretens Jesu fiel, so kann doch Jesus immerhin während seiner galiläi- chen Wirksamkeit zweimal nach Nazaret gekommen sein, und nach der Feind- eligkeit, die er dort das erste Mal (uach Luk.) erfahren hatte, später noch einen rennich, die Predigt des Evangeliums dort zu erneuern, gemacht haben. — Wie oft ist Jesus mcht nach Jerusalem gegangeu, wo die Gefahr doch unend- ich größer war* ( Wieseler). Eine Wiederholung des Sprichworts über die Nicht- .chtung des Propheten in seiuer Vaterstadt aber bei ähnlicher Veranlassung hat ;ar nichts Auffallendes. Keil, Comm. z. Eyangel. Matth. 21 322 Matth. XIII, 54—58. XIV. des Zimmermanns (Joseph) Sohn. Nach Mrc. 6, 3 nennen sie Jesam selbst 6 Texzwv, weil er vor seinem messianischen Auftreten sich an dem Handwerke seines Pflegevaters beteiligt haben mochte. Auch ken- nen sie seine Mutter und alle seine Verwandten. Ueber die dÖ6lg)ol und d6sXq)al Jesu s. zu 12, 46 ff. Der Name des einen Bruders lautet nach der von Lehm. u. Tisch, 8 nach ^'^BC, etlichen Minusk., Verss. u. Kchw. (Orig., Eus., Hieron.) aufgenommenen Lesart Ticoö^yg), nach KLAU al 'looorjg. Jene Lesart ist zwar gewichtiger als diese bezeugt, aber damit noch nicht als ursprünglich erwiesen. Uebrigens ist ^Imo^g (Jose) nur eine Abbreviatur des Namens Joseph und diese abgekürzte Form vermutlich der gangbarste Name dieses dds2,g)6g gewesen. Eine dritte Lesart ^codvm^g in ^*DEFGMal. ist nur kritische Conjector. Kai eoxavöaXl^ovto h> avrm sie nahmen wegen seiner ihnen bekan- ten Herkunft Anstoß an ihm, daß sie ihn nicht als Messias anerkanten. Jesus aber sagte ihnen: „Nicht ist ein Prophet ungeehrt (verachtet) wenn nicht in seiner Vaterstadt und in seiner Familie" (obcla) d.h. wenn ein Prophet irgendwo nicht geachtet ist, so in seiner Vaterstadt und bei seinen Angehörigen. Eine aus vielfacher V^Tamehmung ab- strahirte sprichwörtliche Sentenz, vgl. Job. 4, 44 u. Luc. 4, 24. Und that dort nicht viele Wunder (Mrc. 6, 5: ovx tjövvoto — noiffioa konte nicht thun) wegen ihres Unglaubens. Dieser hinderte Jesnm nicht physisch, weil das Wunderthun den Glauben daran als notwen" dige Bedingung voraussezt, sondern moralisch, weil Jesus Wunder nur zur Stärkung des Glaubens an ihn als Heiland verrichtete, und nieman- den durch Strafwunder zur Anerkennung seiner göttlichen Würde zwingen weite. Cap. XIV. Enthauptung Johannes des Täufers; Speisung der Fünftausend und Jesu Wandeln auf dem Meere. Durch SV kxelvcp rm xaigcp (v. 1) sind die folgenden zeitlich und sachlich zusammenhängenden drei Begebenheiten im Allgemeinen in die Zeit nach dem Besuche Jesu in Nazaret gesezt. Durch die Nach- richten von der Enthauptung des Täufers und von der Aeußerung des Herodes über seine demselben zu Ohren gekommenen Wunderthaten wurde Jesus bewogen, sich in einen wüsten Ort des gaulonitischen Bethsaida zurückzuziehen, um zunächst seinen Jüngern Erholung zn verschaffen und sich im Gebetsumgang mit seinem himmlischen Vater für die Fortsetzung und den Ausgang seines irdischen Wirkens zn stärken, dann aber den ihn auch dort aufsuchenden Yolksscharen sich als den Spender des Lebensbrotes und seinen Jüngern als den auch nach seinem Scheiden von ihnen im Geiste ihnen nahebleibenden hilfreichen Beistand in den Fährlich kei ten dieser Welt zu erweisen. — Auch Mark, läßt in c. 6 diese Begebenheiten auf jenen Besuch in Nazaret folgen, nur daß er die Aussendung der Apostel (v. 7—13) und ihre Rükkehr (v. 30 u. 31) dazwischen geschoben hat, worin Luk. 9, 1—6 ihm gefolgt ist. Diese Anordnung ist aber schon aus dem Grunde nicht für itf- Matth. XIY, 1. 2. j23 prünglicher als die bei Matth. zu halten, weil die Erzählung d^ Ge- ingensetzung und Enthauptung des Täufers bei Mark, -wie bei Matth. n dieser Stelle nur nachträglich eingeschaltet ist, um das Urteil des [erodes über Jesu Wirken zu motiviren. y. 1—13. Des Tetrarohen Herodes Urteil über Jesom und ^erfahren gegen Johannes den Täufer. Vgl. Mrc. 6, 14—29. .uc. 9, 7-9 u. 3, 19 u. 20. — V. 1 u. 2. Herodes der Tetrarch (bei [ark. ungenau ßaöiZsvg genant) ist Herodes Anikas, ein Sohn Hero- 3S des Gr. von der Samariterin McUthake, und mit einer Tochter des rabischen Königs Areias vermählt. Auf einer Reise nach Born kehrte »rselbe bei seinem (Halb-) Bruder Herodes PhiHpptts, einem Sohne )r Hohenpriesterstochter Mariamme ein, welcher mit der Herodias ner Enkelin Herodes des Gr., der Tochter dessen Sohnes Arisiobui . L seines Stiefbruders) und der Berenice, der Tochter yon Herodes' ihwester Salome, vermählt war und von seinem Vater enterbt als ivatmann lebte, und von dem Luc. 3, 1 erwähnten Tetrarchen Philip- LS, einem Sohne Herodes des Gr. von der Eleopatra aus Jerusalem, . unterscheiden ist.^ Bei diesem Besuche schloß Antipas mit der 3rodias einen heimlichen Ehevertrag, wodurch seine bisherige Ge- Bthlin, die arabische Königstochter bewogen wurde, zu ihrem Vater retas zurückzukehren (Joseph. Antt. XVIII, 5, 1). Herodes AnH- IS, welcher nach dem vom Kaiser Augustus bestätigten Testamente Ines Vaters Galiläa und Peräa mit dem Titel rstQOQxrjq erhalten ktte (Jos. Antt. XVII, 8, 1), war ein dem Lebensgenüsse ganz erge- bner und charakterloser, dabei ehrgeiziger und Gewaltthaten nicht ab- »neigter (Luc. 13, 31 f.) Fürst, der nach dem Begierungsantritte des aisers Caligula auf Andringen seiner eitlen und herschsüchtigen Gat» n {Herodias) nach Born reiste, um gleich seinem Neffen Agrippa den önigstitel zu erlangen, aber auf eine Anklage dieses Neffen hin vom 1) Da Josephus {Anit. XVII, 1. 2. XVIIL 5, 1. 4 u. hd. jud. 123,4) äßxk B Privatmann lebenden Herodessohn normit seinem Familiennamen Herodes wähnt, so haben SMeussner, Ewald (Gesch. V, 103), Volhmco' (theol. Jahrbb. J46 S. 363), Kdm (Gesch. I, 686 u. Bibellex. III, 47) und ScTiürer (neutestl. igesch. S. 237) den Namen Phüippus bei Mark. u. m Mtth. 14, 3 ftr eine auf erwechslung aesselben mit dem Tetrarchen f%t7«p/M« beruhende irrige Angabe klärt. Aber zu dieser Annahme berechtigt weder die Differenz in dem Namen d Josephus und den Evangelien, noch das Bedenken, dai^ zwei Söhne des Hero- « d. Gr. den Namen Philippus geführt haben solten. Denn Herodes ist nur öschlechtsname und Philippus der eigentliche Name; und wie diesen so nent ysephus auch den Antipas (m Antt. XVIII, 5, Iff.) nur nach dem Geschlechts- onen Herodes. Selbst in dem Verzeichnisse der Söhne Herodes d. Gr. de hell. d- /, 28, 4 zählt Joseph zwei Söhne desselben unter dem einfachen Namen 'erodes auf, den einen von der Mariamme, den andern von der Eleopatra, wor.i 18 man sieht, wie wenig genau Joseph, in der Angabe der Namen verföhrt. ^ill man aber die gleiche Benennung dieser beiden Söhne nicht far eme Unge- luigkeit des Jos. halten, sondern annehmen, daß ihr Vater ihnen den gleichen amen als Personnamen gegeben hatte, so steht auch der Annahme, daß er ireien semer Söhne von verschiedenen Frauen den gleichen Namen PhiUppus jgeben hatte, nichts im Wege. Vgl. Winer, EW. II, 250 u. Comment. z. Galat. 32 f., Wieseler, Beitrr. S. 7 u. Meyer zu v. 3. 21* 324 mttbi. XIV, 3. 4. Kaiser entthront und nach Lyon in Gallien verbannt wurde mit seiner Gattin, die ihn im Unglücke nicht verlassen wolle, und hernach in Spanien starb fJos. Anti. XVIII, 7, 1 u, 2. helljud. II, 9, 6). Die in V. 6 erwähnte Tochter der Herodias, die Tänzerin, war in der Ehe mit Herodes Philippxts geboren und von der Mutter dem Herodes Anti- pas zugebracht worden. Sie heiratete später den Tetrarchen Philippns, den Stiefbruder ihres Vaters (Jos. Ant XVIII, 5, 4J. Vgl. Wim RW. 1, 484, Ger lach, die Familie des Herodes im N. Test, (in d. Ztschr. f. luth. Theol. 1869 S. 32 ff.) u. Schürer, neutestl. Zeitgesch. S. 232 i Der genußsüchtige Tetrarch AnUpas mochte bisher von dem Babbi und Wunderthäter Jesus keine Kunde erhalten haben, weil er mit Art- ias in Krieg verwickelt und von seiner Eesidenz Tiberias oft abwesend war, wol auch um religiöse Dinge sich wenig bekümmerte, so daß er erst bei Eükkehr in seine Residenz von dem immer mehr Aufisehen im ganzen Lande machenden Wirken Jesu hörte {r^v dxorjv ^rjoov wie 4, 24). Das ihm zugekommene Gerücht versezte ihn in Furcht, so daB er zu seinen jcatdsg Sklaven, worunter seine Hofbeamten zu verstehen sind, sprach: „Dieser ist Johannes der Täufer-, Er ist von den Todten auferwekt worden; deshalb wirken die Wunderkräfte in ihm" (öia rovTO deshalb, weil er kein sterblicher Mensch, sondern von den Todten auferstanden ist). Aus dieser Aeußerung des Herodes folgt nicht, daß Herodes wirklich an die Auferstehung der Todten glaubte, sondern nur, dafi ihm der pharisäische Glaube an die Todtenauf- erstehung bekant war. Doch läßt sich auch aus Mrc. 8, 15 vgl. Mtth. 16, 6 nicht mit fVetst u. Beng. folgern, daß Herodes ein Sadducäer war. Durch die verschiedenen im Volke über die außerordentliche E^ scheinung Jesu umlaufenden Meinungen wurde sein schuldbeladenes Gewissen so aufgeregt, daß abergläubische Furcht ihm den Gedanken eingab, der große Wunderthäter Jesus möchte der aus dem Hades wie- der leibhaftig ins Leben zurückgekehrte Täufer Johannes sein. Daß diese Meinung ihm nur von der Stimme des bösen Gewissens eingege- ben war, ersieht man deutlich aus der ausführlicheren Erzählung Luc. 9, 2 ff., nach welcher Herodes, als er von Jesu wunderbaren Thaten hörte, in große Verlegenheit gerieth, da etliche sagten: Johannes ist von den Todten auferstanden; etliche; Elias ist erschienen; andere: einer der alten Propheten ist aufgetreten; Herodes aber sagte: den Johannes habe ich köpfen lassen, wer ist denn dieser? In dieser Verlegenheit mochte er auch die erstere Meinung momentan für glaublich halten, welche Matth. u. Mark, als seine Aussage erwähnen. V. 3—12. Um diese Aeußerung des Herodes zu erklären, berichtet Matth. nachträglich das Lebensende Johannes des Täufers, welches Luk. schon 3, 19 f. mitgeteilt hat. Herodes hatte nämlich Johannes greifen lassen, gebunden und ins Gefängnis gesezt wegen der Herodias, des Weibes seines Bruders Philippus, weil -— wie v. 4 erläuternd weiter bemerkt wird — Johannes ihm gesagt hatte : „Es ist dir nicht erlaubt sie zu haben", nämlich als dein Weib. Der Täufer hatte demnach die Ehehchung der Herodias als gesetzwidrig (Lev. 18, 16. 20, 21) gerügt Matth. XIV, 4. 326 Die Aoriste in v. 3 u. 4 sind im Sinne des Plusquamperfects gebrancht, weil die Sätze nachträgliche Angaben enthalten; vgl. Winer Gr. S. 258.* — Den Ort, wohin Herodes den Täufer gefangen setzen ließ, nent Joseph. (Anit XVIII, 5, 2) MaxaiQovq, ein auf einem hohen, nach allen vier Seiten in tiefe Thäler steil abfallenden Berge gelegenes Kastell, am südlichen Ufer des Zerka Maein; von Alexander Jannäns erbaut, von Gabinius zerstört, aber von Herodes d. Gr. zum Schutze gegen die Araber an der Grenze wiederhergestelt, indem er eine Stadt von beträchtlichem Umfange anlegte und mit starken Mauern undThür- men umgab, ans der man in die Festung hinaufging, und das Schloß auf dem Gipfel des Bergs mit einer starken Mauer und Eckthürmen von 160 Fuß Höhe versah und in der Mitte einen geräumigen pracht- vollen Palast erbauen ließ (Jos. hell.jud. VN, 6, 2 f.). Ruinen die- ses Orts unter dem Namen M'kaür hat Seetzen (Reise 11 S. 331) ent- dekt auf dem hohen Gipfel des langen Berges Attarus, und zwar an dessen Nordende, nahe am Südufer des Zerka Maein. — Ueber die Zeit der Gefangensetzung des Täufers haben wir schon S. 122 bemerkt, daß sie sich nicht genau bestimmen lasse. Als Grund der Einkerkerung gibt Jos. (Antt. XVIII, 5, 2) an, Herodes habe gefürchtet, Johannes nöchte bei dem großen Ansehen, das er im Volke genoß, einen Auf- stand erregen. Diese Befürchtung halten viele neuere Ausll. für die eigentliche Ursache, und die von den Evangelisten erwähnte Rüge der blatschänderischen Ehe des Tetrarchen nur für einen von ihm benuz- ten Vorwand. Allein der Bericht des Joseph, über dieses Factum ist so dürftig gehalten, daß wir die von ihm angegebene Ursache der Ein- kerkerung des Johannes für nichts weiter als eine subjective Reflexion dieses den Begebenheiten fern stehenden Historikers halten können. Die Gefahr, daß Johannes einen Aufstand des Volks hätte erregen kön- nen, war durch seine Einschließung in dem an der Grenze Arabiens liegenden Bergschlosse beseitigt. Warum ließ Herodes ihn denn später tödten, wie Jos. doch auch berichtet, aber ohne einen Grund für diese Maßregel zu nennen. Die Tödtung des Eingekerkerten erwähnt Jos. nur, um zu bemerken, daß das Volk die Niederlage des Herodes im Kriege gegen Aretas als eine göttliche Strafe für die Tödtung des Täu- fers angesehen habe. — Der Name ^iXbtJcov ist von Tisch. 8 einge- klammert, weil er in D. Vulg. u. Codd. der Itala fehlt, wird aber durch 1) Wenn dagegen Mey. diesen Gebrauch in Abrede stelt, so ist er dabei nur soweit im Rechte, als man eine die unterschiedliche Bedeutung des Aorists und des Plusquamperfects negirende Enallage temporvm hat annehmen wollen ; aber entschieden im Unrechte, wenn er den Gebrauch des griech. Aorists für das die zeitliche Verknüpfung deutlicher und richtiger ausdrückende Plusquamperfect im Deutschen leugnen wolte. Die Griechen gebrauchen häufig den Aorist, wo wir das Plusquamperfect anwenden, teils weil sie die vergangenen Ereignisse blos als solche aufzählen oder historisch schildern, und die gegenseitige Be- ziehung der Sätze, die wir durch das Plusq bezeichnen, dem Urteile der Leser oder Hörer überlassen, tei's auch weil das griechische Plusquamperfect nie wie das deutsche eine bloße Vorvergangenheit bezeichnet, sondern stets eine voll- endete und in ihren Wirkungen fortbestehende Handlung der Vergangenheit aus- drükt; vgl. Kühner II S 133. 135 u. 145. 326 Matth. XIY, 5. 6. ^BCEGKLMah geschüzt, so daß man nicht berechtigt ist, ihn fOr eine ans Mrc. 6, 17 hereingekommene Glosse zu halten. Ueber diesen /%i- Uppus s. oben S. 223. V. 5. „Und obwol er ihn tödten wolte, fürchtete er doch das Volk, weil sie ihn für einen Propheten hielten^^ d. h. als solchen achteten; vgl. 21, 26. Mrc. 11, 32. ^ex'Btv xtvä mq einen haben, halten wie heißt: ihn dafür halten und achten. Die Einwendungen von Mey. gegen diese Auffassung laufen auf bloßen Wortstreit hinaus. Wenn die Griechen sagen: einen wie sein Kind haben, so heißt dies nicht blos: zu ihm wie zu seinem Kinde stehen, sondern auch ihn für sein Kind halten und achten. Mark, hat dies v. 19 f. so ausgeführt, daß die Herodias ihn tödten wolte, aber nicht konte, weil Herodes den Johannes fürchtete und ihn als gerechten und heiligen Mann erkant habend, vieles that, was er von ihm gehört hatte, und ihn gerne hörte. Mit dieser Aus- führung will Mark, offenbar deutlich machen, wie Herodes nach der Enthauptung des Johannes darauf verfallen konte, bei der Kunde von Jesu wunderbaren Thaten in ihm den wieder auferstandenen Täufer za vermuten. Die Sache betreffend aber ist es wol möglich, daß Herodes, wenn er in seinem Palaste zu Machärus residirte, auch zuweilen den dort gefangen gehaltenen Johannes vor sich kommen ließ und sich mit dem vom Volke für einen Propheten geachteten strengen Sittenpredi- ger unterhielt, auch manches Wort von ihm beachtete, weil er sich des Eindruckes, einen gerechten und heiligen Mann vor sich zu haben, nicht erwehren konte. Aber ihn wieder frei zu lassen, dazu konteer bei seiner Charakterschwäche sich nicht entschließen, weil sein Weib Herodias wegen des Tadels ihrer ehebrecherischen Verbindung mit Herodes tödtlichen Haß gegen den rücksichtslosen Bußprediger im Herzen hegte. Der Widerspruch dieser Relation des Mark, aber mit der kurzen Angabe des Matth., daß Herodes den Täufer tödten wolte, aber durch Scheu vor dem Volke davon zurückgehalten wurde, läßt sich aus dem Charakter dieses Tetrarchen einfach so erklären, daß er im ersten Aerger über den Tadel seiner Ehe mit der Herodias ihn tödten wolte, später aber einer besonneren Ueberlegung Raum gab. Eine Be- stätigung hieftir liefert v. 9, wornach der ihm durch Schlauheit der Herodias abgerungene Befehl zur Tödtung desselben ihn betrübte. V. 6 ff. Als nämlich bei der Feier seines Geburtstags die Tochter des Herodes vor den versammelten Gästen tanzte, gefiel ihm dieselbe so, daß er eidlich versprach, ihr alles zu gewähren, was sie immer bit- ten würde; nach Mark, mit der Beschränkung; bis zur Hälfte seines Königreichs. Da forderte diese auf Antrieb ihrer Mutter, daß das Haupt Johannes des Täufers auf einer Schüssel ihr gebracht würde, revioia Geburtstagsfeier; bei Biod. Sic. 47, 18, Philo u. Joseph,, währendes Herod. IV, 26 von der jährlichen Erinnerungsfeier an Gestorbene vo^ komt, aber nur in Bezug auf ihr Leben und ihre Geburt. Die Bed. Feier des Regierungsantritts {Grot, Wiesel u. A.) ist sprachlich nicht zu erhärten, lieber den Gebrauch des Dativs yevsöloig ysvofievoKi (nach ^BDLZ) von der Zeit s. Winer §. 31, 9 (S. 265). "^Die Tochter Matth. XIV, 7— 12. 327 Herodias nnd ihres ersten Mannes Philippas hieß Salome, s. S. 324. :(p iiiC(D in der Mitte des Festsaales, wo die Gäste versammelt m. Ihr Tanz war ohne Zweifel mimisch, und die Sitte, daß Mäd- i bei Festgelagen tanzten, von den Griechen angenommen. ofioXo- eig. eingestehen, zugeben, dann auch: versprechen. jtQoßißä^eiv em, wozu bringen oder vermögen, coös hier im Saale, also sofort, > Verzug. — Avjn]9^elg betrübt, nicht blos über die plötzliche und ige Wendung, die ihm schmerzlich aufs Herz fiel (Mey,\ sondern L darüber, daß er wider seinen Willen den als Propheten hoch ge- eten Mann hinopfem solte, befahl der Herscher (6 ßaöiXsvg)^ um Eidschwüre und der Gäste willen, es zu geben, öcä rovg OQxovg er das Versprechen mit mehreren Schwüren gegeben hatte, und den anwesenden Gästen nicht eidbrüchig erscheinen wolte. War n das Versprechen unüberlegt und leichtsinnig gegeben worden, L das Mädchen hätte ja auch etwas an sich zwar nicht Unsittliches, doch ganz Ungeziemendes bitten können, was er ohne Schädigung )r Herscherstellung nicht gewähren durfte, so war das Halten die- Sides um der Gäste willen ein Frevel gegen Gott, dessen heiliger e entweiht und gemißbraucht wird, wenn man aus Menschenge- jkeit oder aus Scheu vor dem Urteile der Menschen ein Unrecht eine böse That mit ihm decken will. — V. 10 f. Die sofortige Uung der Bitte des Mädchens in der angegebenen Weise war nur ich, wenn das Festgelage im Palaste zu Machärus gehalten wurde; t aber, falls es in Tiberias, der gewöhnlichen Kesidenz des Antipas, Orot, Bg.'Or, u. A. meinten, oder in Julias Peräa's, wie Wieseh it, stattgefunden hätte. Denn von Tiberias war Machärus als süd- ) Grenzfestung zwischen Peräa und dem Gebiete des Aretas so weit jrnt, daß für die Hin- und Hersendung mehrere Tage erforderlich m ; und auch Julias (oder Livias) lag gegen 3 geogr. Meilen von biärus entfernt, daß selbst mit Zuhilfenehmen von Eilboten die Sache t an einem Tage abgemacht werden konte.^ — V. 12. Den Leich- L) Der Annahme, daß die Festfeier in Machärus statthatte, steht auch gar triftiger Grund im Wege. Aus dem Berichte des Joaeph. Anit. XVIII^ 5, 1 die Eeise der von Herodes verschmähten ersten Gattin nach Machärus, um [urem Vater Aretas zurückzukehren, läßt sich nicht darthun, daß diese zf^stung damals zum Eeiche des Aretas gehörte. Denn Jos. sagt 1. c. nur, sie demselben tributpflichtig war {vnotskrie), woraus nur etwa folgt, daß 18 dort eine kleine Besatzung zur Eintreibung des Tributs hielt, nicht aber, de zu seinem Reiche gehörte. Auch erzählt Jos, (XVIIl, 5, 2) selber, daß des Jobannes den Täufer zu Machärus eingekerkert hatte, und gibt damit ich' zu verstehen, daß diese Festung nicht im Besitze des Aretas, sondern [erodes war (vgl. Gerlach a. a. 0. S. 50 ff.). Hiezu komt, daß {Joseph, hei, VII^ 6^ 4) ganz deutlich die Stadt (jj xaz(o noXig) von der Burg auf dem e (to ccyo) cpQovQLov) unterschieden wird, also selbst wenn Aretas eine Be- mg in der Stadt hatte, die Burg im Besitze des Herodes sein konte. Als es zum Streite zwischen beiden Fürsten kam, wird Aretas wol auch die kleine tzung aus der Stadt zurückgezogen haben, so daß Herodes, um dem Schau- 56 des Krieges nahe zu sein, sich dorthin begeben, mit seinem Weibe Hero- und der Tochter dort residiren und seinen Geburtstag festlich begehen 5. 328 Matth. XIV, 12. 13. nam des Johannes bestatteten seine Schüler und kamen zu Jesu, das Vorgefallene ihm zu melden. V. 13. Auf diese Nachricht hin entwich Jesus von dort, wo er sich damals aufhielt, zu Schiffe an einen wüsten Ort, nach Luc. 9, 10 vgl. mit Joh. 6, 1. 16 f. bei Bethsaida Julias in Gaulonitis, dem Gebiete des Tetrarchen Philippus (s. zu 11, 21). xax iölav allein, nemine assumto nisi discipulis. So richtig Bengel, da xaz Iölav den Gegensatz zu ol oxXol bildet, die ihm zu Fuße d. h. zu Lande den See umgehend folgten; djib xcav jtoXeoov von den Städten Galiläa's her. — Streitig ist die Beziehung des qi^ohOag. Da unmittel- bar vorher xal eXd^ovxsg djcrjyyecXav xcp 'Irjöov gesagt ist, so meint noch Mey. mit Hieron., Aug., kuthym,, Er asm., de W., Ew., Keim u. A., daß das ohne anderweite Bestimmung gesezte x. dxovöaq nicht anders als auf jenes dnriyyulav bezogen werden könne. Allein dabei ist ganz übersehen, daß y. 12 noch zu der nachträglichen Erzählung Ton dem Lebensende des Täufers gehört, die zur Erläuterung des t. 2 erwähnten Urteils des Herodes über die Aufsehen erregenden Wunder- werke Jesu eingeschaltet ist, und v. 13 die sachliche Fortsetzung Ton V. 1 u. 2 bildet. Demnach kann dxovoag nur, wie seit Chrysost von den meisten AusU. geschieht, auf v. 1 u. 2 zurückbezogen werden. Nicht die Nachricht von der Enthauptung des Täufers, welche dessen Schüler Jesu überbrachten, sondern die Kunde, daß Herodes auf das außerordentliche Wirken Jesu aufmerksam geworden, ihn für den wie- derauferstandenen Täufer zu halten geneigt war, veranlaßte Jesum, sich an einen wüsten Ort bei Bethsaida im Gebiete des Tetrarchen Philip- pus zurückzuziehen; aber nicht, wie mit de W., Renan u. A. auch Mey. annimt, um möglichen Nachstellungen des Herodes Antipas zu ent- gehen, denn wie würde er dann gleich am folgenden Tage wieder nach Capemaum, in das Gebiet dieses Fürsten zurückgekehrt sein (vgl. v. 34 mit Mrk. u. Joh.)?, sondern um sich und seinen Jüngern eine Zeit der Sammlung und vertraulicher Unterhaltung zu verschaffen (Godei zu Luk.). Darauf deutet sowol Johannes hin mit der Bemerkung 6, 3 f., daß Jesus auf einen Berg ging und sich mit seinen Jüngern dort nie- dersezte, und das Pascha das Fest der Juden nahe war, als auch die Bemerkung bei Mtth. v. 23, daß Jesus nach der Speisung und Entlas- sung des Volks, als die Jünger bereits die Rückfahrt angetreten hatten, allein auf den Berg stieg, um zu beten. — Während die Johannesjünger die Enthauptung ihres Meisters durch Herodes Jesu meldeten, über- brachten vielleicht bald darauf die Apostel bei ihrer Rükkehr von ihrer Aussendung die Nachricht von dem Eindrucke, welchen die Kunde von Jesu Wunderwerken auf das böse Gewissen dieses Tetrarchen gemacht hätte (v. 1 u. 2). Durch diese Mitteilungen wurde Jesus wol an die Nähe seines eigenen Todes erinnert, den er am Pascha des nächsten Jahres erleiden solte, wie man aus 17,12 schließen kann, wo Jesus selbst auf den inneren Zusammenhang seines Todes mit dem Endgeschicke des Täufers hinweist. Hiezu kam, daß Jesus auch seinen Jüngern, die nach Mark. u. Luk. von ihrer Aussendung zurückgekommen waren, einige Erholung gönnen wolte, um vom Volke ungestört mit ihnen über ihre Matth. XIV, 14—18. S29 lüssion zu sprechen. So vereinigen sich die verschiedenen Relationen 1er einzelnen Evangelisten, ohne daß es künstlicher und unnatürlicher Bypothesen bedarf. ^ V. 14—21. Die Speisung der Fünftausend. Vgl. Mrc. 6, 30—44. Luc. 9, 10—17 u. Joh. 6, 1—15. — Aus dem Evang. des Johannes, welches in diesem und dem folgenden Abschnitte mit den synoptischen Berichten zusammentrift, ergibt sich, daß diese Begebenheit in die Mitte der galiläischen Wirksamkeit Jesu fält, kurz vor dem Pascha (v. 4), d. i. ein Jahr vor seinem Todesleiden. — V. 14. Hervorgehend aus dem einsamen Aufenthaltsorte sah Jesus viel Volk, empfand Mit- leiden mit ihm und heilte ihre Kranken. Mark, sagt statt dessen: er fing an sie vieles zu lehren. Das Eine schließt das Andere nicht aus; daher Luk. beides erwähnt. — V. 15. Als es Abend geworden — ge- meint ist der erste Abend, die Zeit von 3 Uhr Nachmittags bis Sonnen- untergang (da der Tag sich zu neigen begann. Luk.), vgl. v. 23 wo vom zweiten Abend, der Zeit nach Sonnenuntergang die Rede — sprachen die Jünger zu Jesu: „wüste (d. h. unbewohnt) ist der Ort und die Zeit schon vergangen. Entlaß also die Volkshaufen, daß sie in die Flecken gehen und sich Speise kaufen". ^ Sga ist die Tageszeit, nicht die Es- senszeit {Grat., Weiss) oder die Zeit zu lehren und zu heilen (Fritzsche u. A.). Sinn: die Zeit ist vorüber; es wird schon Abend. In den aav- xotg liegt offenbar, daß die Jünger nichts für sie haben. Die angeb- liche Differenz, daß nach Joh. v. 5 Jesus, als er viel Volks kommen sah, die Brotfrage aufwirft, nach den synopt. Evangelien erst am Nachmit- tage, erklärt sich einfach daraus, daß Johannes nur die Hauptsache, nämlich die Offenbarung der Herrlichkeit Jesu in der wunderbaren Speisung ins Auge faßt und das Nebensächliche übergeht, wobei er als selbstverständlich voranssezt, daß eine Volksmenge von fünftausend Männern nicht auf einmal zusammengetreten war, und Jesus die Zeit, während welcher immer mehr Volkshaufen herbeikamen, nicht unthä- tig zugebracht haben wird. Dagegen ist Johannes genauer in der Dar- stellung der Verhandlung Jesu mit seinen Jüngern über die Speisung des Volkes v. 6—9. — Die Antwort Jesu v. 16: „Sie haben nicht nötig fortzugehen; gebt ihr ihnen zu essen'', deutet schon daraufhin, daß Er dem Mangel abhelfen könne. Als sie v. 17 erwidern: „wir haben nur fünf Brote und zwei Fische (geröstete als Zukost zum Brote zu essen), 1) Wie die Verteidiger der ürmarkoshypothese sie haben erdenken müs- sen. So soll — um von der unbedachten und confosen Weise, wie nach Wilke und HöUzmann Matth. den Mark, benuzt haben soll, zu schweigen — auch nach Wei!, einigen Minusk., Verss. u. Kchvv. dxi MattlL XY, 2-4. 335 der Frage: „Warum ttbertreten deine Jünger die Ueberliefemng der Aeltesten? denn sie waschen nicht die Hände, wenn sie Brot essen'^ (d. h. vor der Mahlzeit; denn ägrov kod^lstv = Dnb te« ist s. v. a. Mahl- zeit halten). — üagadooiq tcop jcQsaßvrdgoDv üeberlieferung der Aeltesten ist die von den Schriftgelehrten von den Zeiten Esra's an aas- gebildete Deutung und Erweiterung des mosaischen Gesetzes, die an- fangs in den Gelehrtenschulen mündlich überliefert, später in den Tal- muden schriftlich niedergelegt wurde, ol jtgeoßvtegoi sind nicht Schriftlehrer (Frtzsch.) oder Volksälteste, sondern die Vorfahren oder Weisen der Vorzeit, wie Hebr. 11, 2. Diese traditionelle Weiterbildung des Gesetzes wurde nach Deut. 4, 14 u. 17, 10 von Mose hergeleitet, und dem geschriebenen Gesetze Mose's nicht nur gleichgeachtet, son- dern übergeordnet; vgl. Lighif, ad h. l Ueber den Ritus des Hftnde- waschens vor dem Essen, den man aus Lev. lö, 11 herleitete, scheint zwischen den damaligen Schulen des Hillel und Schammai viel verhan- delt worden zu sein, da von Einigen die Einführung dieses Ritus den- selben beigelegt wird, während Andere ihn für älter hielten; vgl. Lighif. l, c. — JUey. macht auf die bestirnt bemessene, eine Verant- wortung fordernde Frage aufmerksam, in welcher die gewachsene Op- position offen und scharf hervortrete. — Um die Frage den heidenchrist- lichen Lesern deutlich zu machen, hat Mark. v. 3 f. eine Anzahl solcher pharisäischer Reinigungssatzungen angeführt. — V. 3. Der Herr ant- wortet mit der Gegenfrage: „Warum übertretet auch ihr das Gebot Gottes wegen eurer Üeberlieferung?" xal vfutg auch ihr, wie meine Jünger, macht euch der Uebertretung schuldig, und zwar des Gebotes Gottes, um eure Üeberlieferung zu beobachten. ^ Dies beweist er ihnen V. 4 f. aus ihrer Satzung über den Wert der Tempelgaben. Gott hat geboten: Ehre Vater und Mutter (Ex. 20, 12) und: wer Vater oder Mutter flucht, soll des Todes sterben" (Ex. 21, 17). Tifiäv heißt ehren durch die That, Ehrfurcht durch Wolthun erweisen, ß-apdvq} reXsv- Torcö durch Tod endigen, ist LXX-Uebersetzung des hebr. t\w ni» er soll entschieden getödtet werden. xaxoXoywv für b^ß» gering ach- *hQoa. ^agiaatoi x. ygnfifiaieis (ohne den Artikel) aufgenommen haben : von Jerusalem gekommene Pharisäer u. Schriftgelehrte. Danmi Mark, sagt: ol ^ir- Qiaaloi xai tives xtop ygafAfiujecoy ano ^legoa., so hat man gemeint, der Arti- kel sei aus Mark, oder aus der ErinneniDg daran, dal^ dort von bestirnten ygafi- fitcxBtg die Rede ist, in den Text gekommen {Weiss). Allein woher käme dann die Umstellung: ^rtgcaatoi x. ygafi/natels , da Matth. sonst immer ygafjt, x, ^agia. sagt? vgl. 5, 20. 12, 38. 23, 2. 13. 15. 23. 25. 27; ebenso Luc. 5, 2. 30. 6, 7. 11, 53. Der Artikel konte leicht wegfallen, da er in dieser Stelle überflüs- sig, ja störend erscheint [Mey.), und die dem Matth. sonst fremde Verbindung ^uQ. X. ygafA. spricht für die ürsprünglichkeit dieser Lesart, die leicht in die ihm geläufige Ausdrucksweise yga/n. x. ^agca. geändert werden konte. Wäre hingegen der Matthäustext aus Mark, geflossen oder nach demselben corrigirt, so wurde ano*l6QoaoX. nicht vor ^agiaatoi gestelt worden sein. 1) Unrichtig ist die Unterscheidung, welche Weiss zwischen ;i«p«cfofffff vfjLJüp V. 3 und nagccdoaii xcov ngeaßviegtoy v. 2 statuirt, wornach ihre Schultradition etwas anderes als die Üeberlieferung der Aeltesten sein und die Antwort Jesu eine Ez<^ption zulassen solle. 336 Matth. XV, 5. 6. ten, verächtlich behandeln, schmähen, flachen. „Ihr aber sprechet: Wer irgend dem Vater oder der Mutter gesagt haben wird : Opfer ist es, was irgend du von mir zam Nutzen gehabt haben würdest, soll seinen Vater und seine Mutter wirklich nicht ehren". A(5qov entspricht dem hebr. la^^lj Opfergabe, welches Mark, beibehalten und für griechische Leser durch öcSqop erklärt hat. Gemeint ist ein durch Gelübde für Gott oder den Tempel bestirntes Weihgeschenk. 6(Sqov sc. boxi ist Prädicat zu dem folgenden o eav . . a}g)eXj]0^g; und mit ov firj rifjBlj' 061 folgt der dem og entsprechende Nachsatz. (6g)6Xelod'al ri ex nvo; etwas von jem. zum Nutzen beziehen, wie Thucyd. VI, 12, 2, Das xal vor ov [i'q des Nachsatzes haben Lehm, u. Tisch. 8 nach t^BCBP, Mi- nusk., Verss. u. Kchvv. weggelassen. Seite es ursprünglich sein, so würde es den Nachsatz mit Nachdruck einführen : xal ov (ii] auch wirk- lich nicht. Das Futur, xifijjoei ist durch ^BCDETal so stark bezengt, daß es der auf E^FGKLkal. sich gründenden rec. rifijjöiij vorgezogen werden muß; kann aber nicht mit GroL, Beng:, Olsh , BL (vgl. Wmr S. 558): ,er braucht nicht zu ehren' übersezt werden, da diese Bed. dem Futur, fremd ist, sondern nur entweder: ,er wird sicherlich nicht ehren' {Mey.\ oder Imperativisch : ,er soll wirklich nicht ehren' {Ew, a. Hofm, Schriftbew. II, 2, 391). Die Entscheidung zwischen diesen bei- den sprachlich statthaften Auffassungen hängt davon ab, ob der Satz zur Rede der Pharisäer gehört oder als Urteil Jesu über deren Rede zu fassen ist. Im lezteren Falle muß man eine Aposiopese der Rede annehmen: „wer zum Vater . . . spricht: Opfergabe ist, was du — zn Nutzen beziehen köntest" sc, der thut wol daran, oder: deristfrd von jenem Gebote und an seinen Korban gebunden. Eine solche Apo- siopese findet bei Mark, wirklich statt-, aber dort ist der nachfolgende Satz anders gewendet und deshalb die Markusstelle für unsem V. nicht maßgebend. Gegen die Beziehung des ov firj rifi. zur Rede der Phari- säer hat Mey, eingewandt, daß ein directes Verbot äüs dem Munde der schlauen Heuchler weit weniger denkbar sei als die klügliche Aposio- pese. Aber dieser Einwand erledigt sich durch die naheliegende An- nahme, daß Jesus nicht ipsissima vei^ba der Pharisäer, sondern den ihrer Rede zu Grunde liegenden Gedanken offen ausgesprochen habe. Wir ziehen daher die Fassung dieser Worte als Nachsatz zu og av dnti vor, weil Aposiopesen nur da anzunehmen sind, wo der Gedankonzu- sammenhang sie notwendig macht. ^ — Das Urteil Jesu über diese pharisäische Satzung folgt in v. 6: „und so habt ihr das Gesetz Got- tes um eurer Ueberlieferung willen außer Gültigkeit gesezt". Statt TTjV 6vtoXj]v (nach EFGKLM al) hat Tisch, 8 xov vo^ov nach ^*CT aufgenommen, Lachm, nach i^'^'^BD rov Xoyov] aber r^v ivto^v scheint aus v. 3 und rov Xoyov nur aus Mark, hereingekommen zu sein. Die Gelübde d. h. Versprechungen, Gott für gewährte Hilfe oder bei Erfüllung irgend eines Wunsches etwas von seinem Eigentume zu 1) Luther in seiner Uebersetzung : ,Wenn ichs opfere, so ist es dir viel nützer, der thut wol', folgt der Vulg. ; mxinu,^ quodcunque ex me^ tibi prodibxU mit Ergänzimg der Aposiopese; wobei ov ^ri ganz ignorirt ist. Mattiu XV, 7—11. 337 weihen, selten nach dem mos. Gesetze durchaas Acte freien Entschlus- ses sein, aher wenn sie ausgesprochen waren, gewissenhaft erfült wer- den. Da das Gesetz das Geloben nicht vorschrieb und ausdrücklich erklärte Deut. 23, 23, daß die Unterlassung des Gelobens nicht Sttnde sei (vgl. m. bibl. Archäol. §. 66), so durfte der Inhalt des Gelübdes na- türlich nicht die Vernachlässigung oder gar Uebertretung einer von Gott gebotenen Pflicht zur Folge haben oder in sich schließen. Dies geschah aber, wenn jemand das, was er zum Unterhalte seiner Eltern brauchte, durch ein Gelübde dem Tempel weihte. Daß solche Gelübde wirklieb vorkameu, ersieht man aus Tr, Nedar, V, 5; B. Elieser hielt das Gebot des Ehrens der Eltern viel höher als alle Gelübde, aber die Weisen erklärten auch Gelübde gegen dieses Gebot für verbindlich (IX, 1); vgl. Weist 7, p. 420. V. 7-9. Nachdem der Herr seinen Gegnern den Widerspruch ihrer Satzung gegen Gottes Gesetz nachgewiesen, dekt er ihnen noch die Un- lauterkeit ihrer Herzensgesinnung auf, indem er sie Heuchler nent, and die Weißagung des Propheten Jesaja von dem Lippengottesdienste les Volks auf sie anwendet. Heuchler sind sie, weil sie mit ihrem Drin- ^n auf pünktliche Erfüllung der traditionellen Satzungen nur den ^bein der Frömmigkeit im Auge hatten, aber das Wesen der Gott- seligkeit verleugneten. KaXäg schön d. h. trefflich hat von euch Jesaja 5. 29, 13 geweißagt. Die citirten Worte: „dieses Volk ehret mich mit len Lippen, aber sein Herz hält sich ferne von mir; vergeblich verehren sie mich, indem sie Lehren (die) Menschensatzungen (sind) lehren'^, sind gedächtnismäßig nach der LXX angeführt, wobei das zweite Hemi- aticb, welches im Grundtexte lautet: „und ihr Mich-Fürchten ist ge- lernte Menschensatzung geworden", in freier Weise durch (idrrjv öh oißovrat tctX. wiedergegeben ist. Diese Wendung des Gedankens ent- spricht dem Zwecke der Anführung besser als der Wortlaut des Grund- textes. Jesus weite seinen Gegnern damit zu verstehen geben, daß sie mit ihrem Eifern für ihre Schulsatzungen nicht blos Gott nicht von Herzen verehren, sondern auch daß diese Art Gott zu verehren ein eit- ler Gottesdienst sei (fidracog ß-QT^Oxeia Jak. 1, 26). (jI(xtt]v frustra, ohne Frucht für Herz und Leben (vgl. 2 Mkk. 7, 18)-, nicht iemere (Vulg.) umsonst, d. h. ohne einen bewegenden Grund im Herzen {Met/.). V. 10 f. Damit sind die Pharisäer abgewiesen, und Jesus wendet sich zum Volke, das bei der Verhandlung mit denselben im Hinter- grunde gestanden, ruft es herbei, um es über die in Rede stehende Rei- nigongssatzung zu belehren. „Höret und verstehet (= daß ihr versteht, Einsicht erlangt}! Nicht was in den Mund eingeht (irgend eine mit un- gewaschenen Händen angefaßte Speise) verunreinigt den Menschen, sondern was aus dem Munde ausgeht (d. h. unsittliche Reden, vgl. v. 19), das verunreinigt den Menschen" (xoivot im LXX den h\r\ entsprechend: macht gemein, profan, unrein). Jesus faßt den gesetzlichen Begriff von Bein und Unreiu in seiner schriftmäßigen ethischen Bedeutung, welche von den Pharisäern gänzlich verkant wurde, und erklärt Speise und Trank an und für sich für ein Adiaphoron, ohne damit die mos. Speiser Keil, Gomm. s. Erangel. Matth. 22 338 Matth. XV, 11—14. gesetze aufzuheben, da diese auf ethischer Grundlage ruhten, obwol aus seinem Ausspruche sich ergab, daß nur die denselben zu Grande liegende ethisch -religiöse Idee ewige Bedeutung hat, ihre Form aber mit der ganzen Institution des A. B. einer Wandelung unterliegen kann. — Y. 12 ff. Als hierauf die Jünger ihm sagen, daß die Phari- säer an diesem Worte Anstoß genommen, erwiderteer: „JeglichePflanze, die mein himmlischer Vater nicht gepflanzt hat, wird ausgerottet we^ den. Lasset sie; sie sind blinde Wegführer der Blinden-, wenn aber ein Blinder einen Blinden führt, werden beide in die Grube fallen". Tw Xoyov (v. 12) ist wol mit £uth. Zig,, de W., Bl, Bg, Crus., Mey., Weiss nur auf den Ausspruch y. 11 zu beziehen, der nicht blos die pharisäische Erweiterung des Gesetzes, sondern auch die Bestimmon- gen des Gesetzes über Rein und Unrein aufzuheben schien; nicht aaf die Rede v. 3—7, welche direct an die Pharisäer gerichtet war, und die ihnen sicherlich nicht blos anstößig war, sondern sie erbittert haben wird, weil die Argumentation Jesu zu schlagend war. Aber zaklag, um darüber sich zu äußern, hielten sie sich blos an den Ausspruch V. 11, welchen sie als Verachtung oder Verwerfung des mos. Gesetzes fassen und zur Verdächtigung Jesu bei dem Volke benutzen konten. Darüber mochten sie als über ein axdvöaZov räsoniren, daß die Jün- ger es hörten und Jesu überbrachten. — Die Bildrede von der Pflanze war unmißverständlich, govre/a ist aber nicht Bild der Lehre der Pharisäer, wie es noch Mey, mit Ew. u. ICeim faßt, sondern geht con- textmäßig auf die Pharisäer als religiöse Partei, und deren Wesen und Treiben (Hieron., August,, Beug,, Ohh,, de W,, Bl, u. A.). Dieses ist ein nicht von Gott gepflanztes Gewächs , das mit der Wurzel ausgeris- sen werden wird — nämlich durch die von Christo aufzurichtende Ge- rechtigkeit. Darum sollen die Jünger sie gehen lassen, sich nicht wei- ter mit ihnen befassen ; als geistig blinde Leiter des Volks werden sie mit diesem in die Grube fallen. Das Fallen in die Grube ist nicht Bild des Geworfenwerdens in die Gehenna (Mey,)^ sondern nur des Unter- gangs des jüdischen Volks mit seinen geistig blinden Führern. Das pharisäisch gesinnte und gegen die in Christo geoffenbarte . Warheit sich verstockende jüdische Volk wird im Kampfe gegen Christum und seine Gemeinde erliegen und untergehen. V. 13 ff. Hierauf — nach Mrc. 6, 17 im Hause — bat Petrus im Namen der Apostel Jesum, ihnen r^v jcagaßolriv d. i. die Bildrede V. 11 zu deuten {g)Qdoov wie 13, 36). Jesus erwiderte: „Seid auch ihr (wie die andern) noch ohne Einsicht? (dxf/rjv adhuc wie o. bei Pohjb.)' Begreift ihr noch nicht, daß alles, was in den Mund eingeht, in den Bauch hineinkomt und beim Stuhlgang ausgeworfen wird? Das aus dem Munde Ausgehende aber komt aus dem Herzen hervor, und das verun- reinigt den Menschen". Für ovükx) hat Tisch, 8 ov recipirt; aber nur nach BLZ, während ^CEFGK u. a. ovüig) haben. Der Gedanke ist folgender: Speise und Trank wird im Bauche verdaut und hat mit dem Herzen, dem Sitze des geistigen Lebens, mit Denken, Wollen und Be- gehren, keine Gemeinschaft. V. 19. „Denn aus dem Herzen kommen Matth. XV, 15—23. 339 böse Gedanken, Morde, Ehebrüche" u. s. w. Die Plurale q)6voi, (ioix- TcrX. bezeichnen die verschiedenen Fälle von Mord, Ehebrach u. s. w. ßXaog)ri(ilac auf Lästerungen gegen den Nächsten zu beziehen, liegt kein Grund vor. — Wie der Herr in der Erklärung v. 13 f. die Gewiß- heit des Sieges über seine Widersacher ausspricht, so zeigt auch die Schärfe, mit der er sie v. 3—9 abgewiesen, daß er ihre Feindschaft nicht fürchtet, weil er weiß, daß sein Tod der Welt das Leben bringen wird. V. 21—28. Der Glaube des cananäischen Weibes. Vgl. Mrc. 7, 24 — 30. — Von dort ausgehend zog sich Jesus in die Grebietsteile (/liQfi 8. zu 2, 22) von Tyrus und Sidon zurück; aber schwerlich, um den Nachstellungen der Pharisäer zu entgehen. Zu dieser Annahme liegt hier kein Grund vor. dvaxooQsTv bed. nur: sich zurückziehen von dem eigentlichen Schauplatze seines Wirkens. Nach Mrk. v. 24 weite Jesus dort unerkant verweilen , woraus man schließen kann, daß er mit sei- nen Jüngern sich in jene Gegend begab, um sich dem Andränge des ihn stets umlagernden Volks zeitweilig zu entziehen; vgl. die Bem. zu 14, 13. — Für ra fiiQi] hat Mrk. ra fisO^OQia die Grenzgiegenden von Tyrus und Sidon d. h. Phöniziens. Der Streit der AusU., ob Jesus nur b^ an die Grenze Galiläa's gegangen sei, oder die Grenze überschrit- ten und phönizisches Gebiet betreten habe, läßt sich weder aus dem Folgenden noch aus Mrc. 7, 31 sicher entscheiden. Die Angabe, daß das canan. Weib djto xcov oqIcov bxbIvcov i^sXd^ovaa ihn um Hilfe anrief, ist so weitschichtig, daß das Weib eben so gut von diesseits als von jenseits der Grenze gekommen sein kann. In Mrc. 7, 31 aber ist die Lesart streitig und nicht ausgemacht, daß Jesus den Rückweg an das galiläische Meer über Sidon genommen habe. Da die Bevölkerung der Grenzgebiete aus Juden und Heiden gemischt war, so hatte die ge- nauere Angabe des Orts für den heilsgeschichtlichen Gesichtspunkt der Evangelisten gar keine Bedeutung. — V. 22. Xavavala eine Cana- näerin d. h. den in jener Gegend wohnenden Canaanitern angehörig. Die Bewohner von Tyrus und Sidon gehörten zu den Canaanitern, deren Gebiet von den Israeliten nicht erobert wurde, so daß die canaa- nitische Bevölkerung hier sich erhielt. Mark, bezeichnet die Frau, welche Jesu Hilfe ansprach, als ^EXXrjvig Griechin d. h. Heidin, und SvQOxpoivlxiaoa xw yivsi von Geschlecht eine Syrophönizierin, da die Oriechen das Gebiet von Tyrus und Sidon Phönizien nanten und Phö- nizien unter römischer Herschaft zur Provinz Syrien geschlagen war. Als diese Frau von Jesu Ankunft in jener Gegend gehört hatte, kam sie von dorther zu ihm mit der Bitte: „Erbarm dich mein, Herr, Sohn Davids ; denn meine Tochter ist schlimm besessen^' (von einem Dämon Übel gequält). Die Anrede: Sohn Davids d. i. Messias zeigt, daß sie mit den messianischen Erwartungen der Juden bekant war ; woraus je- doch nicht folgt, daß sie eine Proseljrtin des Thores war. kXiriöov fis erbarme dich meiner, sagt sie, das Leiden ihrer Tochter zu ihrem eige- nen machend. — V. 23. Da Jesus ihr Bitten nicht beachtete, so baten seine Jünger ihn: „Entlasse sie (nämlich unter Gewährung ihrer Bitte), 22» 340 Matth. XV, 24r-27. denn' sie schreiet uns nach''. Zu dieser Bitte bewog die Jünger weni- ger die Zudringlichkeit der^ Frau (Mey.), als hauptsächlich die Ab-' sieht, das Aufsehen, welches ihr Nachschreien erregen mußte, als dem Sinne ihres Meisters nicht entsprechend abzuwehren (Weiss). — Y. 24. Jesus antwortete: „Ich bin nicht gesandt außer zu den verlore- nen Schafen des Hauses Israel''. Diese Antwort entspricht der Instruc- tion, welche Jesus seinen Jüngern für ihre Mission erteilt hatte (10, 6 f.), so daß von ihr das zu jener Stelle (S. 254 f.) Bemerkte gilt. Der nächste Zweck der Sendung Jesu auf Erden war die Rettung des Vol- kes Israel vom Verderben, durch Erneuerung des israelitischen Gottes- reiches. Erst nachdem er dieses von seinem Vater ihm aufgetragene V7erk vollbracht hatte, solte das in Israel begründete Heil durch seine Jünger allen Völkern gebracht und die gläubige Heidenwelt dem Reiche Gottes einverleibt werden (Joh. 10, 16. Eph. 2, 17). Diesem göttlichen Rathschlusse entsprechend schwieg Jesus auf die Bitte des Weibes und erinnerte seine Jünger an den Zweck seiner göttlichen Sendung. Ob das Weib diese Antwort Jesu vernommen hat (Weiss) oder nicht, geht aus dem Berichte nicht deutlich hervor. — V. 25 f. Sie läßt sich aber nicht abhalten, näher zu kommen und vor Jesu niederfallend ihre Bitte zu wiederholen; erhält aber die Antwort: „Es ist nicht gestattet, das Brot den Kindern zu nehmen und den Hündlein hinzuwerfen {XaßeW nehmen — veranschaulichende Schilderung — nicht: wegnehmen). Die Ausdrucksweise ist proverbiell und der Volksrede entnonmien, aber durch das Diminutivum xvvagloiq gemildert. Ex communi genüs lo- quela potius quam ex sensu suo phrasiologia hac utitur Servator, ctä Gentiles non tarn exosi, et cui in more fuit loqui cum vulgo, Lightf, ad h. L Dabei zeigt übrigens das dimin, Tcwagia, daß der Erlöser ^e Heiden nicht im Sinne des pharisäischen Judentums mit Hunden als unreinen Thieren vergleichen wolte. Der Sinn ist nur der: Da mein er- lösendes Wirken dem Volke Israel angehört, so ist nicht gestattet, es den Heiden zuzuwenden. — Mit diesem troz des mildernden xvvaQloK; doch das Weib tief demütigenden Bescheide wolte der Erlöser die Hei- din nicht blos veranlassen, ihren Glauben zu offenbaren fOhrys,, TheophyL, Luth. u. A.), sondern wolte ihren Glauben auch auf die Probe stellen. Darin lag nicht, wie Mey, meint, eine dem sittlichen Gefühle widerstehende scheinbare Härte, die mit quälender Absichtlichkeit eine verstellte Rolle spielt. Der Ausspruch war ernstlich gemeint und die darin liegende Härte ohne Zweifel notwendig, um den Glauben der Heidin zu läutern. Das Herz der Frau beugte sich unter das demüti- gende Wort. Sie sprach v. 27: „Ja, Herr! denn auch die Hündlein essen von den Brosamen, die von den Tischen ihrer Herren fallen". Mit val^ xvQce bestätigt sie die Rede des Herrn. Dazu scheint aber das folgende begründende xal yccg denn auch nicht zu passen, welches daher die meisten Ausll. von Chrysost, an in dem Sinne von dXkä xcd aber doch gefaßt haben. So auch Luther, Da dies aber sprachlich un- statthaft ist, so weiten Fritzsche u. BL val nicht als Bestätigung der Rede Jesu fassen, sondern als Behauptung, daß es sich doch nicht so Matth. XV, 28—30. 341 verhalte, wie der Herr gesagt habe; in dem Sinne: ja, Herr, es ist allerdings nicht UriTecht, den Hündchen das Brot zu geben, denn sie essen ja . . . Zur Widerlegung dieser Deutung genügt die Bemerkung, daß sie im Grunde das Ja in Nein umsezt. Der Sinn der Antwort des Weibes ist vielmehr folgender: Ja, Herr, du hast Recht; denn das den £indern gehörende Brot den Hündlein zu geben ist nicht Recht oder sieht übliche Sitte; denn die Hündlein unter dem Tische bekommen ja nur die Brosamen, die von den Tischen der Herren abfallen. Den Eia- dem Israels will ich von dem ihnen bestimten Heile nichts entziehen, hoffe aber von der Fülle dieses Heils ein Bröcklein zu erhalten, gleich den Brosamen, die von dem Brote des Familien tisches den Hündlein unter dem Tische zufallen. So in der Hauptsache schon Mey, u. Weiss. — V. 28. In dieser demütigen Beugung unter das Wort des Herrn und dem vollen Vertrauen auf den Reichtum der göttlichen Gnade be- währte die Heidin einen Glauben, welchen der Herr grofi nent und dem er seine hilfreiche Gnade nicht versagen kann. Mit dem Worte : „Dir geschehe wie du wüst", gewährte er ihr die erbetene Hilfe, daß ihre Tochter von Stund an geheilt wurde; ähnlich wie 8, 13 der Knecht des Hauptmannes. Zu djtd z^g Sgag ex. vgl. 9, 22. Nur dieses eine Wunder hat Matth. von Jesu Wirken auf seiner Wanderung in das nordwestliche Grenzgebiet Galiläa's berichtet, als einen Beleg für die Empfänglichkeit der Heiden für das in Christo ge- offenbarte Heil, von weißagender Bedeutung für die Zukunft, daran die Jünger erkennen selten, daß, wenn Israel sich mehr und mehr gegen das Evangelium verstecke, die Heidenwelt einen fruchtbaren Boden für die Verkündigung desselben bieten werde. V. 29-39. Die Speisung der Viertausend. Vgl. Mrc. 7, 31 u. 8, 1 — 10. — V. 29. Von der phönizischen Grenze weggehend kam Je- sus an das galiläische Meer hin und stieg auf einen Berg (zö OQog wie 14, 23) und sezte sich daselbst. Uagä r^v d'dXaööav an das Meer hin (vgl. fFiner S. 377). Gemeint ist nach Mrc. 7, 31 das östliche Ufer, wo das Gebiet der Dekapolis lag.^ — V.'30. Da Jesus sich schon früher in jener Gegend durch Krankenheilungen und eine wunderbare Spei- sung des Volks als Heiland kundgegeben, so kamen jezt bei iseiner 1) Ohne einen haltbaren Gruad behauptet Weiss, daß nach dem Zusam- menhange unseres Evangeliums nur an das Westufer gedacht werden könne, da weder eine Ueberfahrt wie 14, 13, noch die Umgehung des See's wie Mrc. 7, 31 berichtet sei, und vermag dann nicht zu begreifen, wie die in v. 31 f. geschil- derten Heilungen in einer Gegend, wo Jesus so lange gewirkt, noch bewirken konten, daß die Leute sich wunderten, als sie Taubstumme redend, Oontracte gesund, Lahme gehend und Blinde sehend sahen. Aber war denn für die Wanderung von den Grenzen von Tyrus und Sidon nach Peräa eine Ueberfahrt ftber das galiläische Meer oder eine Umgehung desselben erforderlich ? Gab es nicht einen geraderen und näheren Weg nach der Ostseite dieses See's? — ^^Im Osten des gs3iläischen Meeres aber hatte Jesus nach den evangelischen Berich- ten außer dem früheren kurzen Aufenthalte zu Gergesa (8, 28 ff.) bisher nur einen Tag gewirkt (14, 13 ff.), so daß die Heilungen, die er jezt bei längerem Verwei- len &selbst verrichtete, den Leuten wol Anlaß zum Preise des Gottes Israels geb^ konten. 342 Matth. XV, 30—38. Wiederkehr die Volksscharen zu ihm mit ihren Kranken, die sie ihm zu Füßen warfen und die er dann heilte. KvXXovg Krüppel, eig. Ge- krümmte, Contracte, teils von den Händen , teils von den Füßen ge- braucht. Das BQQi^pav hinwerfen malt nicht das sorglose Vertrauen auf die Hilfe des Herrn (de W,, BL)^ sondern die Eile der Leute bei der Menge ihrer Kranken {Mey,, Weiss). — Ob dieser wunderbaren Heilungen der an den verschiedensten Gebrechen Leidenden pries das Volk den Gott Israels, der durch Jesum seinem Volke so wunderbare Hilfe gebracht hatte. Die Bezeichnung: Gott Israels erklärt sich ans dem Bewußtseins des Vorzugs vor den in der Nähe wohnenden Heiden (Mey,). — V. 32 ff. Aber auch den Gesunden erwies sich Jesus als mit- leidsvoller Erbarmer. Da das Volk drei Tage bei ihm ausgeharrt und in dieser Zeit den mitgebrachten Mundvorrath aufgezehrt hatte, rief er seine Jünger herbei und sprach zu ihnen: Mich jammert des Volks, weil sie — schon sind es drei Tage (vgl. über diese elliptische Ein- schaltung der Zeitbestimmung im Nominative fViner S. 523) — bei mir ausharren und nichts zu essen haben, und vTJarecg ungespeist ent- lassen will ich sie nicht, damit sie nicht unterwegs erschöpft, entkräftet werden. Die Jünger antworteten: Woher bekommen wir in der Wüste so viel Brote, um so viel Volks satt zu machen. Auf weiteres Befragen erwiderten sie, daß sie sieben Brote und wenige Fische hätten. Darauf hieß der Herr das Volk sich auf die Erde lagern, nahm die vorhandenen Brote und Fische und speiste damit die ganze Volksmenge, 4000 Man- ner ohne Weiber und Kinder, so daß alle gesättigt wurden und 7 Körbe übrig gebliebener Brocken gesammelt werden konten. — Diese zweite Speisung ist in der Hauptsache der früheren c. 14, 15 ff. erzählten gleich, und hatte denselben Zweck. Um dieser Aehnliohkeit willen haben nach dem Vorgange von Schleiem. (über Luk. S. 137) viele Neuere, Dav. Schultz, Kern, Credner, Strauss, de Vf.^ Hase, Baur, Ew., auch Neander u. alle neuprotestantischen Kritiker die Ge- schichtlichkeit der zweiten Speisung in Abrede gestelt und dieselbe für eine sa- genhafte Verdoppelung jener ersten ausgegeben, weil es »unglaublich sei, daß derselbe Vorfall (nur in Nebenumständen verschieden) sich in kurzer Zeit wie- derholt haben solte, ohne daß die Jünger das zweite Mal sich auf das erste be- rufen haben selten*. Allein die Bemerkung der Jünger: woher nehmen wir in Wüste Brot für so Viele? ist eine ebenso einfache als leicht begreifliche Ant- wort auf die Erklärung Jesu, daß er das Volk nicht ungespeist entlassen wolle. Da Jesus seine Jünger herbei gerufen hatte {nagaxaUadfxeyos v. 32), um ihnen diesen Entschluß mitzuteilen, so konten sie dies leicht so verstehen, daß er von ihnen hören wolte, wie viel Brot sie für das zu speisende Volk liefern konten, und die in v. 33 berichtete Antwort geben. Hätten etwa die Jünger Jesum an die frühere wunderbare Speisung erinnern oder auf eine Wiederholung jenes Wunders hindeuten sollen? So etwas sich herauszunehmen verbot ihnen die Ehrfurcht vor der Hoheit des Herrn. — Falls aber auch die Jünger in der Tha* bei dem Gespräche Jesu mit ihnen sich an jenes frühere Speisungswunder nicht erinnert hätten, so würde doch auch dieser Umstand die Sache nicht zweifelhaft machen, da Jesus nicht lange nachher noch den Schwachglauben der Jünger Matth: XY, 89. XVI. 343 rügen maß, dalS sie nicht an die beiden wunderbaren Speisungen gedacht haben 16, 8 ff. Durch diesen Hinweis Jesu auf beide Speisungen wird die Thatsäch- liehkeit beider außer Zweifel gesezt. — Und warum soll denn eine Wiederho- long dieses Wunders unglaublich sein? Doch wol nicht deshalb, weil Jesus ein solches Wunder nur einmal hätte thun können? Oder weil er das zweite Mal mit mehr Broten weniger Menschen als das erste Mal speiste und satt machte*'. Oder vielleicht weil beide Speisungen in einer wüsten Gegend des Ostjordan- landes stattfanden? Aber auf der Westseite des galiläischen Meeres war das Land so angebaut und so bevölkert, daß die Jesu nachfolgende Volksmenge nicht Leicht in die Lage, Hunger zu leiden, kommen konte. — Für die Wirklichkeit der zweiten Volksspeisung spricht auch schon der zwiefache Umstand, erstlich da& das Wunder äußerlich betrachtet verringert erscheint — 7 Brote für 4000 Menschen und 7 Körbe übriggebliebener Brocken, gegenüber den 5 Broten für 5000 Menschen und 12 Körben gesammelter Brocken; sodann das Fehlen jeg- licher Bemerkung über den Eindruck, welchen dieses Wunder auf die Volks- menge gemacht hat. Die Sage pflegt bekantlich wunderbare Ereignisse nicht zu verkleinem, sondern eher zu vergrößern, und die Wunderthäter möglichst zu verherrlichen. V. 39. Nach Entlassung des Volks stieg Jesus in das Schiff (selbst- verständlich nicht allein, sondern mit seinen Jüngern) und kam in die Gregend von Magadan. Den Namen Mayaöav haben Lehm, u. Tisch. 8 nach ^BD, Ital., Syr. u. a. aufgenommen statt der rec, MayöaXd nach CLMX u. a. Der Ort wird aber nicht weiter erwähnt, und lag vielleicht in der Nähe von Magdala. Dieses hat sich in dem Dorfe Medschdel am Westnfer des galil. Meeres, 1 V2 Stunden nördlich von Tiberias er- halten; vgl. Rohins. Paläst. III S. 530 f. — Mark. (8, 10) hat statt des- sen den Namen AaXfiavovd-d, welches L. Porter in der Trümmerstätte ^Ain el ßarideh (die kalte Qaelle), eine halbe Stunde südlich von Mag- dala sucht, woselbst sich am Ende einer engen Schlucht in der Nähe Eahlreicher Quellen, welche von altem Mauerwerk eingefaßt sind, auch die Trümmer einer kleinen Ortschaft finden (s. Mühlau in Riehms Hdwöttb. I S. 251). Ist diese Annahme begründet, so muß auch Ma- gadan in der Nähe von Magdala gelegen haben. Der Einfall von Ewald, daß Magadan mit der bekanten Stadt Megiddo tief im Südwesten des Landes identisch sei, bedarf keiner Widerlegung. Cap. XVI. Die Zeichenforderung der Pharisäer und Sad- ducäer. Das Bekentnis des Petrus und Jesu Verkündigung von seinem Tode und seiner Auferstehung. Die drei in diesem Cap. berichteten Vorgänge deuten schon darauf hin, daß das messianische Wirken Jesu in Galiläa seinem Ende nahe. Die Pharisäer vereinigen sich mit den Sadducäem, um von Jesu ein Zeichen vom Himmel zu fordern, wodurch er sich als Messias legitimi- ren solte. In der Antwort auf die Frage Jesu über das Urteil der Men- schen und seiner Jünger über seine Person tritt die Frucht seines er- 344 Matth. XVI, 1. lösenden Wirkens in Galiläa zu Tage, und mit der anf das Bekentnis des Petrus folgenden Verkündigung seines Leidens und Sterbens in Je- rusalem weist Jesus schon auf den Ausgang seines irdischen Lebens hin. Wie diese Verkündigung, so dient alles Weitere, was in c. 17 u. 18 noch von seiner Wirksamkeit in Galiläa berichtet wird, nur dazu, seine Jünger im Glauben an ihn als den Christ den Sohn Gottes fest zu gründen. V. 1—12. Die Zeichenforderung der Pharisäer und Saddu- cäer. Vgl. Mrc. 8, 1—11. — V. 1. Sobald Jesus wieder in Galiläa an- gelangt ist, treten ihm auch die Pharisäer wieder entgegen, und zwar dies Mal im Bunde mit den Sadducäern, um ihn durch die Forderung eines Zeichens vom Himmel zu versuchen. ^jnjQcirrjOap (Var. sjcTioci- T(Dv) sie forderten, nach hellenistischem Sprachgebranche; vgl. Ps. 137 (136), 3, wo ^«^ durch ejtTjQcoräv übersezt ist, und zwar in der Bed. fordern, indem da an eine Aufforderung in befragender Weise nicht zu denken ist (gegen Fritzsch. u. Mey,, welchen diesen Sprach- gebrauch mit Unrecht in Abrede gestelt haben). Die Vereinigung der Pharisäer und Sadducäer haben de W,, Stratiss, Weiss, Schölten u. A. für ungeschichtlich ausgegeben, weil es durchaus unwarscheinlich sei, daß die Anhänger so verschiedener Parteien gemeinschaftliche Sache gemacht und die ungläubigen Sadducäer ein Zeichen vom Himmel be- gehrt haben selten. Aber das erste Bedenken hat schon Euth, Zig. durch die Bemerkung entkräftet, daß obgleich beide in den Dogmen nicht übereinstimten, sie doch in der Feindschaft gegen Jesum zusam- mengingen. Und haben nicht Pharisäer und Sadducäer im Synedrinm gesessen und Jesum zum Tode verurteilt? Das andere Bedenken aber erledigt sich durch die Erwägung, daß die Sadducäer troz ihrer Leug- nung der Todtenauferstehung und der Existenz der Engel und Geister doch von Jesu, um ihn auf die Probe zu stellen, eiu Zeichen vom Him- mel fordern konten, weil diese Forderung den Glauben an Engel und Geister nicht notwendig voraussezt. Noch weniger Grund hat die Be- hauptung von Str,, de W,, Schneckenb., Weizs, u. A., daß die vorlie- gende Erzählung ein blos aus der Sage geflossenes Duplicat der c. 12,36 berichteten Zeichenforderung sei. Denn in c. 12 fordern die Pharisäer überhaupt nur ein örj^elov von Jesu, und zwar in der Absicht, um ihn: die Berechtigung zu der ihnen gehaltenen Strafpredigt abzusprechen: hier dagegen fordern sie ein orjfielov ex rov ovgavov ein Zeichen, da£ vom Himmel ausgehe, wodurch er sich ihnen als der gottgesandte Mes- sias erweisen solte, um damit anzudeuten, daß sie bisher nur deshalk nicht an ihn glauben könten, weil er seine Messianität nicht in genü- gender Weise documentirt habe. In diesem Verwände, mit dem sie ihren Unglauben zu verdecken suchten, lag das Versucherische ihrer Forderung. — Ein vom Himmel ausgehendes Wunderzeichen war das Aeußerste der messianischen Zeichenerwartung, woraus man ersieht. daß die Widersacher Jesu mit dieser Forderung die Frage über seine Berechtigung zum messianischen Auftreten zur Entscheidung bringeia wolten. Zu dem Ende hatten sich die Pharisäer mit ihren Antipoden, Matth. XVI, 2—4. 345 den Saddncäern, verbunden, am Jesum, wenn er, wie sie yoranssezten, die verlangte Probe seiner Messianität nicht liefern könte, als Pseudo- propheten oder Pseadomessias verwerfen zu können. Dieses Vorgehen der Feinde zeigt mithin, daß der Conflict sich schon dermaßen gestei- gert hatte, daß die Katastrophe nicht lange mehr ausbleiben konte. V. 2 ff. Diesmal beschränkt sich Jesus auch nicht, wie früher c. 12, 39, darauf, seine Widersacher nur auf das Jonaszeichen zu verweisen (v. 4), sondern motivirt diese Verweisung in v. 2 u. u. 3 durch die Ent- gegnung, daß sie ein solches Zeichen von ihm zu verlangen nicht nötig hätten, wenn sie nur die Zeichen der Zeit zu beurteilen verständen. Diese Entgegnung von: otplag ysv. bis ov övvaad-s (v. 3) fehlt zwar in t^B VäF^ etlichen Minusk. u. Verss. , und ist deshalb von Tisch, 8 in Klammern gesezt; aber die Weglassung rührt offenbar nur daher, daß in der Parallelstelle des Mark, ein Ausspruch dieses Inhalts fehlt. „Wenn es Abend geworden, sprecht ihr: Heiteres Wetter (gibts); denn feurig roth ist der Himmel; und früh morgens (sprecht ihr): Heute (gibts) Sturmwetter, denn feurigroth sich verdüsternd ist der Himmel. Das Angesicht des Himmels versteht ihr zu beurteilen, aber die Zeichen der Zeiten vermöget ihr nicht (zu beurteilen)". Die Worte svöla und OijfiSQOV ;^6«^cör sind wie beim gewöhnlichen Sprechen elliptisch ge- braucht, wozu iorai zu suppliren. x^iiiciv im Gegensatz zu svöla bed. nicht: Winter, sondern Regen- und Sturmwetter. Tä oi]fi£laT(5v xai- Q stehende Schicksal im göttlichen Bathschlusse als fCLr die Erlösung der Menschheit notwendig, begründet sei. In welcher Weise Jesus den Jün- gern den gottgeordneten Zusammenhang seines Todesleidens mit der Ausführung seines Werkes aufgezeigt hat, ist nicht näher angegeben, läßt sich aber der Luc. 24, 44 ff. berichteten Einführung der Jünger in das Verständnis der Weißagung von seinem Leiden in der Schrift ana- log, d. h. der damaligen Fassungskraft der Jünger angepaßt, denken. — djtskd'Stp elg ^legoo. schließt, wie Mey. richtig gegen Eiigf. bemerkt hat, ,weil mit xal jioXXa xad-elv etc. zusammenhängend, frühere Reisen Jesu nach Jerusalem, welche Johannes erzählt, nicht aus'; vgl. 23, 27. obto von Seiten, wie 11, 19 u. ö. Die Nennung der Aeltesten und Hohenpriester und Schriftgelehrten ist eine effectvolle Umschreibung des Synedriums, der obersten Gerichtsbehörde des jüdischen Volks; s. zu 2, 4. — dütoxravdijvat wird erst 20, 19 näher als Tod am Kreiue bestimt. Die für die Auf erweckung bestimte Zeitfrist: ,am dritten Tage' braucht man nicht als unvermittelt übernatürliche Prädiction zu fas- sen; sie läßt sich psychologisch vermittelt denken teils durch die Er fahrungsthatsache, daß am dritten Tage nach dem Verscheiden sich Spuren der eintretenden Verwesung zeigen, also wenn die Verwesung nicht eintreten soll, die Auferweckung aus dem Tode spätestens an die- sem Tage zu erwarten steht; teils durch den schon früher erwähnten Hinweis auf das orjftetov des Propheten Jonas, das an ihm sich erfüllen solte (16, 4 u. 12, 39). Die neuere Kritik findet ,mit dieser so klaren und bestirnten Vorhersagong unvereinbar, daß die Jünger durch den Tod ihres Herrn entmutigt, seine £i- weckung gar nicht erwarten, daher den Leichnam mit Specereien bestatten, — daß sie die Gruft mit schwerem Stein verschließen, keine Hoffnung blicken las- sen, das leere Grab sich nicht zu deuten wissen, und die Nachricht von der Auf- erstehung und der Erscheinung des Auferstandenen als unglaubhaft betrachten und teilweise selbst an seiner Person Zweifel hegen; femer daß der Auferstan- dene selbst zwar auf die prophetische (Luc. 24, 25), aber nicht auf seine eigene Weißagung sich beruft, wie auch Johannes den Gedanken an die Auferstehung, der bei ihm und Petras erst durch den Augenschein im leeren Grabe eintrat, lediglich (?) aus dem bisherigen NichtVerständnisse der Schrift erklärt (Job. 20, 9)'. Aus diesen Gründen nimt noch Mey. an, daß Jesus seine Aufersteiinng nur in dunklerer, unbestimterer Weise, die noch nicht in ihrem wahren Sinne gefaßt wurde, angedeutet, und daß erst ex eventu die klare und bestimte Form, in welcher die Auferstehungsweißagung vorliegt, in der Ueberlieferung sich ausgeprägt habe'. Diese Bedenken lassen sich allerdings durch die Bemerkoog, Matth. XVI, 21. 855 daß die Jünger die Vorheniagiing Jesu nicht yerstanden hatten Mrc. 9, 32, nicht genügend erledigen; doch ist der Behauptung, daß eine Yorhereagung so ein- fach und unumwunden ausgesprochen, auch verstanden werden mußte (Mey.), die allgemeine Erfahrung entgegenzuhalten, ,daß das Verständnis eines Vor- ganges bedingt ist von der Stellung des Herzens zu demselben. Eine Erklärung, die dem Wünschen und dem Wollen unsers Herzens entspricht, geht dem Men- schen gar viel leichter ein als eine, die ihm das als vorhanden beweisen will, von dem er wünscht, daß es nicht vorhanden oder wirklich sein möchte' (Som- mer), Was Jesus von seinem Tode und seiner Auferstehung sagte, lief aber den Vorstellungen und Erwartungen der Jünger von Christo schnurstraks entgegen. Einen leidenden und sterbenden Messias konten sie sich nicht denken. Noch weniger vermochten sie sich eine Vorstellung von Jesu Auferstehung zu machen. Die Anferweckungen der Tochter des Jairus und des Jünglings zu Nain, die Jesus vollbracht hatte, waren nur Erweckungen eben Gestorbener zur Bükkehr in das irdische Leben, die den Tod nicht für immer aufhoben. Außerdem war ihnen ja nur der Glaube an die allgemeine Auferstehung der Todten am jüngsten Tage zum ewigen Leben bekaut. ,Was Wunder also, daß der schreckliche Ein- druck des Todes Jesu sie mit aller Macht traf, und jenes im Hintergrunde der Erinnerung liegende dunkle, unverstandene Wort gegenüber den mächtigen Ein- drücken der schrecklichen Gegenwart noch weniger als zuvor geeignet war, HofEhung — bestimte Erwartung, Jesus werde auferstehen — in den Herzen der Jünger zu wecken' (Ebrard S. 531). Daß aber die Nachricht von seiner Auf- Mstehimg ihnen unglaubhaft vorkam, wird begreiflich aus der geisterhaften Weise der Erscheinungen des Auferstandenen. Und daß der Auferstandene die Jünger nicht an seine eigene frühere Weißagung erinnert, sondern ihren Unglau- ben aus dem bisherigen Nichtver^tändnisse der Schrift herleitet (Luc. 24, 25. Joh. 20« 9), beweist nichts weiter, als daß er das Zeugnis der Schrift von der Notwendigkeit seines Todes und seiner Auferstehung für gewichtiger und wirk- samer zur Begründung des Glaubens an dieses nun in Erfüllung gegangene Ge- heimnis des göttlichen Eathschlusses der Erlösung betrachtete, als die eigene Voraussage der geschichtlichen Vorgänge. Aus diesem Grunde begnügte sich Christus auch nach der Auferstehung nicht damit, seine Jünger nur durch per- sönliche Erscheinungen, durch Zeigen seiner Wundenmale u. dgl. von der Wirk- lichkeit derselben zu überzeugen, sondern erachtete es noch für nötig, durch den Nachweis, wie durch seinen Tod und seine Auferweckung die Schrift erfüllet worden» ihren Glauben zu stärken und zur unerschütterlichen Gewißheit zu er- heben.^ 1) Hiemach bedarf es nicht des Auskunftsmittels, daß Jesus seine Auf- erstehung nur in V dunklerer, unbestimterer Weise, welche die Jünger nicht verstanden, angedeutet habe, womit übrigens die Schwierigkeit gar nicht geho- ben wird, da nach c. 27, 63 ja die Kunde, daß Jesus gesagt habe, er werde nach drei Tagen auferstehen, selbst zu den Hohenpriestern gecmingen war. Auch er- klärt selbst Mey, die Annahme, daß Jesus nur eine symbolische Andeutung von dem neuen Aufschwünge seiner Sache gegeben habe {Hase., Schölten, Schenket), ftr willkürlich. — Wenn Jesus seinen Tod wirklich voraussah, so mußte er, als Messias oder auch nur als Prophet gedacht, auch seine Auferstehung voraus- sehen, so gewiß als ein Prophet, dem die herrliche Berufung Israels klar war, die Gefallgenf ühruDg des Volks nicht voraussagen konte, ohne auch die Wieder- 23* 35$ Matth. XVI, 22—25. y. 22 f. Wie unfähig die Jünger noch waren, das Leiden und den Tod Christi zu fassen, ersieht man aus dem Eindrucke, den die Ver- kündigung desselben auf Petrus machte. „ Jesum zu sich (d. h. beiseits) nehmend fing er an ihn zu bedrohen: (xott bewahre dich! Herr, nim- mermehr soll dir solches geschehen'^ kjtcTifiäv dem hehr, '^j entspr^ chend, bed. schelten, bedrohen-, im Griech. auch: Vorwürfe machen. Das Drohende lag in dem Tone der Bede. Luthers Uebersetzung: ,er fuhr ihn an', drükt den Sinn von ijtirifiäv gut aus, nur ist dabei das fJQ^aro außer Acht gelassen. iXecig ooi sc. ehj 6 d-eoq gnädig sei dir Gott, unserem: Gott bewahre, behüte, entsprechend; in 2 Sam. 20, 20. 23, 17 LXX für \ tfy^n absit, fem sei es. ov [uj mit folg. Futur wie 15, 5. Die Worte sind Ausdruck des Entsetzens, daß Christus, der Sohn Gottes leiden und getödtet werden solte. — V. 23. Jesus aber wandte sich unwillig ab und sprach zu Petrus: „Hebe dich weg hinter mich, Satan'S s* zu 4, 10. Die Anrede: Satan s. v. a. teuflischer Wid6^ sacher, ist Ausdruck sittlicher Entrüstung. „Du bist mir ein Aerger- nis, denn du hast im Sinne nicht was Gottes, sondern was des Menschen ist'S OTcdvöaXov Anstoß, der Jesum zum Fallen d. h. zum Sündigen ge- reichen könte. xa rov d-sov die Sache Gottes, den göttlichen Heils- rath. rä rcSv dvd-gcijtcov die Sache, das Interesse der Menschen, die nur das irdische Lebensglück ins Auge fassend Leiden und Tod scheneo. V. 24 ff. Nach dieser ernsten Zurechtweisung des in fleischlicher Weise für die Ehre seines Herrn eifernden Apostels wandte sich Jesus an die Jünger insgesamt, um ihnen die Notwendigkeit des Leidens bis zur Hingabe des Lebens in seiner Nachfolge ans Herz zu legen. ToH flauer atg avrav sind nicht blos die zwölf Apostel, sondern alle Jünger und Anhänger Jesu (Nach Mrc. y. 43 rief Jesus das Volk samt den Jüngern herbei und sprach zu ihnen). „Wenn jemand mir nachfolgen (d. h. mein Jünger sein, vgl. 4, 19) will, so verleugne er sich selbst nnd trage sein Kreuz und folge mir^S savxov sein natürliches Selbst dgatco x, öravQov avzov nehme auf sich und trage das Kreuz, das ihm auferlegt werden wird. Vgl. über diesen bildlichen Ausdruck zu 10,38. Sinn : mein Jünger muß bereit sein, auch das schwerste Leiden, selbst den Kreuzestod zu erdulden. dxoZovO'slTa) ftoi er folge im Krenztra- gen mir nach; vgl. Job. 21, 19. — V. 25. „Denn wer irgend sein Le- ben retten will, wird es verlieren, wer irgend aber sein Leben verloren haben wird meinetwegen, wird es finden" (erlangen). Dies hatte der Herr seinen Jüngern schon in der Apostelinstruction 10, 39 gesagt (vgl. die Erkl. zu j. St.), und wiederholt es hier, etwas anders gewen- det, um die Aufforderung zur Selbstverleugnung zu begründen durch den Gedanken, daß die Bettung des eigenen Lebens vergeblich sein, herstellnng desselben zu verkünden {Godet), Die Voraussage seines Leidens nnd Todes aber in Abrede zu stellen haben selbst Hase, Weizs., Keim, Wf/ftc»« nicht unternommen, trozdem daß sie in Widersprach mit dem Zeugnisse der evangel. Geschichte (vgl. 9, 15. 10, 38. 12, 40 u. Joh. 1, 29. 2, 19. 3, 14. 6, 51 u. a.) behanpten, daß erst um diese Zeit die Erkentnis seines Leidens nnd Todes Jesu zum Bewußtsein gekommen sei. Matth. XVI, 26—28. 357 dagegen die Aufopferung des irdischen Lebens um Christi willen, d. h. in seiner Nachfolge und in seinem Dienste, den Gewinn des ewigen Le- bens einbringen wird. — Y. 26. Um diesen Gedanken weiter zu be- gründen, macht er aufmerksam auf den unersetzlichen Schaden, wel- chen der Verlust der Seele d. i. des ewigen Lebens bringt. „Denn was wird ein Mensch für Nutzen haben, wenn er die ganze Welt gewonnen, seine Seele aber eingebüßt haben wird? Oder was wird ein Mensch geben alsEntgeld für seine Seele?'' Statt (Dg)sXetrai (nach CüZFAIIah) hat Tisch. 8 (Dq)BXri&riCetaL nach tkBL al aufgenommen. Das Pr&sens hat auch Luk., Mark, dagegen das Futur oiipeh^OBi. Das Präsens ver- gegenwftrtigt die zukünftige Sachlage, wie sie am Tage des Gerichts stattfindet (Mey,), ^rifiicod^ (vqv tpvx^jv) das Gegenteil von xcQdijcy heiBt nicht: an der Seele Schaden leiden (Luther\ sondern die Seele einbüßen, verlieren; vgl. fferod. VII, 39. Richtig Yulg.: animae stme deirimentum paüaiur. fj oder sc. würde er Nutzen davon haben? Nein — denn er hat keinen Preis zu geben, für den er die verlorene Seele d. h. das ewige Leben, das er eingebüßt hat, eintauschen könte. Nan su/ficii mundus. Beng. dvrdZZoYfia entspricht nicht, wie Ritschi (Jahrbb. f. D. Theol. 1863 S. 234) meint, dem hebr. "m Xvxqov. Im N. T. komt es nur hier u. in der Parallelstelle des Mark, vor, und in der LXX für rrwn Tausch (Ruth 4, 7) und ^r^n» Kaufpreis Jer. 15, 13 oder Aequivalent Hieb 28, 16. 1 Kön. 21, 2, und bedeutet auch im Griech. nur Tausch, Tauschmittel, nicht: Sühne oder Sühnmittel. — V. 27. Das über den Verlust der Seele Gesagte bestätigend (yaQ) fügt der Herr hinzu: „Denn es steht in Begriff der Menschensohn zu kom- men in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln, und alsdann wird er vergelten einem Jeglichen nach seinem Thun'S fj öo^a rov xoTQog avT. ist die dem Vater eigene Herrlichkeit, welche der Sohn als Abglanz seines Wesens vor Grundlegung der Welt besaß. Im Stande seiner Erniedrigung hat Christus sich derselben entäußert, aber bei seiner Erhöhung zur Rechten des Vaters sie wieder erlangt (Job. 17, 5), and wird dann in derselben sich als Weltrichter offenbaren, xatä tfjv 3tQä§iv avTOv nach ihrem Thun d. h. nach ihrem gesamten Verhalten aof Erden, insonderheit ihrer Treue im Glauben und in der Nachfolge Jesu (v. 24 f.). — V. 28. Die Wiederkunft zum Gerichte aber — sezt der Herr mit feierlicher Versicherung hinzu, wird bald eintreten. „Warlich ich sage euch, es sind Einige der hier Stehenden, welche den Tod nicht schmecken werden, bis sie gesehen haben werden den Men- scbensohn kommend in seinem Reiche'^ elölv rivsg xxX. geht auf alle Anwesenden, besagt aber, daß die Meisten vorher sterben werden. yevsöd'ai &avazov den Tod schmecken, vgl. Job. 8, 52. Hebr. 2, 9, ist Aramaismus, xri'^» djü in den Targums fttr das hebr. r\)'ü nj}'; den Tod sehen d. h. erfahren, gebräuchlich, iv t^ ßaöiZ. steht nicht für elg r^v ßaö., sondern: kommend in seinem Reiche, welches er durch das Ge- richt herrlich aufrichten und vollenden wird. Mark, hat 9, 1 dafür: „bis sie das Reich Gottes in Macht gekommen sehen werden^S Dies ist in der Sache nicht verschieden, wie Bl meint; denn die ßaoiXsla in Macht 358 Matth. XVI, 28. XVH, 1. komt nicht ohne den ßaoiXsvg. Das Kommen Christi in der Herrlich- keit seines Vaters zum Gericht ist daher nicht auf die Aofrichtong der Kirche amPfingstfeste zu beziehen, noch viel weniger mit Chrys., Beda, Vaidbl, C, a Lap, auf die gleich folgende Verklärnngsgeschichte. Von beiden konte Jesus nicht sagen, daß nur etliche der Anwesenden sie erleben werden. Gemeint ist das Kommen in Herrlichkeit zum Gerieht über die Welt. Diese herrliche Zukunft Christi tritt aber nicht erst am jüngsten Tage nach Ablauf der gegenwärtigen Weltzeit ein, sondon begint schon mit dem Gerichte über Jerusalem. Dieses Gericht ,i8t der Anbruch des königlichen Kommens Christi, freilich erst der An- bruch, aber doch schon das Vorspiel des jüngsten Tages, das noch Ton vielen Zeitgenossen der Apostel erlebt wurde\ So treffand Sommer; s. die weitere Begründung dieser Auffassung der Verkündigung Jesu von seiner Wiederkunft zu c. 24. — Uebrigens beabsichtigt Jesus mit dem Hinweise auf seine baldige Zukunft zum Gerichte nicht blos seine Jünger vor den ernsten Folgen des Mangels an selbstverleugnend« Treue in seiner Nachfolge zu warnen, sondern er will sie zugleich zn willigem und freudigem Aufnehmen und Tragen des Kreuzes ermuntern durch die Aussicht, daß die Zeit der Leiden nicht lange währen soll, und ihre Erlösung nahe bevorstehe (Luc. 21, 28). Cap. XVIL Verklärung Jesu. Heilung eines mondsüchti- gen Knaben. Die Tempelsteuer. V. 1—13. Die Verklärung Jesu. Vgl. Mrc. 9, 2—13. Luc. 9, 28—36. — V. 1. Durch die Zeitangabe: „nach sechs Tagen" (ebenso Mark., dagegen hei Luk. weniger genau „ungefähr [cböet] acht Tage'') wird die Verklärungsgeschichte mit dem Bekentnisse des Petrus und der ersten Verkündigung Jesu von seinem Todesleiden (c. 16) zeitiich verknüpft, um den innerlichen Zusammenhang dieser Ereignisse anzu- deuten. Die Verklärung Jesu solte die Jünger im Glauben an Christum den Sohn Gottes stärken, solte ihnen zeigen, daß Jesus ungeachtet des ihm bevorstehenden Leidens und Todes doch der Sohn des lebendigen Gottes sei , der nach Vollendung seines Werkes auf Erden zur Herr- lichkeit seines himmlischen Vaters werde erhöhet werden. Als Zeugen dieser Präformation seiner Verherrlichung nahm Jesus den Petrus und das Brüderpaar Jakobus und Johannes mit sich auf einen hohen ßerg xat" iöiav allein, Luther: beiseits d. h. so daß sie dort mit ihm allein waren. Diese drei Apostel waren schon bei der Auferweckung der Tochter des Jairus Zeugen von Jesu Wundermacht über den Tod (Mrc. 5, 37. Luc. 8, 51) und später auch allein Augenzeugen seines Seelen- kampfes in Gethsemane (26, 32), weil sie vermöge ihrer geistigen An- lage am meisten befähigt waren, das Geheimnis der gottmenschlichen Natur des Erlösers und seines Werkes im Glauben zu erfassen, um dann nach Christi Erhöhung von der Erde davon zu zeugen und zu predigen; vgl. 2 Petr. 1, 16 ff. Der Lohe Berg ist in den Evingelien Matth. XVn, 1—3. 359 nicht näher bestirnt, and seine geographische Lage läßt sich nicht sicher bestimmen. Sechs Tage vorher war Jesus in der Gegend von Cäsarea Philippi am Fuße des Hermon (16, 13); wie lange er aber dort sich aufgehalten, ist nirgends angedeutet; später wandelt er wieder in Gkililäa umher und komt nach Gapernaum (Mrc. 9, 20. Mtth. 1 7, 22—24), so daß für die Annahme, die Verklärung habe auf einer Kuppe des nordöstlich von Cäsarea befindlichen Gebirgsstocks des Hermon statt- gefunden, feste Anhaltspunkte fehlen. Die kirchliche Ueberlieferung seit dem vierten Jahrb., bei Cyrill von Jerus. und Hieronymus, verlegt die Verklärung auf den Berg Täbor, der zwei Wegstunden ösüich von Nazaret sich in der Form eines abgestumpften Kegels gegen 1000 Fuß über die Ebene erhebt und auf seiner platten Oberfläche eine weite Aussicht nach allen Seiten bietet. Aber abgesehen davon, daß Eusebius von dieser Tradition noch nichts weiß, kann der Tabor auch schon des- halb nicht in Betracht kommen, weil auf seinem platten Gipfel schon früher und auch später noch eine kleine befestigte Stadt lag. S. mehr hierüber bei Rohins, Paläst. III S. 452 ff. Nach Luc. v. 28 begab sich Jesus mit den genanten Jüngern auf den Berg, um zu beten, und nach der Angabe v. 37, daß sie iv x^ l^rjq flliigoL vom Berge herabgekommen, scheint Jesus auf dem Berge die Nacht im Gebet zugebracht zu haben und die Verklärungsscene in der Nacht erfolgt zu sein. — V. 2. Während Jesus betete wurde das An sehen seines Angesichts ein anderes (nach Luk.), während Matth. u. Hark, einfach sagen: fisTSfiOQq)oid7] kfijtg. avz. er wurde umgestaltet, transfiguratus est (Vulg.) d. h. das Ansehen seiner Gestalt verändert, vor ihnen d. h. vor den Augen der drei Jünger, und, wie Matth. diese Umgestaltung näher beschreibt, „sein Angesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden weiß wie das Licht '', stralend in weißem lichtglanze. In diesem leuchtenden Glänze seines Angesichtes und dem lichtweißen Schimmer seiner Gewänder trat die göttliche (Joga, welche Jesus als der eingeborene Sohn Gottes von Ewigkeit her bei seinem Vater besessen, aber bei seiner Menschwerdung mit der Knecbtsgestalt des irdischen Leibes vertauscht hatte, in sinnenfälliger Weise für das Auge der Jünger hervor, zum Zeichen, daß er dieselbe bei seiner Rük- kehr zum Vater nach Vollendung des Erlösungswerkes wieder erhalten werde (vgl. Job. 12, 16. 23. 17, 5). — V. 3. „Und siehe es erschienen ihnen Moses und Elias mit ihm redend''. Moses, der Mittler der Ge- setzesanstalt des A. Test., und Elias, der für die Ehre des Herrn und seines Bundes mit Israel eifernde Prophet, erschienen als die Reprä- sentanten des auf Gesetz und Verheißung (Weißagung) begründeten Alten Bundes, und zwar avxolg d. i. den drei Jüngern, nach Luk. ev 66^^ in Herrlichkeit d. h. in überirdischer Glorie, ähnlich der verklär- ten Gestalt Jesu. Woran die Jünger die Beiden als Moses und Elias erkanten, ist nicht erwähnt. Sicher nicht aus dem Inhalte des Ge- sprächs oder aus nachheriger Eröffnung Jesu (BL u. A.), sondern un- mittelbar an den einzelnen Zügen ihrer Gestalten, welche der Vorstel- lung, die man sich über die Persönlichkeit Beider aus den Schriften 360 Matth. XVII, 3. des A. T. gebildet hatte, entsprachen. Von Elias war aach der Glaube an sein Wiedererscheinen vor der Ankunft des Messias auf Gnind der Weißagung Maleachi's c. 3 unter dem Volke verbreitet, aber von einer Erwartung der Wiederkunft Moses' ist zu Christi Zeiten nichts bekant* Fraglich ist weiter, wie das Erscheinen Beider in Herrlichkeit zu den- ken sei. Alt und sehr verbreitet ist die Meinung, daß sie in vei^lär- ten Leibern erschienen. Bei Elias hat diese Annahme insofern keine Schwierigkeit, als er nicht durch den Tod aus dem irdischen Leben ge- schieden, sondern durch wunderbare Entrückung von der Erde in den Himmel aufgenommen worden, so daß er durch Gottesmacht sein Le- ben in Yerklärungsgestalt fortsetzen und in verklärter Leiblichkeit den Jüngern erscheinen konte. Anders verhält es sich mit Mose, von dem ausdrücklich bezeugt ist, daß er starb und sein Leib begraben wurde, und zwar von Gott selbst, so daß niemand sein Grab gesehen hat (Deal 34, 5 f.). Daraus hat man gefolgert, daß, wie Elias durch seine Auf- fahrt von der gewaltsamen Auflösung durch den Tod bewahrt, so Moses bei dem geheimnisvollen Verschwinden seines Leibes durch besondere göttliche Fürsorge der Verwesung im Grabe entzogen worden sei, und daß mit diesem außerordentlichen Ausgange des irdischen Lebens Bei- der ihr Wiedererscheinen bei der Verklärung Jesu in Verbindung stehe.* Allein eine Bewahrung des Leichnams Moses' vor der Verwesung durch außerordentliche göttliche Fürsorge läßt sich aus seiner Bestattung durch Gottes Hand nicht folgern. Hat Moses wegen seiner Versündi- gung beim Haderwasser nicht in das Land der Verheißung eingehen 1) Weder in Apokal. 11, 3 ff. noch in den von Keim U. S. 591 Not. 2 ange- führten Stellen 4 Esr. 6, 26. 7, 28. 13, 52 u. Joseph. Antt. IV, 8, 48 findet ach diese Erwartung ansgesprochen. Denn daß einer von den zwei Zengen (Apok. 1. c) Moses sei, läßt sich durchans nicht begründen; Joseph. 2. c. berichtet über das Ende Moses*: veq>ovs alq>yidioy vtisq avtov atnvTog^ dcpctvi^exai xaxu xivoi ipagayyog' ysyga^e ds avxhv iy xaTg legale ßißXoig xe&vetaxtt, delaae fxri ii v7i(QßoXr]y xfjs tibqI kvxov dgex^s ngog x6 &€ioy avxov ccya^coQfjiTcei xokfAr]üü)aiP dnelv. und was in der Assumptio Mosis über seinen Lebensaasgang gestanden, läßt sich ans den wenigen erhaltenen Fragmenten nicht erkennen. Erst die späten rabbin. Schriften Tauch, f, 42 u. Debarim rahba sect. 3 wissen vom Wie- derkommen Moses zu reden. 2) Diese Ansicht ist sehr verbreitet. Schon Grotius meinte: haec corpora videri possunt a Deo in hunc usum asservata, und in neuerer Zeit hat Kurtz (Gesch. des A. B. H S. 537) aus der Bestattung durch Gott gefolgert, daß er ihn nicht der Verwesung überlassen wolte, sondern in der Bestattung durch seine eigene Hand eine Kraft dazu that, die ihn der Verwesung entnahm und Uun den üebergang zu derselben Existenzform bahnte, zu welcher Henoch und Elias ohne Tod und Begräbnis geführt wurden. ,üm ein Exempel der Gerechtigkeit zu statuiren, läßt Jehova den Moses (wegen der Sünde am Haderwasser) sterben vor der Einführung in das Land der Kühe und Verheißung*. Vgl. Sommer, Godet u. A. Aber dieser Ansicht kann ich nicht mehr, wie in m. Comm. zu Deut. 34, 6 geschehen, beipflichten, sondern muß auf sie das Urteil, welclies Calov{Bibl. illustr. z. u. V.) über die Meinung von Grotius gefällt hat, anwenden, daß sie coiiiv(ov eig. sich hin und her wendeten) oder nach der von Tisch, nach ^B, Itala, Vulg, recipirten Lesart ovöXQBq>Ofiiv(X)v , conversantibus: als sie mit einander umgin- gen, nämlich nach der Bükkehr vom Berge der Verklärung, da sprach Jesus zu seinen Jüngern: „Es steht bevor, daß der Menschensohn in Menschenhände übergeben wird, und sie werden ihn tödten und am dritten Tage wird er auferwekt werden'^ Diese Fassung der Verkün- digung, so weit sie von der in 16, 21 abweicht, paßt ganz zu den Um- ständen, unter denen sie ausgesprochen worden. iiiXXsL jtaQaölöood'ai slg X^^Q^'S dvd'Qcijccov ist gewählt im Gegensatz zu der von Gott ausgegangenen Verherrlichung des Menschensohns, welche die Jünger vor Kurzem auf dem Berge geschaut hatten, während in 16, 21 im Gegensätze zu dem Bekentnisse des Petrus, daß Jesus der Christ der Sohn des lebendigen Gottes sei, der Gedanke an das Leiden Jesu von- seiten der Oberen des jüdischen Volkes vorwaltet. Diese den verschie- denen Umständen entsprechende Verschiedenheit im Ausdrucke zeigt nicht nur, wie unüberlegt die Behauptung von Köstl u. Hlgf, ist, daß unsere Stelle nur eine unmotivirte eingeschaltete Wiederholung von 16, 21 sei, sondern auch, wie der Erlöser jede Gelegenheit benuzt, um die Jünger auf die nahe Entscheidung seines Ausganges aus dem irdi- schen Leben vorzubereiten und sie in das Verständnis des Erlösungs- werkes einzuführen. — Auf die Jünger machte diese erneute Leidens- 1) Der 21. Vers fehlt übrigens bei Matth. in \!t*B, etlichen Minnsk., Ver- nonen und in den Canones des Euseh., weshalb Tisch. 8 ihn als nur ans der Pa- lidlelstelle des Mark, in den Text des Matth. gekonmien betrachtet und hier ge- tilgt hat. Er ist aber durch fcd-aasv avzov Xiymv liegt, daß Petrus die an ihn gerichtete Frage der Steuereinnehmer Jesu mitteilen wolte, Jesus aber vermöge seiner unmittelbaren Eentnis der Gedanken Anderer die Sache schon wußte. Ol ßaacXetg rijq ytjq sind die irdi- schen Könige überhaupt, im Gegensatz gegen den König des Himmels. T^iby Zölle auf Waaren; x^vöog Steuer auf Personen und Grundstücke, Kopf- und Grundsteuer. — V. 26. Aus der richtigen Antwort Simons: „von den Fremden'', zieht Jesus den Schluß: „also sind doch frei die ial, i: Primo die men^s Aclar puhl. praeconium ediderunt de hisce sicUs, utin promtu habeat unusquisgue Tiemisiclum suum. — Decimo quinto huius mensis «e- derunt trapezitae (D'^3nbltt3n) in unaquaque cioiiate, pacate numum hunc exigen- ies; a dante receperwU, non dantem non compulerunt. Die mens, incesimo quinto sederunt et jam coegerunt^ ut darent et ab eo qui non daretpignns extorsertmt vel ipsam tunicam, — Ib. c.2 ; In urbibus sederuni coJlocaiis ante ipsos duäbus cistis, tn uMxm quarum tributum anni praesentis, in alteram praeteriti posverunt etc. Und der aus dem Namen za diS^axf^oe entnommene Einwand erledigt sich durch die Bemerkung, daß sowol Josephus als Aquüa von der Tempelsteuer to didga- XlAoy gebrauchen , die erforderliche Münzsorte aber von den Wechslern gegen ffriecmsches Geld eingewechselt werden konte. Dagegen fehlen geschichtliche Zeugnisse darüber, daß die römische Kopfstener für die Person zwei Drachmen betragen habe, und Wieseler's Vermutungen darüber (Beitrr. S. 109 ff.) sind eben 80 wenig geeignet, diese Annahme warscheinlich zu machen, als seine Erklä- rung der ßaatieU tfjs yf^s von dem Senaius popuJusque Romanus oder dem den orbis terrarum damals beherschenden römischen Volke, und der vloi dieser ßn- aiXetc von allen römischen Bürgern, samt der Behauptang, daß Jesus sich mit dod Bomem zu dem Geschlechte der Herscher der Erde zusammenfasse (S. 119 —122), derselben zur Empfehlung gereichen wird. 24* 372 Matth. XVII, 27. Söhne (der Eönige)^^; woraus sich die Anwendung anf den vorliegen- den Fall von selbst ergab. Die Anwendung ist aber nicht mit PauL, OM., Ew., Lange, Hofm. (Schriftbew. H, 1 S. 131), Gess, Keim u. A. so zu denken: Wenn die irdischen Eönigssöhne von Steuern frei sind, so sind auch wir (ich und du oder Jesus und seine Apostel) als Söhne Gottes des himmlischen Königs, von der Steuer, die demselben für den Tempel geleistet wird, frei; sondern so: dann bin ich als Sohn Gottes davon befreit. Gegen die Uebertragung des Plur. vlol auf die Anwen- dung spricht der Umstand, daß Jesus allein Sohn Gottes im eigentlichen Sinne des Wortes ist und durch Ausdehnung des Begrifb vlol auf die Jünger Jesu die Folgerichtigkeit der Anwendung in Frage gestdt würde, da in der Argumentation Jesu der Obersatz nur von eigentUchen Eönigssöhnen allgemeine Gültigkeit hat. Eben so wenig darf man den Gedanken, daß mit der Ausscheidung der Jünger Christi aus dem Y6^ bände der jüdischen Gemeinde die Verbindlichkeit zur Entrichtung der Tempelsteuer für sie aufhörte, zur Rechtfertigung der fraglichen Deu- tung herbeiziehen wollen — weil dieser Gedanke dem Zusammenhange ferne liegt. Nicht darüber wolte Jesus den Petrus zunächst oder haupt- sächlich belehren, wie die Apostel und Jünger sich in der Zukunft zum jüdischen Tempeldienst zu stellen haben — diese Frage wurde ja durch die Zerstörung des Tempels und die Auflösung des Tempelcultus that- sächlich gelöst — , sondern das wolte er ihm zu bedenken geben, daB er bei seiner raschen und zuversichtlichen Bejahung der Frage der Steuereinnehmer sein früher abgelegtes Bekentnis, daß Jesus der Sohn des lebendigen Gottes sei, außer Acht gelassen habe. — V. 27. Nach dieser Zurechtweisung des Petrus unterzieht sich Jesus der noch be- stehenden gesetzlichen Ordnung, indem er weiter sagt: „Damit wir aber ihnen (den Steuereinnehmern) nicht Anstoß geben, so gehe hin ans Meer, wirf eine Angel aus und hebe den aufgestiegenen ersten Fisch herauf (ans Land)*, und wenn du seinen Mund geöffnet, wirst da einen Stater finden; den nimm und gib ihnen für mich und dich^^ — Principiell ist Jesus als Sohn Gottes von der Tempelsteuer frei, gleich- wie er als solcher nicht zur Beobachtung des levitischen Gesetzes ver- pflichtet war. Da er aber bei seiner Menschwerdung des Gottgleich- seins sich entäußert hatte und unter das Gesetz gekommen war (Phil- 2, 6 f. Gal. 4, 4), so unterzog er sich damit zugleich der Erfüllung aller Ordnungen des mos. Gesetzes, und machte nur, wo er es mit seinen Widersachern zu thun hatte , erforderlichen Falls seine messianische Würde, vermöge welcher er ein Herr auch des Sabbats war, geltend (s. zu 12, 8). Den Steuereinnehmern gegenüber lag aber hiezu kein Anlaß vor. In ha fi^ öxavöaU^cQfisv bedient sich Jesus der conuno- nicativen Redeweise, nicht weil er auch den Petrus für steuerfrei hielt oder um die Freiheit der Seinigen überhaupt vom Tempel voranzuden- ten, sondern weil auch Petrus, der in Capernaum wohnte (8, 14), die Steuer noch nicht bezahlt hatte (Mey.). top dvaßdvxa jtQwror 1%^^* den Fisch der aus der Tiefe zuerst aufgestiegen sein und an der Angel angebissen haben wird, agov hebe (ihn mit der Angel) herauf ans Matth. XVn, 27. 373 Land. BVQijöeig örar^ga finden einen Stater d. i. ein Vierdrachmen- stück, nämlich im Mnnde des Fisches, dvxl ifiov xal oov eig. anstatt meiner and deiner. Die Präposition apzl, fQr Tansch nnd Wechsel ge- bräuchlich, wo eines an Stelle des andern hingegeben wird, ist gewählt mit Rücksicht auf die im Gesetze genante Bestimmung der Tempel- steuer, daß sie als Xvzga rijg rpvx^g (Ex. 30, 12 LXX) gezahlt werden solte; vgl. 20, 28. So richtig Mey., wogegen die Deutung von fFeiss: ,der Stater solte gegeben werden, anstatt daß Jesus eine besondere Di- drachme bezahlte und Petrus die seine^ als zu trivial keiner Wider- legung bedarf. — Die Ausführung dieser Weisung Jesu ist als selbst- verständlich nicht besonders berichtet. Den Zweck dieses Wunders haben wir nicht in der Rücksicht auf die Steuereinnehmer, denen Jesus nicht durch Verweigerung der Ab- gabe Anstoß geben wolte, zu suchen, denn den geringen Betrag dieser Steuer hätte er in Capemaum gewiß auch ohne ein Wunder herbei- schaffen können; sondern Jesu Absehen ging dabei auf Petrus, der ihn zwar bereits als Sohn Gottes erkant und bekant hatte, sich aber diese Erkentnis immer wieder durch Fleisch und Blut trüben ließ. Ihm solte dieser Vorgang die göttliche Würde und Allmacht des Sohnes Gottes tiefer zum Bewußtsein bringen. Wie Jesus schon durch das Zuvorkom- men mit der Frage: von wem die Könige der Erde Steuern erheben, sich ihm als Gottessohn, dem nichts verborgen ist, zu erkennen gab, so erweist er sich dadurch, daß Petrus auf sein Wort hin unter den vielen Fischen des See's gerade denjenigen mit der Angel heraufzieht, welcher einen Stater verschlukt hatte, als den Herrn der Natur, der alle Dinge weiß und mit göttlicher Machtvollkommenheit über die Creatur gebie- tet, daß sie mit ihrem Besitze zur Förderung der Zwecke seines Rei- ches dienen muß. Während er auf die ihm als Sohn des himmlischen Königs zustehende Freiheit von der irdischen Tempelsteuer verzichtet, um denen, die ihn noch nicht als Sohn Gottes erkant haben, kein Aergemis zu geben, offenbart er seinen Jüngern seine göttliche Herr- lichkeit und seine Macht, ihnen alles zu gewähren, was sie bei Erfül- lung ihres Berufes in ihrer Stellung zu den irdischen Ordnungen brau- chen werden. — Daneben aber dient der ganze Vorgang (nicht blos das Wunder), dazu, Petrus und die anderen Apostel über die Stellung au£suklären, die sie in Zukunft zu den Ordnungen des alttestament- lichen Gottesreiches zu nehmen haben. Eine Verpflichtung zur Be- obachtung derselben besteht für sie als Jünger Christi nicht; aber so lange sie innerhalb dieser Ordnungen ihren apostolischen Beruf aus- üben, sollen sie nach seinem Vorbilde um der Schwachen willen auf die Ausübung dieser Freiheit verzichten, so weit dies nämlich ohne Beein- trächtigung ihres apostolischen Berufes geschehen kann. Von dieser Bedeutung dieses Wimderzeichens hat die neuere Kritik keine Ahntmg. Indem sie nur die Erlangung von vier Drachmen zur Entrichtung der Tempelsteuer als Motiv des Wunders ins Auge faßt, findet sie dasselbe in kei- nem Verhältnisse zu diesem Zwecke stehend und nicht nur der Würde Jesu nicht entspieehend, sondern auch an sich so befremdlich, daß sie verschiedene Wege 374 Matth. XVII, 27. XVHL eingeschlagen hat, dasselbe aus der evangelischen Geschichte wegzuschaffen. Der Versuch von Paul lu Ammon, die Erzählung so umzudeuten, daß droUat zb üxofjLa avtov das Losmachen des Fisches von der Angel und sv^riaeig otot^^ das Erlangen eines Staters durch Verkauf des Fisches ausdröcke , konte üi wortwidrige Verdrehung der Erzählung begreiflicher Weise keinen Beifall fin- den, und Stravss hielt sich deshalb für berechtigt, die Geschichte bIb ,märohen- haften Ausläufer der See- Anekdoten' kurzweg als Mythus zu verwerfen. Da sich aber darin weder ein den Mythus schaffender (jedanke erkennen, noch die Anknüpfung an alttestamentliche Vorgänge nachweisen ließ, so bleiben diemei^ sten Kritiker bei der Annahme stehen, daß der Erzählung ein bildlicher Aiu- spruch zu Grunde liege, welcher durch die Volkssage zu diesem apokiyphisdiei Wunder ausgebildet worden sei Ueber den zu Grunde liegenden Gediuiken aber gehen die Vermutungen weit aus einander. Während Hase^ Neander^ Ewald denselben in dem Segen des Gewerbes behufs leichter HerbeischafiFong dieser kleinen Summe suchten, glaubte Köstlin, daß durch diese Geschichte den pali- stinischen Judenchristen , welche wie Jesus selbst gegen die Verbindung mit dem Tempelwesen spröde geworden, die Tempelsteuer, welche bis zum Jahre 70 Wichtigkeit hatte, empfohlen werden solte, während B. Weiss (S. 409) es für nahe liegend hält, daß ein sinnvolles Wort Jesu, dessen Pointe sichtlich gerade darin liege, daß Gott den Jüngern in der Ausübung ihres fierufes leicht genug be- scheren kann, was sie brauchen, damit sie ihrer freiwillig übernommenen Pflieht nachkommen können, in der üeberlieferung dahin verstanden und gefaßt wor- den sei, daß Gott dies durch ein ganz besonderes Wunder thun werde. Selbst Dächset meint mit J. P. Lange , daß es dem Evangelisten vorzugsweise um den geistigen Sinn dieser Geschichte zu thun war, nicht um ihren äußeren Verlaof, der geistige Sinn aber die typische Normirung des Verhältnisses zwischen der freien evangelischen Gemeinschaft und der gesetzlich-symbolischen Gemeinde in der Periode des allmäligen Ausgangs der einen von der anderen sei. Cap. X VIII. Von der Grösse im Himmelreiche, dem Aerger- nisgeben, dem Verhalten gegen Versündigungen des Bruders und vom Schalksknechte. In diesem Cap. hat Matth. die lezten Belehrungen zusammengefalt, welche Jesus in Galiläa vor dem Aufbruche nach Jerusalem seinen Jüngern über die rechte Gesinnung und das rechte Verhalten gegen die Brüder als Grundbedingungen für das Gemeinschaftsleben im Gottes- reiche erteilt hat, so daß man dem Cap. mit Olsh. die Ueberschrift: ,vom Charakter der Kinder des Reichs^ geben könte. Den Anlaß zo dieser Belehrung gab nach Mrc. 9, 33 ff. ein Wortwechsel über den Vorrang im Reiche Gottes , welchen die Jünger auf dem ViTege nach Capernaum geführt hatten. Dieser Streit war ohne Zweifel angeregt worden durch die Auszeichnungen, welche Petrus nach Ablegnng seines Bekentnisses von Christo (16, 17 ff.), sodann bei der Verklärung Jesu, daß er mit den beiden Zebedaiden allein Augenzeuge derselben sein durfte (17, Iff.) und jüngst wieder dadurch, daß Jesus die Tempelsteoer Matth. XVIU, 1--4. 375 für ihn mitbezahlt hatte (17, 27), vonseiten Jesu erfahren hatte. Darin mochten die Jünger eine Bevorzugung des einen vor dem andern er- blicken, die für ihre Stellung im messianischen Reiche, dessen Auf- richtung sie bald erwarteten, einflußreiche Folgen haben könte. V. 1—5. Von der Grösse im Himmelrelohe. Vgl. Mrc. 9, 33 —37 u. Luc. 9, 46—48. — V. 1. „In jener Stunde", nämlich als Jesus nach der Ankunft in Capemaum mit Petrus über die Tempelsteuer ge- redet hatte (17, 24) und die anderen Jünger auch ins^Haus eingetreten waren (Mrc. 9, 33 f.), da fragte Jesus die Jünger über das Gespräch, welches sie unterwegs geführt hatten. Diese nähere Mitteilung über den Anlaß zu der folgenden Belehrung übergeht Matth. und läßt die Jünger die Frage an Jesum richten: „Wer also ist größer im Himmel- reiche?^' Tlq äga quis igitur knüpft die Frage an eine besondere Veranlassung an, die in den angeführten Umständen gegeben war. Der Frage lag £hrgeiz und Verkennung der geistigen Beschaffenheit des Himmelreichs zu Grunde, falls die Jünger damit auch etwa nur erfahren weiten, was daza gehöre, um einen Vorrang vor andern im Himmel- reiche zu erlangen. — V. 2. Jesus beantwortete die Frage damit, daß er ein Eindlein zu sich rief, es mitten unter sie stelte und dann feierlich sprach: „Warlich ich sage euch, wenn ihr nicht umkehret und werdet wie die Kindlein, so werdet ihr gar nicht {ov fiij) ins Himmelreich ein- gehen'^ Das Kind soll nach späterer Ueberlieferung bei Nicephorus, h. eccL 2, 35 der heil. Ignatius gewesen sein. An dem Kindlein (jcat- ölov) sollen die Jünger die Eigenschaften erkennen, die von den Glie- dern des Reiches Gottes gefordert werden. Gemeint ist natürlich nicht die kindliche Unschuld, die, wenn es überhaupt bei den in Sünde ge- borenen Menschenkindern eine solche gäbe, doch bei Erwachsenen in keiner Weise wiederhergestelt werden könte, sondern die Anspruchs- losigkeit, Einfalt und Demut des Kindes; denn Ehrgeiz, Hoffart und Neid ist dem in den ersten Lebensjahren stehenden Kinde fremd. Darin sollen die Jünger Jesu den Kindern gleich werden und, um diesen Kin- dersinn sich anzueignen, sich umwenden d. h. umkehren oder sich be- kehren, Ehrgeiz und Hoffart aufgeben und Kindeseinfalt und Demut zu gewinnen streben. Wie dies geschehen kann, nämlich nicht durch eigene Kraft, sondern durch Wiedergeburt und Erneuerung durch den heiligen Geist (Joh. 3, 3 ff.), davon sieht der Herr hier ab, wo es nur darauf ankam, die für den Eingang ins Reich Gottes erforderliche Ge- sinnung anzugeben. Uebrigens will Jesus damit nicht leugnen, daß die Jünger dem Himmelreiche angehören, sondern nur aussprechen, daß sie mit solchen Aeußerungen des Ehrgeizes und des Eigendünkels die Gesinnung verleugnen, welche die Bedingung der Teilnahme am Him- melreiche ist (Weiss). — V. 4. „Wer sich nun erniedrigen wird wie dieses Kindlein'^, d. h. wer jeden ehrgeizigen und hoffärtigen Anspruch auf eine hohe Stellung im Himmelreiche aufgibt und in anspruchsloser Demut dem Kinde gleich wird, „der ist der größere im Himmelreich". — Damit war die Frage der Jünger beantwortet. Da aber ihre Frage gezeigt hatte, wie fremd ihren Herzen dieser Kindessinn noch war, so 376 Matth. XYIII, 5. 6. erklärt er in v. 5 ihnen noch, wie der Eindessinn sich im Leben be- währen mttsse. „Und wer irgend ein solches Kind anfhimt in meinem Namen, nimt mich auf S üaiölov roiovrov verstehen Beng., de W., Bl, Weiss von einem wirklichen Kinde dem Alter nach, wofOr man sich auf xwrto x6 jtaiölov Luc. 9, 48 beruft. Aber der Bericht des Luk. über dieses Gespräch Jesu mit seinen Jüngern ist so abgekürzt und ungenau, daß derselbe nicht maßgebend für den Bericht des MattL sein kann; und ro^ouroi^ ein solches oder derartiges, würde bei dieser Auffassung nur dann passend erscheinen, wenn das in die Mitte gestelte Kind sich durch besondere Eigenschaften vor anderen kleinen Kindern unterschieden hätte — eine Annahme, für welche jede Andeutung im Texte fehlt, jcatö. roiovr. ist demnach ein Mensch von der Gesinnung — Einfalt, Demut und Anspruchslosigkeit — des in die Mitte gestel- ten Kindes (Chrys., Cah)., Grot, Olsh,, Bg.-Cr,, Ew., Mey., Wichelh., Sommer u. A.). iv ein einziges — solchen Wert hat der anspruchslose Kindersinn, ijtl reo ovo/iatl fiov auf Grund meines Namens (vgl. 24, 5) bezieht sich nicht auf den Glauben des Aufiiehmenden, entweder um seines Glaubens an mich willen oder auf Grund meiner Autoritftt (de W., Wetss\ sondern auf das aufzunehmende Kind, weil dieses Jesa Namen bekennt, an Jesum glaubt, vgl. v. 6 mit 10, 40 u. 42. öi§ijTM ist nicht das Aufnehmen in die christliche Gemeinschaft, sondern die liebevolle Fürsorge für das leibliche und geistliche Wol (BL), Dies fordert der Context (der (jegensatz in v. 6) und die Parallele 10, 40. V. 6—13. Vom Aepgemisgeben. Vgl. Mrc. 9, 42—48. Um die Wichtigkeit dieser Lehre den Jüngern noch mehr einzuschärfen, ent- wickelt der Erlöser noch die unseligen Folgen, welche das Irremachen der Kleinen am Glauben nach sich zieht (v. 6—11). — V. 6. „Wer irgend aber einen dieser Kleinen, die an mich glauben, geärgert haben wird, ihm frommt es, daß ein Eselmühlstein an seinen Hals gehängt und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde". öxavöaZla^ das 'Ge- genteil von ös^Tjrai bezeichnet Anstoß zum Irrewerden im Glauben an Jesum geben ; vgl. 5, 29. 11, 6. Aus IW rcav ficxgcop tovt. einem dieser Kleinen, die an mich glauben, erhellt deutlich, daß Jesus nicht von kleinen Kindern redet. Denn wenn sich kleinen Kindern auch Glaube an Jesum nicht absprechen läßt, so ist doch bei dem den Jüngern zum Vorbilde hingestelten jtaiölov der Glaube an Jesum weder hervorgeho- ben noch angedeutet; und ol /iixgol ist nicht gleichbedeutend mit rä ptaiöla, sondern fiixgol sind alle , die in ihrer Anspruchslosigkeit und Demut als geringe Leute vor der Welt erscheinen, und verkant und mißachtet werden. rovT(Dv ist wie roiovrov in v. 5 zu fassen, lieber 6Vfig)SQ£i iva s. zu 5, 29. fivXog ovixog ein schwerer Mühlstein, wie die von Eseln getriebenen Mühlen ihn hatten, im Unterschiede von den kleinen mit der Hand gedrehten Mühlen ; also ein Stein, der sicher in die Tiefe des Meeres hinabzieht. jtsXayog rfjq d-aXdoöTjg die Tiefe des Meeres, die hohe See im Gegensatz zu dem flachen Ufer, wo man in die unergründliche Tiefe rettungslos versinkt. Ein plastischer Aus- druck der Todesstrafe, um den Verlust des ewigen Lebens zu bezeich- MattiL XVm, 7—10. 377 nen. — Aber so schwere Strafe auch das Irremachen der Gieringen am Glauben nach sich zieht, so sind doch in dieser Welt der Sünde Aerger- nisse nicht zu vermeiden. Dieser Gedanke veranlaßt den Erlöser, die Warnung vor dem Aergernisgeben weiter ansznführen. Y. 7. „Wehe der Welt von wegen der Aergemisse! Denn es ist notwendig, daß die Aergemisse kommen; doch wehe dem Menschen, durch welchen das Aergemis komt^S ^O xoöfiog ist die gottentfremdete, unerlöste Menschheit, cbto vonwegen, die Ursächlichkeit ausdrückend, wie 13, 44. Tciv öxavödXcov nicht die Aergemisse, welche die Welt erleidet {Mey.)j sondern die, welche sie gibt, die von ihr ausgehen. Das zeigt die Be- gründung. Die Notwendigkeit des Kommens der Aergemisse liegt in der sittlichen Yerderbtheit der Welt, und beruht in der göttlichen Welt- ordnung, daß die Sünde offenbar werden muß, um durch Gericht und Gnade überwunden werden zu können. Diese Notwendigkeit hebt da- her die sittliche Freiheit und Verantwortlichkeit dessen, der Aergemis gibt, nicht auf, sondern — wie der Herr hinzusezt, bringt Wehe dem Menschen d. h. jedem, durch welchen im einzelnen Falle das Aergemis komt. T

richt mehr gegen als/tir die Echtheit, und der Möglichkeit, dalS bIs ob durch Abschreiberversehen ausgefallen wäre, steht die andere nicht schwächere Mög- lichkeit gegenüber» daß slg ob durch den Hinblick auf die Frage des Petrus v. 21 in unsem Vers hineingekommen sein möchte. 380 Matth. XVm, 17. 18. Admonition. Mitnehmen soll er Einen oder Zwei, nicht blos als Zeu- gen der Verhandlung zwischen ihm und dem Bruder, sondern damit die- selben mit ihm den Irrenden seiner Sünde za ttberführen suchen sollen. Dies ergibt sich nicht blos ans dem avrciv v. 17, sondern anch schon ans den Worten: auf zweier oder dreier Zeugen Mund, womit angedeu- tet ist, daß die beiden mitgenommenen Brüder auch mit reden und dem Sünder zusprechen sollen. Die Nennung von zwei oder drei Zeugen geht auf die Vorschrift Deut. 19, 15 zurück, die dort als Begel f&r ge- richtliche Verhandlungen erlassen ist und von Jesu in freier Weise auf den vorliegenden Fall angewendet wird. — V. 17. „Wenn er aber (auch) diese nicht hört, so sage es der Gemeinde; wenn er aber auch auf die Gemeinde nicht hört, so soll er dir wie der Heide und der Zöll- ner sein'', d. h. dir als Heide, der nicht zur christlichen Gemeinschaft gehört, oder als Zöllner, der als grober Sünder der christlichen Ge- meinschaft nicht wert ist, gelten, jtagaxovstp überhören d. h. nicht hören und beachten wollen. ^ ixxkrjöla ist selbstverständlich nicht die jüdische Synagoge (Beza, Calv., FHizsche)^ sondern die christliche Gemeinde, die auf den Fels des Petrusbekentnisses (16, 18) gegründet werden soll und nach Christi Himmelfahrt vom ersten Pfingstfeste an ins Leben getreten ist. Diese Gemeinde der Bekenner Christi ist hie- bei als Einheit gedacht, aber so, daß als mit der weiteren Ausbreitung des Christentums in den verschiedenen Städten und Ortschaften sich Localgemeinden bildeten, das vorgeschriebene Verfahren von diesen ausgeübt werden solte. Auch die Worte lörco aoi Soüteg xtL gelten ihrem nächsten Sinne nach von dem Einzelnen, der mit dem von seiner Sünde nicht lassen wollenden Bruder den brüderlichen Verkehr auf- heben soll, haben aber zugleich für die ganze Gemeinde, auf deren Admonition der Sünder nicht hörte, verbindende Kraft. Denn wer auf den Zuspruch der Gemeinde nicht achtet, den kann auch die Gemeinde nicht mehr als ihr angehörig betrachten. ^ Demnach enthält dieser Ausspruch des Herrn die biblische Grundlage für die kirchliche Ex- communication, obgleich in dem Wortlaute die Ausschließung eines so hartnäckigen Sünders aus der Gemeinde nicht direct ausgesprochen ist. V. 18—20. Um aber die Wichtigkeit dieser Vorschrift für die ge- sunde Entwickelung der Gemeinde den Jüngern noch mehr ans Herz zu legen, fügt der Herr noch zwei für die Bildung und Erhaltung seiner Gemeinde grundlegende Verheißungen hinzu. Zuerst in v. 18 die feier- liche Zusage: „Warlich ich sage euch: was irgend ihr auf der Erde ge- 1) Gegen die Bemerkung« von Ahrens: , Weder wird der hartnäckige Schtd- dige durch einen Beschluß der Gemeinde für einen Heiden und Zöllner erklärt, noch werden alle Glieder der Gemeinde, wenn er auf das Urteil der Gremeinde nicht achtet, verpflichtet, ipso jure ihn so zu betrachten und zu behandelnS hat Jut Mülly dogm. Abhdll. S. 518 mit vollem Rechte erwidert: ,Aber wie wäre es denkbar, daß Jesus seinen Jünger habe anweisen wollen, den als Heiden und Zöllner zu betrachten, den die Gemeinde fort und fort zu den ihrigen rechnet? Und wenn dem einzelnen Jünger der Verhärtete darum, weil er auch auf die Q^meinde nicht hört, sein soll wie der Heide und Zöllner, soll er es der Gemeinde selbst nicht ebenso sein?' Matth. XVIII, 19. 381 banden haben werdet, wird gebunden sein im Himmel, nnd was irgend ihr auf der Erde gelöst haben werdet, wird im Himmel gelöst sein'S Dieser Ausspruch, den wir schon zu 16, 19 (S. 351) erklärt haben, be- zieht sich hier zunächst auf das Verfahren mit dem in Sünde gefalle- nen Bruder, und besagt, daß dasselbe nicht blos für das zeitliche Le- ben auf dieser Erde, sondern auch für das ewige Leben im Himmel Gültigkeit haben soll. Wird der sündigende Bruder durch die vorge- schriebene Admonition von seiner Sünde überführt, dafi er sie läßt und sich bekehrt, so ist seine Seele für das zeitliche und ewige Leben ge- rettet; verharrt er aber in seiner Sünde, daß die Gemeinde ihn aus ihrer Gemeinschaft ausschließen muß, so ist er für Zeit und Ewigkeit aus dem Himmelreiche ausgeschlossen. In dieser der Gemeinde ver- liehenen Macht, Sünde zu vergeben und zu behalten liegt nicht nur für den Sünder die ernsteste Mahnung, den Zuspruch der Brüder und der Gemeinde zu seinem Heile zu beachten, sondern auch für die Jünger und die ganze Gemeinde ein kräftiger Antrieb, durch brüderliche Zu- rechtweisung das Seelenheil der irrenden Brüder sich angelegen sein zu lassen, um dieselben vor dem Verderben zu retten. Gerichtet ist zwar dieser Ausspruch, so wie die Belehrung in dem ganzen Cap. an die (ladTjxal Jesu im engeren Sinne (vgl. v. 1) d. h. die Apostel, so daß die Macht zu binden und zu lösen, welche der Herr in c. 16 dem Apostel Petrus infolge seines Bekentnisses zugesprochen hat, hier allen Aposteln erteilt wird. Da aber bei dem Verfahren gegen den in Sünde gefallenen Bruder die lezte, über die Zukunft desselben entscheidende Admonition der Gemeinde übertragen ist, so ergibt sich hieraus ganz zweifellos, daß die Macht zu binden und zu lösen nicht den Aposteln als ein besonderes Prärogativ erteilt, sondern der ixxXrjcfla der Ge- meinde d. i. der Versammlung der eine Ortsgemeinde bildenden Gläu- bigen zuerkant, die selbstverständlich als von Aposteln und in deren Abwesenheit oder nach ihrem Ableben als von Vorstehern geleitet und organisch gegliedert gedacht ist. In solcher Weise hat auch der Apostel Paulus die Excommunication des Blutschänders in der korinthischen Gemeinde vollzogen, 1 Kor. 5, 4 f. V. 19. Mit der zweiten Verheißung erteilt der Herr seinen Jüngern die Zusicherung, daß auch ihr gemeinsames Gebet im Himmel erhört und ratificirt werden soll. „Wiederum warlich sage ich euch, wenn zwei eins werden von euch auf der Erde über irgendeine Sache, die sie erbitten werden, so wird sie ihnen zuteil werden von meinem Vater im Himmel". IlaXiv wie 13, 45. 47 in der Bed. abermals, um einen zwei- ten ähnlichen Ausspruch oder Gegenstand einzuführen, s. zu 4, 7. Nach jtaXiv steht in BJXJl ah dfiijvy das für ursprünglich zu halten, und von Tisch. 7 aufgenommen, dagegen in ed. 8 wieder weggelassen ist, weil es in ^DLMFA al. fehlt. Die Zeugen j^ro et contra halten sich die Wage, und die Weglassung ist wol nur durch den Anstoß an der ungewöhnlichen Verbindung von TtaXiv dfii]V veranlaßt. Die Stellung des övfig)(DPfjoovöiv vor i§ vficav zeigt, daß der Nachdruck auf dem övfiqxovelv liegt. Angeredet sind in ovo 6§ vficav die Apostel; aber 382 Matth. XVIII, 20—22. der Inhalt dieser Verheißung gilt den Jüngern Christi aller Zeiten. In jtsgl ücavxbq Jigay/iaxog ov steht ov infolge einer Attraction fOr o; vielleicht aher ist auch jtavrog zum Hauptsatze gehörend in attrac- tionsartiger Verschränkung des Adjectivs mit dem Relativsatze ver- bunden, so daß der Satz: jtSQt jigay/iavog, jcäv o kav alnjöcovrcu, yevi^öBTai avrotg lauten solte. Vgl. Kühner 11 S. 925 f. Die Erhönmg des Gebets ist an die Bedingung geknüpft, daß beide in Bezog auf die Bitte übereinstimmen, und zwar ohne Beschränkung auf das Gebet um die Erfüllung der Verheißung in v. 18. Zu der Beschränkung des ge- meinsamen Gebets auf die Ausübung der Schlüsselgewalt {Steitz a. a. 0. 8. 468) liegt im Contexte kein nötigender Grund vor. Vielmehr fögt der Herr zu der v. 18 ihnen verliehenen Macht, in für den Himmel gül- tiger ViTeise zu binden und zu lösen, in dieser zweiten Verheißung noch die Kraft des gemeinsamen Gebetes hinzu, um die Macht seiner Ge- meinde, mag sie irgendwo auch nur aus zwei oder drei in seinem Na- men vereinigten Menschen bestehen, noch weiter zu erweisen (Mizsch S. 520). — Nur eine Beschränkung ist in dem Begründungssatze v. 20: „Denn wo zwei oder drei auf meinen Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen^S erwähnt; nämlich die, daß die Betenden ek TO ovofia Jesu vereinigt sind, d. h. nicht: auf seinen Befehl, sondern so daß das Bekennen des Namens Jesu, also die Förderung seines Rei- ches Zweck der Vereinigung zum Gebete ist. Statt zwei (v. 19), der geringsten Zahl einer Gemeinschaft, sind hier zwei oder drei genant, anzudeuten daß es auf die geringere oder größere Zahl nicht ankörnt, sondern zwei oder drei schon eine Jüngergemeinde bilden können, in deren Mitte Jesus im Geiste gegenwärtig ist. Auf der Gegenwart Jesu in der Vereinigung beruht die Erhörung des Gebetes, indem Jesus das- selbe bei seinem Vater im Himmel vermittelt. V. 21—35. Von der Versöhnlichkeit und dem Sohalks- kneohte. Die Warnung Jesu vor dem Aergernisgeben und die An- weisung über das Verhalten der Jünger gegen einen in Sünde gefalle- nen Bruder schlössen den Gedanken in sich, daß jeder Jünger auch bereit sein müsse, Sünden des Bruders, durch welche der Einzelne be- leidigt oder verlezt wird, zu vergeben. Aber die Bereitwilligkeit zu vergeben muß doch ihre Grenze haben, sonst kann sie mißbraucht wer- den. Diese Erwägung veranlaßte den Petrus, aus dem Jüngerkreise zu Jesu heranzutreten und ihn zu fragen: „Herr, wie oft wird mein Bru- der gegen mich sündigen und werde ich ihm vergeben? Bis siebenmal?'' Die beiden Futura sind nach hebr. Art coordinirt, in dem Sinne: wie oft darf es vorkommen, daß ich meinem Bruder, der gegen mich sün- diget, vergeben soll? Petrus nent Siebenmal, nicht blos als eine hohe Zahl, im Vergleich mit der talmud. Satzung BabyL Joma f. 86, 2, daß dreimal vergeben werden könne, nicht öfter, sondern als heilige Zahl nach ihrer symbolischen Bedeutung als Zahl der ViTerke Gottes. — V. 22. Aber Jesus entgegnet: „Nicht, sage ich dir, bis siebenmal, son- dern bis siebenzigmal sieben' '. Die Erklärung von eßöofiTjxovrcoag hjtrd ist streitig. Nach dem Vorgange von Hieron., Theophyl. erklären Matth. XVIII, 23—25. 383 Luther, Orot, de W,, Bleek, Kamph,: siebenzig mal siebenmal =490 mal. Da aber nicht ejcrdxig wiederholt, sondern dafür htrci gesezt ist, so erklären Orig., AugmU, ßeng,, Erv,, Mey,, Hlgf., Keim: bis 77 mal, unter Verweisung auf Gen. 4, 24, wo ^?3^T D'^sa«? d. i. sieben- zig und sieben = 77 mal in der LXX mit sßöofirjxovrdxig sjcrd über- sezt ist. Denn nach dem griechischen Gebrauche der Adverbialzahlen mttßte dies durch eocvä xal Ißöofirjxovxdxiq oder durch kßöofujxovra hcxdxiq ausgedrükt sein. Aber auch in der angef. Stelle der LXX ist die Erklärung noch streitig und Luthers Uebersetzung in unserem V. noch keineswegs als unrichtig dargethan. ^ Für den Sinn unseres V. ist die Differenz nicht von erheblicher Bedeutung, da die Zahl 77 oder 70 X "^ (mal) nur den Gedanken: unzählige Male ausdrücken soll. So oft dein Bruder gegen dich sündigt und um Vergebung bittet, solst du ihm vergeben, wie schon Theophyl. richtig erklärt hat. V. 23—35. Las Gleichnis vom Schalksknechte. Um die unbe- grenzte ViTilligkeit zum Vergeben den Jüngern recht einzuprägen, er- läutert Jesus die dem Petrus gegebene Antwort durch ein Gleichnis. 6id zovto verknüpft die folgende Parabel mit dieser Antwort; und wird von Sommer treffend so erläutert: ,Darum weil die unbegrenzte Willigkeit zum Vergeben Pflicht ist, hat sich das Himmelreich so ge- staltet, daß dereinst für sich keine Vergebung finden wird, wer nicht willig gewesen ist, seinem Mitbruder zu vergebend Ueber cofioicidfi fl ßaa. r. ovg. s. zu 13, 24. Das Himmelreich ist gleich geworden einem menschlichen Könige, der mit seinen Knechten abrechnen wolte. övvalQBiv X&YOv raMonem conferre, Rechenschaft halten, abrechnen; außer hier noch 25, 19, sonst nicht weiter vorkommend. Der König ist in der Parabel als avd'Qoojtoq bezeichnet, weil mit ihm der König des Himmelreichs, Gott der himmlische Vater verglichen wird. Der König hat seine Güter Knechten zur Verwaltung übergeben, worüber sie zur bestimten Zeit Rechnung abzulegen und den Ertrag ihm zu ent- richten hatten. — V. 24. Als die Abrechnung begann, wurde vor ihn geführt Einer, der ihm 10,000 Talente schuldig war. Eine unerschwing- liche Summe, da die Schuld, wenn hebr. Talente gemeint sind, über 75 Millionen Mark, wenn attische, über 45 Milliouen Mark betrug. So viel war eig einer ihm schuldig. — V. 25. Da er aber nicht hatte 1] Hieronymus übersezt Gen. 4, 24: septuagies septies^ was nicht füglich 77 mal, sondern nur 70 X 7 mal bedeuten kann. Diese Bedeutung hat Thiersch, de Pentat. vers. Alex. p. 91 s. auch für eßöofxrixovtaxis enta durch einen Beleg aus der neugriech. Schrift Hicxis (Venet. 1756) warscheinlich gemacht. Auch Kamphausen (das Gebet des Herrn S. 111. Anm.) hält mit El. für sicher, daß der griecL Ausdruck 70 mal 7 mal bedeute, obwol er da über seine in der AbhdI. über einige Stellen des 4. Cap. der Genes, in den Theol. Studien u. Erit. 1861 S. 121 f. versuchte Erklärung des n5att5l D"^»::!» 70 mal und zwar sieben d. i. 7 mal 70 urteilt, daß bei derselben die Schwierigkeit des i unleu£;bar sei; doch möchte er auch die Uebersetzung der LXX nicht für falsch erklären, da zur Feststellung des hebr. Sprachgebrauchs genügende Beispiele nicht vorliegen. — Was Ewald in Lehrb. der hebr. Spr. §. 269b u. Bibl. Jahrb. XI S. 108 darüber lehrt, reicht zur Entscheidung der streitigen Frage nicht aus. 384 Matth. XVIII, 26—32. zn bezahlen, befahl der Herr, daß er mit Weib und Kindern and aller seiner Habe verkauft und daß bezahlt würde. Der Befehl entspricht dem mosaischen Rechte, Ex. 22, 2. Lev. 25, 39. 45. Vgl. m. BibL Archäol. §. 112. Not. 1 u. §. 154 (S. 728). Das xal dxoöadijvai drükt den Wortlaut des Befehls ans, wobei davon abgesehen ist, dkfi der Er- lös von dem Verkaufen zur Tilgung der Schuld nicht hinreichen würde, weil es nur darauf ankam zu zeigen, wie der König sein Recht fordert. — V. 26. Da fiel der Knecht vor dem Könige nieder und bat: „Habe (Geduld mit mir und ich will dir alles bezahlen^S In seiner Herzens- angst verspricht er mehr als er zu leisten vermag. — V. 27. Der Herr aber hatte Erbarmen mit dem Knechte und ließ ihn los; und die Schuld erließ er ihm. aTteXvOBv (xvt, er ließ ihn los, statt ihn als Sklaven festnehmen und verkaufen zu lassen. x6 ödvBiov das Darlehen, hier die Schuldsumme, sofern sie in Geld und Gut bestand, das der König ihm zur Verwaltung anvertraut hatte. — V. 28. Diese ihm zuteil ge- wordene Gnade des Königs hätte den Knecht zum Mitleide gegen alle seine Mitknechte stimmen sollen. Aber als er vom Könige weggegan- gen war, fand er einen seiner Mitknechte, der ihm hundert Denare schuldig war, etwa 70 Mark — eine im Vergleiche mit der ihm erlis^ senen Schuld höchst geringfügige Summe, die er dem Schuldner hätte erlassen sollen. Aber er war hartherzig, nahm den Mitknecht fest {7CQixt7]öag\ würgte ihn und sprach: „Bezahle, wenn du was schuldig bist". sjtvLyev eig. erstikte ihn, steht hier wie dyxuv bei den Grie- chen: würgte ihn, indem er ihn bei der Gurgel packte, um ihn vor Ge- richt zu schleppen, ä xi (nach ^BCD al. die ursprüngliche Lesart, statt des nur von Minusk. bezeugten o xt) ist nicht gleichbedeutend mit o ti, auch nicht wie das bedingende si quid Ausdruck griechischer Ur- banität (Fritzsche, Olsh., de W,)^ die hier ganz ungehörig wäre, oder der Ungewißheit über den Betrag der Schuld, was gegen den Context wäre, sondern Ausdruck rücksichtsloser Strenge oder ,unbarmherziger Logik' eines Menschen, der ohne Rücksicht auf den besonderen Fall nur sein Recht verlangt, wobei auf dem djtoöoq der Nachdruck liegt: Bist du was schuldig (und das ist der Fall), so mußt du bezahlen (Mey,, Weiss). — V. 29 f. Der Mitknecht bat seinen Gläubiger ähnlich, wie dieser den König um Nachsicht und Geduld gebeten hatte; aber der- selbe wolte nicht, sondern ging fort, warf den Schuldner ins Gefängnis, bis er die Schuld bezahlt haben würde. — V. 31. Ueber dieses Ver fahren wurden die Mitknechte, die es gesehen hatten, sehr betrübt, und zeigten die Sache ihrem Herrn (dem Könige) an. V. 32 ff. Da ließ der Herr den hartherzigen Knecht vor sich kommen, hielt ihm vor, wie er, nachdem ihm so große Barmherzigkeit widerfahren sei, auch gegen sei- nen Mitknecht Barmherzigkeit hätte üben und die Schuld ihm erlassen sollen, und ließ dann im Zorne ihn den Peinigem übergeben, bis er seine ganze Schuld ihm bezahlt haben werde, wobei nicht weiter in Betracht gezogen wird, ob ihm dies auch möglich sein würde. Bei xolq ßaCavi- öxalq den Folterern (4 Makk. 6, 11) hat man nicht blos an die Ker- kermeister zu denken, die ihn ins Gefängnis setzen selten {Grot, de W.)i Matth. XVin, 33—35. 385 sondern der Ausdruck ist gewählt, um anzudeuten, daß der hartherzige Schuldner durch Folterqual zum Bezahlen gezwungen werden sqU, zu- nächst als Ausdruck des unbarmherzigen Gerichts ( fFeiss)^ dann aber auch als Hindeutung auf den ßaöavog der Qehenna, welchem der Un- barmherzige anheimfält (Mey.), In y. 35 gibt Jesus selbst die Anwendung: „Also wird auch mein himmlischer Yater euch thun, wenn ihr nicht vergebet ein jeglicher seinem Bruder von Herzen", cbto rc5v xagöicov v(i(5v von euren Her- zen her d. h. so, daß euer Herz im Gefühle der empfangenen göttlichen Barmherzigkeit bewogen und getrieben wird, dem Bruder seine Fehler und Sünden zu vergeben. In dieser Anwendung ist nur der Grundge- danke der Parabel, wie schwere Strafe derjenige sich zuzieht, der nicht von Herzen bereit ist, seinem Bruder zu vergeben, hervorgehoben, da- mit aber der volle Inhalt derselben nicht erschöpft. Denn in der Aus- führung des Gleichnisses tritt daneben noch deutlich der Gedanke her- vor, daß jede Schuld, die wir dem Bruder vergeben sollen, gegenüber der anendlich großen Schuld, welche der himmlische Vater uns erlassen, nur eine Kleinigkeit ist. — Der König, der mit seinen Knechten Ab- rechnung hält, ist Gott; seine Knechte sind im Allgemeinen alle Men- schen, insonderheit aber die Christen, die nicht nur alle Güter und Gaben, die sie besitzen, von ihm empfangen, sondern auch durch die Erlösung, so durch Christum geschehen, unendliche Barmherzigkeit er- fahren haben. Der Tag der Abrechnung ist die Zeit des jüngsten Ge- richts, an welchem alle Menschen über die Verwendung der empfange- nen Güter Rechenschaft werden ablegen müssen und vor Gott als Schuldner gestelt werden. Die Schuld, die wir als Sünder auf uns ge- laden haben, ist so groß, daß keiner sie bezahlen kann. Wolte Gott mit uns nach dem strengen Rechte handeln, so würde jedermann mit Leib und Leben der ewigen Pein verhaftet sein. Aber Gott ist barm- herzig. Er erläßt die Schuld jedem, der ihn um Gnade anfleht. Diese Gnade, die Gott uns erzeigt, soll aber unser Herz rühren, daß wir Mit- leid und Erbarmen gegen unsere Brüder üben. Wer hingegen hart- herzig gegen seinen Mitmenschen ver&hrt, der empfängt am Tage des Gerichts von Gott keine Gnade, sondern zieht sich das Zorngericht der ewigen Pein zu, da er die ganze Schuld (beachte jtäöav t^p 6q)£iXi]v und jtäp x6 oq>6iX6fi€vov v. 32 u. 34) nimmermehr bezahlen kann. Keilf Comm. z. Evangel. Matth. 25 386 Matth. XIX-XXV. Jesu Wirken in Judäa und Jerusalem und die Voll- endung seines Werkes durch Leiden, Tod mid Auferstehung. Cap. XIX — ^XXVnL Nachdem Jesus in Galiläa sich darch Lehren and Thaten so mäch- tig als Heiland and Erlöser Israels bezeugt hatte, daß nicht nur seme Jünger ihn als den Christ, den Sohn des lebendigen Gottes erkant und bekant hatten, sondern auch das auf den Trost Israels harrende Volk ihn als den erwarteten Messias erkennen konte, brach er mit seinen Jüngern von Galiläa auf und zog nach Judäa, um in Jerusalem durch Lei- den, Sterben und Auferstehung das Werk der Erlösung zu yollbringen. Der Bericht, welchen Matth. nach dem S. 11 ff. aufgezeigten Plane seines Evangeliums über die messianische Bezeugung Jesu in Judäa and Jerusalem durch Lehren, Thun und Leiden gibt, zerf^t dem geschicht- lichen Verlaufe der Ereignisse entsprechend in zwei Abschnitte: Leine übersichtliche Zusammenstellung der Vorgänge und Lehren, wodurch Jesus sich auf dem Wege nach Judäa und dann in Jerusalem als den verheißenen König des Himmelreichs kundgab; 2. eine Geschichte des Leidens und Sterbens und der Auferstehung Jesu, in welcher die Mo- mente hervorgehoben sind, durch welche er sich in seiner tiefsten E^ niedrigung vor allem Volke als Gottes Sohn erwies und von seinem himmlischen Vater erwiesen wurde. 1. Jesu Reise nach Judäa und messianische» Auftreten in Jerosalent Cap. XIX-XXV. So deutlich auch in c. 19, 1 der Aufbruch Jesu von Galiläa, am durch Peräa nach Judäa zu gehen, berichtet wird, so wird doch über die Reise selbst nichts erzählt, und bis zu seiner Ankunft in Jericho kurz vor dem Pascha (20, 20) nur ein Gespräch mit den Pharisäwn über die Ehescheidung, die Segnung der zu Jesu gebrachten Eindlein, das Gespräch mit dem reichen Jüngling über das Gute^ die den Aposteln erteilte Verheißung über den Lohn seiner Nachfolge (19, 3—30), das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberge (20, 1—16), die nochma- lige Verkündigung des in Jerusalem ihm bevorstehenden Todes und sei- ner Auferstehung (20, 17—19), die Bitte der Zebedäiden um den Ehrenplatz im messianischen Reiche mit der Antwort Jesu (20, 20—28) und die Heilung zweier Blinder bei Jericho (20, 29-34) mitgeteilt. Diese Vorgänge und Lehren Jesu sind auch von Mark. (c. 10) und Luk. (c. 18, 15-43) in gleicher Aufeinanderfolge aus der Zeit seiner Reise nach Jerusalem zum Todesleiden erzählt, nur mit Weglassnng des Gleichnisses von den Arbeitern im Weinberge, welches beide nicht ha- ben, und des Gespräches mit den Pharisäern über die Ehescheidung, sowie der Bitte der Zebedäiden, welche blos Luk. übergangen hat Hiernach schon kann es nicht zweifelhaft sein, daß dieselben nach treuer geschichtlicher Erinnerung in diese Zeit verlegt sind. Damit steht Matth. XIX, 1 2. 387 auch der Lehrgehalt dieser Vorgänge und Gespräche in schönstem Ein- klänge. Denn sie zielen sämtlich darauf ab, die Jünger über die we- sentlichen Erfordernisse zur erfolgreichen Ausrichtung ihres apostoli- schen Berufis zu belehren, ihre volkstümlichen Erwartungen von der baldigen Aufrichtung des messianischen Herrlichkeitsreiches zu be- richtigen und sie für den ihnen noch unbegreiflichen Ausgang des irdi- schen Lebens Jesu durch Leiden und Tod zur Auferstehung in Herr- lichkeit geistig zu rüsten. — Ueber das messianische Auftreten und Wirken Jesu in Jerusalem s. das Nähere in den Vorbemerkungen zu c. 21. Cap. XIX. Gespräch über Ehescheidung und Ehe; Seg- nung der Kinder; der reiche Jüngling; der Lohn der Nachfolge Jesu. In V. 1. u. 2 (vgl. Mrc. 10, 1) leitet Matth. mit der ihm geläufigen Formel xal iydvsTO ors hsXsasv xrX. (vgl. 7, 28. 11, 1. 13, 53) den Bericht von der Reise Jesu nach Judäa zur Vollendung seines Werkes auf Erden durch Leiden, Tod und Auferstehung ein. Von Galiläa sich vreghegebend zog Jesus in die Grenzen Judäa's, jenseit des Jordans. nigav Tov logödvov gehört nicht zu 7ov6alag als nähere Bestim- mung der Oertlichkeit in Judäa, wohin Jesus zog, sondern zu fjX^sVf den Weg angebend, welchen Jesus von Galiläa nach Judäa einschlug. Er reiste nicht auf dem geraden und nächsten Wege durch Samaria, sondern auf der Ostseite des Jordan, durch Peräa in das Gebiet von Judäa. Da Matth. f&r Leser seines Evangeliums schrieb, die mit den geographischen Verhältnissen Palästina's bekant waren, so konte er sich, ohne Mißverständnisse zu befürchten, ungenau ausdrücken. Diese Ungenauigkeit der Ausdrucksweise berechtigt daher nicht zu der Fol- gerung (von Delitzsch, N. Unterss. S. 51), daß unser (griechisches) Evangelium im Ostjordanlande abgefaßt sei; da fiXB-ev ja nicht blos ktmifnen, sondern auch gehen bedeutet, im Griechischen wie im Helle- nistischen, wo es dem hebr. Mia entspricht. ^ V. 2. Wie allenthalben S Unbegründet ist auch die Meinung von Mey., daß sich die Erzählung atth. und Mark, weder mit Luc. 9, 51 u. 17, 11, womach Jesus diesseit des Jordan reiste, vereinigen lasse, noch mit dem Berichte des Johannes, nach welchem er 10, 22 nicht nach Jerusalem reist y sondern daselbst ist und v. 40 einen kurzen Aufenthalt in Peräa von Jerusalem aus nimt. Denn Luk. berich- tet in keiner der angeführten Stellen, daß Jesus die Keise nach Jerusalem zu seinem Todesleiden diesseit des Jordan gemacht habe, sondern sagt in 9, 51 if. nur, daß Jesus, als er sein Angesicht darauf gerichtet, nach Jerusalem zu gehen, Boten vor sich her in einen Flecken der Samariter sandte, ihm Herberge zu be- stellen, die Samariter aber ihn nicht aufnahmen, so daß sie in einen andern Flecken zogen; und in 17, 11, daß Jesus während des Beisens nach Jerusalem durch die Mitte von Samaria und Galiläa d. h. zwischen beiden Landschaften auf der Grenze durchzog, woraus Mey» schloß, daß Jesus auf der Grenze von Samaria und Galiläa querdurch ostwärts hin an den Jordan gereist und dann am Jordan herunter nach Jericho gelangt sei. Aber zu der Ergänzung : bis an den Jordan u. s. w. fehlt im Texte jede Berechtigung, da XiUk. zwar das Ueber- 26* 388 Matth. XIX, 3. folgten Jesu aueh auf dem Wege jenseit des Jordan viele ox^oi, and er heilte sie dort, avrovg nämlich die Kranken, wie 12, 15, in nicht präciser Ausdrucksweise, vgl. Winer S. 139. €xel d. i. jenseit des Jor- dans. Statt des Heilem erwähnt Mark, wieder wie in 6, 34 das didir ÖX61P, s. zu 14, 14. V. 3—12. Ueber Ehescheidung und Ehe. Vgl. Mrc. 10, 2—12. Die Verhandlung Jesu mit den Pharisäern über die Ehescheidung be- richtet Matth. hauptsächlich wegen des durch dieselbe veranlaßten Ausspruchs des Erlösers über die Ehe (v. 10—12), in welchem die heilsgeschichtliche Bedeutung dieser Geschichte liegt. V. 3. Pharisäer legten Jesu, ihn versuchend, die Frage vor: „Ob es erlaubt sei, sein Weib zufolge jeden Grundes zu entlassen^'. Ueber sl bei directen Fra- gen 8. zu 12, 10. dvd-Qcijtq) (hinter s^eoziv) fehlt in ^*BLraL und ist deshalb von Lehm. u. Tisch. 8 getilgt, auch wol nur aus v. 5 ergänzt Wenn es unecht ist, so ist das Nomen, worauf (t^v y^v.) amov sich bezieht, nämlich der Ehemann, aus dem Inhalte der Frage zu entneh- men. Das Versuchliche der Frage {jieiQaC^ovxeq) lag in Tcaxä jtäcav ahlav, weil die Ansichten der Schriftgelehrten über diesen Punkt divergirten. Das mos. Gesetz enthielt darüber keine deutliche Bestim- mung, sondern sezt Deut. 24, 1 ff. die Scheidung als altes Herkommen unter dem Volke voraus, wenn die Frau in den Augen des Mannes nicht Gnade findet, weil er an ihr ^^^ w*J» aoxrjfiov jtQar/iia (LXX) gefun- den hat. Diese Worte erklärte die Schule des Schammai^ den Accent auf rii^^ nuditas, turpitudo legend, rem nudiiatis oder turpUudms, und verstand darunter Hbidinem, lasciviam, impudicitiam; die Schule des Hillel dagegen erklärte denselben: turpitudinem rei alicuiics in dem Sinne: propier rem turpem et marito ingratam, auch wol: sive oh tur- pitudinem sive oh rem causamve aut rationem qualemcunque, wornach der Mann sein Weib entlassen konte, si edulium dumtaxat ei adicsserit. Noch weiter ging B. Akiha, welcher die Worte: ,wenn sie nicht Gnade findet in seinen Augen' premirend, die Scheidung für zulässig hielt, wenn eine andere Frau dem Manne besser gefiel, vgl. Mischn. Gittin c. 9 § 10 (ed, Surenh. III p. 358), Die laxere Ansicht der Hillel- schen Schule drücken Onkelos u. Targ. Jonath, mit der Uebersetzung Dane n^i^^n» ,Uebertretung in einer Sache' aus. Sie galt als Halacha schreiten des Jordans nicht ausdrücklich erwähnt, aber eben so wenig sagt, daß Jesus diesseit des Jordan, nämlich im Jordanthale hin gereist sei. Ueber den Weg, welchen Jesus von der Grenze Samaria's und Galiläa's ab nach Judas einschlug, sagt Luk. gar nichts aus, und der vermeintliche Widerspruch semtf Berichts mit dem des Matth. u. Mark, ist nur durch willkürliche Bestumnniig der Keiseroute von den Auslegern in den Text eingetragen. Ebenso wenig ist in der Angabe Joh. 10, 22, daß Jesus am Tempelweihfeste (den 23.E[islev) d. i. fast 4 volle Monate vor dem Pascha in Jerusalem war und in der Halle Salomo'fl lehrend auftrat, irgend etwas enthalten, was mit dem Berichte des Matth. über Jesu Aufbruch von Galiläa und seine Keise nach Jerusalem unvereinbar wäre, falls man nur nicht unter gänzlicher Verkennung der Anlage des Matth-Er. sich einbildet, daß Jesus bis etwa 10 oder 14 Tage vor dem Pascha in Galiläa geblieben und dann ohne Aufenthalt nach Jericho und von da weiter nach Jero- salem gezogen wäre. Matth. XIX, 4^6. 389 d. h. wurde gesetzliche Praxis und wird auch von Joseph, und Philo vorgetragen. S. die Belege hiefür bei ßuxtorf fil De sponsalibus et divori. p, 88 ss., Seiden, Vxor ehr, III c. 18 u. 20 pag. 312 s. u. 328 SS., Lighif. hör. ed Matth. 5, 31 u. Tholuck, die Bergrede, zu Matth. 5, 31. Diese Ansicht liegt auch dem xaxa jcäoap ahlav der Frage der Pharisäer zu Grunde, welche damit Jesum versuchen wolten, indem sie voraussezten, daß er nach seinen ernsten sittlichen Grund- sätzen fOr die beim Volke nicht beliebte strengere AuiOfassung des Gesetzes entscheiden werde. Matth. hat übrigens, wie Mey. richtig ge- gen Weiss u. Keim bemerkt, die Frage in ihrer ursprünglichen Form aufbehalten und Mark, sie, mit Bücksicht auf die heidenchristlichen Leser seines Evang., die mit den rabbinischen Schulsatzungen unbekant waren, durch Weglassung des xara jtäoav ahlav verallgemeinert und demgemäß den Hinweis der Pharisäer auf das mos. Gesetz vorange- stelt, um den Ausspruch Jesu über die göttliche Ordnung der Ehe im Zusammenhange mitzuteilen. In der allgemeinen Form der Relation des Mark, wäre die Erage für Jesum gar nicht versuchlich gewesen, da die Pharisäer nicht erwarten konten, daß er eine dem mosaischen Ge- setze widersprechende Antwort geben würde. — V. 4 f. Auf die rabbi- nischen Schulansichten ließ sich Jesus nicht ein, sondern belehrte seine Gegner aus der Schrift: „Habt ihr nicht gelesen, daß der Schöpfer von Anbeginn sie (die Menschen) als Männlein und Fräulein geschaffen hat, und gesprochen: Darum wird ein Mensch den Vater und die Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen, und die Zwei werden ein Fleisch sein?'' Auf die Erschaffung der Menschen zurückgehend rief er seinen Gegnern die Aussprüche der Schrift darüber ins Gedächtnis. Nämlich Gen. 1, 27, daß Gott die Menschen ^Is Männliches und Weib- liches d. h. als ein geschlechtliches Paar geschaffen hat (zu 6 Jtoi^öag ist das nach kjtob]06V folgende avrovg hinzuzudenken und avrovg nicht näher bestimt, weil jeder schriftkundige Hörer wußte, daß die angeführten Worte von der Menschenschö^pfixTig handeln). Damit ver- band der Herr (v. 5) aus der Erzählung von der Erschaffung des Wei- bes Gen. 2, 21 ff. die Worte v. 24: „darum wird ein Mann (ttJ'^st jeder) seinen Vater . . . verlassen" u. s. w., die er, obgleich von Adam gespro- chen, doch mit xal ehtev „und er (d. i. Gott) sprach" als Worte Got- tes anführt, weil sie in der von Gott inspirirten Schrift stehen, wie sie auch 1 Eor. 6, 16 vom Apostel angeführt sind, tvexev (oder evsxa nach ^ßLZ) rovrov bezieht sich in Gen. 2, 24 auf die Bildung des Weibes aus der Rippe des Mannes, ol ovo die beiden genanten Per- sonen: Mann und Weib, fehlt im Grandtexte, ist aber schon in der LXX zur Verdeutlichung eingeschoben. eGovxat tlg ödgxa [ilav zu einem Fleische werden bezeichnet die Verbindung zu geistleiblicher Einheit, die vermöge der geschlechtlichen Gemeinschaft zu Stande komt und von Gott durch die Schöpfung begründet ist. — V. 6. Aus dieser Schriftlehre zieht Jesus den Schluß: „Also sind sie nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch", und weiter in Bezug auf das Wesen der Ehe die Folgerung: „Was nun Gott zusammengefügt hat, soll ein Mensch nicht 390 Matth. XIX, 7-9. scheiden". — V. 7. Dagegen wandten die Pharisäer ein: „Wie nim hat denn Moses geboten, einen Scbeidebrief zu geben und zu schei- den?" (cbcoXvöai das Weib zu entlassen). Ovv eine Folgerung ans dem Vorhergehenden ausdrückend: Wenn es sich nun so verhält, daB Gott Mann und Weib zusammengefügt hat, wie konte dann Moses . . . befehlen. Dieser Einwurf ist aus Deut. 24, 1 entnommen, wo Moses das Schreiben eines Scheidebriefes und das Entlassen des Weibes, als zum Vollzuge der Scheidung erforderlich erwähnt, aber weder die Aus- stellung eines Scheidebriefes noch die Entlassung des Weibes geboten hat. V. 8. Jesus erwiderte daher: „Moses hat in Hinsicht auf eure Hartherzigkeit euch gestattet {ijthQstpev), eure Weiber zu entlassen^^ CTcXrjQOxaQÖla ist die Gesinnung oder Herzensstimmnng, die sich nicht zur Milde, Nachsicht und Versöhnlichkeit bewegen läßt. „Von Anfang (von der Schöpfung her) ist es nicht also geschehen'', ovrmg also, nämlich daß die Frau mittelst Scheidebriefs entlassen werden durfte. Mehr als eine Gestattung der Ehescheidung ist auch in der angezoge- nen Stelle des Deut, nicht enthalten; denn Moses erwähnt dort die Scheidung nur, um durch eine gesetzliche Vorschrift über die Rttkkehr des entlassenen Weibes zu ihrem ersten Manne der leichtfertigen Ehe- scheidung zu steuern; vgl. m. Comm. z. d. St. Jene uranfängliche Got- tesordnung ist also durch Mosen nicht aufgehoben, wenn er wegen der sittlichen Verhärtung des Volkes die zu seiner Zeit übliche Entlassung des Weibes mittelst Scheidebriefes zuließ. V. 9. Nach Abweisung des aus Deut. 24, 1 f. gefolgerten Rechtes zur Ehescheidung beantwortet Jesus die ihm (v. 3) vorgelegte Frage dahin: „Ich aber sage euch: wer sein Weib entläßt außer auf Grund von Hurerei, und freiet eine andere, der bricht die Ehe". So hatte er sich über die Ehescheidung bereits in der Bergrede 5, 32 ausgespro- chen, wo wir diesen Ausspruch schon erklärt haben. Statt fi^ ijd JtoQVsla hat Lehm, nach BD, Minusk. jtagexrdg Xoyov jtOQvslag auf- genommen, das offenbar nur aus 5, 32 hieher gekommen ist. Auch der Zusatz: xal 6 duioXsXviiivrjV yaiirioaq ^oixoxai fehlt in ^C^DLSäl. und ist von Tisch, 8 gestrichen. Er scheint gleichfalls nur aus 5, 32 herübergenommen zu sein, obwol BCUNZaL ihn haben. In 5, 32 war der Ausspruch, daß auch derjenige, welcher eine Geschiedene freiet, Ehebruch begeht, für den Gedankenzusammenhang unentbehrlich; hier dagegen, wo es sich blos um die Frage nach den Gründen der Ehe- scheidung handelte, genügte die Erklärung, daß jede Ehescheidung außer der wegen Hurerei Ehebruch sei, vollständig. Darum ist auch die Vermutung, daß der ganze Satz nur infolge des Homoioteleuton liOLX^xai ausgefallen sei, nicht sehr warscheinlich. Der Umstand aber, daß Mark, in v. 12 diesen Zusatz hat, liefert für die Echtheit desselben bei Matth. auch keinen Beweis. Denn da Mark, die Bergpredigt weg- gelassen hat, so lag es ihm nahe, bei dem hier gebotenen Anlasse, Jeso Lehre über die Ehe und Ehescheidung vollständiger mitzuteilen.* Aehnlich ist über Luc. 16, 18 zu urteilen. 1) Selbst unter Voraussetzung der Abhängigkeit des Matth.-Berichtes von MAtth. XIX, 10. 11. 391 y. 10—12. Der ernste Ausspruch Jesu über die UnauflOslichkeit der Ehe als einer göttlichen, durch die Schöpfung begründeten Ord- nung macht den Jüngern das Eingehen der Ehe bedenklich, und ver- anlaßt sie — ohne Zweifel privatim nach dem Weggange der Phari- säer — das Bedenken gegen ihn auszusprechen: „Wenn es sich also verhält mit der Rechtssache des Menschen mit seinem Weibe, so frommt es nicht zu heiraten'S ^ alrla heißt Grund, Ursache, cama aber nicht im Sinne von res = Sache oder Verhältnis — diese Bedeu- tung des Wortes ist nicht nachweislich — sondern in dem Sinne von Bechtssache oder Bechtshandel, da hier der in v. 9 erwähnte einzige Ornnd {alrla) zur Scheidung gemeint ist. Wenn der Mann — wollen die Jünger sagen — so mit seinem Weibe verbunden ist, daß er aus keinem anderen Grunde als wegen Ehebruch sich von ihr scheiden und, ohne Ehebruch zu begehen, eine andere nehmen darf, so ist es nicht zuträglich zu heiraten, um sich nicht der Gefahr auszusetzen, lebenslänglich an ein Weib gebunden zu sein, mit dem man nicht glück- lich und in Frieden leben kann. Darauf antwortet der Herr v. 11: „Nicht alle fassen dieses Wort, sondern die, denen gegeben ist'' sc. es zu fassen, xcogelv fassen d. h. geistig auftiehmen, nicht blos ,mit der Intelligenz', sondern auch im Herzen sich aneignen als Maxime für das Leben. Die Entgegensetzung von Urteil und Maxime {Weiss) liegt we- der in dem Worte, noch im Contexte. Tbv Xoyov xovrov bezieht sich nicht auf das folgende Wort Jesu (ßeng., de W,, Bleek\ da dieses ja mit yoLQ als das Gesagte begründend eingeführt wird; aber auch nicht, wie die meisten AusU. annehmen, auf das Wort der Jünger: ov av^- q>iQBi Yafi^öac; denn die Aeußerung, daß wenn es sich mit der Ehe so verhalte, das Ehelichwerden nicht fromme, war kein so tiefsinniger und schwer faßlicher Gedanke, daß ihn nur diejenigen fassen können, denen dem des Mark, würde sich aus dem angegebenen Grunde die Weglassung des fraglichen Zusatzes bei Matth. hinreichend erklären. Aber die Gründe, welche Weiss und zum Teil auch Mei^. (zu v. 7) für die Ursprünglichkeit der Relation des Mark, geltend gemacht, smd nicht dazu angethan, der Urmarkushypothese eine haltbare Stütze zu leihen. Die Umstellung des Herganges des Gesprächs Jesu mit den Pharisäern bei Mark., wornach Jesus auf die Frage der Pharisäer, ob es dem Manne erlaubt sei, sein Weib zu entlassen, mit der Ge^nfrage „was hat Moses euch geboten" (eyeteiXazo)? antwortet, und die Phansäer dann sa- gen: „Moses hat uns gestattet (instgsipa), einen Scheidebrief zu ^eben", darauf aber Jesus entgegnet : „In Bezug auf eure Hartnäckigkeit hat Moses euch die- ses Gebot geschrieben; von Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie als Männ- Idn und Fräulein geschaffen u. s. w." — diese Umstellung mit der Abweichung, daß die Pharisäer das Schreiben des Scheidebriefes als ein Gestatten {inttge' . neiy) bezeichnen, Jesus aber von einer eVroAi} redet, hängt damit zusammen, daß es Mark nicht darauf ankam, zu zeigen, wie Jesus die pharisäische Eecht- fertigung der Ehescheidung widerlegte, sondern nur darauf, den Heidenchristen deutlich zu machen, dai^ im mos. Gesetze die Ehescheidung um der Herzens- härtigkeit des Volkes willen gestattet war, nach dem in der Menschenschöpfung ausgesprochenen Gotteswillen aber die Ehe unauflöslich sein soll. Aus diesem Grunde ließ Mark, auch den Bescheid Jesu mit der Frage nach dem mosaischen Gebote anheben, und Jesum auf das BnBXQB%pB der Pharisäer keine Rücksicht n^men. 392 . Matth. XlX, 12. es von Gott gegeben ist. Sondern Jesus meint seinen Aussproch Aber die Ehe, ihre göttliche Einsetzung und Unlösbarkeit, , welchem zum Zwecke der Berichtigung des Eindruckes, den er auf die Jttnger ge- macht hat, die v. 12 folgende Erläuterung gilt^ {v. Hofm. Schriftbew. II, 2 S. 410 f.). Bedenklich wäre nämlich das Ehelich werden nur unter der Voraussetzung, welche die Jünger hegten, daß die Ehe, weil in dem Schöpferwillen Gottes als unauflöslich begründet, das höchste Ziel des irdischen Lebens sei, oder daß jeder Mann eine Ehe eingehen solle und unehelich zu bleiben an sich oder unter allen Umständen wider Gottes Willen sei. Diese Voraussetzung zu widerlegen ist der Zweck des mit ycLQ eingeführten Satzes, in welchem ausgesprochen wird, daß es aueh Männer gibt, die teils aus physischen Ursachen sich der Ehe enthalten müssen, teils um des Himmelreichs willen sich derselben enthalten. Es gibt svvovxoi Entmannte, die von Mutterleibe her so geboren sind d. h. denen die physischen Organe und Kräfte zur Pflege der ehelichen Gemeinschaft fehlen, und solche, die durch Menschen entmannt dh. der physischen Zeugungsorgane beraubt worden sind. Es gibt auch Entmannte, die sich um des Himmelreichs willen entmannt d. h. des geschlechtlichen Umganges entäußert haben. Daß in diesem lezten Satze svvovxog und svvovxl^siv in tropischem Sinne gebraucht ist, wird allgemein anerkant, so daß die buchstäbliche Auffassung, der zu- folge Origenes sich selbst entmannt hat, als Mißverständnis und geist- liche Verirrung zu betrachten ist. In dem Hinweise auf diese aus dem Leben gegriffenen Fälle ist der Gedanke enthalten, daß Ehelichwerden nicht für jeden Mann unbedingte Pflicht sein könne. Wem von Geburt an das Zeugungsvermögen fehlt, dem hat Gott das Eingehen der Ehe versagt; und wer um des Himmelreichs willen d. h. um sein Leben ganz dem Dienste des Reiches Gottes zu widmen, sich der Ehe und ehelichen Gemeinschaft enthält, der erachtet die Förderung des Himmelreiches für ein höheres Ziel des irdischen Lebens als die Eheschließung und den Genuß des ehelichen Glückes. Den mittleren Fall, die Entman- nung durch Menschen, erwähnt Jesus nicht blos um der Vollstän- digkeit der Aufzählung aller vorkommenden Fälle willen, sondern wol auch um anzudeuten, daß auch die durch menschliche Sünde auferlegte Enthaltung der Ehe den Menschen nicht unfähig macht, den sittlichen Lebenszweck zu erfüllen. Die Lehre, welche der Herr mit dem Hinweise auf die angeführten Fälle seinen Jüngern geben wolte, lag nicht auf der Oberfläche. Daher fügt er hinzu: „Wer es zu fassen vermag, fasse es". Das Schwerfaß- liche lag weniger in der aus diesen Fällen resultirenden Warheit, daß das Ehelichwerden nicht das höchste Ziel des menschlichen Lebens sei, sondern hauptsächlich darin, wie die Jünger Christi den ihnen vorge- zeichneten Beruf, alle Kräfte Leibes und der Seele dem Dienste des Reiches Gottes zu widmen, mit dem in der göttlichen Schöpferordnung begründeten Ehestande in Einklang zu bringen haben. Uebrigens wolte Jesus mit seinem Ausspruche den Jüngern weder das Ehelichwe^ den versagen, noch die ,ethische Selbstentmannung' d. h. den freiwil- MattL XIX, 13—15. 398 ligen Verzicht auf die Ehe um des Himmelreiches willen vorschreiben, noch auch damit sagen, daß ,nur denen gegeben ist, der schriftgemäßen Lehre von der Unlösbarkeit der Ehe bei sich Raum zu geben, welche sich selbst verschnitten haben um des Himmelreichs willen' (Hofin. a. a. 0.). Denn durch freiwilliges oder unfreiwilliges Verzichten auf die Ehe wird die Unlösbarkeit derselben weder theoretisch noch prac- tisch erkant. Und der Satz, daß es solche gibt, die sich um des Him- melreiches willen verschnitten haben, enthält kein Gebot der Ehelosig- keit. Noch viel weniger läßt sich daraus der Gölibat als ein wesent- liches Erfordernis für den geistlichen Stand oder gar als ein Vorrecht desselben herleiten. Wie das Wort des Herrn über die Ehe und die Ehelosigkeit richtig zu verstehen und practisch auszuführen sei, dazu gibt der Apostel Paulus in 1 Kor. 7, 1—9. 17-19. 26—38 vgl. mit 1 Kor. 9, 5 die erforderliche Anleitung. V. 13-15. Die Segnung der Kindlein. Vgl. Mrc. 10, 13-16. Luc. 18, 15 — 17. Mit einem einfachen rore wird die folgende Bege- benheit angereiht, welche den Jüngern die Stellung der Kinder zum Himmelreiche klar machen soll. Kleine Kinder wurden Jesu zugeführt, damit er die Hände auf sie lege und bete, d. h. durch Handauflegung und Gebet ihnen göttlichen Segen zuwende. Das Gebet des Mannes, der so staunenswerte Wunder verrichtete und vielen Elenden und Hilfsbedürftigen wunderbar in ihrer Not geholfen hatte, hielt man für besonders wirksam (Joh. 9, 31), so daß Eltern den Segen desselben ihren Kindern zuwenden weiten. Die Handauflegung aber war uralter Gebrauch als Mittel der Uebertragung erbeteten Segens, vgl. Gen. 48, 14. Act. 6, 6. Die Jünger hingegen meinten wol, daß kleine Kinder von dem Gebete Jesu, das sie nicht verständen, keinen Nutzen haben kOnten, und erblikten in diesem Begehren der Leute eine unnütze Be- helligung ihres Meisters und Störung seiner Lehr- und Heilthätigkeit, und bedrohten oder schalt n daher die Leute (avzolg ist ad senmm auf das in jtQogrjvexOTjOav enthaltene Subject bezogMi). — V. 14. Aber Jesus sagte ihnen: „Lasset die Kindlein und hindenKsie nicht zu mir zu kommen, denn solcher ist das Himmelreich'^ Tocomoop sind nicht die Jesu zugeführten Kinder, sondern Menschen, welche kindlichen Sinn und Charakter haben; vgl. 18, 8. Wenn demnach die kindliche Gesinnung ein wesentliches Erfordernis ist, um des Himmelreiches teil- haftig zu werden, so kann der Erlöser auch die Kinder nicht blos als Vorbilder seiner Reichsgenossen betrachten, denen er das Gebet, wel- ches ihrer Lebensentwickelung den ersten Segen zuführe, nicht ent- ziehen könne, wie Mey. die Worte deutet, sondern Jesus erklärt damit die Kinder für befähigt, dem Reiche Gottes zugeführt zu werden und die Heilsgüter desselben zu empfangen. In diesem Ausspruche des Herrn ist die Berechtigung für die Kindertaufe gegeben. Mrk. u. Luk. haben noch einen Spruch Jesu angeführt, den Matth. nicht hat, weil er den darin enthaltenen Gedanken schon 18, 3 mitgeteilt hat. — V. 15. Darauf legte Jesus den Kindlein die Hände auf, um ihnen seinen Segen zu erteilen. 394 MattL XIX, 16. 17. V. 16—26. Der reiche Jüngling. Vgl. Mrc. 10, 17—27. Luc. 18, 18—27. Diese Geschichte zeigt, wie der Reichtum ein Hindernis zum Eingehen in das Himmelreich wird, wenn das Herz daran hängt V. 16. Einer (elg einer aus den Jesu nachfolgenden ox^oi, vgl. v. 2) trat zu Jesu heran mit der Frage: „Meister (Lehrer), welches Gute soll ich thun, damit ich ewiges Leben erlange?" Den Fragenden bezeich- net Matth. in v. 20 als vsaviöxog Jüngling; Luk. v. 16 als oqxcov Vor- steher (einer Synagoge). Diese Verschiedenheit beruht nicht, wie Mey, glaubt, auf verschiedener Tradition, sondern erledigt sich durch die einfache Thatsache, daß auch ein junger Mann agxcov Vorsteher einer Synagoge sein konte. Der Jüngling hatte sich — dies zeigt seine F^age — befleiBigt, das Gute zu thun, um das ewige Leben zu gewin- nen, war aber unsicher darüber, ob sein bisheriges Thun hiefür aus- reiche, und wolte daher von Jesu erfahren, welches Gute er noch za thun habe, um des Zieles seines Strebens sicher zu werden. Beachte übrigens ^co^v alcoviov ohne Artikel: ewiges Leben nach unklarer Vorstellung des Jünglings vom ewigen Leben. — V. 17. Die Antwort Jesu lautet in den drei Evangelien verschieden. Bei Mark. u. Lnk.: „Was neust du mich gut? Niemand ist gut außer Einer" (d. i. Gott). Damit wolte Jesus selbstverständlich nicht sich selber das Gutsein ab- sprechen, wie die neuprotestantischen Kritiker meinen, sondern nur den Jüngling auf die Oberflächlichkeit seiner Vorstellung von dem Ga- ten aufmerksam machen. Wäre Jesus nichts weiter gewesen als ein öiödoxaXog ein angesehener Babbi, wofür der Jüngling seiner Anrede zufolge ihn hielt, so gebürte ihm auch das Prädicat gut nicht, weil das- selbe nur Gott zukomt. Dagegen lautet die Antwort Jesu nach »BDI, Minusk. u. Itala, wo schon bei öiödoxaXa in der Frage des Jünglings V. 16 das Prädicat ayad'i fehlt: xl fie egcoraq jisgl xov dyad^ov; elg eörlv 6 dya&og „was fragst du mich nach dem Guten? Einer ist der Gute". Diese Lesart haben Griesb., Lehm, u. Tisch, mit Becht der mit Mark. u. Luk. übereinstimmenden rec, des älteren Matth.-Textes vor- gezogen, weil leztere offenbar nur aus diesen Parallelstellen in unser Evangelium gekommen ist durch Leser oder Abschreiber, denen t/ fis egcorag jtsgl xov dyad^ov mit dem folgenden elg eoxlv 6 dyad-og nicht zu stimmen schien. ^ Die Frage xl fie egcoxag xxX. ist nicht mit Neand, so zu fassen: was fragst du mich nach dem was gut ist? Dazu paßt nicht das enclitische //e, wofür ifii gesagt sein müßte; sondern: was fragst äM mich nach dem Guten? deine Frage ist überflüssig, da nnr Einer (d. i. Gott) der Gute ist^ das Gute also nur in der Befolgung sei- 1) Wir können darum auch nicht mit Bl.^ Holtzm., Mey., Weiss, Schenkel u. A. dem Mark, die Ursprünglichkeit zusprechenj sondern die Abweichnng des Mrk. u. Luk. von Matth. nur daraus erklären, daß der allen drei Evangelien ge- meinsame Ausspruch Jesu: „Einer ist gut" (nämlich Gott) von Manchen so ge- faßt wurde, als habe Jesus damit sich gemeint. Diese irrige Meinung veran- laßte dann nicht nur den Zusatz uya^s in v. 16, sondern auch die Aendemng des ti fie BQüij^g tibqI rov ayad^ov in xL fxe Xeysig dya&ov. — Auch bei V. 19 spricht das Fehlen des Gebotes der Nächstenliebe in der Eelation des Mark. a. Luk. gegen die Ursprünglichkeit derselben. Matth. XIX, 18—21. 395 nes Willens bestehen kann. „Wenn du aber zum Leben {rtjp ^anjv das wahre Leben im neutestamentlichen Sinne d. h. das ewige Leben) eingehen wilst, so halte die Geböte'S V. 18. Da der Jüngling der Meinong war, die einfachen Gebote des Gesetzes bisher schon beobach- tet zu haben, so fragt er: „Welche?'^ Da nent ihm Jesus beispiels- weise Gebote der zweiten Tafel des Dekalogs, anhebend mit den Ver- holen: „du solst nicht tödten, nicht ehebrechen, nicht stehlen, nicht falsch Zeugnis reden'% dann übergehend zu dem Gebote : „Ehreden Vater und die Mutter^', und schließlich alle Pflichten gegen den Näch- sten in das Gebot: den Nächsten zu lieben wie sich selbst (Lev. 19, 18) zusammenfassend. Mit rd das vor ov (icix- werden die einzelnen Ge- bote als bekante Sätze eingeführt. Das Gebot der Nächstenliebe haben Mark. u. Luk. weggelassen, sicher nur deshalb, weil es im Dekaloge nicht mit genant ist, während die Anführung dieses principiellen Ge- botes (s. zu 22, 39) gerade die Spitze der Argumentation Jesu bildete, durch welches dem Jüngling die Mangelhaftigkeit seiner Gesetzeserfül- lung zum Bewußtsein gebracht werden solte. — V. 20. Aber im selbstr gerechten Gefühle seiner pflichtmäßigen Gesetzesbeobachtung antwortete er: „Dies alles habe ich von Jugend an beobachtet. Was mangelt mir noch?" ix VB&cTjftoq (lov haben Lehm. u. Tisch. 8 weggelassen, weil es in ^*BL u. einigen Minusk. u. Echw. fehlt; aber diese Zeugen sind doch zu schwach, um die Unechtheit zu erhärten, zumal auch D hx reo- tfjTog, nur ohne fiov hat. — V. 21. Hierauf dekt der Erlöser ihm auf, woran es ihm noch fehlt. „Wenn du ein Vollkommener sein wilst, so gehe hin und verkaufe deine Güter und gib es den Armen; und du wirst einen Schatz im Himmel haben, und komm her und folge mir nach". TiXetoq ein Vollkommener, dem zur Erlangung des ewigen Le- ben nichts mangelt. Diese Aufforderung Jesu sagte dem Jünglinge in- direct, aber deutlich genug, daß es das Gebot: den Nächsten zu lieben wie sich selbst, nicht erfült habe. Sie hat aber nicht den Sinn: wilst du ein besonderes dya^ov, ein über das Gesetz hinausgehendes ver- dienstliches Werk thun, wie katholische Ausll. diese Worte fassen, um darauf das consilium evangelicum der Armut als opus supererogati- vum zu gründen, sondern gibt nur an, worin die zum Eingehen in das ewige Leben erforderliche Vollkommenheit in Bezug auf die Nächsten^ liebe (vgl. 5, 48) besteht, nämlich darin, daß man das Herz von dem Hangen an irdischen Gütern frei macht und auf die Welt mit ihren Gütern verzichtend dem Herrn treu nachfolgt. Der Erlöser wolte die Bereitschaft des Jünglings alles zu leisten, was zur Gewinnung des ewigen Lebens gefordert werde, auf eine Probe stellen, die geeignet war, ihm seine sittliche Schwäche zum Bewußtsein zu bringen; er wolte ihm den Götzen zeigen, in dessen Dienst sein Herz gefangen lag. Darum verlangte er von ihm, sein Herz von dem Mammon loszumachen, seine irdischen Güter zu opfern, um einen Schatz im Himmel zu haben. ^oavQOV Iv ovQavtp ein Schatz, der im Himmel ihm aufbewahrt ist, s. zu 5, 12. ,Dem Geiste nach, nicht der äußeren That nach, ist diese Forderung fQr alle gültig, die ins Himmelreich kommen wollen. Es 396 Matth. XIX, 23—26. gilt, sich loszumachen von allem was die Seligkeit hindert; und wenn ein Reicher sein Herz nicht anders losmachen kann von der Liehe znm Geld als durch Verschenkung, so muß er es thun, wenn das Himmel- reich ihm über alles geht' {Sommer), ^ — V. 22. Der Jüngling bestand diese Prüfung nicht. Als er dieses Wort hörte, ging er betrübt davon; denn er war im Besitze (i^p — excov) vieler Güter. Kr^/iccva erwor bene Güter. Der irdische Besitz war das Ziel seines Strebens gewesen; davon mochte sein Herz sich nicht trennen. V. 23—25. Dieser Vorfall veranlaßte Jesum, seine Jünger über die Gefahren des Reichtums zu belehren. V. 23. „Warlich ich sage euch: Ein Reicher wird schwer ins Himmelreich eingehen". övöxoXcoq schwer, weil das sündige Menschenherz an den irdischen Gütern za hängen pflegt. Um diese Warheit dem Gedächtnisse der Jünger noch tiefer einzuprägen fügt der Erlöser v. 24 hinzu: „Wiederum aber sage ich euch: es ist leichter, daB ein Eameel durch ein Nadelör eingehe als ein Reicher in das Himmelreich". Den Vergleichungspunkt dieser sprichwörtlichen Sentenz bildet das menschlicherweise Unmögliche. Der Ausdruck hat etwas Hyperbolisches. Das Eameel, das größte Thier, welches die Israeliten hatten; das Nadelör die kleinste Oeffnung. Ganz verfehlt war der Versuch, aus dem Kameele (xdfiTjXog) ein Ankertan {xdfjiiXog) zu machen {Castal, Calv., Brus., Ew.)^ da das Wort xaiii- Xog bei keinem alten griechischen Schriftsteller zu finden ist, sondern erst bei Suidas u. SchoL zu Jrist. Vesp, p, 1030 vorkomt.^ Dagegen findet sich die sprichwörtliche Vergleichung mit einem Kameele auch 23, 24 und bei den Rabbinen die ähnliche Vergleichung mit einem Elephan- ten, vgl. Buxt Lex, chald, talm, p. 1722 u. Lightf, hör, zu u. V. — V. 25. Ueber diesen Ausspruch des Herrn entsezten sich die Jünger und sprachen: „Wer kann demnach {rlq aga) gerettet werden" d.h. die Seligkeit des ewigen Lebens erlangen? Tlg welcher Mensch über- haupt, nicht welcher Reiche {Euth, Zig, u. Weiss). Die Jünger zogen den Schluß : wenn ein Reicher unmöglich selig werden kann, wer kann es dann überhaupt, da doch jeder Mensch mehr oder weniger am irdi- schen Gute hängt. — V. 26. Aber Jesus blikte sie an, um sie durch diesen bedeutsamen Blick an das zu erinnern, was Gott an ihnen ge- than, und sprach dann: „Bei Menschen ist dies (das aa)d^vat) unmög- lich, aber bei Gott ist alles möglich". Der Mensch kann aus eigener 1) Als Eealparallele wird Aooda Sara f. 64, 1: Vendite omnia quae äö- heiis^ et porro oportet ut fiatis proselyti, von Mey. angeführt. Aber wie grund- verschieden VCD dieser Sentenz die Forderung Christi ist, zeigt die von De- litzsch {hör. hehr, et talm. in der Luther. Ztschr. 1876 S. 404) mitgeteilte Ver- ordnuDg des Synedriums von Uscha (fc lichkeit teilnehmen und mit ihm die zwölf Stämme Israels richten. Aber das Sitzen auf Thronen und das Richten Christi und der Apostel ist nicht auf den Act des Weltgerichts zu beschränken. Auch in dem himmlischen Jerusalem ist der Thron Gottes und des Lammes zu schauen (Apok. 22, 3) und das Richten (o&t^, tcqIvblv) als die wesent- lichste Function des Königs oder Herschers wird oft synonym mit ^a- CiXeveiv gebraucht. Die Israeliten verlangten von Samuel: „Setze ans einen König, der uns richte'' (1 Sam. 8, 5 f. vgl. v. 20). Als der Kdnig Usia mit dem Aussatze geschlagen worden, ward sein Sohn Jotham Aber das Haus gesezt, daß er das Volk richte (2 Kg. 15, 5) d. h. daß er die Regierung führe. Und wenn der Apostel Paulus 2 Tim. 2, 11 von den Gläubigen im allgemeinen sagt: ei övvojced'dvofiev xal öv^ijöoiiev, el vjcofiivofisv xal ov/ifiaöLXavöOfiev, wofür es Rom. d, 17 heißt: övyxXijQOvofioi Xgcotov, shteg ovfijtdaxofisv tva xal awöo^aadw- (lev, so kann es gar nicht zweifelhaft sein, daß der Erlöser hier den Aposteln als Lohn für ihre selbstverleugnende Nachfolge nicht blos die Teilname an dem Acte des Weltgerichts zusagt, sondern überhaupt die Teilnahme an seiner Herrlichkeit und Herschergewalt im vollendeten Reiche Gottes, wie GroL, Neander, Bleek, Sommer u. A. diese Ver- heißung richtig gefaßt haben. — Viel zu sehr verallgemeinert hat Weiss die Worte, indem er die Richterthrone nur als symbolischen Ausdruck für ihre Erhebung zur höchsten Würdestellung neben dem Messias faßt, und das Richten so deutet, daß die Apostel, wie sie den zwölf Stämmen das Heil verkündet haben, so denselben auch das Ur- teil sprechen werden, je nachdem sie sich annehmend oder ablehnend zu dieger Heilsverkündigung verhalten haben. Unter den zwölf Stäm- men ist weder das ungläubige Israel (Mey.)^ noch das gesamte jüdische Volk (Weiss) zu verstehen. Das von Christo bei seiner glorreichen Parusie zu haltende Gericht erstrekt sich weder blos auf das ungläu- bige Israel noch blos auf die gesamte jüdische Nation, sondern anfalle Völker. Israel ist genant als das Volk des heilsgeschichtlichen Bera- fes, dem Jesus und seine Jünger angehören; und die zwölf Stämme sind genant mit Beziehung auf die zwölf Apostel. Die alttestament- liche Verheißung lautete dahin, daß mit der Erscheinung des Messias Israel d. i. das Volk Gottes in den Besitz der Weltherschaft gelange, das Reich Gottes über die ganze Erde ausgebreitet werden und alle Matth. XIX, 28—30. 399 Völker in sich aufnehmen werde. Dieses alle Völker umfassende mes- sianische Beich meinten die Apostel, als sie Jesum vor der Himmel- fahrt fragten, ob er in dieser Zeit das Reich Israel aufrichten werde (Act. 1, 6). In diesem Reiche verheißt Jesus den zwölf Aposteln das Richten der zwölf Stämme Israels, d. i. des neutestamentlichen Vol- kes Gottes, der aus allen Völkern gesammelten Christenheit. Die Be- ziehung der Worte nur auf das jüdische Volk wird auch schon dadurch als unhaltbar erwiesen, daß Lnk. in c. 22, 30 dieselbe Verheißung Jesu berichtet, wo an jüdischen Particularismus nach dem Charakter dieses Evangeliums nicht zu denken ist. Uebrigens gilt die Verheißung nur den zwölf Aposteln, welche ihrem apostolischen Berufe treu blie- ben; der Verräther Judas hatte also keinen Teil an ihr. V. 29. Aber nicht nur in jener Welt erst, sondern auch schon in dieser Welt sollen die Jünger für das Verlassen des Irdischen um Jesu willen reichen Ersatz erhalten. „Und jeder, welcher Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutler oder Weib oder Kinder oder Aecker oder Häuser verlassen hat um meines Namens willen, wird hundertfäl- tig empfangen und ewiges Leben ererben'^ Diese Verheißung gilt nicht blos den Aposteln sondern allen Gläubigen. Statt exavoircctjtZaölova Xtfp, nach ^CDXal haben Lehm. u. Tisch. 8 jtoXZajtXaalova Xi]fiy}£' rat nach BL' u. einigen Verss. u. Kchvv. aufgenommen. Mey., Weiss u A. beziehen BxaxoranX, Xrfipexat auf die Vergeltung ,im künftigen Messiasreiche' d. h. im Jenseits, womach W. den Satz xa\ ^co^v alcov. xXfjQOVOfiijoei als nähere Bestimmung der Vergeltung faßt: ,und wird so ewiges Leben besitzen; aber die Ergänzung des so ist willkürlich. M, dagegen will ^a>^v aloov. xZtjq. als die Krone von allem, in welcher sich alles zu ewigem Bestände vollendet, fassen, wobei er aber nicht bedacht hat, wie damit indirect zugestanden ist, daß die vielfältige Vergeltung schon in diesem Leben begint und im ewigen Leben nur vollendet wird. Wenn also auch die ausdrückliche Unterscheidung von diesseitiger und jenseitiger Vergeltung, welche Mark. u. Luk. durch iv r(p xaiQip rovrm — xal sv reo alävi klar ausgesprochen haben, bei Matth. fehlt, so kann doch von einer Nichtübereinstimmung mit Mrc. 10, 30 u. Luc. 18, 30 nicht die Rede sein. Das Aufgeben der irdischen Güter wird dem Jünger Christi hundert- oder vielfältig ersezt durch Gewinnung entsprechender geistlicher Güter; die Liebe der Eltern und Q^schwister durch Gewinnung der Gotteskindschaft und die christliche Bruderliebe, das Verzichten auf irdisches Hab und Gut durch brüder- liche Handreichung und Liebesgaben, durch den Reichtum der gött- lichen Gnade und die gewisse Hoffnung des ewigen Lebens, tvexa rov ifiov ovofiarog d. h. um Jesu nachzufolgen und ihn zu bekennen, ent- spricht sachlich dem evexa e(iov 10, 39. vgl. 5, 11 u. a. V. 30. „Aber — sezt der Erlöser warnend hinzu — viele Erste werden Lezte und Lezte werden Erste sein". Im ersten Satze ist jigci- roi, im zweiten soxccroi Subject. Diese Gnome, mit welcher Jesus seine Jünger vor Lohnsucht, welche der Frage des Petrus v. 27 zu Grunde lag, warnen will, ist mehrfach mißdeutet worden. So von Mey,, 400 Matth. XIX, 30. XX, 1. welcher jtQciTOi and b6xc(toi auf die frühere oder spätere Zeit des Em- tritts in die Gemeinschaft Jesu bezieht und den Sinn so bestirnt: ,Nicht die Anciennität ist das Richtmaß des Lohnes bei der nahen Reichser- richtung: Viele, die zuerst eingetreten sind, werden denen gleichgestelt sein, welche zulezt meine Nachfolger geworden, und umgekehrte Diese auch von BL für warscheinlich gehaltene Deutung ist nur aus dem fol- genden Gleichnisse (20, 1 ff.) nach einseitiger Erklärung, in die vor- liegende Gnome eingetragen. Gänzlich verfehlt ist aber die Auffassung von Weiss, welcher öi als Gegensatz ,zu den v. 21 genannten^ faßt und in der Gnome ausgesprochen findet, ,daß viele welche Erste sind, wdl sie ihre Güter nicht verlassen haben, Lezte sein werden, wenn sie im messianischen Reiche des Heils verlustig gehen, während solche, welche durch Aufopferung von Allem Lezte geworden sind. Erste sein werden, indem sie zur höchsten Seligkeit gelangene Aber solche, die um Christi willen sich von ihren irdischen Gütern nicht trennen können, Erste zn nennen, widerspricht allem, was Jesus je gelehrt hat, so daß dieser Ge- danke in seinem Munde unerhört genant werden muß. Die Gnome steht ohne Widerrede in Beziehung zur Frage des Petrus und der Ant- wort Jesu (V. 27—29). Petrus hatte aber seine Frage nicht mit Beru- fung darauf, daß die Apostel von Anfang an, früher als andere, sich Jesu angeschlossen hatten, begründet: sondern mit den Worten, daB sie alles verlassen haben und Jesu nachgefolgt seien ; und Jesus hat in V. 28 nur ihr Nachfolgen und in v. 29 das Aufgeben aller irdischen Güter hervorgehoben. Hiedurch waren die Apostel im Kreise der Jün- ger Erste geworden, nicht der Zeit sondern dem Range nach, denen Jesus bei der Palingenesie die höchste Ehrenstellung im Reiche Got- tes verheißt. Aber — dies liegt in der hinzugefügten Gnome — dieser Stellung werden sie verlustig gehen oder Lezte werden, wenn sie, statt die ihnen verheißene Vergeltung als eine Gabe der göttlichen Gnade hinzunehmen, Ansprüche auf Lohn erheben. Die Gnome enthält eine Warnung vor ehrgeizigem Streben nach Ehre und Verdienst in dem Wirken für das Reich Gottes. Die Richtigkeit dieser Erklärung wird durch das folgende Gleichnis bestätigt. Cap. XX. Von den Arbeitern im Weinberge und von der Nachfolge Jesu auf dem Leidenswege. Heilung zweier Blinder bei Jericho. V. 1—16. Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberge. Dieses Gleichnis, welches Matth. allein hat, ist durch die Partikel yoQ an das Vorhergehende angeknüpft und damit als Erläuterung der Sen- tenz 19, 30 bezeichnet. — V. 1 f. Das Himmelreich ist gleich einem Hausherrn, der mit dem frühen Morgen ausging, Arbeiter in seinen Weinberg zu miethen, und nachdem er mit denselben über einen Denar Tagelohn eins geworden, sie zur Arbeit in den Weinberg schürte. dvd^Qoijca) vor oixodeojtorij steht wie in 13, 24. 18, 23, um den Haus- Matth. XX, 2—16. 401 herm des Oleichnisses als Menschen zu bezeichnen, afia jtQoot gleich mit der Frühe (des Tags), nm die Arbeiter für den ganzen Tag zu din- gen, elq r^v dfiJceXcdva avzov in seinen d. h. den ihm gehörenden Weinberg. Bei ix örjvoQlov bezeichnet ix den Punkt, von dem aus man zur Vereinbarung kam, also ix örjv. den verabredeten Arbeits- lohn, TTjv rlfiigav hinsichtlich des Tags (accus, der näheren Bestim- mung) : in Gemäßheit eines Denars Lohn für den Tag. Vgl. über diesen Gebrauch von ix Wmer Gramm. S. 345 u. Kühner 11 S. 399 f. Der Denar, ohngeföhr 75 Pfennige Wert und der (attischen) Drachme gleichgerechnet, war der gewöhnliche Taglohn, vgl. Tob. 5, 14. — V. 3—7. Im Verlaufe des Tages ging der Hausherr noch um die dritte, sechste, neunte und elfte Stunde (d.h. um 9 Uhr vormittags, um 12 Uhr mittags, um 3 und um 5 Uhr nachmittags) aus nach Arbeitern, und schikte die am Markte müßig stehenden in den Weinberg, bei dem Versprechen, ihnen was recht sei als Lohn zu geben. — V. 8. Am Abende befahl er seinem Schaffner {rm ijttXQOJicp dem Hausverwalter) den Lohn (der bestimt war) auszuzahlen, anhebend von den lezten, d.i. die zulezt, erst um die 11. Tagesstunde zur Arbeit gedungen waren, bis zu den ersten d. i. die vom Morgen an, den ganzen Tag gearbeitet hatten. — V. 9 ff. Als nun jene Lezten einen Denar jeder empfingen, meinten die Ersten, daß sie mehr empfangen würden. Da sie aber auch nur einen Denar jeder erhielten, murrten sie wider den Hausherrn, sagend: Diese Lezten haben eine Stunde gearbeitet und du hast sie uns gleich gemacht, die wir des Tages Last und Hitze getragen haben. V. 13 ff. Er aber antwortete einem derselben: „Freund, ich thue dir nicht Unrecht. Bist du nicht um einen Denar mit mir übereingekom- men? Nimm das Deine und gehe. Ich will aber diesen Lezten geben gleich wie dir. Oder steht mir nicht frei, was ich will zu thun mit dem Meinen? oder ist dein Auge böse (d. h. neidisch), weil ich gütig bin?'' {iv TOtg ifiolg in Sachen meines Eigentums). — In v. 16 folgt die Lehre der Parabel: „So (in der eben geschilderten Weise) werden die Lezten erste und die Ersten lezte sein", nämlich darin, daß die welche nur eine Stunde im Weinberge gearbeitet haben, eben so viel Lohn erhal- ten als die, welche den ganzen Tag gearbeitet haben, indem der Herr des Weinberges den zulezt in die Arbeit Eingetretenen aus Güte eben so viel gibt, als er den Erstgerufenen nach gemeinsamer Abmachung zugesagt hatte. „Denn viele sind berufen, wenige aber auserwählt''. Dieser Spruch fehlt zwar in iayri xal Brjß'avlav bei Mrk. u. Luk. weiten Manche Bethphage östlich von Bethanien suchen, aber entschieden irrig; denn Bethanien lag am östlichen Abhänge des Oelbergs, nach Joh. 11, 18 von Jerusalem 15 Stadien oder % Stande am Wege nach Jericho, und ist in dem aus etwa 40 Häusern bestehenden muhammedanischen Dorfe el Azarieh (Ort des Lazarus , im Arab. el Azir) erhalten; vgl. Mühlau in Riehms Hwb. I, 174 u. Robins. Pal. U, 309 ff. Die Nennung von Bethphage und Bethanien erklärt sich daraus, daß die Absendung der Jünger nach dem Eeitthiere nicht erst stattfand, als der Beisezug in Bethphage angekommen war, sondern an einer Stelle, wo allen drei Evangelien zufolge Bethphage noch xarivavtt oder cbtivajrci lag d. h. gegenüber dem Reisezuge; ob seitwärts oder gerade gegenüber, läßt sich nicht entscheiden und ist für die Sache von keinem Belange, so daß wir ohne Bedenken mit Light/', l. c. p. 199 als den Ort der Ab- sendung die Grenzscheide beider Ortsgebiete annehmen können. Hier- nach sagt Matth. kurzweg: ^Zß-ov slg Brid-^ayf} sie kamen nach Bethph., Mrk. u. Luk. hingegen sagen: ore kyyl^ovöcv oder (Dgjjyyi' CSV als sie sich Bethph. u. Bethanien näherten d. i. da wo beide Orte gleich nahe lagen, nennen aber gegen die geographische Richtung des Zugs zuerst Bethphage und dann Bethanien, weil das Füllen mit der Eselin von Bethphage geholt wurde, welches Jesus angesichts von Je- rusalem bestieg, um auf ihm in die Stadt zu reiten. ^ 1) Unbefriedigend ist die Vennutuiig, dal^ Bethanien als der bekantere Ort nur zur Orientirnng hinzugefügt sei ( Keim), und ganz unstatthaft die Annahme von Weiss, daß Mark. u. Lok. Bethanien als den Ort denken, aus dem das Keit- thier geholt wurde, und Bethphage als den näher gelegenen und bekanteren Ort zur Orientirnng Yoranfgeschikt haben. Denn daß Bethphage zur apostolischen Zeit bekanter als Bethanien war, lä(St sich aus den gegen 500 Jiwre späteren Nachrichten des babylonischen Talmuds über Bethphage nicht darthun; und die Behauptung, daß die Thiere von Bethanien geholt worden seien, hat an der sehr fraglichen Urmarkushypothese keine haltbare Stütze. 414 Matth. XXI, 2—4. y. 2 n. 3. Der Auftrag, welchen Jesus in der Nähe von Bethpbage den beiden Jüngern erteilte, in den gegenüber liegenden Flecken (i L nach Bethphage) zu gehen und eine Eselin mit ihrem Fällen, die sie dort angebunden finden werden, ihm herbeizuführen mit der Weisung, wenü jemand darüber sie befragen würde, demselben zu sagen: der Herr bedarf ihrer, so werde er die Thiere sofort ihm entsenden, dieser Auftrag zeigt nicht nur, daß Jesus selber mit Bedacht den Einzag in der beschriebenen Weise veranstaltete, und sich dabei nicht blosdem Enthusiasmus seiner Begleiter anbequemte {Neand,, de W., Wms.\ sondern auch, daß er dies im Yollbewußtsein seiner messianischen Würde that, indem er nur vermöge seines übernatürlichen Wissens den Jüngern voraussagen konte, daß sie die Thiere dort angebunden finden werden und daß der Eigentümer derselben sie ihm auf sein Wort be- reitwillig überlassen werde. — V. 4 f. „Dies Ganze ist geschehen, auf daß erfüllet würde der Ausspruch durch den Propheten: Saget der Tochter Zion: Siehe dein König komt dir sanftmütig und reitend anf einem Esel und zwar auf einem jungen Esel, dem Füllen eines Joch- thieres". Tomo öe oXov wie 1, 22 u. 26, 56; aber o>loi; fehlt ii ^DLZ, Ital. u. a. und ist deshalb von lisch, 8 getilgt, vielleicht aack nur aus den angeführten Parallelstellen zugesezt. Die Weißagung steht in Zach. 9, 9 und lautet dort: „Jubele sehr Tochter Zion, jauchze Toch- ter Jerusalem! Siehe dein König wird dir kommen, gerecht und heil- begabt (oder gottbeschüzt) ist er, niedrig und reitend auf einem Esel und (zwar) auf einem jungen Esel, der Eselinnen Füllen'^ S. d. ErkL derselben in m, bibl. Comm. zu Zach. a. a. 0. Statt der einleitenden Worte: jubele sehr u. s. w. hat Matth. aus der messianischen Stelle Jes. 62, 11 die Worte: „saget der Tochter Zion" angeführt, als dem Gedanken, den er mit Anführung der Weißagung des Zach, ausdrücken weite, mehr entsprechend. Tochter Zion ist nach prophetischem Sprachgebrauche die Einwohnerschaft Zions, aber im Sinne des Pro- pheten wie des Evangelisten nicht im Allgemeinen die Bevölkerung Jerusalems, sondern die gläubige auf die Erlösung harrende Gemeinde, das Israel nach dem Geiste. Diese Gemeinde Zions soll an dem der Weißagung entsprechend veranstalteten Einzüge Jesu in Jerusalem e^ kennen, daß ihr König komme. Dieses sein Kommen aber gab ihr nicht Anlaß zum Jubeln, denn er komt in Niedrigkeit, um durch Leiden und Tod sein Werk zu vollenden. Im Zusammenhange der prophetischen Verkündigung des Zacharja sind die angeführten Worte bildlicher Aus- druck des königlichen Kommens des Messias zur Erlösung der Ge- meinde des Herrn von dem Drucke der Weltmächte und zur Aufrich- tung eines ewigen Friedensreiches. Zacharja weißagt die Erlösung des Volkes Gottes , ohne zwischen der ersten Erscheinung des Messias in Niedrigkeit und seiner Wiederkunft in Herrlichkeit oder zwischen dem geringen Anfange und der glorreichen Vollendung des Reiches Gottes zu unterscheiden. Im Blicke auf die Vollendung der Erlösung hat die Gemeinde Anlaß znm Jubel und Frohlocken. Matth. aber hebt nur die Beziehung dieser Weißagung auf die vor Menschenaugen unscheinbare Matth. XXI, 5—7. 415 Gründling des Himmelreiches heraas, die im Hinblicke auf das Jesu bevorstehende Todesleiden die Herzen der Gläubigen mehr zur Trauer als zum Jubel zu stimmen geeignet war, und wählt deshalb statt der Aufforderung zum Jubel (bei Zach.) aus der verwandten messianischen Stelle des Jes. die einfache Ankündigung, Zion zu sagen, daß sein König komme. Zwar jubelte die Jesum begleitende Volksmenge über diese Kundgebung der messianischen Königswürde Jesu, aber diesen Jubel hat der Prophet nicht gemeint, und die Volksmenge jubelte auch nicht im Hinblicke auf das dem Herrn in Jerusalem bevorstehende Todes- leiden, sondern weil sie Jesu messianischen Einzug für den ersten Schritt zur baldigen Aufrichtung eines Beiches der Herrlichkeit hielt. — Im übrigen schließt sich die Anführung der Weißagung des Zacharja mehr dem Wortlaute des Grundtextes als der LXX an, aus welcher nur das Prädicat jcQooq statt des hebr. **?:$ und die Wahl des Wortes vjto^vyiov Jochthier für Esel geflossen ist. Die Aussage: „gerecht und gottb^chüzt (3'^'i9) hat Matth. weggelassen, weil sie für die Beziehung der Weißagung auf Jesu messianischen Einzug in Jerusalem nicht er- forderlich war; und das den Sinn von "*?; miser nicht genau aus- drückende jtQovg hat er als die damals vermutlich gangbare Auffassung jenes Wortes beibehalten, weil es der Gesinnung Jesu entsprach (vgl. 11, 29) und die Niedrigkeit der Erscheinung Jesu durch das Reiten auf dem Eselsfüllen deutlich genug abgebildet war. Denn der Esel im Unterschiede von dem Bosse ist nicht das Thier des Friedens, sondern auch im alten und neuen Morgenlande ein tief unter dem Rosse stehendes Thier; s. den Nachweis hieftlr bei Hngsth, Christel. IH S. 361 ff. u. in m. Comm. zu Zach. 9, 9. Die Worte xal hnl jtcoXov vlop vjto^vylov sind Epexegese des kjtl ovov „auf einem Esel und zwar auf einem Eselsfüllen^^ bei Matth. wie bei Zacharja, so daß auch nach Matth. Jesus auf dem Füllen reitet und das Mutterthier nur dabei ist. Nur um seinen Einzug der Weißagung so entsprechend einzurich- ten, daß die Uebereinstimmung augenfällig würde, ließ Jesus beide Thiere holen. Aus dem nämlichen Grunde hat Matth. beide Thiere er- wähnt, während Mark. u. Luk., weil sie für die heidenchristlichen Le- ser ihrer Evangelien den Hinweis auf die Erfüllung der alttestament- lichen Weißagung nicht für nötig erachteten, nur von dem Eselsfüllen ^zählen. y. 6 ff. Dem Auftrage gemäß holten die Jünger die Eselin und das Füllen herbei und legten ihre Kleider (ra Ifidria die in großen Um- wurftüchern bestehenden Oberkleider) als Reitdecken auf dieselben (die beiden Thiere) ; und er (Jesus) sezte sich auf dieselben d. h. auf die Decken. Statt ejtexdd'ioav (Elzev,) haben Matthaei, Griesh., Scholz, Lehm. u. Tisch, nach BCFMSUVXrA al. sjtsxd&'cosv als die am mei- sten bezeugte, ohne Zweifel ursprüngliche Lesart aufgenommen, ejcdpoo (xvTwv ist nicht auf die Thiere zu beziehen, wie Strauss es faßte, um der Erzählung den ungereimten Sinn aufzubürden, daß Jesus auf bei- den Thieren zugleich geritten sei. Beide Thiere hatten die Jünger für Jesum zugerüstet, aber er bestieg nur das eine, und zwar nach v, 5 das 416 Matth. XXI, 8-11. Füllen, wie die andern Evangelisten deutlich berichten. — V. 8. Der größte Teil der Volksmenge (6 jcXslörog ox^og) breiteten ihre Kleider auf den Weg ~ als Teppiche; andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg — Ehrenbezeugungen, wie man sie ein- ziehenden Königen erwies, vgl. Robins, Pal. II, 383. — Die Volks- scharen aber, die vorangingen und nachfolgten, riefen laut iQöawi die aramäische Form w^üti des hehr. K3 T^tin „gieb doch Heil (aus Ps. 118, 25) dem Sohne Davids (d. i. Jesu dem Messias); gesegnet sd der da komt im Namen des Herrn (aus Ps. 118, 26), Hosianna in der Höhe!'^ d. i. im höchsten Himmel, dem Thronsitze Gottes, von wo es auf den Messias hernieder komme {Mey.)\ nicht: Heil werde gerafea (von den Engeln) im Himmel (Fritzsche, Olsh,), oder: Hosianna gelte im Himmel, werde dort erhört (de W., BL}. — Der 118. Ps., der Schlußpsalm des Hallel (Ps. 113—118), welches in der Nacht vom 14ten auf den 15ten Nisan, zur Hälfte vor, zur Hälfte nach dem Paschamahle gesungen wurde, ist warscheinlich fttr die Einweihung des Serubabel- sehen Tempels gedichtet und bei derselben zum ersten Male gesungen worden, wobei die angeführten Worte den Versen entnommen sind, mit welchen die zum Tempel Kommenden beim Eingange in denselben von der Priesterschaft begrüßt wurden; vgl. Delitzsch Oomm. zu Ps. 118. — In der Folgezeit wurde das Hosianna am Laubhüttenfeste täglich bei dem feierlichen Umgange um den Altar gerufen, wobei man Lulabs d. i. Palmzweige, an welche Myrten- und Bachweidenzweige angebnn- den waren, in der Hand hielt; vgl. Delitzsch, der Hosianna-Buf, in i Ztschr. f. Luth. Theol. 1851 S. 653 ff. — Während Matth. u. Mark, nur erzählen, daß das Volk Zweige von den Bäumen hieb und auf den Weg streute, berichtet Johannes in v. 13, daß das Jesu von Jerusalem her entgegen kommende Volk Palmzweige genommen hatte und ihm mit dem Hosiannarufe entgegenkam. ,Sie nahmen — bemerkt hiezu Del treffend — die am Laubenfeste, dem Freudenfeste ohne Gleichen, üblichen Palmzweige und begrüßten ihn (den Sohn Davids) im Ueber- schwange festlicher Freude mit dem Laubenfestrufe Hosianna, der ihnen schon deshalb nicht ferne lag, weil er dem Hallel entnommen ist, wel- ches einen Hauptbestandteil der Liturgie der zwei ersten Paschafeier- tage bildetet Mit dem Hosianna begrüßte also das Volk Jesum als den erwarteten Messias, welcher komme, sein Reich aufzurichten. Dies hat Mark, mit dem Zusätze v. 40: evXoyrjfievri fj sQxofisvi] ßaCiXslarov jtazQog fi[i(DV Aavtd angedeutet. V. 10 f. Als sie in Jerusalem so einzogen, wurde die ganze Stadt (d. h. ihre Bevölkerung) in Erregung gesezt (sösIöOtj) und sagte: „Wer ist dieser?" dem man solche Ehre erweist. Die Jesum begleitenden Volksscharen antworteten: „Dieser ist der Prophet (6 jtQoq>7]T7jg äeir bekante Prophet), Jesus von Nazaret in Galiläa". Die Frage sezt selbst- verständlich nicht voraus, daß Jesus während seiner öffentlichen Wirk- samkeit jezt zum ersten Male nach Jerusalem gekommen, wie Weiss behauptet; denn diese Frage war durch das große Aufsehen, welches der feierliche Einzug machte, nahe gelegt. Auch ist o JtQog>J]tfig '^ Matth. XXI, 11. 12. 417 der Antwort nicht (mit Sommer) als Gegensatz zu vlog Aavtd zu fas- sen, so daß darin eine Herabstimraung der Begeisterung des Volks zu suchen wäre. Denn die Volksmenge spricht darin nicht ihren persön- lichen Glauben aus, sondern bezeichnet Jesum nur nach seinem längst bekanten Charakter. Als Propheten hatte sich Jesus durch Wort und Jhat so offenkundig bezeugt, daß nur böser Wille ihm den Charakter eines Propheten absprechen konte. Sein offenes Hervortreten als Mes- sias hingegen erwartete man erst in Jerusalem, mit der Aufrichtung des Reiches seines Vaters David. Der Einzug Jesu in Jerusalem erfolgte ohne Zweifel am Sontage vor dem Paschafeste. Dies läßt sich aus folgenden Angaben der Evangelien erschließen. Nach Job. 12, 1 kam Jesus 6 Tage vor dem Pascha nach Bethanien, wo man ihm ein Mahl bereitete, bei welchem Maria ihn salbte. Tags darauf d. i. am Tage nach diesem Gastmahle hielt er sei- nen Einzug in Jerusalem, Joh. 12, 12. Der 14.Nisan, an dessen Abende die Paschamahlzeit gehalten wurde, fiel in jenem Jahre, wie sich uns bei c. 26, 2 ergeben wird, auf den Donnerstag, und der 15. Nisan als der erste Tag des Festes der ungesäuerten Brote auf den Freitag. Bechnet man nun von Donnerstag Nachmittag, zu welcher Zeit die Zu- bereitungen für das Paschamahl begannen und nach Joseph, d. bell. fud. VI, 9, 3 das Volk sich Jtgoq rijv rcov dC;vfio()v boqttJv versam- melte, 6 Tage zurück, so kam Jesus (laut Joh. 12, 1) am Freitag den 8. Nisan, Nachmittags, vor Anbruch des Sabbats, nach Bethanien, blieb dort den Sabbat über und zog am Sontage in Jerusalem ein, d. i. am 10. Nisan, dem Tage, an welchem nach Ex. 12, 3 das Paschalamm aus- gesondert werden solte. So Ehrard, Lichienstein, Lebensgesch. Jesu S. 376, Wieseler Beitrr. S. 264; auch Keimlll 6. 503. Dagegen kom- men diejenigen Ausleger, welche wegen Joh. 19, 14 u. 31 den 15. Nisan oder ersten Festtag auf den Sonnabend, den 14ten also auf den Freitag setzen, mit dem 6. Tage vorher auf den Sonnabend, einen Sabbat {Mey,, Godet, Ew. u. A.), wornach Jesus die Reise nach Bethanien am Sabbate gemacht hätte. Aber Jesum am Sabbate reisen zu lassen ist ganz un- statthaft, weil dies nicht blos mit der rabbinischen Bestimmung des Sabbatweges (Act. 1, 12), sondern auch mit der allgemeinen Bestim- mung des Ruhetages in Widerspruch stände (vgl. auch 24, 20). Der von Mey. gegen diese Bedenken erhobene Einwand, Jesus könne auch aus einem sehr nahe gelegenen Orte gekommen sein, sezt aber nicht nur die höchst unwarscheinliche und willkürliche Annahme voraus, daß Jesus unmittelbar vor Bethanien übernachtet habe, sondern ist auch mit den synoptischen Berichten, denen zufolge Jesus schon von Jericho an von vielen Volksscharen begleitet war, ganz unvereinbar. — lieber andere willkürliche Bestimmungendes Tages derAnkunft Jesuin Betha- nien vgl. Wieseler a. a. 0. S. 265 u. Luthardt, Comm. zum Ev. Joh. I 8. 231. V. 12—17. Die Tempelreinigung. Vgl. Mrc. 11, 11 u. 15—17. Luc. 19, 45—46. Nach dem feierlichen Einzüge in die Stadt begab Keil, Comm. z. Evangel. Matth. 27 418 Matth. XXI, 12. 13. sich Jesus in den Tempel (to Isgov rov O^sov)^, und trieb alle Ver- käufer und Käufer im Tempel heraus und stieß die Tische der Wechs- ler und die Sitze der Taubenhändler um. KojLjLvßcöjjjg Geldwechsler, von xoXXvßog kleine Münze, Scheidemünze, Agio. Im äußeren Yorhofe des Tempels, dem s. g. Vorhofe der Heiden, waren trr^n tabemae, wo Opferthiere, W^eihrauch, Oel, W^ein und andere Opferbedürfhisse feil- gehalten wurden (vgl. Lightf, hör. ad h. /.), und W^echsler j^e Tisdi aufgestelt hatten, um die für die Tempelsteuer erforderlichen Didrach- men gegen anderes Geld umzuwechseln (s. zu 17, 24). Dieser Handel und Schacher, wenn auch nur im äußeren Tempelvorhofe getriebem, wir doch eine Entweihung des Heiligtumes, wogegen Jesus energisch auf- trat und dem Händlern und Wechslern erklärte: „Es steht geschrieben: Mein H^,us soll ein Bethaus heißen, ihr aber macht es zur Bäuberhöle". {noitlxB nach ^BL af, statt sjtoiTJaars nach CDNXal, u. Luc. 19,46). Der erste Satz dieses Ausspruchs ist aus Jes. 56, 7 genommen, der ;zweite nach Jer. 7, 11 LXX gebildet. Je$aj^ weißagt dort die Aufiiahme der glllubigen Heiden in das Ee^ch Gottes, wodurch der Tempel m Bcithaus für alle Völker werden soll (xaXelo^ai genant werden s. v. *. jsein und als solches anerkant werden). Bei Jere^. richtet Gott an ^ aÜe seine Gebote frech übertretende Volk, welches den Besuch des Tempels ajs einen Freibrief für alle Freveji zu halten geneigt war, die ^rage: ob sie denn den Tempel für eine Räijiberhöle hielten, und kfiA- digt dann die Zerstörung desselben an. In solcher Weise wurde der Tempel auQh zu Christi Zeiten yon den Gottlose^ zur Käuberhöle ge- macht, nicht Mos durch den dort getriebenen Handel und jGeld Wechsel, sondern mehr noch durch die Entheiligung, daß grobe Sünder ohne Scheu sich dort einfanden, um durch Opfer, ohne Reue und Buße, Til- gung ihrer Sünden und Gerechtigkeit vor Gott sich zu erwerben. Die von Jesu vorgenommene Tempelreinigung war eine Realerklä- rung, daß er als Ij^essias gekommen sei, die Unheiligen aus dem Reiche jGottes auszustoßen und das Gericht über die Sünder zu vollziehen, und als solche eine Bethätigung der Machtvollkommenheit, welche nach Mal. 3, 1—3 dem Messias zustand. Schon beim ersten Besuche Jeru- salems nach seinem öffentlichen Auftreten hatte Jesus eine ähnliche Handlung vorgenommen, Joh. 2, 13 f., zum Zeichen, daß die Zeit ange- brochen sei, da der Weißagung zufolge der Herr zu seinem Teippel komme, um sein Volk zu läutern. Von der neueren Kritik wird zwar jene Tempelreinigung mit der von den Synoptikern berichteten identificirt, indem nach Wetsteins Vorgange TJickt. Neand., de W.^ El., Eio., Weizs, die synoptische Erzählung zu Gunsten des Jo- hannes preisgeben, dagegen Theile, Stratiss, Weisse, Bnur, Higf., Schenk., Keim u. A. den Bericht des vierten Evangeliums als ungeschichtlich verwerfen. Aber 1) Doch fehlt zov &eov in ia8 an dem Feigenbaum gewirkte Wunder läßt sich als äußerliche angesehen nicht rechtfertigen, und ist daher von Strauss, Weisse, ^., Hase, Schenk,, Keim (HI S. 121 ff.), Wittichen u. A. mit man- ai Gründen bemängelt, bestritten und als mythisches Gebilde ver- in worden. Die Handlung Jesu hatte symbolisch-prophetische Be- mg, wie schon von Kchvv. und den meisten Ausll. erkant worden selbst von Keim nicht in Abrede gestelt wird. Den Schlüssel für ichtige Verständnis dieses Strafwunders liefert das Gleichnis von In einem Weinberge gepflanzten Feigenbaume, der seinem Herrn > Frucht trug, Luc. 13, 6 ff. Der Feigenbaum ist Sinnbild des jü- en Volkes, nicht nur in dem angef. Gleichnisse, sondern schon in Helle Micha 7, 1, in dem dort von dem Propheten im Namen der 4^ Matth. JSL, 22. 28^ gläubigen Gemeinde gesprochenen Baßgebete, wo die Klage: „^ehe mir, ich gleiche der Obstlese und der Nachlese der Weinernte! Nicht eine Traube zum Essen, eine Frühfeige, nach der meine Seele verlangt^^ in V. 2 durch die Worte: „Verschwanden ist der Fromme aus dem Lande und' ein Gerechter ist nicht mehr unter den Menschenkindern" erklärt wird. Dieses „Wehe" hatte sich an dem jüdischen Volke zu Christi Zeiten erfült. Der von Gott in seinem Weinberge gepflanzte Feigenbaum trug keine Frucht. Drei Jahre hindurch hatte der Wein- gärtner um ihn gegraben und ihn bedüngt, ohne daß er Frucht ge- bracht hatte (Luc. 13, 7 ff.). Nun komt der Herr, um Frucht an dem Baum zu suchen, und da er nur Blätter findet, spricht er über ihn das Gericht aus, daß er nie mehr Frucht tragen, sondern gänzlich verdo^ ren solle; und dieses Wort geht sofort in Erfüllung. Die über den un- fruchtbaren Feigenbaum verhängte Strafe ist aber keineswegs nur als eine ungeschichtliche Illustration der Parabel Luc. 13, 6 ff. zu fasseo, oder als ,Umsatz des Gleichnisses von den Weingärtnem (v. 33) in eine Thatsache in der apostolischen üeberlieferung', wie nicht nur JMn a. a. 0. behauptet, sondern selbst Neander, Bh, Bg-Crus, angedeutet haben. Vielmehr ist sie ein Factum, ein von Jesu verrichtetes Wun- der, durch welches er seinen Jüngern nicht blos seine Macht zu strafen und zu verderben offenbaren, sondern hauptsächlich den Zweck und die Bedeutung seines lezten öffentlichen Wirkens in Jerusalem ein- dringlich vor Augen stellen wolte. Jerusalem, die Trägerin und Pfle- gerin des jüdischen Volksgeistes war einem Feigenbaume gleich ge- worden, der nur Blätter hatte, aber keine Früchte trug. In diese Stadt war Jesus als Zions König eingezogen, um Früchte seiner Arbeit am Volke zu suchen, und wenn er statt der Früchte nur Blätter finde, das Gericht ewiger Verdorrung ihr anzukündigen, dem sie eben so sicher und gewiß wie der unfruchtbare Feigenbaum am Wege verfallen werde. V. 23 — 32. Verhandlung Jesu mit den Hohenpriestern und Aeltesten des Volks über seine Vollmacht. Vgl. Mrc. 11, 27—33. Luc. 20, 1—8. Als Jesus sodann in den Tempel gekommen war, traten zu ihm öiödöxovTi d. h. während er im Lehren begriffen war, die Hohenpriester und Aeltesten des Volks d. h. Glieder des Synedriums (s. zu 2, 4), eine Deputation dieser Behörde, und sprachen : „In was für Macht thust du dieses? und wer hat dir diese Macht gegeben?" Die erste Frage ist allgemeiner, bezieht sich auf die Beschaffenheit der Vollmacht, ob sie göttlich oder menschlich sei; die zweite speciellere geht auf die Vollmacht^^&^r. Mit dem ravra der ersten Frageist nicht das Lehren allein gemeint (Grot Beng\ denn dazu war eine be- sondere Vollmacht nicht erforderlich; auch nicht blos die Tempelreini- gung {Theophyl, Eiithym.)^ weil diese im Texte zu weit abliegt, son- dern alles was Jesus seit seinem Einzüge gethan hat und noch thut — der Einzug, die Tempelreinigung, die Wunderheilungen und das Lehren im Tempel — ,welches alles zusammen den messianischen Prätendenten zu indiciren schien' {Mey., vgl. de W,, BL u. A.). Die Frager hofften wol, das ^okQxiixA^göUticher Vollmacht zu' vernehmen, um darauf eine Mktth. XXI; 24—31. 423 Anklage wegen Gotteslästerung zn gründen. V. 24. Abfer die Gedan- ken ihrer Herzen durchschauend antwortet Jesus mit einer Gegenfrage, von deren Beantwortung er seine Antwort auf ihre Frage abhängig' macht. „ Fragen will auch ich euch ein Wort" (Xoyov %va ein Wort, nicht mehr). V. 25. „Die Taufe, die (rd) des Johannes, woher war sie? vom Himmel oder von Menschen ?" Diese Gegenfrage war trefflich ge- wählt, da Johannes seine Taufe offen als Vorbereitung des Volks für die Aufnahme des Messias bezeugt und dessen baldiges Erscheinen an- gekündigt hatte (8, 1 ff. Joh. 1, 19 ff.). Erklärten nun die Hohenprie- ster die Taufe des Johannes für eine vom Himmel stammende d. h. von Gott ausgegangene Institution, so konten sie Jesu den Messiascharak- ter nicht absprechen. Dies sahen sie ein und erwogen daher bei sich selbst d. h. unter einander {öisXoyl^ovro wie 16, 7 gebraucht), was sie antworten selten. „Falls wir sagen: vom Himmel, so wird er uns sagen: warum habt ihr ihm nicht geglaubt; sagen wir aber: von Menschen, so müssen wir die Volksmenge (top ox^ov) fürchten; denn alle halten Jobannes für einen Propheten" (sxsiv cog wie 14, 5). V. 27. Deshalb' antworteten sie: „wir wissen es nicht", worauf ihnen auch Jesus die Antwort auf ihre Frage versagt, sodann aber (v. 28 ff) in einer Gleich- nisrede ihr Widerstreben gegen den Willen Gottes aufdekt. V. 28—32. Das Gleichnis von den zwei Söhnen mit seiner An- wendung hat nur Matth. überliefert und durch die einleitende Frage: „was dünket euch aber?" (vgl. 17, 25) sachlich mit der vorhergehen- den Frage der Volksobersten verknüpft. — V. 28 ff. Ein Mensch hatte zwei Kinder. Zum ersten gehend sagte er: „Kind gehe heute und arbeite in meinem Weinberge". Dieser antwortete: „Ich will nicht"; hernach aber gereute es ihn und er ging hin. Der andere aber antwor- tete auf dieselbe Aufforderung des Vaters: iyw tcvqu d. h. ja Herr, und ging nicht hin. Die Wahl der Worte rsxva und rdxvov soll nicht die Liebe des Vaters andeuten (Met/,), sondern an den Gehorsam, dön die Söhne schuldig sind, erinnern {Weiss), Darauf weist auch das tcvqis in der Antwort des zweiten hin. * V. 31. Was Jesus mit diesem Gleich- nisse seinen Gegnern sagen weite, zeigt die ihnen zur Entscheidung vorgelegte Frage: „Wer von den zweien hat den Willen des Vaters ge- than?" worauf sie richtig antworteten: „der erste", und damit selber das Urteil über ihr Verhalten gegen Gott, den himmlischen Vater sprachen. Der ävd^Qcojiog in dem Gleichnisse bildet Gott ab; der Weinbei^ das Gottesreich, in welchem das jüdische Volk arbeiten soll. Die zwei Kinder stellen die beiden Klassen dar, in welche dieses Volk in Bezug auf seinen Gehorsam gegen Gottes Willen und Gebote zer- fiel. Der erste Sohn ist nach dem Folgenden das Bild der offenkundi- gen üebertreter der göttlichen Gebote, die aber auf die Bußpredigt des Täufers hin sich bekehrten, Buße thaten und dem Dienste Gottes sich ergaben. Der zweite bildet die Hohenpriester, Pharisäer und Volks- 1) lieber die Textvarianten dieser Verse vgl. Tischendorf, Noo. Test. ed. 8. In Bezug auf den Sinn sind sie unerheblich. 424 Matth. XXI, 31—33. oberen ab, welche den Schein des Gehorsams gegen Gottes Gebote an- nahmen, in Warheit aber den Willen Gottes nicht thaten und keine Rene und Buße zeigten. Dieser Sinn des Gleichnisses ergibt sich aus der Anwendung, welche Jesus v. 31^ u. 32 macht: „Warlich ich sage euch, die Zöllner und die Huren gehen euch voran in da& Reich Got- tes". Das Präsens jtQodyovoiv steht nicht fllr das Futoram, ,das zn- künftige Eingehen in das Messiasreich vergegenwärtigend {Mey,)j son- dern drükt aus, was in der Gegenwart geschieht. Die Zöllner und die Huren, als die berüchtigsten Sünder genant, haben auf den BuBmf des Johannes gehört, seiner Predigt Glauben geschenkt {ejtlozsvoav v. 32), und dadurch die erste Bedingung für den Eintritt in das Reich Gottes erfült. ßaoiXeia rov d^eov ist auch hier nicht identisch mit ßaoikk rcov ovQüvcov das von Christo gegründete Himmelreich, gebraucht, sondern gewählt als Gegensatz zu den ßaoiXelaig rov xoofiov (4, 8), die nur irdischen Interessen dienen, jcgodysiv schließt die Nachfolge nicht aus. Jesus spricht in diesen Worten den geistlichen Leitern des Volks nur den Vortritt ab, zu ihrer Demütigung, ohne ihnen den Aus- schluß aus dem Himmelreiche anzukündigen. Diesen Gedanken be- gründet er V. 32 durch den Hinweis auf ihre Stellung zu Johannes dem Täufer. „Johannes kam zu euch im Wege der Gerechtigkeit, ihr aber glaubtet ihm nicht. Die Zöllner aber und die Huren glaubten ihm; ihr aber dies sehend empfandet nachher nicht Reue, um ihm zu glaubend rjXd^Bv iv 66(5 öixaioovvrjg heißt nicht: ,er kam als sittlich recht- schaffen wandelnder Mann' (Mey.). oöog öixaioovptjg ist die von der Gerechtigkeit vorgezeichnete Handlungsweise, wie oöog rov d^eov Mrc. 12, 14 {Weiss). In diesem Wege kam Johannes d. h. trat er auf, denselben durch Lehre und Wandel dem Volke weisend, jtiotsvetv avTop heißt: seinem Worte und Wandel Glauben schenken, um sich von ihm auf den Heils weg hinleiten zu lassen, ov fiersfieXijßT^Ta ihr habt nicht Reue gezeigt, euren Sinn geändert, vöteqov nachher als ihr ge- sehen hattet, daß die Zöllner u. Huren sich bekehrten. Zur Sache vgl. Luc. 7, 29 u. 30. V. 33—44. Das Gleichnis von den Weingärtnern. Vgl. Mrc. 12, 1—11. Luc. 20, 9—18. — Hat Jesus im vorigen Gleichnisse v. 28ff. den jüdischen Oberen ihr hartnäckiges Widerstreben gegen den Willen Gottes aufgedekt, so hält er ihnen in diesem die Untreue vor, die sie von jeher gegen den Herrn ihren Gott gezeigt haben, und kündigt ihnen die Verstoßung aus dem Reiche Gottes an. Nach Matth. u. Mark, ist dieses Gleichnis an die Hohenpriester und die Aeltesten des Volks ge- richtet, nach Luk. zu dem Volke gesprochen. Bei Mrk. weist avxolg, bei Mtth. das aXXtjv Jtagaß. dxovöars auf die Personen zurück, mit welchen Jesus vorher verhandelt hat. Die Grundlage für diese Parabel bildet der Spruch Jesaj. 5, 1 ff. von dem auf einem fetten Hügel von Jahve gepflanzten Weinberge, der, weil er keine Trauben, sondern nur Herlinge getragen, der Verwüstung preisgegeben werden soll. Bei der Verwendung dieses prophetischen Spruches zu einer Parabel ist der Herr des Weinbergs als ävÜQWjiog olxoöeöJtoxTjg bezeichnet. Die An- Matth. XXI« 34—37. 426 legnng des Weinbergs ist sichtlich nach Jos. 5, 2 (LXX) geschildert: er führte einen Zaun um denselben, grub in ihm eine Kelter and baute einen Thurm (für Wächter zur Beschtitzung des Weinbergs). Da in Jes. 5, 7 ausdrücklich gesagt ist, daß der Weinberg Jahve's das Haus Israel und Juda sei, so konten die Zuhörer Jesu schon aus diesem Ein- gang der Parabel erkennen, daß der Hausherr Gott und der von ihm gepflanzte Weinberg das Gottesreich in Israel abbilde. Die weitere Ausführung der Parabel hat Jesus selbständig dem Zwecke seiner Eede gemäß gebildet. „Und er that ihn den Winzern aus {yemQyotg Wein- bauern) und zog über Land" idjteÖTJf/rjOev verreiste). V. 34. Als die Zeit der Früchte herannahte, sandte er seine Knechte zu den Winzern, um seine Früchte in Empfang zu nehmen. Tovg xaQjtovg amov die Früchte des Weinbergs, nicht: die dem Herrn gehörigen Früchte, wie Weiss u. Mey. erklären weil ovtov nur auf das nächstvorhergehende Subject bezogen werden könne. Statt Xaßetv rovg xagjiovg avrov hat Mark, iva Xaß'^ djto xov xagjtov xov dfijteXcovog (ähnlich Luk.). Daraus schließen die genanten Ausll., daß nach Mrk. den Winzern als Iiohn ein Teil der Früchte zufallen ^olte, der Weinberg also ihnen ver- pachtet war; nach Mtth. hingegen der Herr die ihm gehörigen Früchte des Weinbergs alle in Empfang nehmen wolte, folglich die Arbeiter nur für Geld gedungen waren. Diese Aenderung soll Mark, seiner Be- siehung des Gleichnisses auf die Hierarchen zu Liebe vorgenommen Jiaben. Allein selbst wenn xagjtovg avxov die dem Herrn gehörigen IFrüchte bedeuten müßte, würde daraus nicht folgen, daß alle Früchte des Weinbergs dem Herrn zukommen sollen. Das alle ist willkürlich «ingeschoben, und die angebliche Umbildung des Gleichnisses nicht be- gründet. Das djco Tovxagjcov rov dfuteX. bei Mark, ist nur ein prä- ciserer und deutlicherer Ausdruck, als das von Matth. gebrauchte rovg scoQjtovg avrov, worin keine besondere Absicht aufzusuchen ist, da «ine Unterscheidung zwischen Verpachten und Verdingen, oder zwi- schen Fordern des ganzen Ertrags oder eines Teils desselben für den Zweck der Parabel gar keine Bedeutung hatte. Wie ferne den Evan- £;elist;ßn diese spitzfindige Unterscheidung lag, zeigt schon ihre Dar- stellung der Sache; bei Matth. die zusammenfassende Schilderung der Sendung der Knechte und der Behandlung, die sie von den Winzern erfahren, bei Mrk. die ausmalende Beschreibung dieses Punktes in V. 2—5. Nach Mtth. V..35 f. sandte der Herr seine Knechte (eine Mehr- heit), um von den Winzern die Früchte in Empfang zu nehmen; die Winzer aber schlugen den einen (söeigav von öigco durchprügeln), den Ändern tödteten, den dritten steinigten sie; und als der Herr wiederum ÄQdere Knechte und mehr als zuerst sandte, wurden diese ebenso miß- ^Äudelt Mark, dagegen läßt dreimal je einen Knecht gesandt, und ^ea ersten von den Winzern geschlagen, den zweiten gesteinigt, den ^tten getödtet werden; darauf noch viele andere Knechte gesandt und ebenfalls teils geschlagen, teils getödtet werden. — V. 37 ff. Hernach ^*iidte der Herr seinen Sohn, Xiywv sagend d. h. denkend: „Scheuen Börden sie sich vor meinem Sohne". Aber die Winzer, als sie den 426^ Matth. XXI, 38— 41. Sohn sahen, sprachen sie anter einander: „Dieser ist der Erbe. Eomt! laßt uns ihn tödten und sein Erbe (den Weinberg) ei*halten" (=(iaß wir es erhalten) ; nahmen ihn, warfen ihn aus dem Weinberge hinaus und tödteten ihn (bei Mrk. umgestelt: sie tödteten ihn und warfen ihn — hinaus). Der Sinn dieser Parabel ist unschwer zu erkennen. Die Pflanzung des Weinbergs ist die Gründung des alttestamentlichen Gottesreiches durch die Annahme Israels zum Volke des Herrn am Sinai, durch die Gesetzgebung und die Einführung der Israeliten in das Land Canaan. Dadurch wurde dieses Volk in den Stand gesezt, den von seinem Gott und Herrn ihm angewiesenen Beruf durch treue Erfüllung der gött- lichen Gebote, deren Befolgung ihm als Bundespflicht auferlegt war, das Reich Gottes zu bauen und so die Früchte, welche Gott von seiner Gemeinde erwartet, zu schaffen. Die Zeit, da der Hausherr über Land gezogen, ist die Zeit von der Gründung der Theokratie bis zu dem von den Propheten geweißagten Kommen des Herrn zur Vollendung seines Reiches, die ganze Zeit der Dauer des alten Bundes. Während dieser Zeit offenbarte sich der Herr nicht unmittelbar wie am Sinai, sondern sandte nur von Zeit zu Zeit Propheten, welche das Volk an die Erfül- lung der übernommenen Bundespflichten mahnten. Die Propheten hat aber Israel verachtet, mißhandelt und manche auch getödtet. Darauf sandte der Herr in Jesu Christo seinen Sohn in der Hoffnung, daß sie vor demselben Scheu haben und die erwartete Frucht ihres Berufes entrichten werden. Aber statt auf seine Stimme zu hören und den Wil- len seines himmlischen Vaters zu thun, stoßen sie ihn aus dem Reich, das sie innehaben, aus und tödten ihn. V. 40 f. Den Schluß der Gleichnisrede kleidet Jesus in die Frage: „Wann nun der Herr des Weinbergs kommen wird, was wird er jenen Weingärtnern thun?" Die Volkshäupter antworten richtig: „Als Böse wird er bös sie umbringen und den Weinberg andern Arbeitern ans- thun, welche ihm die Früchte zu ihren Zeiten entrichten werden". So läßt Jesus seine Gegner sich selber das Urteil sprechen. Das xaxovq xaxcog äjtoX. amovg malt trefflich wie die Entrüstung der Antworten- den über die Frechheit der Weingärtner, so auch die gerechte Vergel- tung ihrer xaxia. Ob die Volkshäupter den Sinn der Parabel nicht erkanten, weil Jesus darin auch die Tödtung des Sohnes als etwas schon Geschehenes dargestelt hatte, oder ob sie mit ihrer rückhaltslosen Antwort nur jeden Schein, als könne die Parabel auf sie abzielen, von sich abwenden weiten, läßt sich nicht entscheiden ; aber die leztere An- nahme würde ganz dem Charakter selbstgerechter und verstokter Hierarchen entsprechen, ev tolg xaiQOtg avrcov heißt nicht: in den ihnen (den yea)Qyotg) bestirnten Fristen (Mey,)^ sondern: so oft jäh^ lieh die Zeit der Früchte wiederkehrt ( Weiss). — In der Anwendung des Gleichnisses entspricht das Kommen des xvqloq zur Bestrafung der treulosen Arbeiter dem von den Propheten geweißagten Kommen des Herrn (Jahve's) zum Gericht über das entartete Bundesvolk, welches mit der Zerstörung Jerusalems über das jüdische Volk hereinbrach, IMfchi XSlv 48. 4^ und mit dem das Reich Gottes den Jaden, die Jesum, den Sohn Gottes verworfen und gekreuzigt hatten, genommen and einem anderen Volke, welches die vom Herrn erwarteten Früchte bringt, d. i. der christlichen Gemeinde tibergeben warde. So erklärt Jesus selbst in v. 43 den Sinn dieser Worte der Parabel, woraus sich ergibt, daß die Beziehung der yscoQyol nur auf die Volksführer oder Volkshäupter ( Weiss, Mey.) nicht richtig ist, wie denn auch der Umstand, daß nach Mtth. u. Mrk. die Parabel zu den Hohenpriestern und Volksältesten gesprochen ist, keinen triftigen Grund für diese Annahme liefert. — Der Weinberg ist nicht das jüdische Volk, sondern die Institution des alttestamentlichen Gottesreiches; folglich sind die Weingärtner nicht blos die Oberen des jüdischen Volks, sondern das ganze Volk in seiner gottgeordneten Gliederung, mit Einschluß seiner geistlichen und weltlichen Oberen. Dem Volke in seiner Gesamtheit, welche dem Herrn keine Frucht ab- liefert, wird das Reich Gottes genommen. Die aXXoi, denen dasselbe übergeben wird, sind aber nicht die Heiden, sondern das aus den gläu- bigen Gliedern des jüdischen Volks und aus den gläubigen Heiden sich bildende neue Volk Gottes. Vermöge dieser richtigen Beziehung des Gleichnisses konte Luk. dasselbe zu dem Volke gesprochen sein lassen, ohne seinen ursprünglichen Sinn zu modificiren. V. 42—44. Da die Volkshäupter aber sich so stellten, als ob das Gleichnis keine Beziehung auf sie habe, so gab ihnen Jesus noch ein Sxshriftwort zu bedenken, welches ihnen seine und ihre Stellung zum Reiche Gottes klar machen konte, und erklärte ihnen dann offen her- aus, daß das Reich Gottes ihnen werde genommen werden (v. 43) und daß ihre Opposition gegen ihn zu ihrem Verderben ausschlagen werde (v. 44). — Das Schriftwort, an welches er sie erinnerte: „der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist dies geschehen und es ist wunderbar in unser n Augen", steht Ps. 118, 22 u. 23, und ist nach der mit dem Grundtexte übereinstim- menden LXX angeführt. Äld^ov ov Attraction für XLO^oq bv x€g)aX^ /cor/a? = fi5ö tt5«n Eckenkopf d. i. Eckstein, der Stein welcher das Haupt der Ecke d. i. die äußerste scharfe Kante des Gebäudes bildet, nicht Giebelstein, der den Bau oben abschließt; s. Delitzsch zu Ps. 118, 22. avTfi als üebersetzung des hehr. Pfciiim. z. Erangel. Matth. 28 434 MaUh. XXTT, 17—21. Verlust ihrer geistigen Herschaft über das Volk. — In der Meinimg, mit einer schlau ausgedachten, aber übel angebrachten capiaüo bene- volenUae Jesum über ihre Absicht täuschen zu können, leiten die Ab- gesandten ihre Frage mit den Worten ein: „Lehrer (Meister) wir wis- sen, daß du warhaftig bist und den Weg (jottes in Warheit lehrst und dich an Niemand kehrst, denn du siehst nicht auf das Ansehen von Menschen'^ ov (iiXei öoc jtsgl ovöevog du kümmerst dich um Niemand d. h. du läßt dich in deinem Lehren nicht durch Rücksichten auf Per- sönlichkeiten bestimmen. Diese Aussagen von olöafiev an, begründen sie mit dem Satze: denn du siehst nicht auf das Gesicht d. h. das äußere Ansehen von Menschen, ro jtQoqonov wie das hebr. tar^d die äußere Erscheinung) in der Menschen sich darstellen. Der Redensart liegt das hebr. Q'^äB K\t)a jtgogtDjtov Xdfißaveiv (Luc. 20, 21) die Person ansehen, Rücksicht auf die Person nehmen, zu Grunde, die nur für griechische Leser verdeutlicht ist. — V. 17. „Sage uns also, was dünket dir? Ist es erlaubt, Zins {xijvöog Kopfsteuer) dem Kaiser zu geben oder nicht?^ (Ealoagc ohne Artikel als nom. propr,). — V. 18. Jesus aber ihre Bos- heit merkend sagte: „Was versuchet ihr mich, ihr Heuchler?" jj m- VTjQla ist die boshafte Absicht, in der sie Jesu diese Frage vorl^^teo. Die Sache betreffend, so waren die Juden als Volk Gottes eine selbstän- dige Nation, die keinem heidnischen Herscher unterthänig sein solte. Als aber Gott sie zur Züchtigung für ihren Abfall von ihm in die Ge- walt der Weitherscher dahin gegeben hatte, waren sie auch verpflichtet, ihren weltlichen d. h. heidnischen Oberherren Steuer zu zahlen, so daß die Verweigerung der Steuerzahlung eine Empörung war nicht nur gegen den Kaiser, sondern auch gegen Gott, der sie der Herschaft des Kaisers untergeben hatte. Zwar erkanten die Pharisäer in ihrem werk- gerechten Streben nach theokratischer Gesetzeserfüllung die Unterwer- fung unter die Gewalt der Heiden nicht als Strafe für ihren Abfall von Gott; aber trozdem sahen sie ein, daß eine Auflehnung wider den Kai- ser nur zu ihrem Verderben ausschlagen werde. Unter diesen Umstän- den konten nur unbesonnene Zeloten, wie Judas der Gaulonite (nach Joseph, Antt, XV HI, 1,1) die Censuszahlung vorweigern wollen. — „Heuchler'^ nent sie Jesus in Bezug auf das Lob, das sie ihm als Lehrer der Warheit gespendet hatten. V. 19. Ohne auf eine nähere Erörterung ihrer Frage einzugehen und ihnen zu zeigen, daß sie durch ihre Schuld in die Abhängigkeit des römischen Kaisers gekommen seien , da es ihnen nicht um Erkentnis der Warheit zu thun war, läßt Jesus sich die Zinsmünze d. h. em Geldstück , in welchem der Census gezahlt werden mußte, zeigen und fragt sie, als sie ihm einen römischen Denar zeigten: „Wessen das Bild und die Inschrift dieser Münze sei?" fj slxoiv das auf dem Denar ab- geprägte Bild. — V. 21. Auf ihre Antwort: „des Kaisers" erklärteer ihnen dann: „So entrichtet nun dem Kaiser, was des Kaisers ist". Die Annahme und der Gebrauch der kaiserlichen Münze war eine thatsäch- liche Anerkennung der Herschaft des Kaisers. Daraus folgte nicht nor die Rechtmäßigkeit, sondern auch die Pflicht, dem Kaiser zu entrich- Matth. XXU« 22. 23. 435 ten was ihm gehörte, nämlich die Münze, deren Gepräge das factische Kecht des kaiserlichen Regiments hewies. Um aber den Fragenden zugleich zu sagen, daß durch die politische Unterordnung unter den Kaiser ihre theokratischen Pflichten nicht aufgehoben werden, sezt der Erlöser hinzu: „Und (gebet) Gotte was Gott gebürt". Daß damit nicht blos die Tempelsteuer gemeint war, wird gegenwärtig fast allgemein anerkant. Aber auch die Beschränkung dieser Worte auf das geistige Gebiet des Seelenlebens (Neand,, v. Hofm. Schriftbew. II, 2 S. 440 f.) ist contextwidrig. Wie rov Ealaagog nicht blos die Censuszahlung bezeichnet, sondern die Leistung alles dessen, was dem Kaiser vermöge der rechtlichen Ordnung seines Regiments tlber das theokratische Yolk zukam, so ist auch in ra rov Oeov alles begriffen, was das theokra- tische Volk in religiöser, sittlicher und btlrgerlicher Hinsicht Gotte zu leisten hatte, die Abgabe für die Erhaltung des gesetzlichen Cultus mit eingeschlossen, aber den religiös-ethischen Pflichten treuer Erfüllung der göttlichen Geböte untergeordnet. Diese zur Antwort auf ihre Frage hinzagesezte Weisung aber gab Jesus ihnen nicht deshalb, weil der Frage ein, obwol nur erheucheltes Gewissensbedenken, ob man um Gottes willen dem heidnischen Kaiser den Census entrichten dürfe, zu Grunde lag. Denn dieses Bedenken, mochte es begründet oder nur Vorwand sein, war mit der Antwort auf ihre Frage, dem Kaiser zu ge- ben was demselben als von Gott ihnen gesezten Oberherm zukam, schon gehoben. Auch nicht um ihr Gewissen zu treffen, ,h6ißt Jesus sie lieber Gotte geben, was Gottes ist, statt zu fragen, ob Gott nicht fordere, daß man dem Kaiser verweigere was er fordert' (v. Ho/m,)] denn das Heber ist contextwidrig eingetragen, sondern um ihnen positiv zu sagen, daß die Steuerzahlung an den Kaiser die Pflichten gegen Gott nicht beeinträchtige, und zugleich ihnen zu Gemüte zu führen, daß wenn sie nur ihre Pflichten gegen Gott zu erfüllen sich ernstlich ange- legen sein ließen, die Frage nach dem Rechte der Censuszahlung in ihren Herzen gar nicht mehr auftauchen würde. Denn wer Gotte gibt was ihm gebürt, der wird auch der weltlichen Obrigkeit geben, was dieser rechtlich zukomt, und zwar nicht aus Furcht oder Zwang, son- dern um des Gewissens willen-, vgl. Rom. 13, 1—7. — V. 22. Diese Antwort Jesu war so schlagend, daß die Widersacher darüber sich ver- wundernd abzogen. V. 23—33. Die Frage der Sadducäer über die Auferstehung der Todten. Vgl. Mrc. 12, 18—27. Luc. 20, 27-40. — Als die Pharisäer abgezogen waren, traten Sadducäer zu Jesu heran, um durch Vorlegung einer verfänglichen Frage sein Ansehen bei dem Volke zu erschüttern. Der Partei der Sadducäer (s. über dieselben zu 3, 8) lag, obwol sie im Besitze der höchsten geistlichen Aemter waren, doch der irdische Lebensgenuß mehr am Herzen als die Pflege des religiösen Lebens. Als Antipoden der Pharisäer verwarfen sie nicht nur die un- ter dem l^amen der üeberlieferung der Aeltesten von den Schriftgelehr- ten ausgebildete Erweiterung und Ergänzung des mosaischen Gesetzes, sondern zogen als der Sinnlichkeit ergebene Verstandesmenschen auch 28* 436 Matth. XXII, 24-29. übersinnliche Schriftwarheiten in Zweifel, und werden in Act. 23, 8 als solche charakterisirt, welche Anferstehnng, Engel and (jeist len£^ nen. Hier in unserer Stelle wird zur Verdeutlichung der Frage, die sie Jesu vorlegten, von ihnen nur bemerkt, daß sie die Anferstehnng nicht annehmen (XiyovTsg ft^ elvai dvaoxaoiv). — Um diese Behaup- tung Jesu gegenüber zu verteidigen, legten sie ihm einen Fall vor, der ihnen einen Hauptgrund gegen die Auferstehung der Todten zu liefern schien. Y. 24. Sie führen das mos. Gesetz über die Schwagerehe Dent 25, 5 an, welches vorschrieb, daß wenn ein Ehemann ohne Kinder zn haben sterbe, dann sein Bruder die hinterbliebene Witwe als Schwa- ger heiraten und seinem gestorbenen Bruder Samen d. h. Nachkom- menschaft erwecken solle, nämlich so, daß der erste in dieser Ehe er- zeugte Sohn in die Geschlechtsregister des Verstorbenen eingetragen werden und als der legitime Erbe des Verstorbenen und als Fortsetzer von dessen Geschlecht gelten solte (vgl. m, Comm. zu Deut. 25, 5 und über die Levirats- oder Schwagerehe {levir Schwager) im Allgemeine m. bibl. Archäol. §. 108). ^jicyaftßgsvecv sich verschwägern, htiyafißg, yvvatxa eine Frau als Schwager heiraten. — V. 25 ff. In Grundlage dieser Vorschrift fingiren die Sadducäer einen Fall, der schwerlich je- mals vorgekommen ist, den sie aber als wirklich vorgekommen mit den Worten anführen: „Es waren bei uns sieben Brüder"; und der erste starb nach seiner Verheiratung, ohne Nachkommen zu haben, worauf der zweite die Witwe ehelichte, aber auch ohne Kinder starb, dann der dritte desgleichen „bis zu den sieben" d. h. bis die sämtlichen sieben das eine Weib geheiratet hatten und gestorben waren; zulezt {vorsfov jidvTcov später als alle sieben Männer) sei auch das Weib gestorben. Darauf gründen sie v. 28 die Frage: „Bei der Auferstehung wessen von den Sieben Weib wird (diese Frau) sein? denn sie hatten sie ja alle (sieben zum Weibe)". Damit glauben sie aus der Schrift die Absurdi- tät des Glaubens an die Auferstehung der Todten und das ewige Leben dargethan zu haben. Denn da sieben Brüder nach der Auferstehung doch nicht ein und dasselbe Weib haben können, so könne auch Moses bei dem Leviratsgesetze nicht an die Auferstehung geglaubt haben. — V. 29. Jesus antwortet ihnen: „Ihr irret euch, da ihr die Schrift nicht kennet noch die Macht Gottes". Die Schrift {rag yQag)dg die aus einer Mehrheit von Büchern bestehende heil. Schrift) kennen sie nicht, weil in dieser die Lehre von der Auferstehung wirklich enthalten ist; dieMacht Gottes verstehen sie nicht, weil sie nach ihrem beschränkten Verstände sich das Leben der Auferstandenen nur als eine sinnliche Wiederhe^ Stellung und Fortsetzung des irdischen vorstellen ^ und Gott nicht die 1) Solche grobsinnliche Vorstellungen mögen auch manche Pharisäer ge- hegt nahen. So wird z. B. in B. Sohar Genes, f. 24 für einen ähnlichen Fall, daß eine Frau in diesem Leben zwei Männer hatte, die Entscheidung gegeben, daß dieselbe in der künftigen Welt wieder dem ersten Manne zufalle. Doch wurde die Lehre von den späteren Rabbinen in der Begel geistiger gefaßt, wie aus tract. Berachotf. 17 zu ersehen: B. Eqf'illa verhafrequenter in ore hahuit; in mundo futuro non edent neque bibent, negue generabunt liberos, non exercebunt commerda; non est ibiinvidia neque odium neque rixa^ sedjusti sedebunt coronis Matth. XXn, 30—32. 437 Macht zutrauen, ans dem irdischen Körper eine neue höhere Leihlich- keit zu schaffen, auf welche die irdisch-sinnlichen Verhältnisse der Ehe nicht übertragen werden können. Zur Erläuterung dieses Ausspruchs sezt Jesus hinzu: „denn bei der Auferstehung heiraten sie (die Männer) weder, noch werden sie (die Töchter) verheiratet, sondern sie sind wie Engel Gottes im Himmel", h reo ovQavm gehört nicht zu äyyeXoi d'sov (de W., Bl, MeyJ weil oi davor fehlt und elolv am Schlüsse steht, aufierdem der Zusatz überflüssig wäre, da Engel Gottes im Him- mel zu denken sind. Es hat vielmehr den Sinn, daß das Leben der Engelgleichgewordenen ein himmlisches und darum an die Bedingun- gen und Bedürfoisse des irdischen nicht mehr gebundenes ist (Weiss), — Die Gleiche der Auferstandenen mit den Engeln besteht nach dem Contexte darin, daß die eheliche Gemeinschaft für beide nicht existirt. Sehr zweifelhaft erscheint dagegen die Folgerung, die von manchen AusU. aus diesem Worte des Herrn gezogen wird, daß die Engelgleich- heit sich auf die Beschaffenheit der künftigen Leiber beziehe und die Engel nicht als Geister schlechthin , sondern mit überirdischer Leib- lichkeit zu denken seien. Eine Annahme, für die auch 1 Kor. 15, 40 u. Phil. 2, 10 keinen evidenten Beweis liefern. Unerweislich ist jeden- falls die Ansicht von Mey., daß die überirdische Leiblichkeit der Engel ,die notwendige Voraussetzung dieses Ausspruches Christi ist^ Luk. hat in v. 36 (der Parallelstelle) noch die Worte: „denn sie können nicht mehr sterben (denn sie sind engelgleich). Daraus ergibt sich, daß Gott für das irdischzeitliche Leben der Menschen die Ehe eingesezt hat wegen der Sterblichkeit der Menschen, also wenn das Sterben aufhört, auch die Ehe als Mittel der Fortpflanzung und Vermehrung des mensch- liehen Geschlechts aufgehoben und in eine höhere Form der Liebesge- meinschaft verklärt wird, da das Aufhören der Ehe nicht auch die Auf- hebung des Geschlechtsunterschiedes involvirt. V. 31 f. Hierauf beweist Jesus denSadducäern, daß die Auferstehung der Todten in der Schrift gelehrt sei. „In Betreff aber der Auferstehung der Todten habt ihr nicht gelesen das Wort, welches euch von Gott ge- sagt worden: Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs? Nicht ist Gott der Todten, sondern der Lebenden (Gott)'\ Die Schriftworte stehen Exod. 3, 6, wo Gott am Horeb knl xijq ßdtov bei dem Dornbusche, in dem brennenden und nicht verbrennenden Busche sich Mosen offenbart und als den Gott der Erzväter bezeugt, der das Elend seines Volkes in Aegypten gesehen und ihr Schreien ge- hört habe und herabgekommen sei, dasselbe aus Aegypten zu erlösen. Der Schluß, den Jesus aus dieser Selbstbenennung Gottes zieht, grün- det sich darauf, daß Gott nicht zu absolut Todten, gar nicht mehr Existirenden, sondern nur zu Lebenden in dem Verhältnisse als ihr Gott stehen kann. Nent er sich also Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, cincti et delectäbunt se splendore majestatis divinae, — Belege für die Art und Weise, wie die Babbinen die Auferstehung ans der Schrift (der Thora, den Propheten und den Ketubim) bewiesen, haben Light/, kor. zu u. V. u. Menschen, Nov, Test, ex talmude illustrat. p, 107 ss. gesammelt. 438 Matth. XXH, 33—35. nachdem dieselben längst gestorben waren, so müssen sie auch nach dem Tode noch leben, oder — wie Luk. v. 38 sagt — avz

vXaxxriQUL bei den Griechen Schutzmittel, Amulette, ist hier das griech. Wort für 1'4&R, bei den Babbinen Benennung der zwei Kapseln, welche mit den Schrift- stellen Exod. 13, 1—16. Deut. 6, 4—9 u. 11, 13—21 beschriebene Per- gamentstreifen enthalten, und von denen bei Verrichtung des Gehets die eine an den linken Oberarm (gegenüber dem Herzen), die andere am oberen Teile der Stirne mittelst durch die Kapsel gezogener Bie- men festgebunden wird. Daher rürt die nicht passende YerdeutsehiiDg des Wortes durch Gebetsriemen, während Luther auf Grund der Sti- len Ex. 13, 9. 16. Deut. 6, 8 u. 11, 18, daß das Gesetz den Israeliteri zu einem Zeichen auf der Hand und einem Denkmittel (l'ratb) oder als Binden (ni'&Diid Deut.) zwischen ihren Augen sein soll, worauf die rab- bin. Sitte der Thephillin sich gründet, dieses Wort sinngemäßer Denk- zettel übersezt hat. S. m. Comm. zu Exod. 13, 9 u. 16 und mehr über die Phylakterien in m. bibl. Archäol. S. 364 und den dort angef. archäo- logischen Werken, wie auch in dem Artikel ^\tx^ in Rabh. Dr, /. Lemfs chald. Wörterb. über die Targum. H S. 549 f. — üeber xä xQdöMÖa die Quasten an den vier Zipfeln des Oberkleides, welche die Israeliten zur Erinnerung an die Gebote Gottes tragen solten, s. zu 9, 20 u. m, bibl. Archäol. §. 102. Anm. 5. Diese Denkzettel machten die Pharisäer breit und die Quasten groß, um ihren Eifer für Erfüllung des Gesetzes oder ihre Frömmigkeit zur Schau zu tragen. — V. 6 f. Vgl. Mrc. 12, 38 u. 39. Luc. 20, 46 u. 11, 43. „Sie lieben aber den ersten Platz bei den Gastmählern und die ersten Sitze in den Synagogen, und auf den Märkten gegrüßt und von den Leuten Rabbi genant zu werden". Als die Lehrer und geistlichen Führer des Volks wollen sie auch allent- halben geehrt sein. Diese Ehrsucht war auch ein Zeichen ihrer Schein- frömmigkeit; denn wahre Frömmigkeit trachtet nicht nach Ehre bei den Menschen. i^ jigcaroxkiöla das erste Lager bei Tische d. i. der oberste Platz auf dem Divan oder Polster, auf dem man bei Gast- mählern lag; vgl. Luc. 14, 8. ^Paßßl d. i. ^'a'n mein Großer d. i. mein Meister oder Lehrer als Herr der Wissenschaft oder der Schüler, (in Job. 1, 39 öiödoxaXs erklärt), war seit Hillels Zeiten solenner Titel der Gesetzeslehrer geworden, unserem Doctor entsprechend. S. die Be- lege hiefür bei Lightf. hör. ad h. l. Matth. XXIU, 8--ld. 445 Hieran knüpft Jesus in v. 8—12 eine Warnung seiner Jünger Yor solchem ehrgeizigen Streben an. — Y. 8. „Ihr aber seit euch nicht Rabbi nennen; denn Einer ist euer Lehrer, ihr alle aber seid Brüder^' d. h. ihr solt in brüderlichem Verhältnisse zu einander stehen, vfistg ist mit Nachdruck vorangestelt. Im «mittleren Satze lautet der ältere text rec: 6 Tcadnrjyrjftfig 6 XQtöroq^ aber 6 XqlCx. ist nach ^BDE^LaL zu tilgen und statt o xad^y, ist nach ^'"^BUal. 6 öiödöxaXog zu lesen (mit Grot, Miü,, Beng,, Griesb. Lehm. u. Tisch, u. A.). Die ältere rec. ist offenbar als Glosse aus y. 10 hieher gekommen. Y. 9. „Und einen Vater von euch solt ihr nicht nennen auf Erden; denn Einer ist euer Vater, der himmlische". Den Titel Vater sollen sie gegen keinen Men- schen gebrauchen, womit selbstverständlich die Anrede des leiblichen Erzeugers mit Vater nicht untersagt wird, sondern nur die Anwendung dieses Namens als Titel auf Lehrer. 3» und ''?5$ Vater, mein Vater wurden die Propheten von ihren Schülern und von anderen genant; vgl. 2 Kön. 2, 12. 6, 21. Von den späteren Rabbinen führten mehrere den Ehrentitel «50$ Vater = Lehrherr; s. Buxt. Lex. talm. p. 10 u. Levy chald. Wtb. I S. 2. Vermutlich ließen sich schon zu Christi Zei- ten einzelne berühmtere Rabbinen so tituliren. — V. 10. „Auch solt ihr euch nicht Führer (xaQ^f/rixal Lehrführer) nennen lassen; denn Einer ist euer Führer, Christus (der Messias)". Das Wort xad^yrjftriq wird bei Plut. u. A. von Lehrern gebraucht. Diese Verbote Jesu sind natürlich nicht so gemeint, daß damit jede Anrede eines Lehrers oder geistlichen Führers mit den Worten: Lehrer, Vater, Führer unbedingt untersagt werden soll, sondern sie sind gegen die Gesinnung gerichtet, welche auf die Annahme und den Gebrauch solcher Benennungen Wert legt oder kurz ausgedrükt, gegen die Ehr- und Titelsucht gerichtet. Dies erhellt sowol aus dem Anschlüsse dieser Verbote an die Rüge der Ehrsucht der pharisäischen Gesetzeslehrer, als auch aus der Angabe V. 11, worin die Jünger Christi ihre Größe zeigen sollen. V. 11. „Der Größere von euch soll euer Diener sein", wie dies Jesus schon 20, 26 ff. seinen Jüngern gesagt und auf sein Vorbild hingewiesen hat. — V. 12. „Wer aber sich selbst erhöhen wird, (der) wird erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigen wird, wird erhöht werden". Eine Sentenz von allgemeiner Gültigkeit, die nicht blos bei Errichtung des messiani- schen Reiches (Mey.)^ sondern überhaupt im Menschenleben oftmals sich bewarheitet. V. 13-33. Bas siebenfache Wehe über die Schriftgelehrten und Pharisäer. — Nachdem der Herr seine Jünger und das Volk vor der gcheinheiligen Gerechtigkeit und Frömmigkeit der Pharisäer gewarnt hat, wendet er sich direct an diese Heuchler und droht ihnen nach der Weise der Propheten (vgl. Jes. 5, 8. 10. 18 ff. Hab. 2, 6. 9. 12. 15. 19) in wiederholten Weherufen das Zorngericht, dem sie nicht entfliehen werden. Im recip. Text lesen wir oval vfilp 8mal (v. 13. 14. 15. 16. 23. 25. 27. 29); aber der 14. Vers: „Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr der Witwen Häuser verzehrt und wendet lange Gebete vor, darum werdet ihr ein überreichliches Gericht 446 Matth. XXIU, 13-15. empfangen", den Griesb., Scholz, Friizsche u. A. hinter v. 13 gestelt haben, steht in EFGHKMSUVrAII, Verss. u. Kchw. vor diesem Verse, die Reihe der Weherufe eröffnend, und fehlt in ^BDLZ dl,, Ital., in den Canones des Euseb, n. warscheinlich schon bei Orig. ganz, weshalb ihn Lehm, u. Tisch, ans dem Texte gestrichen haben. Wol mit gutem Recht, da ein Ausfallen desselben in den ältesten Hdschr. u. Yerss. wenig Warscheinlichkeit hat und schwerer denkbar ist, als die Herübemahme desselben aus Mrc. 12, 40 u. Luc. 20, 47. Außerdem macht schonte schwankende Stellung des Y. in den Hdschrr. seine Echtheit zweifd- haft; und die Drohung Xrifipecd-e jibqiCOoxbqov xgtfia erscheint fllrdas erste Wehe unpassend; durch die Stellung des Verses aber zwischen y. 13 und v. 15 wird der offen vorliegende Zusammenhang und Gedan- kenfortschritt der Rede zerstört. Y. 13 u. 15. Die Wehe dieser beiden Verse verurteilen den Eifer, welchen die Pharisäer für die Ausbreitung der mosaischen Religion an den Tag legen, als verkehrt und verderblich. V. 13. „Wehe aber ench, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler, daß ihr verschlieBet das Himmelreich vor den Menschen; denn ihr gehet nicht hinein nnd lasset auch die Eintretenden nicht hineingehen^S ort begründet das oval. Das Himmelreich ist die durch Christum in die Welt eingeführte Vollendung des alttestamentlichen Gottesreiches. Es vor den Menschen zuschließen d. h. den Eingang in dasselbe versperren, dadurch daB sie selber nicht eingehen, Jesum den von den Propheten verheißenen Mes- sias verwerfen, und rovg slöSQXoftivovg die im Eingehen begriffen sind, nicht hineinkommen lassen. Dies bewirken sie nicht blos durch die Masse ihrer Satzungen {Bl.\ sondern überhaupt durch ihre Lehre und ihren Wandel. Durch die Lehre, indem sie äußerliche Erfüllung der Gebote des Gesetzes als Haupterfordernis der Zugehörigkeit zum Reiche Gottes lehren und die Grundbedingung des Heils, Buße und Glauben an den Erlöser verkennen und dem Volke verdunkeln; durch ihren Wandel, sofern sie nur den Schein der Gottseligkeit suchen, das Wesen derselben aber verleugnen. — V. 15. „Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler, daß ihr das Meer und das Land umfahret, um einen Proselyten zu machen, und wenn er es geworden, macht ihr ihn zu einem Sohne der Hölle, zwiefältig mehr als ihr". Mit dem Eifer, welchen die Pharisäer ftlr die Erfüllung des Gesetzes an den Tag legten, ging Hand in Hand ihr Bestreben, die mosaische Gottes- lehre auszubreiten und die Heiden zur Annahme derselben zu bewegen. Um Proselyten zu machen, unternahmen sie sogar weite Reisen, wie der von Joseph. (Antt, XX, 2, 4) berichtete Fall zeigt. ^ Diesen Eifer schildert Jesus rhetorisch-hyperbolisch als ein Umherziehen zu Wasser und zu Lande i^rjQav sc, y^v) , um einen einzigen {jbvo) Proselyten zu machen: und wenn er es geworden (yivrixai sc, jiQog^XvTog\ so machen sie ihn nicht zu einem Bürger des Himmelreichs, sondern zu einem 1) Vgl. darüber Jb. Andr. Danz cura Judaeorum in conquirendis proselytis in Meuscheriy N, Test, ex tälm. Hl, p. 649—676. Matth. XXTTT, 16-20. 417 Sohne d. h. Angehörigon der Hölle , zu einem der Hölle Verfallenen, der dies in doppelt höherem Grade ist als sie es sind. dijtXozsQOP ist nicht Adyerh, sondern Adjectiv zu vlov yedvj^g gehörig. Dies ge- schieht nicht durch die fortgesezte Einwirkung auf denselben, indem erfahrungsmäßig die Bekehrten einseitiger, liebloser und überspannter zu werden pflegen als ihre Bekehrer {Mey.), oder durch ihr böses Bei- spiel (Chrys., Theod. Mops. u. A.), sondern durch die Bekehrung selbst, nämlich dadurch, daß sie dem nach Erlösung von der Sünde und nach dem Frieden der Seele Verlangenden nur Lehren und Satzungen auf- erlegen, welche anstatt die Bedürfnisse des Herzens zu befriedigen, nur der Neigung des natürlichen Menschen zur Selbstgerechtigkeit Vorschub leisten und gegen die in Christo geoffenbarte Gnade und Warheit Gottes verstecken. V. 16—22. Der Gedanke an ein Proselytenmachen, welches die Bekehrten nur ins Verderben führt, bringt Jesum von selbst auf ein drittes Wehe, das Wehe über die blinden Wegweiser (vgl. 15, 14), die selbst den Weg des Heils nicht kennen und darum nur auf den Weg des Verderbens leiten können {Weiss). Diesen Gedanken exemplificirt er an ihren Satzungen über die Gültigkeit des Eides, welche nur dazu dienen, die Heiligkeit des Eides zu untergraben und das Gewissen ab- zustumpfen. V. 16. „Wehe euch, ihr blinden Wegweiser, die ihr sprechet: Wer beim Tempel schwört, so ist es nichts; wer aber beim Oolde des Tempels schwört, der ist schuldig". Ueber ofivvetv Iv tcvc s. zu 5, 34 (S. 169). Zu ovödv eöxiv ist nicht der Schwörende Subject, sondern die Handlung des Schwörens: der abgelegte Eid, der hat nichts auf sich, oq av ofioo^] ist absoluter Nominativ, gebraucht für sdv rig 6(i6ciß. otpelXei er ist schuldig d. h. verpflichtet den Eid zu halten. Ob bei dem Golde des Tempels an den Goldschmuck und die Goldge- fäße des Tempels oder an den Tempelschatz zu denken sei, läßt sich nicht entscheiden und ist auch für die Sache von keinem Belange. Das Beispiel ist jedenfalls aus dem Leben gegriffen, obwol Belege dafür aus der rabbinischen Literatur nicht bekant sind. Es zeigt aber dieThor- heit und Blindheit derer, die diese Distinction ausgedacht haben. Da- her redet sie Jesus v. 17 als ftcoQol xal xvq)Xol an, indem er sie fragt: was denn größer sei, das Gold oder der Tempel, der das Gold heiligt. fisl^cDV von größerer religiöser Bedeutung. Diese hatte natürlich nicht das Gold, sondern der Tempel, welcher dem Golde an und in ihm erst den Gharacter eines heiligen Objectes verlieh. Statt 6 äyuc^oop nach CLrAn al, haben Lehm, u. Tisch, 6 dytdoaq nach »BDZ aufgenom- men: das Gold hat seine Heiligkeit erst durch seine Verbindung mit dem Tempel empfangen. — V. 18 f. Ein anderes Beispiel von Blind- heit liefert die Unterscheidung von Eidschwüren bei dem Altare und bei dem Opfer auf dem Altare (dcopoi^ = la^t? die Opfergabe s. zu 5, 23), die ja auch erst durch die Auflegung auf den Altar ein heiliger Gegen- stand wurde.N — V. 20 ff. Daraus, daß das Opfer seine Weihe vom Altare empfängt, folgt (ovr), daß, wer beim Altare schwört, bei ihm und allem was darauf liegt schwört, und dem analog^ daß wer beim 448 Matth. XXTTI, 21—26. Tempel schwört, bei dem der den Tempel bewohnt d. i. bei Gott schwört (v. 21) und der bei dem Himmel Schwörende bei dem Throne Gottes und dem der darauf sizt schwört; mithin alle diese Eidschwtre im Grunde Schwüre bei Gott und von gleicher Verbindlichkeit sind. Denn wie der Himmel nur dadurch, daß er Gottes Thron und Wohnsiti ist, ein dem Schwur Verbindlichkeit verleihendes Object ist, so der Tempel und der Opferaltar nur als die Stätten, da Gott seinem Volke gegenwärtig ist. Die Aoriste ofwoag v. 20—22 drücken das Eintreten der Handlung aus, vgl. Kühner Gr. II S. 134, also: wer zum Schwören geschritten ist. In v. 21 bieten die Codd. ^BHS ah iv T

29. 449 * macht wird, sondern ünenthaltsamkeit in Bezug auf das Eigentam des Nächsten. Dies entspricht dem aQjtayijg Raub d. i. dem Nächsten ent- zogenes Out. Sinn: Mit peinlicher Sorgfalt achtet ihr darauf, daß die Trink- und Eßgeschirre rein sind, aber das womit sie gefält sind rührt von Raub und ungerechtem Gute her. yifietp voll, angefttlt sein, mit kx von etwas her, wie ye/il^eiv ix anfüllen von einem Orte her Apok. 8, 5. Diese Beobachtung der äußerlichen Reinheit bei Vernachlässi- gung der sittlichen Reinheit war Zeichen geistiger Blindheit. Daher ruft ihnen Jesus v. 26 zu: „Du blinder Pharisäer reinige zuerst das Innere des Bechers, damit auch sein Aeußeres rein werde^S D. h. sorge dafür, daß der Wein in deinem Becher nicht von Raub und Sünde her- rührt, damit dann auch die äußere Reinheit eintrete, nämlich durch Beseitigung des ihn verunreinigenden Unrechts; nicht aber: dann magst du auch an die äußere Reinigung denken (Fritzsche), oder damit das Aeußere von selbst rein sei {de W.\ sondern damit der Becher dann wirklich rein werde, nicht blos durch Putzen der Außenseite, sondern durch Entfernung der seinem Inhalt anklebenden Sünde. Jesus will da- mit nicht die äußere Reinigung für überflüssig erklären, sondern nur andeuten, wie die rechte Reinigung zu erstreben sei. Becher und Schüssel mit ihrem Inhalte, Wein und Speise, sind beispielsweise ge- nant zur Charakterisirung der Art und Weise, wie die Pharisäer bei ihrer äußerlichen Beobachtung der Reinigkeitsgebote den ethischen In- halt des Gesetzes, die Reinigung des Herzens völlig verkennen. y. 27 u. 28. Das sechste Wehe über die Scheinfrömmigkeit der Pharisäer. „Wehe euch daß ihr übertünchten Gräbern gleichet,* die von außen schön erscheinen, inwendig aber sind sie voll vonTodten- gebeinen und jeglicher Unreinigkeit. So auch ihr; von außen zwar er- scheint ihr den Menschen gerecht, inwendig aber seid ihr voll Heuche- lei und Untugend'^ Die Gräber wurden nach rabbinischer Vorschrift (8. die Stellen bei Lighif, adh. L) jährlich am 15.Adar mit Ealktünche {xovla) geweißt, wodurch sie ein schönes Ansehen bekamen, obwol das Tünchen nicht des Schmuckes wegen geschah, sondern um sie den Vor- übergehenden kentlich zu machen, da ihre Berührung verunreinigte, Nom. 19, 16. — Luk. hat 11, 44 das Bild von den Gräbern anders ge- wendet. g>alv6öd'S ölxacoi ihr scheinet gerecht d. h. ihr sucht vor Menschen gerecht zu erscheinen. dvofiUx Gesetzlosigkeit, Gesetzwidrig- keit — eine Gesinnung die den Anforderungen des (Gesetzes wider- spricht. V. 29—32. Das siebente Wehe trift die Spitze der pharisäischen Scheinfrömmigkeit, das Bestreben der Pharisäer, sich gerechter als ihre Väter (Vorfahren) zu zeigen. „Wehe euch .... daß ihr die Gräber der Propheten bauet und die Denkmäler der Gerechten schmücket und sprechet: wenn wir in den Tagen unserer Väter wären, so wären wir wol nicht Genossen derselben an dem Blute der Propheten. Sonach bezeuget ihr euch selbst, daß ihr Söhne derer seid, welche die Prophe- ten getödtet haben'S Das Bauen der Prophetengräber und Schmücken der Grabmäler der Gerechten d. i. der Heiligen des A. T. galt als Keil, Couim. z. Evangel. Matth. 29 450 Matth. XXIII, 30—33. 4 Zeichen besonderer Verehrung derselben. Da aber die Pharisäer weit entfernt waren, den Worten und Lehren der Propheten zu folgen, so war das Schmücken ihrer Gräber offenbare Heuchelei. Diese tritt noch stärker hervor in den Worten, mit denen sie sich ihres Thuns rühmen: „wenn wir in den Tagen unserer Väter wären (nicht: gewesen wären) d. h. wenn wir in der Zeit unserer Väter uns befänden, wenn unter uns wie ehedem Propheten aufträten, so würden wir uns nicht an der Ye^ gießung ihres Blutes beteiligen. Diese heuchlerische Rede wendet Je- sus mit bitterer Ironie zu einer schweren Anklage, indem er aus den Worten t(3v jcarigcov ri(i(DV den Schluß zieht, daß sie Söhne d. i. GeL- steskinder jener Prophetenmörder seien und sich durch die Bezeich- nung „unsere Väter" selbst dieses Zeugnis ausstellen. V. 32. „Und ihr (was euch betrift) so machet voll das Maß eurer Väter'^ übj^ aare ist Imperativ, und zwar nicht in permissiver Bedeutung, sondern auffordernd das zu thun, was ihre Gesinnung, ihr Streben und Thnn zuwege bringen wird. Das Maß der Väter d. i. die Sündenschuld der Väter — diese sollen sie vollmachen durch die Tödtung des Sohnes Gottes und seiner Boten. V. 33. Die Büge schließt mit der ihre Her- zensbeschaffenheit rückhaltlos aufdeckenden Anrede und der dnrch diese Anrede motivirten Drohung ewiger Verdammnis: „Ihr Schlangen, Otterngezüchte, wie solt ihr (nach der Verfassung eures Herzens) ent- fliehen dem Gerichte der Hölle?" Ueber yevpTJfiaza hxiövciv s. m 3, 7. 12, 34. Diese Bezeichnung ist durch das vorgesezte 6q>ei^ rheto- risch verstärkt, tj xglcig xrjq yssvi^g der Gerichtsspruch, der znr Hölle verurteilt. V. 34—38. Prophetische Ankündigung des Gerichts. Um den Ge- danken, daß die Schriftgelehrten und Pharisäer das Maß der Sünden ihrer Väter voll machen sollen (v. 32), weiter auszuführen, geht Jesns von der Rüge in die Form einer prophetischen Ankündigung des Aus- gangs ihres widergöttlichen Treibens über. Wie die Rede der gottge- sandten Propheten des A. T. oft in die Rede Gottes übergeht, so Te^ kündigt Jesus vermöge seiner göttlichen Würde und persönlichen Ein- heit mit Gott ihnen die Sendung von Propheten, damit sie durch ihr Verhalten gegen dieselben das Maß der Schuld vollmachen und das Ge- richt über sich und das ganze Volk herbeiziehen. — Diese Verkündi- gung hat Luk. in 11, 49 als einen Ausspruch der aoq}la zov d'sov ein- geführt, wodurch mehrere Ausll. sich haben verleiten lassen, diese Yt. für ein Citat aus einer alten Weißagung (v, Hengel, Adnot in nonnußa loca N. T, Amst 1824 p, 1 ss,) oder aus einer verloren gegangenen apokryphischen Schrift, ^ öo^la xov d^eov betitelt (Strauss, Bl, Ew) zu halten, während Luk. mit xal rj ao^la xov ^eov shtev die folgende Verkündigung nur als ein Wort göttlichen Rathschlusses bezeichnet, weil die Anführung einer von Jesu direct ausgesprochenen Drohweifia- gung zu den geschichtlichen Verhältnissen, unter welchen er diesen Ausspruch Christi mitteilt, nicht passend erschien, weshalb er auch die Anrede vfiäq in die Form eines über die Juden gesprochenen Gottes- wortes iavxovg) umsezte; vgl. v. Hofm, Schriftbew. I S. 100 f. — Matth. XXIII, 34. 35. 451 y. 34. jdca xovto deshalb knüpft nicht an v. 33 an: deshalb damit ihr einer solchen Verdammnis nicht entgehet {Mey,)^ sondern an y. 32, welchem der Gedanke des 33. Y. untergeordnet ist, ohne darum eine spätere Einschaltung zu sein (wie Weiss glaubt), löov kycQ djtoariXXo) steht wie das prophet. «"^än mit folgendem Participe von Ereignissen, die nahe bevorstehen, daher von Luk. sachlich richtig durch das Futur djtoOTsXiS (ohne löov) wiedergegeben. Anityci liegt der Accent: Ich der Messias (6 Xgcotog)^ der zur Rechten Gottes erhöht wird (22, 44), sende zu euch Propheten und Weise und Schriftgelehrte. Jesus meint die Apostel und Lehrer des Evangeliums, bezeichnet sie aber, um sie mit den Verkündigern und Lehrern der alttestamentlichen Gottesoffen- barung in Parallele zu stellen, als Propheten d. i. Verkündiger des göttlichen Heilsrathschlusses, und als Weise und Schriftgelehrte, ent- sprechend den Lehrern der Chokma und den jüdischen Schriftgelehrten als Auslegern des Wortes Gottes. „Von ihnen (diesen Verkündigem und Lehrern des Evangeliums) werdet ihr (etliche) tödten und kreuzi- gen, und von ihnen (etliche^ in euren Synagogen geißeln und von Stadt zu Stadt verfolgen". Ig avxdiv steht partitiv und rivaq ist weggelas- sen, damit der Nachdruck auf die Verba falle; vgl. Winer Gr. S. 552. Zu cbiOTCtBVBlxB ist y.al öxavQoiosxe als die härtere und schimpflichere Art der Tödtung hinzugefügt. An seine Kreuzigung hat Jesus dabei nicht gedacht; er redet hier ja nur von dem, was seine Boten (Apostel) erleiden werden. Als geschichtliche Belege für die Tödtung sind nur die Enthauptung des Jakobus, die Steinigung des Stephanus, die Kreu- zigung des Petrus und die des Symeon eines d6eXq)6(; Jesu bei Euseb. h. e. III, 32 überliefert. Zu fiaoxiyoiosxe hv r. övvay, vgl. 10, 17 u. zu öwi^^BXE djto jioX, Big jioL 10, 23, wo Jesus diese Erlebnisse seinen Aposteln vorausgesagt hat. — V. 35. „Damit über euch komme alles gerechte Blut auf Erden vergossen'^ ojta)g drükt nicht die Absicht aus, welche die Verfolger hegten (Bl,)^ sondern die göttliche Absicht bei Sendung der Propheten, ,die Teleologie des göttlichen Verhängnisses' {Mey.)^ vermöge welcher Gott dem Bösen Anlaß gibt zur vollen Ent- faltung der Bosheit seines Herzens, damit er für das Gericht reif werde. al(ia ölxaiov das gerechte d. i. unschuldige Blut, wie in LXX Jon. 1, 14 Jo. 3, 19 für T3 ö^. Das vergossene Blut komt auf jemand heißt: die Strafe dafür trift ihn. Das Nämliche besagt der Ausdruck: das Blut wird von ihm gefordert Luc. 11, 50 vgl. 2 Sam. 4, 11. Das partic, praes. ixxwofiBvov steht weder vergegenwärtigend (Mey,\ noch generisch {de W.\ sondern drükt in Verbindung mit bjiX xijg yrjq das in aller Zeit regelmäßig Geschehende aus (vgl. Winer Gr. S. 319). Ilav alles Blut „von dem Blute Abels des Gerechten an bis zum Blute Zacharia's des Sohnes Barachia's, welchen ihr zwischen dem Tempel- hause und dem (Brandopfer-) Altare gemordet habt". Die Ermordung Abels ist die erste im A. T. erwähnte Blutthat; ihr ist als lezte gegen- ftbergestelt die in 2 Ohr. 24, 21, dem lezten Buche des A. T. im hebr. Kanon, berichtete Tödtung des Propheten Zacharja, der auf Befehl des Königs Joas hv avXrj otxov xov KvqIov gesteinigt wurde, obwol zeit- 29» 452 Matth. XXni, 35. lieh die Ermordung des Uria (Jer. 26, 23) später fält. Jener von Joas getödtete Zacharia war nach 2 Chr. 24, 20 f. ein Sohn des Priesters Jojada, nicht des Barachia. Diese Differenz läßt sich nicht dorch die Annahme lösen, daß Jojada auch den Namen Barachia geführt habe, denn von diesem zweiten Namen des Hohenpriesters Jojada ist nichts hekant. Wir hahen einfach einen lapsm tnemoriae oder calam des Evangelisten anzuerkennen, wornach er den Vatersnamen jenes Zacha- ria mit dem des gleichnamigen nachexilischen Propheten Zacharia, der ein Sohn Bacharia's war {Bagaxlov Zach. 1, 1. LXX), verwechselt hat. 1 Von jenem Zacharia (unter Joas) ist 2 Chr. 24, 22 noch erwähnt, daß er die Bache Gottes auf seine Mörder herahgernfen habe (u3i*iT«i rm> «1'^), wie einst das Blut Ahels um Bache zum Himmd schrie (Gen. 4, 10). Auch im Talmude wird die Ermordung dieses Za- charia als einer der größten Frevel des jüdischen Volks heklagt; 1) Rein ans der Luft gegriffen ist die Annahme mehrerer Echw., daß von Jesn erwähnte Zacharia der nachexilische Prophet dieses Namens oder der Vater Johannes des Tänfers gewesen sei, da die Geschichte von der Tödtong beider nichts weiß. — Mehr scheint die Annahme fär sich zu hahen, welche nach dem Vorgange von TEmpereur in cod. tdlm. Middot p. 80y HammondJL Krebs, in neuerer Zeit Hug, Ordner (Einleit. I, 207), Gfrör,, Baur^ KämTL Weiss vertreten, daß die Worte sich auf den Mord beziehen, welchen nadi Joseph, bell. jud. IV, 5, 4 zu Anfang des jüdischen Krieges die Zeloten an einem ZnxotgLas, viov tov Bagovxov im Tempel verübt haben, wobei Hug u. A. mei- nen, Jesus habe sich prophetisch (oder proleptisch) im Futur ausgedrükt, MattL aber, da zur Zeit der Abfassung seines Evang. jener Mord schon geschehen war, den Aorist dafür gesezt. Allein abgesehen davon, daß Baruch und Barachia nicht gleiche Namen sind und bei Joseph, auch die Lesart zweifelhaft ist, in- dem anstatt Bagovxov die Varr. BageTs u. Bagiaxaiov in Hdschrr. vorkommen, hievon abgesehen wäre auch die ümsetzun|f des Futurs in den Aorist eine so wesentliche Aenderung der Worte Jesu, die einem Evangelisten nicht zuzu- trauen ist, und das Fntur im Munde Jesu sehr unpassend, da Jesus, auch wenn er vermöge göttlicher Präscienz die Ermordung jenes Zacharia nach der Erobe- rung von Gamala voraus wußte, doch unmöglich eine Blutthat, welche jüdische Zeloten erst nach 35 Jahren verüben würden, seinen Zeitgenossen als eine Schuld vorhalten konte. Nun meint zwar Weiss S. 499 Not. 1. : Jesus habe den Vaters- namen nicht genant und vtov Bagaxlov sei ein Zusatz des Evangelisten, um wei tagend auf eine Blutthat seiner Zeit hinzuweisen, wobei ihm eine Verwechs- lung von Baruch und Barachia begegnet sei. Denn das ig>ov€vaaze zeige jeden- falls, daß der Evangelist nicht an den vor 500 Jahren getödteten Propheten denkt, da von einer Mitschuld der Angeredeten an den Blutthaten der Vergan- genheit nirgends die Rede sei noch sein kann, sondern nur von einer Häuiung der früheren Blutschuld durch die eigenen Blutthaten. Dagegen sei der Aorist gar nicht anstößig, wenn Jesus auf das Gericht über alle Blutthaten hinaus- blikt, das ja erst eintrat, nachdem auch diese lezte vollzogen war. Allein wenn Jesus bei iq}ov€vaat€ an alle Morde der Propheten von Abel an bis anf den vor 500 Jahren getödteten Zacharia (2 Chr. 24) gedächt hat, wie Weiss gleichfalls annimt, so ist gar nicht einzusehen, weshalb der Evangelist den Aorist BcpovevaaxB nicht auch gebrauchen konte, da ja auch zu seiner Zeit das Gericht erst eintrat, nachdem auch der lezte Mord vollzogen war. Die Umden- tung der Worte Jesu aber, daß über euch komme alles vergossene Blut vom Blute des gerechten Abel an bis auf das (vor 500 Jahren) vergossene Blut des Zacharia, den ihr (unter dem Könige Joas) zwischen dem Tempel und dem Al- tare gemordet habt, in eine , Häufung der früheren Blutschuld durch die eigenen Blutthaten' ist exegetische Willkür sonder gleichen. Matth. XXIII, 36. 37. 453 s. Lightf. ad h. l Die Anrede t^ovhvocae, mit welcher Jesus diesen Mord seinen Zeitgenossen als Schuld zurechnet, erklärt sich aus der Idee der Schuldgemeinschaft, wobei das menschliche Geschlecht als ein lebendiger Organismus gefaßt wird, in welchem wie die Sünde und das Böse, so auch das Uebel als Fluch der Sünde und die Strafe des Bösen sich forterbt; vgl. Exod. 20, 5 u. m, Comm. z. d. St. Angeredet sind zwar noch die Schriftgelehrten und Pharisäer, aber als die geistlichen Führer des Volks, welche den Geist desselben bestimmen und repräsen- tiren. — Um den Ernst dieser Drohung zu verstärken, sezt Jesus v. 36 mit feierlicher Versicherung (d(iriv Ae/co vfilv) hinzu: „Kommen wird dies alles über dieses Geschlecht", tj^bl ist mit Nachdruck voraufge- stelt. xama ndvxa alle diese Blutthaten in ihren Folgen d. i. die Strafe für alles vergossene unschuldige Blut, ttjv ysveäv ravvrip diese (die damals lebende) Generation, über welche mit der Zerstörung Jeru- salems und des Tempels im römisch-jüdischen Kriege das Gericht über das jüdische Volk erging. V. 37. Mit tiefer Gemütsbewegung wendet sich der Erlöser schließ- lich an Jerusalem, die Hauptstadt, d. h. deren Bevölkerung, um ihr nochmals in feierlichen, Schmerz und Liebe athmenden Worten ihr Widerstreben gegen die göttliche Gnade vorzuhalten und die Entziehung derselben anzukündigen. „Jerusalem, Jerusalem, die du tödtest die Propheten und steinigest die zu dir gesandt sind, wie oft habe ich deine Kinder sammeln wollen, wie eine Henne ihre Küchlein sammelt unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewolt". Die Wiederholung der An- rede: Jerusalem bezeichnet schon Euthym, Zig, als hfKpaxtxbc; sZsog als emphatischen Ausdruck des Erbarmens. Die hebr. Form ^kgovoa- kijfi hier u. Luc. 13, 34 statt der sonst gebräuchlichen gräcisirten Form ^IsQOOoXvfia ist Anlehnung an die Sprache der alten Propheten. Die Participe djioxrelvovöa und Xii^oßoXovOa bezeichnen das ständige Verhalten ; und Xid^oßoX. ist rhetorische Steigerung des djtoxx. Die Wahl des otgog ovttjv zu ihr (statt zu dir) erklärt sich aus der Stel- lung des Participialsatzes unter den Gesichtspunkt der dritten Person, so daß erst in der Fortführung des Hauptsatzes die Anrede fortgesezt wird. — Der Zuruf: wie oft weite ich sammeln deine Kinder d. h. die Bewohner der als Mutter personificirten Stadt, beweist zweifellos, daß Jesus schon mehrmals in Jerusalem als Messias aufgetreten war und sich als Erlöser kundgegeben hatte, wie im vierten Evang. erzählt ist. Denn unter den Kindern Jerusalems das ganze jüdische Volk verstehen zu wollen (ßaur, Keim\ ist reine Willkür, die dadurch nicht gerecht- fertigt wird, daß die Hauptstadt auf die ganze Nation einen großen Einfluß ausübt, ^möwdystv ist aus dem Bilde der ihre Küchlein un- ter ihre Flügel sammelnden Henne zu erklären und bezeichnet die vor dem Verderben schirmende Aufnahme in das von Christo gegründete Himmelreich. Dem oftmaligen liebevollen Wollen des Heilandes tritt scharf gegenüber das Nichtwollen der Kinder Jerusalems. Die göttliche Gnade zwingt den Menschen nicht. Wer dem Rufen und Locken der- selben nicht folgen will, den kann auch der Sohn Gottes nicht retten. 454 Matth. XXIII, 88. Dennoch treibt seine Liebe ihn, den beharrlich Widerstrebenden noch- mals die schrecklichen Folgen des Nichtwollens eindringlich ans Herz zu legen. „Siehe — sezt er v. 38 warnend hinzu — gelassen wird euch euer Haus wüste". iQfjfiog hat Lehm., weil in ßL n. Eopt. fehlend, ge- tilgt, dagegen Tisch. 8 auf Grund weit überwiegender Zeagooi (v^CDXrAIlal, Ital. u. a.) als echt verteidigt. Für den Sinn ist es nicht unbedingt notwendig. Denn dq)lexat vfi. 6 olx. vfi<5v „überlas- sen wird euch euer Haus'' involvirt den Gedanken: Gott wird seine Obhut und gnadenreiche Hilfe euch entziehen, womit die Verwüstung oder der Untergang indicirt ist, da Jerusalem nur so lange als Gott in- mitten seines Volkes wohnt (Exod. 29, 45), Gewähr für ihren Bestand hat. Entzieht Gott der Herr ihr seine Gnadengegenwart, so fält sie der Verwüstung oder Zerstörung anheim; wie es zur Zeit der Ghaldfier geschehen war, als Ezechiel im Gesichte die Herrlichkeit des Herrn aus dem Tempel und der Stadt hinwegziehend geschaut hatte (£z. 10, 18). Diese Herrlichkeit des Herrn war in den nachexilischen Tempel nicht eingezogen, sondern erst in Jesu Christo wieder erschie- nen (Joh. 1, 14), in welchem Gott zu seinem Volke gekommen ist, um seine Verheißung, als sein Gott unter ihnen zu wohnen, zu erfüllen and sein Gnadenreich in Herrlichkeit aufzurichten. Verwirft nun Jerusa- lem durch Verschmähung Jesu seinen Gott und Heiland, so wird auch Gott es verlassen und seinem Geschicke überlassen. SQTjfiog hat prädi- cative Bedeutung, den Erfolg der Entziehung der göttlichen Gnaden- gegenwart deutlich ausdrückend; vgl. über diesen proleptischen Ge- brauch des Adjectivs Kühner II S. 236. 6 oixo2 VfidSv ist weder der Tempel {Hieron., Theophyl, Calv., Neander, v. Hofm. Schriftbew. ü, 2 S. ^%Erv.Vi. A.), denn der Tempel heißt nirgends Haus Jerusalems oder Israels, noch das ganze israelitische Gemeinwesen (Keim) oder Stadt und Land (de W.\ sondern die Hauptstadt des jüdischen Volkes mit dem Tempel darinnen (BL, Weiss u. A.). — V. 38. „Denn ich sage euch, nicht werdet ihr mich von jezt an sehen bis ihr sprechet: Geseg- net sei der da komt im Namen des Herrn". Begründung der in v. 38 ausgesprochenen Drohung. Welten sie sich von Jesu sammeln lassen, so würde er und mit ihm Gottes Gnadengegenwart bei ihnen bleiben. Da sie aber ihn, ihren Messias und Heiland verwerfen, so wird er von jezt an sich ihnen entziehen und damit die Gegenwart des Herrn ihres Gottes von ihnen weichen, djt ägzi bezieht sich darauf, daß Jesus mit dieser Rede sein Wirken im Tempel, sie zu sammeln, aufgibt; nicht auf seinen Tod, denn seinen Jüngern hat er ja sein Wiederkommen zuge- sagt (vgl. 16, 28). Aber den vom Tode Auferstandenen und Verklärten sehen nur diejenigen, welche gläubig ihn als Heiland aufnehmen. Die Juden werden ihn daher nicht sehen, bis sie ihn mit dem messianischen Willkommrufe Ps. 118, 26 (s. zu 20, 9) als ihren Heiland begrüßen werden. Dies wird aber nicht erst ,bei seiner Parusie in der messiani- schen Herrlichkeit geschehen, so daß die bis zur Parusie sich ent- wickelnde Bekehrung ausgeschlossen wäre {Mey.)\ denn bei der Wie- derkunft Christi zum Gerichte werden die Ungläubigen Jesu nicht mit Matth. XXin, 39. XXIV. 466 dem Haldigongsrnfe entgegen kommen. Jesas meint vielmehr sein Wiederkommen im Geiste zur Aufrichtung und Ausbreitung des Him- melreichs durch die Predigt des Evangeliums, indem er vorausweiß und voraussezt, daß von den Juden, die ihn in seiner Niedrigkeit verwerfen, nicht wenige teils infolge der Ausgießung des Geistes über die Apostel und der Ausbreitung seiner Gemeinde, teils infolge des in der nächsten Zukunft über Jerusalem und das jüdische Volk ergehenden Strafgerichts zum Glauben an ihn gelangen und dann ihn im Geiste wiedersehen wer- den (vgl. Act. 2, 37—41. 4, 4). Dies wird geschehen bis zu ssiner schließlichen sichtbaren Wiederkunft zum Weltgerichte, mit welcher die Gnadenfrist zu Ende gehen wird. Damit ist aber nicht ausgeschlos- sen, daß ein großer Teil, ja die Mehrzahl der damaligen Generation bei den hereinbrechenden Strafgerichten untergeht, ohne Jesum wieder zu sehen und als messianischen König zu begrüßen. Denn er sagt ihnen ja das Wiedersehen nicht unbedingt zu, sondern nur unter der Be- dingung des Entgegenkommens mit dem messianischen Huldigungsrufe. Aber so viel liegt unzweifelhaft in diesem Worte Christi, daß er nicht das Zugrundegehen der ganzen jüdischen Nation, sondern die Rettung eines Teils derselben als gewiß angenommen hat. Cap. XXIV u. XXV. Weissagung Jesu von seiner Wieder- kunft, dem Weltende und dem Weltgerichte. Nachdem der Erlöser mit c. 23, 37—39 sein messianisches Wirken im Tempel geschlossen, begab er sich von dort hinweg aus der Stadt auf den Oelberg und verkündigte den auf die Pracht der Tempelge- bäude hinweisenden Jüngern die gänzliche Zerstörung derselben (v. 1 u. 2). Als er sich sodann auf dem Berge niedergesezt hatte und die Jünger ihn nach der Zeit, wann dies geschehen werde, und nach dem Zeichen seiner Wiederkunft und der Weltvollendung fragten, belehrte er sie in längerer prophetisch-paränetischer Rede über das, was seiner Wiederkunft voraufgehen und wie dieselbe erfolgen werde. — Diese Bede, welche die Grundlage für alle eschatologischen Lehren und Er- örterungen der Apostel bildet, trägt nach Inhalt und Form den Charak- ter der prophetischen Weißagungen. Auf dem Grunde der alttesta- mentlichen Verkündigung von dem Tage des Herrn d. i. von der herr- lichen und machtvollen Offenbarung Jahve's zur Vollendung seines Beiches durch das Gericht über die gottfeindlicho Weltmacht, weißagt Jesus in großen allgemeinen Zügen die Entwickelung seines Reichs auf Erden bis zu seiner glorreichen Wiederkunft in den Wolken des Himmels, um seine Gläubigen von aller Not und Drangsal dieser Erde zu erlösen und in das ewige Leben einzuführen, die Feinde seines Reiches aber zu richten, sie aus seinem Reiche auszuschließen und der ewigen Pein zu übergeben. Die Rede gibt aber weniger Aufschlüsse für das Wissen, als vielmehr Lehren für das Verhalten der Jünger. Auf die Frage: „Wann" antwortet Jesus 1. mit einer Vermahnung, das Ende nicht zu früh zu erwarten und sich durch die bevorstehenden und 456 Matth. XXIY. dem Ende voraufgehenden Ereignisse nicht irre führen zu lassen (v. 3—14); hierauf belehrt er sie 2. wie sie sich beim Eintreten des Endes Verhalten sollen, um der Anfechtung nicht zu erliegen (v. 15—28) und 3. wie das Eintreten des Endes beschaffen sein und wann es erfol- gen wird (v. 29—35). Daran reiht er 4. durch Gleichnisse erläuterte Ermahnungen zur Wachsamkeit, um von seiner Wiederkunft nicht über- rascht zu werden (v. 36— c. 25, 30), und 5. eine Schilderung des jüngsten Gerichts, welches mit der Wiederkunft des Menschensohnes in seiner Herrlichkeit verbunden sein wird (25, 31—46). Zu dem Hauptteile dieser Rede (24, 1—35) liefern Mark, in c. 13 und Luk. in c. 21, 5—36 Parallelen, welche die Hauptgedanken de^ selben in gleicher Aufeinanderfolge wiedergeben, nur teilweise erwei- tert durch Einschaltung von Gedankenreihen, die bei Matth. schon früher vorgekommen (vgl. 24, 8 u. 9 mit Mrc. 13, 9. 11. 12 u. Luc. 21, 12—16. 18), öfter aber verkürzt durch Weglassung einzelner Gedan- ken (wie 24, 30. 32 bei Mrk. u. Luk.) und größerer Gedankenreihen, wie des Gleichnisses von den zehn Jungfrauen c. 25, 1—12 u. der Schilderung des jüngsten Gerichts (25, 31—46), der Schilderung der großen Trübsal (24, 22—27) und der Mahnungen 24, 37-51) u. Gleichnisse 25, 13—30, von welchen Luk. das meiste schon in c. 17 a. 19 mitgeteilt hat, so daß er in c. 21, 34—36 nur eine kurze Warnung vor Sicherheit gibt, wie Mrk. in 13, 33—37; und mehrfach im Aus- drucke geändert, besonders durch Deutung der aus Daniel genomme- nen Weißagung von dem ßöiXvyiia XTJg kQrjfjKDOeax; (24, 15) in Luc. 21, 20, wodurch beide Darstellungen sich als secundär zu erkennen ge- ben, so daß Schleierm,, Neand., Hase u. A. nur bei totaler Verkennung der Eigentümlichkeiten der prophetischen Schilderung der Rede hei Luk. den Charakter der Ursprünglichkeit zusprechen konten. Der reiche dogmatische Gehalt dieser Rede und die ihr mit allen Weißa- gungen von der noch in der Zukunft bevorstehenden Vollendung des Reiches Gottes eigene Dunkelheit und Schwierigkeit des richtigen Verständnisses haben außer den Commentaren über die Evangelien eine nicht unbeträchtliche Zahl von Specialerklärungen hervorgerufen, von welchen aus der neueren Zeit fol- gende als beachtenswert Erwähnung verdienen: Hnr, Aug. Schott Commentarius exegetico-dogmaticus in eos Jesu Chisti sermones, qui de reditu ejus ad Judicium futuro et judicandi provincia ipsi de- mandata agunt. Jen, 1820. — Ehrard Dissert. adv. erroneam nonnullorum op»- nionem^ qua Christus Christique apostoli existimasse perhibentur foi'e, ut Univer- sum Judicium ipsorum aetate superveniret. Erl. 1842. u. Desselben Wissensch Krit. der evang. Geschichte. 3. A. S. 601—614. — Js. Aug, Dorner De oror tione Christi eschatologica Matth. 24y 1^36 {Luc. 21, 5—86. Marc. 13, 1—32) asservata. Stuttg. 1844. — Rud. Hofmann, die Wiederkunft Christi und das Zeichen des Menschensohnes. 1850. — Hebart, die zweite sichtb. Zukunft Christi. 1850. — Scherer über Jesu Weißagung vom Ende der Welt in d. Straß- burger Beitrr. z. d. theol. Wiss. II S. 83 ff. — JB. /. Meyer krit. Comment «n der eschatol. Rede Matth. 24. 25. 1860. Luthardt, Lehre von den letzten Din- gen. Lpz. 1861. S. 85 ff, — Hoetemann Bibelstudien. II S. 129—186 (die Zei- Matih. XXIY, 1—3. 457 eben IL Zeiten der Zerstönuig Jerusalems u. des Weltendes nach der Weißagnng des Herrn Matth. 24). — AuberUn in den Theol Stadien u. Erit 1862. S. 213 £C — Pßeiderer in den Jahrbb. f. deutsche Theol. 1868 (XIII) S. 134 ff. KienUn ebendas. 1869. S. 706 ff. n. Commentaire sur Vapocalypse 1870 p. 1 ss, — Wit' ticken, die Idee des Beiches Gottes 1872. S. 219 ff. — Weiffenbach der Wieder- konftsgedanke Jesu. 1873. S. 69 ff. — Colani Jims Christ et les croyances messian. de son temps. ed, 2, 1864 p. 204 ss. — Kliefoth^ die Offenbarung des Johannes. Erste Abth. Lpz. 1874 S. 10—78. V. 1 u. 2. Der Anlaß zur folgenden Weißagnng, vgl. Mrc. 13, 1. 2. Luc^ 21, 5. 6. Als Jesas aus dem Tempel ausgetreten, von demselben fortging, nämlich über den Eidron zur Stadt hinaus den Oelberg hinan (s. y. 3), traten seine Jünger zu ihm heran, ihm die Gebäude des Tem- pels zu zeigen d. h. ihn auf die Pracht und Herrlichkeit dieser Gebäude aufimerksam zu machen. e^sXi^cip weist auf c. 23 vgl. 21, 23 zurück, wobei in Gedanken ix rov Uqov zu ergänzen und das folgende cbto Tov IsQOv mit sjtogevsTO zu verbinden ist. rag oixoöofiäg rov kgov sind sämtliche Gebäude des Tempels, nicht blos der überaus prachtvolle Bau des Tempelhauses {rov vaov)^ sondern zugleich die äußerst groß- artigen Bauten der Yorhöfe mit ihren Hallen. S. die Beschreibung der- selben nach Josephics in m, bibl. Archäol. §. 28 u. 29. — Auf diese Ge- bäude hinzuweisen wurden die Jünger ohne Zweifel veranlaßt durch das Drohwort, mit welchem Jesus seine lezte Rede im Tempel (23, 38) geschlossen hatte. Denn wenn auch 6 olxog vficiv jenes Y. nicht den Tempel bezeichnet, sondern die Stadt Jerusalem, so war doch mit der Yerwüstung Jerusalems implicite die YerOdung des Tempels ausge- sprochen. Die Jünger weiten daher Jesum durch Aufmerksammachen auf die Herrlichkeit der Tempelgebäude ohne Zweifel zu einer Erklä- rung über das Sckicksal des Tempels veranlassen, die er ihnen in v. 2 auch gab. Er antwortete: „Sehet ihr nicht dieses alles? Warlich ich sage euch, nicht wird hier ein Stein auf dem andern gelassen werden, der nicht niedergerissen werden wird". Der Satz ov ßX^jtsrs ist als Frage zu fassen, aber nicht Aeußerung des Befremdens, sondern die negative Frageform nur rhetorischer Ausdruck lebhafter Bejahung, in dem Sinne: Ja wol seht ihr da herrliche Bauten. Den Satz mit Mey. als Aussage zu fassen, ist äußerst gezwungen, weil man dann ßXijteiv im Sinne von ßZijccov av ßZijteiv nehmen und das auf die sichtbaren Gebäude hinweisende ravra Jtdvra von der verhängnisvollen Bewand- nis,' welche es mit allen diesen Prachtbauten habe, deuten muß. Das ov fehlt zwar in DLX, Minusk., Yerss. u. Kchvv., wornach Fritzsche, Bg,'Cr,, Bh u. Ew, es weglassen wolten*, aber alle übrigen alten Codd. bezeugen seine Echtheit, so daß die Weglassung bei den genanten Zeu- gen nur für Aenderung nach Mrc. 13, 2 gehalten werden kann. Y. 3—35. Die Weissagung Christi von seiner Wiederkunft. Vgl. Mrc. 13, 3-31. Luc. 21, 7—33. — V. 3. Als Jesus aber sich auf dem Oelberge niedergesezt hatte, traten seine Jünger zu ihm besonders (xar lölav wie 20, 17) und sprachen: „Sage uns, wann wird dies ge- schehen und was ist das Zeichen deiner Wiederkunft und YoUendung 458 Matth. XXIV, 4—6. der Weltzeit?" Nach Mrc. richteten die Brüderpaare, Petrus, Jakobns, Johannes und Andreas, diese Frage an Jesum. Sie gingen dahei von der richtigen Ansicht aus, daß nicht nur die Zerstörung des Tempels mit der Wiederkunft Christi in innerem Connex stehe, sondern aueh die Parusie Christi und die övvxeXsia xov alSvog d. i. der Abschluß oder die Vollendung der laufenden Weltzeit (vgl. 13, 39 f.) coincidiren. Daher fragten sie nach dem Wann (jtore) der Zerstörung des Tempels (xavxa sind die v. 2 genanten Zerstörungsvorgänge) und nach dem Zei- chen der Parusie und Weltvollendung, d. h. nach dem Zeichen, an wel- chem man das Bevorstehen der mit der Tempelzerstörung zusammen- hängenden Parusie und Weltvollendung erkennen könne. Mrk. u. Lok. haben daher die Frage einfach so formulirt: „das Zeichen, wann dies alles sich vollenden (oder geschehen) wird". — Das W. ^ jcagavüla die Ankunft, Anwesenheit, bezeichnet von Christo gebraucht (in den Evangelien nur in unserem Cap.) die Ankunft zur Vollendung seines Kelches, nicht seine Erscheinung auf Erden in Knechtsgestalt, sondern die Erscheinung in der Herrlichkeit des Sohnes Gottes, welche die Jünger nach den wiederholten Leidens- und Todesverkündigungen als feierliche Wiederkunft des Auferstandenen und gen Himmel Gefahre- nen vom Himmel herab (Act 1, 11) erwarten; vgl. 1 Kor. 15, 23. 1 Thess. 2, 19. V. 4—14. Die dem Ende vor auf gehenden Ereignisse. Vgl. Mrc. 13, 5—11. Luc. 21, 8—19. Die Antwort Jesu geht von der zweiten Frage aus, von den Zeichen, welche auf die Parusie hindeuten können, um die Jünger zu warnen, sich durch solche Ereignisse nicht irreffthren zu lassen. V. 4 f. „Sehet zu, daß euch niemand irreführe. Denn viele werden kommen auf Grund meines Namens sprechend: Ich bin der Christ, und werden viele irreführen". Zu sjtl tc5 6v6(iaxl fiov vgl. 18, 5. Auf Grund meines Namens d. h. mit dem Vorgeben der Messias zu sein ihr Auftreten begründend. Geschichtlich ist das Auftreten fal- scher Messiasse vor der Zerstörung Jerusalems nicht nachzuweisen. Denn Simon der Magier (Act. 8, 9), Theudas (Act. 5, 36), der Aegyp- ter (Act. 21, 38), Menander und Dositheus, auf die man hingewiesen hat (TheophyL, Euihym,, Grot, Calov., Beng,\ gaben sich nicht für den Messias aus. Erst Barkochba unter Hadrian trat als Messias auf; vgl. Jos, Anit. XX, 5, 1 u. 8, 6, bell. jud. II, 13, 5. Schon diese War- nung greift also über die Zeit der Zerstörung Jerusalems hinaus in spätere Zeiten der Verführung der Gläubigen. — V. 6. Auch werden Völkererschütterungen eintreten. „Ihr werdet hören von Kriegen und Kriegsgerüchten". fisXXTJasrs dxovecv es steht euch bevor zu hören, ihr werdet hören müssen. jcoXsfiovg von Kriegen in bestimter Kunde, nicht ausschließlich in der Nähe; dxoäg jioXi^oov Gerüchte von an- geblichen oder wirklichen Kriegen. Die Plurale verbieten, diese Worte auf die Kriege einzuschränken, welche dem römisch-jüdischen Kriege unter Vespasian voraufgingen. ^ Luk. hat noch xal djcoaxaölag Auf- 1) Auch de Wette bemerkt: ,Man kann diese Kriege ebenfalls nicht vorder Zerstörung Jerusalems nachweisen; denn was Weist, anführt: der Krieg der Matth. XXIV, 7. 8. 469 st&nde, Empönmgen hinzugefügt and dadurch den Gedanken erweitert. „Sehet zu, erschrecket nicht (ogare fifj d'QOSloß'S); denn es muß alles geschehen; aber noch ist das Ende nicht da^^ ndvxa vor fsviod^ai fehlt in ^CDL al, und ist deshalb von Lehm. u. Tisch. 8 getilgt; ist aber vielleicht nur weggelassen worden, weil es bei Mark, fehlt und zu unbestimt erschien. Wäre es später zugesezt, so solte man xama (Luk.) oder xavra jtdvxa erwarten, ndvxa ist alles was dann ge- schieht, nicht speciell das von den Kriegen Gesagte (Mey.). Der Nach- druck liegt auf dem äst. Das Eintreten solcher Ereignisse ist göttliche Fügung, in der göttlichen Weltordnung begründet. Aber noch ist mit diesen Ereignissen das Ende nicht da. To rsZog kann in diesem Zu- sammenhange (vgl. auch V 14) nur die ovvxiXua xov alcovog (v. 3) sein. Willkürlich ergänzt Mey. aus v.8 (döIvcov, ,das Ende der dolores Messiae, das Ende der in Rede stehenden Drangsale, welches die Ver- heerung des Tempels und das daran geknüpfte Verderben des Landes ist.' — V. 7. Denn es werden noch furchtbarere Erschütterungen in der Völkerwelt eintreten (ydg begründet das ovjta) icxlv x6 xeXog). „Es wird sich erheben Volk wider Volk und Königreich wider König- reich, und es werden Hungersnöte, Seuchen und Erdbeben sein Ort für Ort". Daß diese Schilderung nicht auf die Zeiten vor der Zerstörung Jerusalems durch die Römer paßt, würde zu bemerken überflüssig sein, wenn nicht noch Mey. u. ICöstl. versucht hätten, sie darauf zu beziehen, wobei zwar Mey. anerkent, daß die Partherkriege und die 10 Jahre späteren Aufstände in Gallien und Spanien in keiner Beziehung zu Je- rusalem und Judäa standen, und auch die Hungersnöte und Erdbeben nicht durch specielle Beziehung auf die Hungersnot unter Claudius (Act. 11, 28) und auf vereinzelte und ferneren Ländern angehörige Erdbeben, welche geschichtlich bekant sind (wie das der Kolossischen Gegend, Oros. hist. 7, 7. Tacit. Ännal XIV, 27 und das von Pompeji) einzuengen seien ; dennoch aber versichert, daß ,dies eine mit prophe- tischen Farben (Jes. 19, 2) gegebene Darstellung der immer steigenden kriegerischen Ausbrüche sei, welche in der langen Gährung vor dem lezten Drama des jüdischen Kriegs der Zerstörung Jerusalems voran- g^gen, sowie der Natur- Oalami täten, von denen sie begleitet warenS Aber hat denn die lange Gährung, welche im jüdischen Volke dem Drama des römischen Kriegs voraufging, Empörungen von Völkern gegen Völker und Königreichen wider einander, und Erdbeben Ort für Ort veranlaßt oder hervorgerufen? Josephus, aufweichen Mey. sich beruft, weiß davon nichts zu erzählen. Kcu Xoifiol fehlt in ^ßl)£* al., wird aber durch CE^FAII al. bezeugt, und ist in jenen Codd. wol nur Juden unter Asinäus und Alinäus mit den Parthern in Mesopotamien (Joseph. Antt. XVIII^ 9, 1 ff,\ die Kriege der Parther mit den Römern (Tacit. Annal. XIT, 13 ff. Xin, '6 f. XIV, 23), die Kriegserklärung der Parther gegen den Kö- nig Izates von Adiabene (Jo s ep h. Antt. XX, 3, 3) und der unternommene Zug des Vitelliufl gegen den König Aretas (Joseph. Antt. XVIII, 5,3): das alles entspricht durchaus nicht der Beschreibung v. 7, womach es sehr bedeutende Völkerkriege sind*. 460 Matth. XXIY, 9. per hotnoioteleuton ausgefallen, and nicht ans Lac. y. 11 in unsern Text eingetragen, xazä rojcovg ist nicht blos aaf deiOfiol, sondern zu- gleich auf Xi(iol xal Xotfiot mit zu beziehen und besagt, daß von den genanten Calamitäten die einen da, die anderen dort eintreten, nicht: ,von einer Gegend zur andern fortrückend' (Mey,), — V. 8. „Alles die- ses ist aber Anfang von Wehen''. Der bildliche Ausdruck oiölvzii be- zeichnet nicht im allgemeinen Bedrängnisse und Trtlbsale, wie Kriege und andere Calamitäten sie mit sich führen, sondern Geburtswehen d. h. solche Drangsale und Leiden , aus welchen neues Leben geboren wird, eine Neugestaltung der Dinge hervorgeht. Der Ausdruck oqi^ (DÖiv(DV raht auf den prophetischen Stellen Hos. 13, J 3. Mich. 4, 9 f. Jes. 26, 17. 66, 8. Jer. 22, 23 und befaßt die Erschütterungen und Drangsale, durch welche die widergöttliche Menschheit und die Ge- meinde Gottes, jede in ihrer Art, gesichtet und geläutert werden, damit die Wiedergeburt der Welt und Menschheit (^ Jtalivyeveola s. n 19, 28) zu Stande komme und das Kelch Gottes vollendet werde. ^ V. 9—13. Den Erschütterungen in der Völker weit werden schwere Verfolgungen der Bekenner Christi folgen und dem Ende voraufgehen. V. 9. „Alsdann werden sie euch überantworten in Trübsal und euch tödten, und ihr werdet gehaßt werden von allen Völkern um meines Namens willen". Mit xoxe alsdann werden die Drangsale, welche über die Christen hereinbrechen, in zeitlichen Connex mit den Kriegen, Empörungen und anderen Welterschütterungen gesezt; nicht blos ahi erst nach denselben eintretend, sondern zum Teil wenigstens ihnen znr Seite gehend. Mark, hat dieselben mit ßXijiBxe 6s vfietg ham. als Warnung eingeführt und damit die Absicht der Erwähnung, sich da- durch im Glauben nicht irre machen zu lassen, angedeutet. Auffälliger erscheint die Einführung der beginnenden Verfolgungen bei Luc. v. 12 mit jtQO 6h xomcDV jtdvxcDV, wornach die Verfolgung der Jünger vor jenen Welterschütterungen eintreten soll. Aber der scheinbare Wider- spruch löst sich, sobald man nur das jcdvxcov v. 12 und die Hinzu- 1) Die ziemlich verbreitete Meinung, daß Jesus mit agx^ (o^lvcjv auf die rabbinische Lehre von den rr'ttJan "»ban Messiaswehen Bezug genommen (vgl Bertholdt, Christol. Judaeor. p. 48: quam denominationem jam ad aetatem Jesu pertinuisse facile putare posses) läßt sich historisch nicht erweisen. Die Spuren des nahenden Messias (fcmm. z. Evangel. Matth. 30 466 Matth XXIV, 25-29. wird. „Und sie werden große Zeichen und Wunder thun, daB verffthret würden wo möglich sogar die Auserwählten^S Diese Zeichen und Wun- der sind diabolischer Natur, durch Kräfte des Satans gewirkt (2 Thess. 2, 9). — V. 25 f. Dies sagt der Herr seinen Jüngern voraus, damit sie sich durch die Lügengeister nicht verfahren lassen, und den Gerflchtra, der Messias sei erschienen, in der Wüste, wie Johannes der Täufer, oder in den Kammern d. h. in der Verborgenheit, noch nicht in die Oeffentlichkeit herausgetreten, keinen Glauben schenken. — V. 27. Solche Gerüchte verdienen aber keinen Glauben, weil die Wiederkunft des Menschensohnes nicht in diesem oder jenem Winkel der £rde, son- dern allenthalben auf der ganzen Erde sichtbar erfolgen wird. „Denn gleichwie der Blitz ausgeht vom Aufgange und scheinet bis zum Nie- dergange, also wird die Zukunft des Menschensohnes seines Mit dem Blitze wird die Parusie Christi verglichen, nicht um die Plötzlichkeit oder die erschütternde Vehemenz derselben anzudeuten — diese Seite der Betrachtung liegt hier fem — , sondern um die allgemeine über die ganze Erde von einem Ende bis zum andern wamehmbare Sichte barkeit derselben auszudrücken. — V. 28. Diese begründet der Herr mit der sprichwörtlichen Sentenz: „Wo immer das Aas ist, da werden sich die Adler sammeln'^ Das yag hinter o^ot; haben Lchm.u, Tisch, 8 nach tiBDL al, getilgt. Bei einer so allgemeinen Sentenz , deren Zu- sammenhang an sich klar ist, kann es fehlen, ohne daß dadurch die logische Verbindung unklar wird. Ol dsxol sind die von den Alten zmn Adlergeschlechte gerechneten Aasgeier. Der Menschensohn komt, am durch das Gericht über die Welt sein Reich zu vollenden. Seine Er- scheinung wird daher nicht auf diesen oder jenen Ort beschränkt sein, sondern allenthalben erfolgen, wo die Welt für das Gericht reif ge- worden. Das Aas ist Bild des Erstorbenseins des religiös-sittlichen Lebens, des geistig Todten. Die Geier sind Bild der Gerichtsvoll- streckeri die das Faulgewordene wegschaffen, nicht Bild der Strafengel, wie man aus der Vergleichung mit 13, 41 geschlossen hat. Denn dort ist die Darstellung eine andere, das Gericht als Ernte geschildert. Die sprichwörtliche Sentenz vom Aase und den dasselbe verzehrenden Geiern drükt nur den Gedanken aus: wo die Welt für das Gericht reif geworden, da wird auch das Gericht so gewiß eintreten, als wienm' einen gefallenen Cadaver {jtrcofia) die Geier sich einfinden. Abzuwei- sen sind daher alle speciellen Deutungen, wie daß Jerusalem oder die Juden das Aas seien, und unter den Adlern entweder die römischen Legionen mit ihren Feldzeichen (Adlern), wie Light/'., Gier. WolfJLL meinten, oder der Messias mit seinem Engelheer {Hoelem,, Mey, u. A.) zu verstehen seien. Die Beschränkung der Worte auf die Zerstörung Jerusalems wird, abgesehen von dem Contexte, auch schon durch die Vergleichung von Luc. 17, 37, wo von der Zerstörung Jerusalems gar nicht die Rede ist, als unzutreffend erwiesen. V. 29— 35. Das Eintreten der Wiederkunft Christi und des Weit- endes, Vgl. Mrc. 13, 24-31. Luc. 21, 25—33. — V. 29. Die unmit- telbaren Vorboten desselben in der Natur. „Alsbald aber nach der Matth. XXIV, 29. 467 Trübsal jener Tage wird die Sonne verfinstert werden nnd der Mond seinen Schein verlieren, nnd die Sterne werden vom Himmel fallen nnd die Kräfte der Himmel werden erschüttert werden". Evd-efoq alsbald, sofort nach der v. 21 ff. geschilderten Trübsal. Auf Grnndder irrigen Meinung, daB in v. 15—26 nur die Trübsal, welche mit der Zerstörung Jerusalems durch die Bömer verbunden war, geschildert sei, hat man evB-iooq mit der Thatsache, daß die sichtbare Wiederkunft unsers Herrn nicht alsbald nach jener Katastrophe, und selbst jezt nach 1800 Jahren noch nicht erfolgt ist, auf verschiedene Weise in Einklang zu bringen versucht, teils durch die sprachwidrige Deutung j9/97z/^V:A (Harn- mondj^, teils durch die Annahme, daB auch in v. 29 ff. nur von der Zerstörung Jerusalems in prophetischer Bildersprache die ^ede sei {Euinoel), Auskunftsmittel, deren Schwäche und Nichtigkeit in die Augen springt. — Die Schilderung der die sichtbare Parusie Christi einleitenden und begleitenden Naturphänomene ruht auf der alttesta- mentlichen Prophetie von dem Tage des Herrn, der Offenbarung Jah- ve*8 zum Gericht über die Feinde seines Reichs Jo. 2, 10. 3, 3. 4. 4, 15. Jes. 13, 10 vgl. 34, 4 u. 24, 11. Zeph. 1, 15. Jer. 4, 23 f. Ez. 32, 7 f. Hagg. 2, 6 f. 21. Zach. 14, 6, wornach dieselbe unter gewaltiger Er- schütterung des Welt 0 11s erfolgt. Aus diesen Stellen ergibt sich, daß bei der Verfinsterung der Sonne und des Mondes nicht an Sonnen- und Mondfinsternisse, wie sie im Naturlaufe von Zeit zu Zeit sich wieder- holen, und bei dem Fallen der Sterne vom Himmel weder an Stern- schnuppen, noch an ein Herabfallen der Sterne auf die Erde zu denken ist. In den angef. Stellen wird die Verfinsterung von Sonne und Mond als ein durch Erschütterung des Himmels und der Erde bewirktes Dunkel- oder Schwarzwerden, als Verwandlung derselben in Finsternis (Jo. 2, 10. 4, 15. 3, 4. Jes. 13, 10), als Verfinsterung von Himmel und Erde (Jer. 4, 33 f. Ez. 32, 7 f.) dargestelt und von den Sternen nur das Einziehen ihres Lichtglanzes d. i. ein Erlöschen ihrer leuchtenden Kraft ausgesagt (Jo. 2, 10. 4, 15. Jes. 13, 10). Ein Herabstürzen der Sterne auf die Erde läßt sich weder aus dem jteaovvvai cbib (oder hc bei lisch, nach Ki>) xov ovgavov, noch aus Apok. 6, 13 (ejtsaccv elg trp^ yijv) erweisen. Denn obgleich in Apok. 6 der Vergleich mit dem Abfallen der Feigen von dem Baume bei starkem Winde auf ein Herab- fallen der Sterne vom Firmamente auf die Erde ftihrt, so ist doch diese plastische Form der visionären Anschauung nicht prosaisch buchstäb- lich zu deuten, sondern der bildliche Ausdruck solcher Darstellungen in Betracht zu ziehen. Der Darstellung in Apok. 6, 13 f. liegt die Schil- derung Jes. 34, 4 vom Vermodern und Verwelken des Himmelsheeres 1) Aehnlich Bengel, welcher zwar die üebersetzimg statim beibehalten haben willi doch die Worte des Herrn so paraphrasirt: De iis, quae post pressuram diemm illorum, delendae urbis Jerusalem, evenient, proximum, quod in prae- senti pro mea condttione commemorandum et pro vestra capacitate exspectandum venit^ hoc est, quod sol ohscurdbitur etc. und diese Paraphrase durch die Bemer- kung: Nondum erat iempus revelandi totam seriem verum futurarum a vastatione Hieroaolymorum usque ad consummationem seculi zu rechtfertigen sucht. 30* 468 Matth. XXIV, 29. 30. gleich dem Verwelken der Blätter am Weinstocke und Feigenbäume zu Grunde, wo die Bildlichkeit der W^orte nicht zu verkennen ist Noch weniger kann Apok. 8, 10 verglichen werden, wo der vom Him- mel fallende Stern als Bild des Wermut gedeutet wird. Hiemach ist das jceöavtrtai djto (oder kx) rov ovgavov zu beurteilen, wofftr Mark, verdeutlichend Böovxai BxnljtrovTsq werden entschwindend, unter- gehend sein, sagt. — Diese Erschütterung Himmels und der Erde, durch welche die gegenwärtige Gestalt des Weltgebäudes eine Wandelung e^ leidet, ist von Haggai (2, 6) als noch einmal erfolgend geweißagt und dadurch mit der früheren Erschütterung der Welt beim Herabfahren Gottes auf den Sinai, um den Bund mit Israel zu schließen und das Gottesrefbh auf Erden zu gründen, in causalen Zusammenhang gesezt, zugleich aber als eine viel gewaltigere Erschütterung des Weltalls — des Himmels und der Erde in allen ihren Teilen, dem Meere und Fest- lande, und als ein Erschüttern aller Nationen verkündigt, wodurch der bisherige Bestand der ganzen sichtbaren Schöpfung und der gesamten Völkerwelt verändert wird; vgl. Hehr. 12, 26 ff. Damit wird die alle- gorische Umdeutung der Worte des Herrn in ein Bild großer politi- scher Ereignisse, wie des auf den Untergang des Judentums alsbald folgenden Falles des Heidentums (Domer u. A.), als irrig abgewiesen. Denn die von Haggai geweißagte Erschütterung Himmels und der Erde hängt zwar mit der Erschütterung aller Nationen enge zusammen, ist aber nicht blos Bild dieser Völkererschütterungen, sondern wird eben so real sein wie diese, und ihnen nicht blos vorangehend oder nachfol- gend, sondern zugleich ihnen vorauf- und zur Seite gehend; vgl. m. Comm. zu Hag. 2, 6. — AI övvdfieig rcov ovgavciv sind nicht die Heere des Himmels d. h. die Gestirne , wie man aus der alexandr. Uebersetzung des ta?»^^^! ^?^"te durch al övvdfiBic, tc5v ovQavmv Jes. 34, 4 geschlossen hat (de W,)^ wodurch nur eine matte Tautologie ent- stehen würde; noch weniger die Engel (Hieron,, Chrys., Olsh. u. A.), was weder dem Contexte entspricht noch zu aaXevO^Tjöovrai paßt, son- dern die Kräfte des Himmelsgebäudes, ,die demselben immanenten er- haltenden und bewegenden kosmischen Potenzen' (Klief,). Die Erschüt- terung dieser Kräfte ist der Anfang der Auflösung des gegenwärtigen Bestandes von Himmel und Erde; und die daraus entstehenden Aende- rungen der Weltgestaltung sind Vorboten und Begleiter des Kommens des Herrn zum Gericht über die ganze Welt, durch welches nicht nnr die äußere Gestalt dieser Welt verändert, sondern schließlich die ge- genwärtige Welt zertrümmert wird (Jes. 24, 18—20), um aus dem Un- tergänge dieses Himmels und dieser Erde einen neuen Himmel und eine neue Erde zu schaffen (Jes. 65, 17. 66, 22. 2 Petr. 3, 10—13). — Nach der Anschauung der Schrift bilden Himmel und Erde ein eng ver- bundenes Ganzes. Darnach haben mächtige Erschütterungen auf der Erde ihre Vor- und Nachwirkungen im Himmel. Die Schrift isolirt die Erde als besonderen Weltkörper nicht in der Weise von der himm- lischen Welt und ihren Körpern, wie es die neuere Naturwissenschaft zu thun pflegt, die von der Welt des Himmels nichts weiter als die Matth. XXIY, 30. 469 mechanischen Natarkräfte ihrer Bewegung im Weltraame zu erforschen vermag, während die geistigen Potenzen, welche in den Natargesetzen wirken und das Entstehen wie das Vergehen nicht nur der Hinmiels- körper, sondern auch unserer Erde jenseits der der empirischen Natur- forschung gezogenen Grenzen liegen. Daher kann die Naturforschung weder Anfang noch Ende der Welt begreifen, und nur mittelst unge- rechtfertigter fierdßaoig slg aXXo yivoq luftige Hypothesen über die Entstehung der Welt aufstellen. Y. 30. „Und dann wird erscheinen das Zeichen des Menschen- sohnes am Himmel, und heulen werden alle Geschlechter der Erde und kommen sehen den Menschensohn auf den Wolken des Himmels mit großer Mächt und Herrlichkeit^S Worin das atj/islov des Menschen- sohnes am Himmel bestehen wird, läßt sich nicht näher bestimmen. Da TO öfjfielov offenbar auf die Frage der Jünger nach dem Zeichen der Parusie Christi (v. 3) zurückweist, diese Frage aber bei Mrk. u. Luk. anders lautet und diese beiden Evangelibten auch die beiden ersten Sätze unsers Y. nicht haben, so haben Manche zö Ofj/ielov rov vlov Tov dvd^Q. nicht von einem die Parusie ankündigenden Zeichen, sondern von der persönlichen Erscheinung des Menschensohnes selbst verstehen wollen. So jüngst noch Klief,, welcher bemerkt: ,die Worte wollen nicht besagen, daß erst irgend ein Zeichen die Parusie voran verkündigen, sondern umgekehrt, daß es für dieselbe gar kein Zeichen geben, daß die persönliche Erscheinung des Menschensohnes am Him- mel vielmehr selbst ihr eigenes Zeichen sein werde'. Offenbar gezwun- gen. Die Weglassung der beiden Sätze unsers Y. bei Mrk. u. Luk. ist einfache Abkürzung der Schilderung, die sich daraus erklärt, daß das Zeichen von Christo selbst nicht näher bestimt worden war. Weit her- geholt ist die Meinung von Weiss, daß das Zeichen sich aus Dan. 7, 13 ergebe, daß Einer wie ein Menschensohn mit den Wolken des Himmels komt, die weder der Frage der Jünger noch demContexte unseres Yer- ses entspricht. Da laut v. 29 Sonne, Mond und Sterne ihren Schein verlieren, also Finsternis eingetreten sein wird, so kann das Ersöhei- nen des Zeichens am Himmel nur ein Lichtglanz sein, welcher am Him- mel sichtbar wird, ,ein Yorglanz der messianischen Joga, vielleicht immer glanzvoller werdend und herrlicher bis die Gestalt des Men- schensohnes in seiner Herrlichkeit daraus hervortritt' {Mey,\ vergleich- bar der aufleuchtenden Morgenröte, welche den Aufgang der Sonne an- kündigt, nicht ein Kreuz oder Stern, sondern ein nicht näher bestimtes Etwas, an dem man sofort erkennen wird, daß nun der Menschensohn erscheinen wird. — Daran ist sofort die Beschreibung des Eindrucks angereiht, welchen dieses Zeichen auf die Menschen machen wird. Das T0T6 vor xotpojrvai hat Tisch. 8 nach K* al. weggelassen, aber schwer- lich mit Recht, da es zu stark bezeugt ist. Der Sinn wird durch diese Variante nicht geändert, da der Satz keine Fortsetzung der Beschrei- bung der Erscheinung enthält und die Satzglieder xotpovrat und o%povxai nicht zeitlich Aufeinanderfolgendes aussagen (alle Geschlech- ter werden heulen und dann sehen), sondern der zweite den ersten 470 Matth. XXIV, 81. erläutert: sie werden heulen, indem oder weil sie den in seiner Herr- lichkeit kommenden Menschensohn sehen. Das xotpovrat tczI, ist nur Yoraufgestelt, um den Eindruck, welchen die Parnsie des Menschen- sohnes auf die Welt machen wird, stärker hervortreten zu lassen. Diese Worte sind in Apok. 1, 7 wiederholt und aus der Vergleichung dieser Stelle crgiht sich, daß denselben die Weißagung Zach. 12,10 von der Bußklage, welche das zum Glauben gekommene Israel dereinst über die Tödtung des Messias äußern wird, zu Grunde liegt. Daraus folgt aber nicht, daß jcäaat al q)vZal die gläubig gewordenen Juden bezeichne, wol aber daß man die Worte nicht ausschließlich auf die Christo feindlichen Menschenklassen beziehen darf. „Alle Geschlech- ter der Erde" sind wie in Gen. 12, 3 die gesamte Menschheit, wie jtävta rä sßvfj 25, 32, nicht blos die welche laut v. 9 den Herrn nnd seine Bekenner hassen und laut Luc. 21, 24 die heilige Stadt zertreten {Klief,)\ denn die sxZsxtoI v. 31 sind den jcäoat al ipvXal nicht ent- gegengesezt, sondern als ein Teil von der Gesamtheit unterschieden. Alle Menschen werden, wenn sie den Menschensohn in seiner Herr- lichkeit kommen sehen, erschrecken und vor Angst und Entsetzen Aber das alsdann kommende Gericht wehklagen, da niemand das Urteil, welches der Richter über ihn fällen wird, vorausweiß. — Sein Kom- men beschreibt der Herr mit Worten der Weißagung Dan. 7, 13 f , welche allen Beschreibungen der Parusie zu Grunde liegen, vgl. 26, 64. 1 Thess. 4, 16 f. 2 Thess. 1, 7 f. Apok. 1, 7 u. a. Die große Macht und Herrlichkeit seiner Erscheinung wird sich in dem ihn begleitenden Engelheere kundgeben. V. 31. „Und senden wird er seine Engel mit großer (d. i. laut tönender) Posaune", und sie werden seine Auserw&hl- ten aus allen Weltgegenden sammeln, ^exa oaXüiiy/oq fieyahjq (wie Tisch, 8 nach hZJ aL statt fierä odZjttyyog (pcov^q fieydXTjg nach BXrilal recipirt hat) ist nicht so zu verstehen, daß die einzelnen Engel Posaunen blasen, sondern gemeint ist die Posaune Gottes (1 Thess. 4, 16), die lezte Posaune (1 Kor. 15, 52), welche bei der Ans- sendung der Engel zur Sammlung der Gläubigen ertönt. Die Erwäh- nung der großen Posaune erinnert an Jes. 27, 13, ist aber nicht aus dieser Stelle eingeführt ( Weiss) , sondern ruht auf der Schilderung der Offenbarung Jahve's am Sinai zur Gründung seines Reiches, die unter Donner und Blitzen und einem starken und immer stärker werdenden Posaunentone erfolgte (Ex. 19, 16. 19). Daher ist weder an die Kriegs- posaune, noch (mit Klief,) an die silbernen Trompeten zu denken, welche Num. 10, 2 ff. für die Berufung der Gemeinde und zum Auf- bruche der Lager angeordnet sind, sondern in der Cultussymbolik nur das Blasen der weithin schallenden Posaune zur Ankündigung des Sab- batmonats bei der Neumondfeier des siebenten Monats (Lev. 23, 24) und zur Ankündigung des Halljahres am Versöhnungstage des je öOsten Jahres (Lev. 25, 9) als typisch bedeutsam zu vergleichen, indem da- durch der starke Ton der Posaune zum Symbole der neuen Offenbarung des Herrn zur Vollendung seines in Israel gegründeten Reichs geweiht Matth XXIV, 31—33. 471 wurde. ^ — Kai inicwa^ovoiv die Engel werden zusammenbringen, herzaversammeln die Anserwählten, nämlich an den Ort, wo der Herr auf Erden zu richten im Begriffe steht, auf daß sie bei ihm seien alle- zeit (1 Thess. 4, 17), und zwar von allen Gegenden der Erde her. ex Tcop xBOOOQwv dvificov = nin*n sa"]«» von den vier Winden (= Welt- gegenden) her, erinnert an Ezech. 37, 9, wo der Wind von allen Bich- tungen her kommend die todten Gebeine anbläst, daß sie lebendig wer- den. Der Gedanke wird verstärkt durch den Zusatz djt* aTcgwv aoga- vcov 'dcog äxQcov avxciv (== uya^n natp n? tat'oi^r! mf|D» Deut. 4, 32 vgl. 30, 4. Ps. 19, 7) von einem Himmelsende bis zum andern, d. i. von der ganzen Erde, auf deren äußersten Band das Himmelsgewölbe zu rohen scheint. Die Sammlung der Auserwählten von der ganzen Erde schließt die Auferweckung der Todten in sich, wie 1 Eor. 15, 52 u. 1 Thess. 4, 13 ff. gelehrt wird, hier aber weil dem Zwecke dieser Bede, der Antwort auf die Frage der Jünger nach der Parusie Christi, ferne liegend, unerwähnt geblieben ist. Denn in der Anlehnung des Aus- drucks an Ezech. 37, 9 darf doch schwerlich eine, wenn auch nur leise Hindeutung darauf gesucht werden. Eben so wenig wol auch in der ungewöhnlichen Ausdrucksweise des Mark.: (xm äxgov yfjg emg äxgov ovQavov „vom Bande der Erde bis zum Bande des Himmels'^, welche Klief, so erklärt: ,aus Himmel und Erde zusammen her^ und darin mit BL die Andeutung findet, daß Mark, damit nicht nur die auf der Erde befindlichen Gläubigen, sondern auch die im Himmel befindlichen habe bezeichnen wollen. V. 32 f. Nachdem der Erlöser seine Jünger über die Vorboten und das Zeichen seiner Wiederkunft belehrt hat, deutet er noch in einem Oleichnisse die Zeit derselben an. „Am Feigenbaum aber lernet dieses Gleichnis", djco xi]g övxfjq vom Feigenbaume her. f^v jtoQaßoXijv die Vergleichung d. i. die in der Vergleichung enthaltene Warheit oder Lehre. „Wenn sein Zweig bereits saftig geworden und die Blätter her- vortreibt, so merket ihr, daß der Sommer nahe ist". äjcaXog weich, zart, saftig, to ^egog der Sommer als die Zeit der Ernte. V. 33. „Also erkennet auch ihr, wenn ihr dies alles sehet, daß es nahe ist bei der Thür". tavTa jcdvra (nach i^DHK al) oder jcdvra xavra (nach BL V^Xal) wird verschieden bezogen; entweder auf das, was v. 29—31 von dem orjfislov des Menschensohnes und den die Parusie selbst be- gleitenden Erscheinungen gesagt ist (Mey,\ oder auf das vor v. 29 als der Parusie vorhergehend Geweißagte, oder auf einzelne Punkte jener Weißagung. Alles willkürlich, weil für solche Beschränkung Andeu- tungen fehlen. Es bezieht sich vielmehr auf alles, was Jesus von v. 4 an bis zum Erscheinen des Zeichens des Menschensohnes v. 30 verkün- 1) ,Wie am Sinai beim Ertönen des Johel d. i. des laut tönenden Schophar das Volk auf den Ber^ steigen solte (Ex. 19, 13), um seine Vereinigung mit dem Herrn zu feiern, so solte auch der Jobel des siebenten Monats des ÖOs^n Jahres den Anbruch des Gnadeniahres ankündigen, welches dem geheiligten Gottes- volke die Erlösung von aller Not zu bringen und es zur Buhe seines Gottes zu führen geheiligt wird^ S. m. bibl. ArchäoL S. 400. 472 Matth. XXIV, 34. digt hat. Zu k/yvq icnv fehlt das Subject, and man denkt als solches entweder den Menschensohn, von dessen Erscheinung im Vorhergehen- den die Rede war (Grot, de W., v, ffofin., Bl, Weiss\ oder xb B-i^o; die Ernte im messianischen Sinne, nämlich den Empfang des ewigen Lohnes im Messiasreiche, welcher allen treuen Arbeitern und Duldern bestimt ist (Mey.). Allein wenn dies der Gedanke wäre, so dürfte to d^dgog nicht fehlen, da d^igog nur in der jtagaßoh] erwähnt, Inder ganzen vorhergehenden Bede aber von der Ernte oder dem Gerichte {£br,) gar nicht die Rede war. Luk. nent in v. 31 ^ ßaöiXala toi d-eov d. i. in diesem Zusammenhange das Reich Gottes in seiner Voll- endung. Daraus ergibt sich als bei Mtth. u. Mrk. zu ergänzendes Sub- ject 37 jtagovala xal ff ovvzdXsia rav al(Svog, der Frage der Jünger in V. 3 entsprechend. — Die Nähe seiner Parusie bestimt der Herr noch genauer v. 34 f. : „Warlich ich sage euch, nicht vergehen wird die- ses Geschlecht, bis daß dies alles geschehen sein wird. Der Himmel und die Erde wird vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen^^ Der Sinn dieses Ausspruches, welcher in den drei Evangelien gleich lautet, hängt von der Erklärung von ^ yeveä amr) ab. Haltlos sind die Deutungen: das menschliche Geschlecht (JIieron.\ die Menschenklassen meiner Gläubigen (Orig,, Chrys,, Theophyl,, Euihym,, Paul., Ijmge\ das in Rede stehende Geschlecht der Auserwählten {Cremer\ das (künf- tige) Geschlecht, welches jene Ereignisse erleben wird (Klosterm,\ weil nicht nur sprachlich nicht zu rechtfertigen, sondern auch nichtssagend, da das Fortbestehen des Menschengeschlechts, der Gläubigen, der Ans- erwählten und des künftigen Geschlechts bis zur Erscheinung des Men- schensohnes als selbstverständlich keiner feierlichen Versicherung von- seiten Jesu bedurfte. Auch die verbreitete Erklärung der /svsä avri] vom jüdischen Volke {Calov, Wolf, Domer, Aub. u. v. A.) läßt sich sprach- lich nicht erhärten. Denn ysved bed. Generation, die zu einer Zeit lebenden Menschen, häufig mit dem Nebenbegriffe des Charakters und der Lebensweise derselben. Hiernach kann ^ yevea avxrj nur die da- mals lebende Generation, die Zeitgenossenschaft Jesu bezeichnen, und nicht auf die Juden eingeschränkt werden, da der Context keine spe- cielle Hindeutung auf die Juden darbietet, wie z. B. in 11, 16, wot^i' yevsav TavTTjv auf zolg ox^oig v. 7 zurückweist. Die Erklärung von den Zeitgenossen Jesu wird durch die Aussprüche 10, 23: daß die Apostel ihre Mission in den Städten Israels nicht beendigt haben we^ den, bis der Menschensohn kommen wird, 16, 28: daß einige der An- wesenden den Tod nicht schmecken werden, bis sie den Menschensohn in seinem Reiche kommend gesehen haben werden, und 23, 39, wo Je- sus den ungläubigen Juden drohte, daß sie ihn von nun an nicht mehr sehen werden, bis sie ihn als Messias freudig begrüßen werden, üher alle Zweifel erhoben. In allen diesen Stellen erklärt Jesus bestimt und meistens mit feierlicher Versicherung (d/irjv Xeyo) 16, 28. 10, 23), daß ein Teil seiner Zeitgenossen seine Parusie noch erleben werde, oder daß er wiederkommen werde, bevor das Geschlecht seiner Zeitgenos- sen werde vorübergegangen d. h. aus dem zeitlichen Leben geschieden Matth. XXIV, 36. 473 sein, ndvxa xavxa ist wie v. 33 zu fassen. Zur Bestätigung dieses Ausspruches sezt er hinzu, daß Himmel und Erde vergehen werden, aber nicht seine Worte, d. h. hier alles was er in vorliegender Bede über seine Parusie verkündigt hat. Das Vergehen Himmels und der Erde d. i. des gegenwärtigen Weltbestandes (2 Petr. 3, 7 f.) erwähnt der Herr hier nicht in der Absicht, um zu sagen, daß dies mit seiner Parusie eintreten werde, sondern nur, um die Unvergänglichkeit oder die selbst den gegenwärtigen Weltbau überdauernde Gültigkeit seiner Worte zu bekräftigen. lieber die Zeit, wann Himmel und Erde ver- gehen werden, sich auszusprechen lag nicht im Plane seiner Bede, da die Jünger nicht darnach gefragt hatten, sondern nur nach dem Wann der CwxiXeig, xov alcSvog, wobei sie aus der Weißagung des A. T. als bekant annahmen, daß der Untergang der jetzigen Welt Himmels und der Erde mit deravpriZeia rov aicSvog erfolgen werde. nageZd-slv yom Worte des Herrn prädicirt bed. ungültig werden, seine Gültigkeit ver- lieren, wie kxjcbcTsiv Böm. 9, 6; s. zu 5, 18 (S. 152 f.). Die Worte des Herrn überdauern das Bestehen der gegenwärtigen Welt, weil ihre volle schließliche Erfüllung erst in der neuen Welt eintreten wird. Fassen wir nun die geschichtliche Beziehung dieser Rede oder die Frage nach ihrer Erfüllung in der Entwickelung der christlichen Kirche ins Auge, so tritt uns die wichtige und schwierige Frage entgegen, wie mit dem exegetischen Resultate, daß nach der mit dem Erscheinen des Greuels der Verwüstung an heiliger Stätte eintretenden großen Trüb- sal alsbald (evd^i(X)g) der Menschensohn in den Wolken des Himmels auf der ganzen Erde sichtbar erscheinen werde (v. 29) und daß ^ ysvea avrri d. i. das Geschlecht der Zeitgenossen nicht vergehen werde, bis daß dies alles geschehen sei (v. 34), wie damit die Thatsache zu ver- einigen, daß die sichtbare Wiederkunft des Herrn weder alsbald nach der Verwüstung und Zerstörung des Tempels durch die Römer, noch auch später bis zum heutigen Tage erfolgt ist. Zwar hat der Herr in seiner Rede (nach der Relation des Matth. u. Mark.) den Greuel der Verwüstung nicht näher bestimt; aber da er v. 2 mit deutlichen Wor- ten die gänzliche Zerstörung des Tempels verkündigt und in der aus- führlichen Antwort auf die Frage der Jünger: wann dies geschehen werde und welches das Zeichen seiner Parusie ueid der Weltvollendung sein werde, die Zerstörung des Tempels von seiner Parusie nicht ge- schieden hat, so kann das, was er über das ßöeZvyfia rijg igrjfiaioecog — Ioto^ ev xonco aylm und über die damit zusammenhängende d^Xhptq lisydXri sagt, nicht füglich anders verstanden werden, als daß er selber die bei der römischen Eroberung und Zerstörung Jerusalems erfolgte Einäscherung des Tempels von seiner sichtbaren Zukunft zeitlich nicht gesondert, sondern diese beiden Ereignisse sachlich mit einander ver- bunden hat. Demgemäß hat Luk., welcher statt des ßöiX, rrjg kQrjfi, in V. 20 die Umzingelung oder Belagerung Jerusalems durch ein Kriegs- heer erwähnt, den aus der Weißagung Daniels entnommenen Ausdruck: Greuel der Verwüstung durch Nennung der Belagerung Jerusalems für die mit der Weißagung Daniels nicht bekanten Heidenchristen um- 474 Mattb. XXIV. schrieben und zu verdeutlichen gesucht; wie denn aueb die von allen drei Evangelisten an jenes Ereignis geknüpfte Aufforderung der in Jad&a Befindlichen zur schleunigsten Flucht auf die Eroberung Jerusalems hinzuweisen scheint. Hiernach ist die Frage zu beantworten: Hat Jesus wirklich mit der Zerstörung Jerusalems alsbald sein Kommen auf da Wolken des Himmels zum Gericht über die Welt und zur Erlösung dw Seinen verheißen? und wenn dies der Fall ist, wie vereinigt sich eine solche Verheißung mit der Nichterfüllung derselben nach der Zerstö- rung Jerusalems? Die erste dieser Fragen wird fast einstimmig verneint, aber die zweite nach der verschiedenen dogmatischen Grmidanschanmig von der Sache sehr verschie- den beantwortet. ~ Die oiFenbanmgsglänbigen Ansll. erklärei^auf Gnmd der Ueberzengnng, daß die evangelischen Berichte warheitsgetrene Anffassimgeii der Eede Jesu enthalten, die Verheißung des Herrn so, daß sie zwischen der un- sichtbaren Wiederkunft Christi zum Gerichte über Jerusalem und seiner noch bevorstehenden sichtbaren Wiederkunft am Ende dieses Weltlaufs unterschei- den. Die von rationalistischen oder naturalistischen Axiomen ausgehenden An»* leger und Kritiker hingegen beziehen entweder die Eede Jesu nur auf die Zer- störung Jerusalems und den damit zusammenhängenden Sieg des Christentiunfl über das Judentum und Heidentum, oder sie finden in der überlieferten Foim der Rede zwar die Erwartung der nach der Zerstörung Jerusalems alsbald ein- tretenden sichtbaren Wiederkunft Christi in den Wolken des Himmels ausge- sprochen, halten aber diese Erwartung für irrig und ziehen die ürsprünglich- keit und Echtheit der überlieferten Eede in Zweifel. — Um ein begründetoe Urteil hierüber zu gewinnen, wollen wir die beiden Ansichten in ihren Grond- zügen vorführen. I. Schon der Autor des op. imperf. in Matth. hat zu unserem Cap. die Be- merkung gemacht : Dominus non separatim dixit, guae signa pertineani ad der structionem Jerusalem et guae ad consummationem mündig videlicet ut eadem signa pertinere videantur et ad manifestationem destructionis Jerusalem et ad manifesla' tionem consummationis mundi, quia non quasi historiam per ordinem exposuU eis, quomodo res erant agendae, sed prophetico more praedixit eis, quae res erant ogendae. Diese prophetische Sitte hat später Bengel als Eigentümlichkeit aller Weißagung weiter zu begründen gesucht durch die Bemerkung im Gnomon w Mtth. 24, 29 : Prophetia est ut pictura regionis cuiuspiam, quae in proximo texla et calles et pontes notat distincte ; procul valles et montes latissime patentes in angustum cogit; sie enim debet etiam esse eorum^ qui prophetiam agunt, prospeäus in futurum, cui st prophetia accommodat. Nach diesem optischen Charakter der alttestamentlichen Weißagung ist auch die Eede Jesu über seine Zukunft zo beurteilen, da sie nach Form und Inhalt sich an die prophetischen Verkündi- gungen von der Zukunft des Eeiches Gottes anschließt. a. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend haben nach dem Vorgange Ben- gels, Chr. A. Orusius, Schott, Ehrard, Hoelemann u. A. die Eede Jesu so erklärt, daß sie dieselbe in gesonderte Abschnitte teilten, in welchen Jesus die Frage der Jünger «. nach der Zeit der Zerstörung Jerusalems und dem Weltende, ß. nach dem Zeichen seiner Zukunft beantwortet habe. Crus. u. Schott so: daß er V. 4—28 von dem, was der Zerstönmg Jerusalems vorhergehen soll, v. 29-81 Matth. XXIV. 476 TOä det Ztikanfk «nm Endgericht rede; nach Ehr. so, daß er in t. 4--14 Torlänfig die Frage nach dem Zeichen der Pamsie, sodann y. 15—22 die Frage nach der Zeit der Tempelzerstörnng beantworte, und y. 23 wieder znr erstbeantworteten Frage znrükkehre und daran v. 29 die Zeichen des Weltendes als rasch eintre- tend anknüpfe; nach Hoelem. so: daß er zuerst y. 4—14 generell die Anfänge und Vorzeichen des Endes im Allgemeinen schildere, hierauf das Particulare (Zerstörung Jerusalems) und das Uniyersale (Parusie und Weltende) sondernd die Zeichen von Jerusalems Fall (y. 16—18) und von der Parusie und Weltvoll- endung (v. 19-^81), endlich die Zeit in Bezug auf Jerusalems Fall als nahe, noch bei Lebzeiten der gegenwärtigen Generation sich erfüllend (v. 32—35), dagegen in Bezug auf die Parusie und den Weltuntergang als unbekant und ausschließlich dem Vater bewußt, daher die Welt in völliger Sicherheit Über- raschend und die Gläubigen zu steter Wachsamkeit ermahnend darstelle (v. 36 — 47). — Aber schon die große Differenz dieser Erklärungen in der Be- stimmung des Inhalts der einzelnen Abschnitte der Bede erwekt kein Vertrauen zur Biohtigkeit derselben. Auch läßt sich keine, ohne dem Wortlaute des Tex- tes Gewalt anzuthun, durchführen. Mit der Annahme, daß in v. 4 — 14 von dem was der Zerstörung Jerusalems vorhergehe die Eede sei, stimt nicht, daß schon V. 6— 14 auf das Kommen des Endes Bezug genommen wird, und daß vor dem Ende die Verkündigung des Evangeliums in der ganzen Welt erfolgen soll ; und für die von Ebr, u. Hoel statuirten üebergänge der Bede von der ersten Zukunft auf die zweite fehlen in den meisten Fällen deutliche Indicien im Texte. — Die ganze Bede macht den Eindruck stetigen Fortschritts: zuerst Ereignisse, welche noch nicht das Ende sind (v. 6), dann Trübsale, welche den Anfang der Wehen bilden (v. 8) und Verkündigung des Evangeliums in der ganzen Welt, worauf das Ende kommen wird (v. 14), sodann der Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte und mit demselben eintretende große Trübsal (v. 15 — 27) und alsbald nach der Trübsal jener Tage Zeichen a3n Himmel und das Erscheinen des Mensehensohnes in den Wolken des Himmels (v. 28^31). 6. Von diesem Eindrucke ausgehend verwirft KUef, die gangbare Exegese, daß det H^rr in Eins und abwechselnd von der Zerstörung Jerusalems und von seiner Parusie rede und daß er im Grunde von der Zerstörung Jerusalems spreche, aber vermöge prophelascher Perspective von dieser als dem ersten Acte im Weltgerichte hinüber auf die Parusie und auf das absolute Ende schaue, und untemimt den Nachweis, dafi der Herr von diesen beiden Ereignissen nachein- ander, nach ihrer nehtigen Abfolge, im erst^ Teile seiner Bede (Matth. 24, 4—6 u. Pa^U.) vmi der Zerstörung Jerusal^is und deren Zeichen > und dann ge- trennt davon im zweiten (v. 7-^81 u. Parall.) von seiner Parusie und deren Zeichen rede, dabei aber zugleich die irrige Voraussetzung der Jünger von der 'Zusammengehörigkeit beider Erscheinungen bekämpfe. In diesem zweiten Teile werde die Frage nach dem Zeichen seiner Zukunft und des Weltendes so beant- wortet, daß der erste Abschnitt (v. 7 u. 8) die entfernteren, der zweite v. 9—14 die näheren, der dritte (v. 15 - 28) die nächsten Vorzeichen der Parusie angibt, bis der vierte (v. 29 - 31) die Parusie selbst und die dieselbe unmittelbar be- gleitenden Erscheinungen vorführt. — Diese Auslegung bietet im Einzelnen viel Treffliches, im Ganzen aber können wir sie nicht für richtig halten. Schon die Grundlage, auf welche sie gegründet wird, daß die prophetische Perspective, so 476 Matth. XXIV. gewiß sie bei Jesaja, Micha Yorhanden sei, doch nicht mehr bei Daniel sich finde und als ein schon auf dem alttestamentlichen Boden überwnndener Stand- pmikt nicht mehr bei dem Herrn und seinen Aposteln, als sie der Welt das Eyangelium yerkündigten, gesucht werden dürfe, ist eine unerweisliche An- nahme. Auch dafür, daß y. 4—6 Yon der Zerstörung Jerusalems und deren Zei- chen die Eede sei, wird ein bündiger Beweis nicht geliefert. Die Warnung, sich durch das Auftreten solcher, die sich für den Christus ausgeben, nicht Yeifohren und durch das Hören Yon Kriegen und Eriegsgerüchten nicht erschrecken zu lassen, weil dies noch nicht das Ende sei, enthält kein Wort, nicht einmal eine leise Andeutung darüber, daß der Herr damit nur die Zeichen der Zerstörung Jerusalems und diese selbst gemeint habe. Was sodann den Hinweis auf das durch Daniel geweißagte ß^eX, zijs ^QW- ^^^ ^^'^ Stehen an heiliger Statte, mit der Mahnung, alsdann ungesäumt auf die Berge zu fliehen, um in der großen Trübsal das Leben zu retten (y. 15 — 20) anlangt, so ist es zwar richtig, daß das ß^iX. X, ig. nicht auf Dan. 9, 27 sondern auf Dan. 11, Bl hinführe, wo Yon An- tiochus Epiphanes und dessen Thaten so geweißagt ist, daß derselbe durchweg als ein wenn auch nur schwaches Vorbild des zur lezten Zeit zu erwartenden Feindes des Volkes Gottes, des Antichrist aufgestelt ist. Aber KUqf. selbst be- kennt, daß damit darüber noch nicht entschieden sei, ob der Herr mit diesem nach Daniel zu erwartenden, dem Antiochus gleichenden lezten Feinde den Ti- tus und die Römer oder einen etwaigen Späteren meine. Darüber sollen erst die einzelnen Modalitäten des Textes Aufschluß geben ; namentlich der umstand, daß der Herr nicht im allgememeinen Yon einer Belagerung und Zerstörung der heil. Stadt, noch allgemeinhin Yon einer Verwüstung des Heiligtums rede, son- dern ganz bestimt sage, daß im Heiligtum ein Yerwüstender Götzengreuel werde aufgestelt werden, wie solches durch Antiochus geschehen war, aus der Ge- schichte der Zerstörung Jerusalems durch die Bömer aber, so genaue Berichte wir auch darüber haben, kein Factum nachgewiesen werden kann, welches sich mit dem Yom Herrn Yorausgesezten decke. Allein daraus folgt nichts weiter, als daß die Weißagung Yon dem lezten Feinde in den mit der Zerstörung Jero- salems und des Tempels zusammenhängenden Greueln nicht ihre Yolle endliche Erfüllung erreicht hat, aber durchaus nicht, daß die grauenhafte Entheiligung des Tempels während dieses Krieges in gar keiner Beziehung zu dem Yon Daniel geweißagten Greuel der Verwüstung stehe, und diese Weißagung für die Zeiten You ihrer ersten Erfüllung durch Antiochus bis zu ihrer schließlichen Yollen Erfüllung durcli den Antichrist am Ende des gegenwärtigen Weltlaufes gar keine Bedeutung habe. Auch die Aufforderung der in Judäa Befindlichen zu ungesäumter eiligster Flucht rein bildlich Yom Verlassen der Wohnstätten und der bewohnten Orte und damit aller bei den Menschen mit seiner Wohnstatte zusanmienhängenden LebensYerhältnisse, Yom Verlassen you Besitz, Genuü, Beruf und Amt, staatlicher und communaler Gemeinschaft zu Yerstehen, erscheint uns nicht gerechtfertigt. c. Die Mängel der bisher besprochenen Erklärungen haben ihren tieferen Grund in der auf abstracter Scheidung des Gerichts über Jerusalem Yon dem Weltgerichte beruhenden Annahme zweier Parusien. Die Unzulässigkeit dieser Scheidung hat Hengstenberg (die Zukunft des Herrn nach Matth. c. 24 in der KZ. 1832 Nr. 70 f.) erkant, und aus dem perspectiYischen Charakter der Weißa- Matth. XXIV. 477 güngen den Schluß gezogen, daß den Propheten alles in der Anschauung, also nicht zeitlich gesondert, sondern nur räumlich gegeben sei, daher verTrandte Begebenheiten, Gerichte sowol als Segnungen Gottes sich in einem Gemälde darstellen, deren zeitliche Sonderung erst durch die Erfüllung gegeben werde, und hat diesen Schluß aus dem typischen Charakter der Entwickelungsphasen des Eeiches Gottes in Gerichts- und Gnadenoffenbarungen zu begründen ge- sucht. Diese Begründung zeigt einen Fortschritt in Bezug auf die richtige Be- stimmung des Verhältnisses der Weißaguug zu ihrer Erfüllung, wogegen die Auffassung aller Wei Tagungen als Gemälde ohne jegliche zeitliche Sonderung ihres Inhaltes der wirklichen Beschaffenheit derselben nicht entspricht, da nur die Visionen im engeren Sinn des Wortes mit Gemälden sich vergleichen lassen, und selbst in perspectiyisch gezeichneten Gemälden die näher und femer liegen- den Gegenstände zu xmterscheiden sind und nur die Größe der räumlichen Ent- fernungen der Wirklichkeit nicht entspricht. Den perspectivischen Charakter der Prophetie haben auch Olsh., ffofm. (Weißag. u. Erf.), Delitzsch^ Zahn (in WicheW Vorless. über Matth.) u. A. auf verschiedene Weise mit der typischen Beschaffenheit derselben verbunden zur Erklärung unseres Cap. angewandt. Auch Bleek (Synopt. Erkl. U S 357 f.) erkent denselben bei den alttestamentl. Weißagungen an, und meint nur, daß er zur Lösung der Schwierigkeiten unseres Cap. nicht ausreiche. Denn der perspectivische Charakter der alttestamentl. Weißagungen habe seinen Grund ,in einer gewissen Mangelhaftigkeit und Un- klarheit der prophetischen Anschauung überhaupt'; und möge diese in gewis- sem Grade auch bei dem Erlöser stattgefunden haben, da er wiederholt erklärt, Zeit und Stunde für den vollen Eintritt des Beiches Gottes nicht zu wissen, so könne man doch nach dem Charakter des Erlösers nicht zugeben, daß er auf positive Weise etwas vorherverkündigt haben solte, dem der Erfolg nicht ent- sprach, also auch nicht, daß er seine glorreiche Parusie am Ende der Tage als unmittelbar auf das über Jerusalem und Judäa zu verhängende Strafgericht fol- gend verkündigt haben solte, wie wir es in den Evangelien verkündigt finden. — Diese Ansicht, daß die Weißagung Jesu über seine Zukunft nicht so erfült sei, wie sie in den evangelischen Berichten überliefert ist, bildet den Ausgangspunkt für alle neueren exegetischen und kritischen Aufstellungen über die eschatolo- gische Bede unsers Capitels. II. Den Schlüssel zur Lösung der Dunkelheiten dieser Bede und zur Be- seitigung der zwischen der Weißagung und ihrer Erfüllung obwaltenden In- congruenz glaubt Bleek in der Annahme zu finden, daß bei der Aufzeichnung und Sammlung der weißagenden Beden des Herrn verschiedene Aussprüche in unmittelbarere Verbindung mit einander gesezt wurden, als worin sie ursprüng- lich gestanden hatten. Der Erlöser habe nämlich seinen Jüngern, um sie auf das Schwere, das ihnen bevorstand, zu ihrer Tröstung und Kräftigung vorzube- reiten, seine fortwährende geistige Gegenwart auch nach seinem Hingange zu- gesagt und von Offenbarungen und besondern Erweisungen seiner Macht und Herrlichkeit geredet, dabei auch auf das Strafgericht, welches über Judäa und Jerusalem ergehen werde, hingewiesen und vielleicht den Untergang des alten theokratischen Staates in eine gewisse Verbindung mit der selbständigeren Ge- staltung seiner Gemeinde und des Beiches Gottes gebracht — aber seine glor- reiche sichtbare Wiederkunft am Ende der Tage nicht geweißagt. 478 Mattb. XXIY. a. Diese Ansicht hat Domer (de orat. Christi escTuü,) exegetiach so auage- führt, dai^ er in y. 4—14: eine mehr doctrinelle als prophetische Einleitimg, die Darlegung der principia eschatologiam regentia (d. h. der allgemeinen Gnmd- züge der dem Ende zustrebenden Geschichte des Beiches Gottes) erblikt, aof welche dann y. 15 ff. die nähere cöncrete Anwendung derselben auf die Ge- schichte folgt, und zwar so, daß y. 15—28 die grandis strages Judaism, Y.29ff. Yon dem occasus Paganismi anhebend das Weltende schildert. Die Yom ffim- mel fallenden Sterne bezeichnen tropisch die im Heidentum göttlich Yeiehrten himmlischen Naturmächte, welche das EYangelium durch Oeffnong eines höhe- ren Himmels gleichsam herabgestürzt hat. Was Luc. 21, 25. 26 gesagt wird, ist tropische Schilderung der geistlichen Ereignisse , welche die xaiQQi zw i&y&y Y. 24 füllen, und das ev^dcoe 6b Mtth. 24, 29 knüpft den Untergang des Heidentums als unmittelbare Folge an den Yorher geschilderten Untergang des Judentums an, und in y. 34 spricht der Herr die in dem a^qi des Luk. (21, 24) enthaltene Andeutung, daß es mit dem jüdischen Volke (^ yBvea a^), unge- achtet der zwischeneingekommenen Hegemonie der Heiden im Beiche Gottes, nicht aus sei, ganz deutlich aus. Diese Stelle bilde die Grundstütze des aposto- lischen imd kirchlichen Glaubens, daß das jüdische Volk bis auf das Ende der Geschichte des Christentums aufbehalten und gleicher Gnade mit den Heiden- Yölkem teilhaftig werden soll (Ygl. Rom. 11, 25 ff.). — Dieser Veisuch, die Weißagung des Herrn Yon seiner Parusie durch allegorische Umdeatung mit der modernen Anschauung Yon der Entwicklung des Christentums in Einklang jni bringen, hat außer bei Bg,-Crus. keinen Anklang gefunden, und nur dazu beige- tragen, die rationalistischen und neuprotestantischen Kritiker in der Meinung zu bestärken, daß die Bede unsers Cap. nicht Weißagung Jesu, sondern nur die jüdischen Vorstellungen der Jünger Yon einer baldigen sichtbaren Wiederkunft Christi enthalte. &. ,Entweder ist auf unsere EYangelien überall nichts Geschichtliches zn begründen oder Jesus hat erwartet, zur Eröffnung des Yon ihm Yerkündigten Messiasreiches in allernächster Zeit in den Wolken des Himmels wieder zn er- scheinen'. Dies ist nicht eingetroffen. ,Hegte er doch diese Erwartung, so war er ein Schwärmer*. So Dav. Fr. Strauss, der alte u. der neue Glaube. 1872. S. 40. Aehnlich Renan. Dieser so offen ausgesprochenen Consequenz der Nichtan- erkennung der gottmenschlichen Persönlichkeit Jesu haben die neuprotestanti- Kritiker sich dadurch zu entziehen gesucht, daß sie die neutestamentliche An- schauung von der Wiederkunft Christi nicht für Lehre Jesu halten, sondern für eine Vorstellung der ihren Herrn mißverstehenden Jünger und in zweiter Linie der eYangelischen Schriftsteller ausgeben. So nach Andeutungen von SchUiem. in verschiedener näherer Ausführung Hottzm., Schenk., Ferd. Baur, Colani, Km, Pfleid., Weiffenh. u. v. A. — Jesus habe, meint man, in dreifachem Sinne von seiner Parusie gesprochen, a) im eigentlichen Sirme von seiner Wiederkunft %m Endgerichte, h) im historischen Sinne der Offenbarung und Erweisung seiner Macht in einer Reihe geschichtlicher Thatsachen, die den Sieg seines Werkes auf Erden kundthun, c) im uneigentlichen oder geistigen Sinne von einem in der Geistesmitteilung erfolgenden idealen Kommen. Bei der Schilderung seiner Wiederkunft im Siege seines Eeiches, die er wirklich vorausgesagt, habe er sich der dem theokratischen Vorstellungskreise geläufigen prophetischen Bilder- Matth. XXIV. 479 spräche, wie sie nach Daniel c. 7 u. a. messianischen Weißagimgen solenn ge- worden war, bedient. Diese prophetisch-symbolische Bildersprache wnrde aber von den nicht den gebildeten Klassen angehörenden Jüngern mißverstanden und von einer wirklichen sichtbaren Erscheinung zur Vollendung seines Eeiches ge- deutet, die man, weil sie Gegenstand der glühendsten Erwartung war, sehr bald, anfangs gleich nach der von Jesu verheißenen Geistestaufe (Act. 1, 6) er- wartete, später aber, da sie nicht sobald erfolgte, weiter hinausschob, ohne doch die Lebensdauer der Generation zu überschreiten. Ferner hatte Jesus das Straf- gericht über Jerusalem noch innerhalb der damaligen yevsa in Aussicht gestelt und mit demselben in prophetischer Symbolik den Sieg seines Reichs in Ver- bindung gesezt. Diese Aussprüche mißverstanden die Jünger so, daß sie die Wiederkunft Christi zum Weltgerichte hinter der Zerstörung Jerusalems erwar- teten und dann unter dem Einflüsse teils der prophetischen Schilderungen von dem großen Tage Jahve*s, teils jüdischer Vorstellungen von der messianischen Beichsaufrichtung, endlich nach den rabbinischen Vorstellungen von den dolo- res Messiae diese Vorstellung Jesu selbst in den Mund legten. Auf solche Weise ist die große eschatologische Hede Jesu in Matth. c. 24 u. 25 mit ihren Parallelen bei Mark. u. Luk. entstanden, und der Kritik die Aufgabe erwachsen, den ntsprünglichen substantiellen Gehalt der Lehre Jesu von den Modificatio- nen, die ihr erst in der jüdischen Anschauungsweise der Jünger gegeben worden, zu scheiden. An dieser Scheidung arbeitet die Kritik schon zwei Decennien und ist zu dem Resultate gelangt, daß die Bede im Großen und Ganzen nicht von Jesu herrühre, sondern von einem Judenchristen auf der Neige des apostolischen Zeitalters oder einem Propheten der jerusalemischen Gemeinde im J. 68 aus Be- den Jesu über den Zukunftssieg seines Beichs mit Ermahnungen zur Wachsam- keit und Verheißungen, und aus einer kleinen in Schrift gefaßten Apokalypse jüdischen oder judenchristlichen Ursprungs componirt sei {Keim, Colani, Pfleid., Weiffenb,). Ueber die Frage aber, ob und wie weit Jesus selbst die prophetisch- symbolischen Schilderungen der messianischen BeichsvoUendung ideal (geistig) gefaßt, oder die irrtümlichen sinnlichen Vorstellungen seiner Zeitgenossen ge- teilt habe, und in Bezug auf die Verteilung der einzelnen Bestandteile der gan- zen Bede an die beiden angenommenen Quellen, ist eine Einigung bis jezt nicht erjsielt worden. ^ Als Hauptgründe für diese Hypothese werden geltend gemacht: 1) Nach Keim (Gesch. III, 202 ff.) gehören zu den geschichtlichen, von Jesu stammenden Bestandteilen dieser Bede die beiden Hauptbilder des Tableaus, die Zerstörung, nicht Entweihung des Tempels und die Wiederkunft des Mes- sias als Volkserlösers nach jenem Gottesgerichte, sogar in der bestimten Form der Wiederkunft in den Wolken des Himmels noch in diesem Geschlechte und der Aussendung seiner Engel zur Sammlung seiner Auserwählten. Nach Pßeid, gehören die kosmischen Scenen (bei Mtth. v. 6—8 v. 15—22 u. 29—31) der Apo- kalypse an, der Weiff- noch als mahnende Schluß- und Betheurungsformel v. 34 u. 85 zugeteilt hat. Diese bilden (nach Pfl.) unter sich eine wolgeordnete imd eng zusanmienhängende Beihe ; dazwischen sind die v. 4 f. 9 —14. 23 - 28 so ein- geklemmt, daß hiedurch nicht nur die Aneinanderreihung der Glieder jener Apokalypse unterbrochen, sondern auch die unmittelbare Aufeinanderfolge ihrer M!omente gehemmt und so der rasche Verlauf des in ihnen sich entwickelnden apokalyptischen Processes retardirt wird. Diese eingeklemmten Abschnitte bil- den den wesentlichen Inhalt der Beden Jesu über seine Zukunft. — Nach diesem 480 Mattb. XXIY. 1) daß die Weißagnng Yon der sichtbaren Wiederkimfi; Christi in d.m Wolken des Himmels alsbald nach der Zerstörung Jemsalenos durch die Römer nicht in Erfüllung gegangen ist, 2) daß die Lehre Jesu yon dem rein geistigen Wesen des Gottesreichs nicht zur Vorstellung eines irdisch glanzvollen MessiasreicheB passe und den Jesu in den Mund gelegten Wiederkunftsverheißungen wider- spreche, auch die apokalyptischen Hofi&iungen mit der bestimten Erwartung nnd Yorherverkündigung seines Todes nicht stimmen, da er nicht einmal seine Anf- erstehung so bestirnt, wie die Eyangelien berichten, yorausyerkündigt habe. Er hatte seinen Jüngern bestimt und unumwunden erklären müssen^ daß sein Tod kein Hindernis für die Verwirklichung der Wiederkunftshoffhung sein, daß troz Leiden und Tod alles yon dem glanzvollen Messiasreiche Grelehrte eintreffen werde. Dies habe Jesus nicht gethan, sondern mehrfach geradezu in einem die Parusie ausschließenden Sinne sich gegen seine Jünger geäußert, sowol gegen Petrus Mrc. 8, 31 ff. als gegen die beiden Zebedäiden Mrc. 10, 35 ff. (vgl Weif- fenb. S. 8 ff. u. die dort angef. Aeußerungen von Colani^ Holtzm.^ Schenk.^ Baur^ Haue, Meyer u. A.). — Allein von diesen Gründen ist der zweite ohne alle Be- weiskraft, weil er aus lauter unbewiesenen Behauptungen und irrigen Meinun- gen componirt ist. Unbewiesen ist die Behauptung, daß Jesus ein rein geistiges Gottesreich gelehrt habe, und irrig die Meinimg, daß das geistige Wesen des von ihm verkündigten und gegründeten Gottesreiches mit der Vorstellung yon der einstigen Vollendung dieses Kelches in sichtbarer Herrlichkeit in Wider- spruch stehe. Das Gegenteil hievon erhellt, wie wir schon zu c. 3, 2 (S. % f.) bemerkt haben, aus dem Gleichnisse von dem Unkraute unter dem Waizen, wie auch aus der Vergleichung des Himmelreichs mit einem Fischemetze 13, 47—^2 so deutlich, daß selbst Pfleid. die Zweiseitigkeit in der Idee des Himmelreichs — gegenwärtig geistig innerlich, dereinst aber sinnlich äußerlich werdend — anerkent und die Vollendung desselben mittelst eines supranaturalen göttlichen Actes von Jesu gelehrt findet. Auch Äeim, Weizsäcker, Weiff., und selbst Stravss haben gegen Colani, Schenk, u. A. geltend gemacht, daß die Wieder- kunftsaussprüche die Idee des geistigen Kelches nicht ausschließen, daß yiel- mehr ein Vorhandensein des Gottesreiches im unvollkommenen Vorbereitungs- und Entwickelungszustande von seiner vollkonmienen Verwirklichung in der Zukunft unterschieden werden müsse (vgl. Weifjf. S. 19 f.). Die Wiederkunfks- verheißungen Jesu aber würden mit der Vorausverkündigung seines Todes nnr in dem Falle nicht stimmen, wenn Jesus nicht seine Auferstehung am dritten Tage eben so bestimt wie seinen Tod vorausgesagt hätte. Die bestimte Voraus- verkündigung seiner Auferstehung, die nur mit dogmatischen Machtsprüchen, »kritischen Torso* gibt — wie schon Zahn a. a. 0. S. 328 treffend bemerkt hat - der Herr, nachdem er die gänzliche Zerstörung des Tempels geweißagt, den Jüngern auf ihre Frage, wann dieses geschehen werde und welches das Zeichen seiner Parusie und des Weltendes sei, ,nicht die mindeste Antwort, sondeni schildert ihre Leiden in den Synedrien und Synagogen, tröstet sie mit dem hei- ligen Geiste und ermahnt sie zum Beharren bis zulezt; dann komt die Warnung vor Verführern, und hieran schließt sich das liebliche, aber doch für die gewich- tige Frage der Jünger in diesem Zusammenhange nichtssagende Gleichnis rom Feigenbaum, von dem sie lernen solten, daß es (die Sache) nahe ist vor den Thüren? Was? die Leiden der Jünger — oder die Zerstörung des Tempels? Ihr werdet leiden — der Feigenbaum wird grünen : jezt wisset ihr alles. Daran könt ihr es erkennend • • MAtth. XXIV. 481 nicht mit wissenschaflilichen Gründen in Abrede gestelt wird, enthielt implicite die Erklärung, daß sein Tod kein Hindernis für die Vollendung seines Reichs in Herrlichkeit sein werde, wenn Jesus dies auch seinen Jüngern nicht gleich- zeitig mit der Ankündigung seines Todes sagte. Ganz unerfindlich aber ist end- lichy wie die Zurechtweisung des Petrus Mrc. 8, 81 ff. ygl. Mtth. 16, 20 ff. und die Abweisung der Bitte der Zebedaiden um den Ehrenplatz in der Herrlichkeit (Mrc. 10, 37 ff. Mtth. 20, 21 ff.) die Parusie Christi ausschließen sollen. Auch der erstd Grund stüzt sich auf die nichts weniger als erwiesene Vor- aussetzung, daß in y. 15 — 22 nur die Belagerung, Eroberung und Zerstörung Jerusalems durch die Bömer geweißagt sei Schon bei der exegetischen Erörte- rung Yon y. 15 haben wir bemerkt, daß Jesus nach der Belation seiner Bede bei Mtth. u. Mrk. gar nicht yon der Zerstörung Jerusalems spricht , sondern nur Yom Stehen des Greuels der Verwüstung an heiliger Statte. Aber auch Luk., welcher statt dessen die Belagerung Jerusalems durch ein Eriegsheer erwähnt, kann die römische Belagerung und Zerstörung Jerusalems nicht als die yoUe und schließliche Erfüllung der Weißagung des Herrn yon seiner Wiederkunft betrachtet haben; da er bemerkt, daß man daran erkennen solle, daß die Ver- wüstung Jerusalems herbeigekommen sei, und alles werde erfült werden was geschrieben steht, und hinzusezt, daß Jerusalem yon den Heiden zertreten sein werde bis der Heiden Zeiten erfüllet sind, daß Zeichen am Himmel geschehen und die Kräfte der Himmel werden erschüttert werden, und dann der Menschen- sohn in großer Kraft und Herrlichkeit kommen werde (Luc. 21, 20. 22. 24 — 27). Nach dieser Darstellung soll also auf die Belagerung und die mit derselben be- ginnende Verwüstung Jerusalems die Zeit der Zertretung yon den Heiden folgen und so lange dauern bis der Heiden Zeiten erfült sind, und erst nach Ablauf dieser Zeiten soll die Wiederkunft des Menschensohnes in Herrlichkeit erfolgen. Vergleichen wir damit die Aussage bei Mtth. y. 14, dafi das Eyangelium allen Völkern auf der Erde yerkündigt werden soll, beyor das Ende kommen wird, so kann Jesus oder der Concipient der yon Matth. überlieferten Bede Jesu unmög- lich die römische Zerstörung Jerusalems als das Ereignis sich gedacht haben, nach welchem alsbald die sichtbare Wiederkunft Christi erfolgen werde, folg- lich auch den Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte imd die mit demselben anhebende große Trübsal nicht auf die Drangsale des römisch-jüdischen Kriegs bezogen, wenigstens nicht darauf beschränkt haben. Hieraus erhellt unleugbar, daß in der Bede Jesu nach Mtth. die sichtbare Wiederkunft des Herrn nicht in unmittelbare zeitliche Verbindung mit der Zerstörung Jerusalems und des Tem- pels durch die Bömer gesezt oder als ev&etos nach derselben folgend geweißagt ist. Demnach beruht das Hauptargument der Gegner der Echtheit unserer Bede für ihre Hypothese über die Gomposition derselben auf einer imrichtigen Auf- fassung der Weißagung Jesu, die ihren tieferen und eigentlichen Grund in einer irrigen Vorstellung yom Wesen der Weißagung hat, nämlich auf der Identifi- cirung yon Weißagung und Warsagung d. h. Voraussagung einzelner künftiger Ereignisse beruht, während die Weißagung zwar auch sehr specielle Prädictio- nen enthält und yon den alttestamentlichen Propheten der älteren SiCit uns fast nur solche bestimte Prädictionen überliefert sind, aber weder blos in Diyinatio- nen der Zukunft aus der Gegenwart, noch blos in Prädictionen zukünftiger Dinge und Begebenheiten besteht. Vgl. Küper^ das Prophetenth. des A. B. S.442ff. Kelly Comm. z. Evangel. Matth. 31 482 Matth. XXIV. Die Lösung der in Frage stehenden Schwierigkeiten der eschato- logischen Bede Jesu kann sich nur aas der richtigen An&ssang des Wesens der biblischen Weißagungund des Verhältnisses der WeiBagtug zar geschichtlichen Erftülang derselben ergeben. — Das Object der biblischen Weißagnng bildet die Zukunft des Reiches Gk>ttes d. h. seine weitere Entwicklung in der näheren und ferneren Zukunft bis zu seiner schließlichen Vollendung, die durch das Grundgesetz der Gk>ttesh6^ Schaft in Israel bedingt, sich nach den inneren Zuständen und den äußeren Verhältnissen des Bundesvolkes in den verschiedenen Zeiten verschiedentlich gestaltet, aber unter allen Wechseln ihrer zeitweiligen Gestalt doch ihrem gottgeordneten Ziele der Vollendung des Reiches Gottes in Herrlichkeit immer näher rflkt. Die Aufschlüsse hierftber empfingen die Propheten durch göttliche Erleuchtung in der Weise, daß sie nicht nur die Stimme Gottes in ihrem Innern vernahmen, son- dern auch die zu verkündigenden Gegenstände im Geiste schauten. Aus dieser Form der göttlichen Mitteilung ergab sich für die prophe- tische Verkündigung die optisch complexe Form, daß die einzehien Momente der Weißagung, wie in einem Gemälde die näheren und fer- neren Gegenstände, zwar im Allgemeinen unterschieden, aber in der Regel doch ohne genaue Bestimmung der Zeitfolge ihres Eintretens an- einander gereiht sind. Ferner bringt es der paränetische Zweck der Weißagung, womach sie Aufschlüsse über die Zukunft nicht zur Be- friedigung der Wißbegierde, sondern zur Warnung der Gottlosen und zur Tröstung der Gläubigen gibt, mit sich, daß in ihr der Blick auf das Ende der Wege Gottes, auf das Endgericht und die Erlösung der Frommen von allem Uebel vorwaltet, und deshalb oft die einzelnen Momente der Entwicklung in eins zusammengefaßt sind. Weiter kom- men hiebei die Schranken alles menschlichen Erkennens in Betracht, womach wir nur diejenigen Dinge mit unserem Geiste erfassen und be- greifen können, von welchen wir eine sinnliche Anschauung oder Vor- stellung haben. All unser Wissen von der Zukunft und dem übersinn- lichen Wesen der Dinge gründet sich auf sinnliche Anschauungen, nach deren Analogie wir uns die Zukunft und die jenseitige Welt vor- stellbar machen. Infolge dieser dem menschlichen Erkennen von Gott gezogenen Schranke konte die Vollendung des Reiches Gottes in ver- klärter Gestalt den Propheten nur in Bildern, die von der irdischen Entwicklung und Gestaltung desselben entnommen waren, auf eine für ihr Erkentnisvermögen begreifliche Weise zur Anschauung gebracht und durch ihre Verkündigung der Gemeinde mitgeteilt werden. Endlich ist noch die Natur des Wortes Gottes zu erwägen, daß dasselbe in sei- nen Drohungen und Verheißungen sich nicht blos in dem einzelnen Falle, für den es ausgesprochen ist, erfült, sondern als ein ewig gülti- ges Wort sich fort und fort erfült, so oft die Verhältnisse, auf die es sich bezieht, sich wiederholen. So oft die Sünde sich erneuert, stelt sich die gedrohte Strafe ein, so daß jede einzelne Erfüllung zugleich eine Realweißagung für alle künftigen ähnlichen Fälle bildet. Und was vom Worte Gottes, das gilt auch von den Ordnungen, welche Gott fllr Mattb. XXIV. 483 die Welt und für sein Reich gegründet hat, und überhaupt von seinem Walten in der Regierung der Welt und seines Reiches. Wie im Natur- reiche die höheren Ordnungen in den niederen keimartig präformirt sind, so bilden auch im Gnadenreiche die Institutionen der alttesta- mentlichen Theokratie Präformationen und Typen für die höheren und geistigen Verhältnisse des Himmelreichs. Gleicherweise sind die Tha- ten Gottes in der Geschichte Israels typisch bedeutsam für das Walten des Herrn in der zeitlichen Entwicklung des Himmelreichs. — In die- sen von Gott geschaffenen Gesetzen der Welt- und Menschengeschichte, die wir hier nur kurz andeuten weiten, ist die optisch-complexe und die bildlich- symbolische und typische Beschaffenheit der Weißagung begründet, deren Realität nur von oberflächlichen Denkern in Abrede gestelt werden kann. Daraus ergeben sich aber sehr beachtenswerte Normen für die richtige Auffassung des Verhältnisses, in welchem die Weißagung zu ihrer geschichtlichen Erfüllung steht Wenn die zu offenbarende Warheit der Weißagung in die Form optisch- comploxer Anschauung und in bildlich -symbolische Schilde- rungen von typischer Bedeutung gekleidet ist, so läßt sich nicht a priori bestimmen, wann und me sie sich erfüllen wird, ob eigentlich d. h. in der geschilderten Modalität, oder nur ihrem geistigen Inhalte nach; ob auf einmal, in einem einzigen geschichtlichen Ereignisse, oder succes- sive in sich wiederholenden geschichtlichen Thatsachen, bis sie schließ- lich ihre volle Verwirklichung erlangt. Daraus folgt, daß das Wort der Weißagung durch die Erfüllung erst seine volle Erklärung findet. — Wenden wir das Gesagte auf unsere eschatologische Rede Jesu an, die sich, wie schon bemerkt, nach Form und Inhalt an die prophetische Verkündigung des A. T. anlehnt und die ganze Entwickelung des Rei- ches Gottes im gegenwärtigen Aeon bis zu seiner Vollendung in der Ewig- keit umspannt, so läßt sich gegenwärtig, wo wir noch mitten in der Entwickelung stehen, noch kein endgültiges Urteil über die Erfüllung oder Nichterfüllung derselben fällen, sondern nur Folgendes darüber bemerken: Der Herr unterscheidet in seiner Rede drei Perioden: 1. nent er Ereignisse, welche noch nicht das Ende indiciren (v. 4—6); 2. erwähnt er welterschüttemde Begebenheiten, schwere Verfolgungen seiner Jün- ger und die Verkündigung des Evangeliums unter allen Völkern der ganzen Erde als Vorboten des kommenden Endes (v. 7—14); 3. schil- dert er das Kommen des Endes nach den Zeichen seines Beginnes: den Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte, unerhört große Trübsal und Bedrängnis seiner Jünger durch falsche Propheten (v. 15—28), worauf alsbald seine sichtbare Wiederkunft in den Wolken des Himmels erfol- gen wird (v. 29—35). — Die in den beiden ersten Abschnitten seiner Rede erwähnten Ereignisse sind nicht als zu bestirnten Zeiten erfolgend angekündigt, daher auch ihre Erfüllung nicht in geschichtlichen Vor- gängen einzelner Zeiten gesucht werden darf. Sowol Kriege, Empö- rungen, Erdbeben, Hungersnöte und Seuchen hier und dort, als auch das Auftreten von Irrlehrern und falschen Messiassen wiederholen sich 31* 484 MattL XXIY. im Laafe der Zeiten, und die als oQxn ciölvafv bezeichneten Galam]t&- ten unterscheiden sich von den noch gar nicht auf das Ende hindeute den Ereignissen nur durch ihre intensive und extensive Stärke und H&ufung, wodurch sie auf die bevorstehende Um- und Neugestaltung der Welt hindeuten. Auch die Verkündigung des Evangeliums in der ganzen Welt vollzieht sich allmälig von den Zeiten der Apostel an biB auf unsere Tage, ohne bis jezt ihre Vollendung erreicht zu haben. — Anders verhält es sich mit den das Ende herbeiftlhrenden großen Zei- chen, dem Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte, mit welchem die große Trübsal anheben wird, und der sichtbaren Erscheinung des Men- schensohnes. — Die Weißagung des Propheten Daniel von dem Ve^ Wüstungsgreuel hatte bereits eine nächste geschichtliche, aber nmr vorläufige, noch nicht ihre volle Erfüllung erhalten. Dies erhellt nicht nur daraus, daß Jesus die Verwirklichung derselben als noch be- vorstehend ankündigt, sondern auch aus c. 11 u. 12 des Buches Daniels, wo der gegen den heiligen Bund frevelnd auftretende König, der das Heiligtum entweiht, das beständige Opfer abschaft und den Greuel der Verwüstung aufistelt, so geschildert ist, daß die Schilderung weit über die geschichtlich constatirten Frevel des Antiochus Epiphanes hinaus- geht, indem von demselben 11, 36 ausgesagt wird, daß er sich wider alle Götter erheben und Lästerungen wider den höchsten (jott reden werde, und wo sowol die Drangsal jener Zeit mit dem Ende der Tage, als auch der Sturz des Frevlers und die Errettung des Volkes Gottes aus jener Not mit der Auferstehung der Todten verbunden ist (12, 1—8. 11—13). Hier ist unverkennbar Antiochus Ep. der Frevler wider den heiligen Bund als Typus des lezten Feindes der Gemeinde des Herrn, des Antichrists verkündigt, mit dessen Sturze die Vollendung des Reiches Gottes eintreten wird. Wenn hiernach die aus Daniel genom- menen Worte Christi unzweifelhaft auf diesen lezten Feind, den Anti- christ, bezogen werden müssen, auf den sie auch der Apostel Paulus in 2 Thess. 2, 4 £f. bezogen hat, so darf man doch bei dem optisch-com- plexen und typischen Charakter der Weißagung frühere unvollkomme- nere Erfüllungen nicht ausschließen, also auch die ziemlich verbrei- tete Beziehung auf die durch die Eömer über Jerusalem und Jadäa hereingebrochene Katastrophe nicht als unzulässig abweisen. Nicht richtig ist es nur, diese zeitgeschichtliche Erfüllung von dem geweißag- ten Greuel der Verwüstung in der Verbrennung des Tempels durch die Kömer oder gar in der Aufrichtung der Bildsäule des Titus oder der Keiterstatue des Hadrian auf der Stätte des zerstörten Tempels, woran Chrys., TheophyL, Euihym, u. Hieron, dachten, suchen zu wollen. Vielmehr komt hiebei die grauenhafte Entweihung des Tempels durch die Zeloten (vgl. Joseph, hell jud, IV, 6, 3) in Betracht (Hngsib, Christel. HI, 1 S. 113 ff.), mit welcher man die von den Heiden ange- richtete Verwüstung auf dem Tempelplatze verbinden kann. Ganz un- richtig ist es auch, in den Greueln der römischen Belagerung und Zer- störung Jerusalems die volle endgültige Erfüllung des geweißagten Ve^ Wüstungsgreuels finden zu wollen. Dagegen spricht schon entscheidend Matth. XXnr. 485 was der Herr über die alsdann eintretende O^Xitpig fisydXf] sagt, deren Beschreibung durch die mit dem römischen Kriege verbundenen Drang- sale in keiner Weise erschöpft wird, vielmehr, wie auch die Anlehnung der Schilderung an Dan. 12, 1 lehrt, auf die Endzeit hinführt, so daß die Drangsale des römischen Krieges nur ein schwaches Vorspiel der- selben liefern, bei welcher die Aufforderung zur Flucht in dem Flüch- ten der Christengemeinde nach Pella wörtlich in Erfüllung ging. In Betreff der schließlichen Erfüllung aber ist die typische Bedeutung von Jerusalem und Judäa als Stätten des Reiches Gottes ins Auge zu fassen. Denn die zu eiligster Flucht Aufgeforderten sind Christen, nicht Juden, und die zu Rettenden die ixXsxroly um deretwillen die Tage der Trüb- sal verkürzt werden. — Diese typische Erfüllung der Worte ist übri- gens auch nicht auf die noch jezt zukünftige Endzeit zu beschränken, sondern bahnt sich in der geschichtlichen Entwickelungszeit der christ- lichen Kirche allmälig an, in den sich wiederholenden Perioden sowol der Bedrückung der Jünger Christi durch widerchristliche Mächte als auch des in der Christenheit um sich greifenden Verfalles des Glaubens und der Liebe. ^ Wenn aber die Weißagung von dem Greuel der Verwüstung und der großen Trübsal weit über die Zerstörung Jerusalems durch die Römer hinausragt und auf die Zeitlos Antichrists hinweist, so hat auch das Wort des Herrn, daß alsbald {syd^ecog) nach jenen Tagen seine sicht- bare Wiederkunft in den Wolken des Himmels erfolgen werde, volle Warheit, und kann nur von Kritikern in Zweifel gezogen werden, welche entweder die Wiederkunft des Herrn zur Vollendung seines Reiches überhaupt leugnen, oder den Begriff der Parusie irrtümlich be- stimmen. — Die übliche Unterscheidung einer zweifachen (unsichtba- 1) Hinsichtlich der Abweichtmg des Luk. (21, 20 ff.), daß er statt des Greuels der Verwüstung an heiliger Stätte die Belagerung Jerusalems durch ein Kriegsheer erwähnt, haben wir schon S. 481 nachgewiesen, daß auch seine Schilderung dieses Ereignisses weit über die Belagerung und Zerstörung Jeru- salems hinausgeht. Den Grund dieser Abweichung haben wir darin zu suchen, daß Luk. das aus Daniel genommene Merkmal, das ß^feXvyfjia tnc igrifitoaeiog bei Matth., fallen ließ, weil sein Verständnis eine tiefere Erforschung der Weißagung Daniels erforderte, als er von Heidenchristen, für welche er sein Evangelium schrieb, erwarten konte, und statt dessen die Belagerung und Ver- wüstmig Jerusalems angab, da Tempel und Jerusalem zusammen gehören imd diie Verwüstung der heUigen Stätte sich von der Verwüstung der heiligen Stadt nicht trennen ließ, auch von den Propheten des A. T. eine feindliche Bedränguuff Jerusalems in der Endzeit geweißagt war (Zach. 14. Ezech. 38. 39). — Fraglich bleibt nur, ob die von Luk. erwähnte Belagerung Jerusalems, mit der Ihre Ver- wüstung kommen wird, und die Tage der Bache beginnen, daß nccvza ro ye- yQauuspa^ d. h. alle Weißagungen des A. T. erfült werden, auf Dan. 9, 26 (xai ßaaiieia b&vwv fp&eqBixfiv nbXiv) hinweist, wie Hngsib. Ghristol. IH, 1 S. 118 annimt, oder aus Dan. 11, 31 geflossen ist, wie Klief. Offenb. Joh. I S.49 war- scheinlich zu machen sucht Da Lukas ein eigentliches Gitat nicht gibt, so wird sich diese Frage nicht evident beantworten lassen, üebrigens hat Luk. seine Darstellung schwerlich rein aus der alttestamentlichen Weißagung ge- schöpft, sondern ohne Zweifel auf Worte gegründet, die Christus sei es damals oder zu anderer Zeit über das Endgeschick Jerusalems gesprochen hat. 486 Matth. XXIY, 36. ren nnd sichtbaren) oder gar einer dreifachen (historischen, geistigeii und eschatologischen) Wiederkunft ist mißverständlich. Christas und seine Apostel lehren nur eine Parnsie und unterscheiden nur verschie- dene Phasen oder Manifestationen derselben. Die Parnsie begint schon mit den Erscheinungen des Auferstandenen im Kreise seiner Jünger, mn dieselben von der Wirklichkeit und Leibhaftigkeit seiner Aoferstehnng zu überzeugen, bei der die Jünger den Herrn mit leiblichen Angen sahen; sie sezt sich nach der Himmelfahrt fort in der Ausgießung des als Paraclet ihnen verheißenen Geistes, in welchem Jesus, wie er Joh. 14, 18 ausdrücklich sagt, zu seinen Jüngern komt, daß sie ihn, freilich nicht mit Leibesaugen, wol aber mit dem Glaubensange des Geistes, sehen, und ihnen seine Gegenwart kräftig beweist, indem er sein Reich auf Erden ausbreitet, seine Gemeinde wider alle Macht der B'einde schüzt und die Welt überwindet, bis das Evangelium vom Reiche allen y Olkem verkündigt sein wird, worauf seine Wiederkunft sich in der der ganzen Welt sichtbaren Erscheinung (ijtttpdvBia xijq nagovolaq amw 2 Thess. 2, 8) mit großer Macht und Herrlichkeit vollenden wird, um durch das Endgericht sein Reich in Herrlichkeit offenbar zu machen. — Die mit dem ersten Pfingstfeste anhebende und durch die Jahrhun- derte der christlichen Kirche sich fortsetzende geistige Gegenwart und Wirksamkeit Christi in seiner Gemeinde ^ki nur die innerliche, vor den Augen der Welt verhüllte Seite seiner Parusie, ist aber nicht minder real als die noch zukünftige, allen Geschlechtem der Erde sichtbar werdende hm(pavBta derselben. Wie die ßadiXsla rcov ovQavtSv seit den Tagen der ersten Pfingsten als reale Macht auf Erden existirt und die Reiche dieser Welt überwindet, so ist auch die Parusie Christi schon in dem gegenwärtigen Aeon eine Realität, deren seine Jünger sich getrösten und deren Wirkungen so augenscheinlich sind, daß sie den Kindern des Unglaubens geheimes Grauen erregen, den Gläubigen aber Mut und Kraft zum Ausharren in der Trübsal einflößen und die Warheit seiner Verheißung verbürgen, daß er dereinst allenthalben sichtbar erscheinen wird zum Schrecken seiner Feinde und zur Frende seiner frommen und treuen Knechte. — Aus dieser schriftgemäßen Auf- fassung des Begriffs der Parusie unseres Herrn wird auch der Aus- spruch verständlich, daß ^ yevsa avrrj nicht vorübergehen werde, bis daß alles dieses geschehen sei {yivrixai) d. h. eingetreten, nicht: voll- endet oder zum Abschluß gekommen sein wird. Denn alles, was Jesus von V. 4 verkündigt, erfült sich nicht momentan, sondern successive, in längerem geschichtlichen Verlaufe. V. 36—51. Ermahnungen zur Wachsamkeit, um von der Wie- derkunft des Herrn nicht überrascht zu werden, weil niemand Tag und Stunde derselben weiß (v. 36) und der Herr unerwartet und plötzlich zum Gericht über die in sorgloser Sicherheit dahinlebende Welt kom- men wird (v. 37—51). — V. 36. „lieber jenen Tag und Stunde aber weiß niemand, auch nicht die Engel des Himmels noch der Sohn, son- dern nur der Vater allein". Vgl. Mrc. 13, 32. Obgleich alles, was der Herr seinen Jüngern über die Zeichen seiner Parusie und der Welt- Matth. XXIV, 87-41. 487 Vollendung verkündigt hat, noch zu Lebzeiten der damaligen Genera- tion geschehen d. h. sich zu erfüllen beginnen wird, so ist doch Tag und Stande seiner Wiederkunft zum Gericht nicht bekant, weder den Menschen, noch den Engeln, noch auch dem Sohne Gottes. DaB dieser Ausspruch mit der Aussage v. 34 nicht in Widerspruch steht, wie Bh, Colani, Weiff, u. A. behaupten, liegt auf der Hand, sobald man nur die Worte nimt, wie sie lauten. Selbst Pfleid, bemerkt S. 148 der oben angef. Abhdl.: ,die Unwissenheit über den bestimten Zeiipunkt der Pa- rasie schließt die Weißagung über den allgemeinen Z&iiraum derselben nicht aus.^ Tag und Stunde d. h. den bestimten Tag weiß nur der Va- ter allein, der als Regierer der Welt die xQO^oc und xaigol des ganzen Verlaufs der Welt- und Menschheitsgeschichte kv r^ Idla i^ovala fest- gesezt hat (Act. 1, 7) und demgemäß auch die Parusie des Menschen- sohnes und die Weltvollendung zu der in seiner Weisheit bestimten Zeitfrist herbeiführt. Diese Zeit weiß daher auch der Sohn nicht, nicht bloB im Stande seiner x^vco.ocg, sondern auch als der zur Rechten des Vaters erhöhte Menschensohn, da auch ihm alle Gewalt im Himmel und auf Erden, die er im Stande seiner Erhöhung hat, vom Vater gegeben ist (28, 18), so daß er nur den von Gott dem Vater von Ewigkeit her gefaßten Rathschluß der ewigen Liebe ausführt, und nach Unterwer- fung aller seiner Feinde, und nach Aufhebung des Todes als des lezten Feindes sich Gotte, der ihm alles untergeordnet hat, unterordnen wird, auf daß Gott sei alles in allem (1 Eor. 15, 24—28). Vgl. hiermit die Erörterung S. 406 über die 20, 23 von Jesu ausgesprochene Beschrän- kung seiner Macht. — V. 37—39. Vgl. Luc. 17, 26 u. 27. Es wird sich aber mit der Parusie Christi verhalten wie mit der Sintflut. Sie wird für die sorglose Menschheit unerwartet hereinbrechen. „Wie aber die Tage Noahs waren, so wird die Zukunft des Menschensohnes seines Die Tage Noahs sind die Zeit des Baues der Arche, 1 Petr. 3, 20. In welcher Hinsicht die Parusie Christi den Tagen Noahs gleicht, wird v. 38 f. angegeben. „Wie sie (die Menschen) nämlich in den Tagen vor der Sintflut aßen und tranken, heirateten und verheirateten bis zu dem Tage, da Noah in die Arche ging, und es nicht erkanten, bis die Sint- flut kam und alle hinwegnahm, so wird auch die Zukunft des Menschen- Bohnes sein", i^öap — rgciyojrceg — Jtlvovrsg sie waren essend, trin- kend — drükt das ständige Thun aus. ZQciyeiv essen, ohne üblen Nebenbegriff (fressen), vgl. Joh. 6, 54flf. 13, 18. yafil^ecv oder kicya- fil^eiv verheiraten, aus dem Hause Töchter verheiraten. Für yafil^ov- T€g hat Tisch. 8 nur ^D33 angeführt, während für kxyafil^oprsg JLrAn al zeugen. Zu ovx syvcoöav sie erkanten d. h. beachteten nicht ist als Object zu suppliren: das Bevorstehende, oder was kommen werde. — V, 40 u. 41. Vgl. Luc. 17, 34. 35. Alsdann wird von zweien neben einander mit derselben Arbeit Beschäftigten der eine angenom- men werden, nämlich von den die Auserwählten sammelnden Engeln, der andere gelassen werden d. h. dem Gerichte oder dem Verderben überlassen werden. Die Präsentia vergegenwärtigen das Zukünftige. Die Worte ovo aXi^ovöat sind als absolut vorausgeseztes Subject sn 488 MBtth. XXIV, 41-47. fassen, welches in der folgenden Aassage in seine Teile zerlegt wird. Deutsch: von zweien, welche mahlen, wird eine angenonunen und eine gelassen werden, ev xcp fivXq) beim Mühlstein der im Hause befind- lichen Handmühle, welche gewöhnlich von Mägden oder Weibern ge- dreht wurde, vgl. m, bibl. Archäol. S. 500 u. 502 , wie noch jezt im Morgenlande in bürgerlichen Wirtschaften, vgl. Bobins. Pal. 11 S. 40öf. — Daraus zieht Jesus v. 42 die Mahnung: „Wachet also, denn ihr wißt nicht, an welchem Tage euer Herr komt^S yQfjyoQelv wachen, das Gegenteil der sorglosen Sicherheit, involvirt das Achten auf die Zeichen der Zeit und die beständige geistliche Vorbereitung auf die Ankunft des Herrn. Statt jcola Sga (nach LFIIaL) hat Tisch. 8 jtola ^/iiga nach ^BDJA al. aufgenommen. — Diese Mahnung wird in V. 43—51 durch Gleichnisse erläutert, welche die Notwendigkeit des Wachens und die Gefahr sorgloser Sicherheit veranschaulichen. — V. 43. Vgl. Luc. 12, 39 f. „Das aber erkennet, daß wenn der Haus- herr wüßte, in welcher Nachtwache der Dieb komt, er würde gewacht und den Dieb nicht in sein Haus haben einbrechen lassen^S Der Tag des Herrn wird so unerwartet kommen wie ein Dieb in der Nacht; v^. zu diesem Bilde 1 Thess. 5, 2. 2 Petr. 3, 10. Apok. 3, 3. 16, 15. fpvXaTC^ Nachtwache, als ein Teil der Nacht, s. zu 14, 23. — V. 44. „Darum seid auch ihr bereit". 6ia rovro darum, weil die Stunde der Ankunft des Herrn unbekant ist — damit ihr nicht Schaden erleid^ der Seligkeit verlustig gehet. — V. 45—51. Vgl. Luc. 12, 42—45. Die Gefahr der sorglosen Sicherheit zeigt der Herr seinen Jüngern in dem Gleichnisse von einem Knechte, welchem sein Herr während der Zeit seiner Abwesenheit die Aufsicht über das Hausgesinde anvertraut hat, und zwar so, daß er ihnen dabei sowol den Lohn der Treue, als auch die Strafe der Untreue zur Mahnung und Warnung vorhält. V. 45. „Wer also ist der treue und kluge Knecht, welchen der Herr über sein Hausgesinde {olxsTela die Dienerschaft) gesezt hat, daß er ihnen die Speise zur rechten Zeit gebe?" Wenn bei der Ungewißheit der Zu- kunft Christi die rechte Bereitschaft notwendig ist, so müssen die Jün- ger des Herrn wissen, worin dieselbe besteht. Der Knecht, welchen sein Herr über das Hausgesinde sezt, bei Luk. olxovofiog genant, ist ein Bild der Jünger Christi, die zur Leitung seiner Gemeinde berufen und verordnet sind, daß sie die ihnen anvertrauten Seelen mit dem Brote des Lebens speisen. Dieser öovXog wird als jttoxoq Tcal (pQOVi- (iog bezeichnet. Denn Treue und Klugheit sind unerläßliche Erforder- nisse für die rechte Verwaltung ihres Amtes, jciorog bezieht sich auf die das ganze Verhalten bestimmende Gesinnung, vgl. 1 Kor. 4, 1 f., q)Q6vi(iog auf die Wahl der rechten Mittel und Wege zur treuen Aus- führung des Willens des Herrn. — V. 46 Die Antwort: der Knecht ist es, welchen . . . gibt Jesus in der Form einer Seligpreisung: „Selig je- ner Knecht, welchen sein Herr beim Kommen so thuend finden wird''. ovTcog so wie er ihm aufgetragen hatte. — V. 47. Den treu und klug erfundenen Knecht wird der Herr über alle seine Güter setzen d. h. ihm die Verwaltung aller seiner Güter anvertrauen, also eine viel höhere Matfch. XXIV, 48—61. XXV, 1. 489 Stellang nnd Wirksamkeit als Lohn seiner TrenTe ihm zuweisen. Anf die Jünger Christi angewandt hesteht demnach der Lohn darin, daß sie zum ov/ißaaiXsvsip mit Christo im Reiche der Herrlichkeit erhoben werden, vgl. 19, 28. 25, 21 u. 23. — V. 48—51. Den bösen Knecht hingegen wird bei der Wiederkunft des Herrn schwere Strafe treffen. „Wenn aber der böse Knecht in seinem Herzen spricht^S Die Wendung ist eine prägnante Ausdrucksweise für: wenn aber der Knecht böse ist und in seinem Herzen spricht d. h. bei sich denkt. 6 xaxog öovXog ist das Widerspiel des treuen und klugen Knechtes. Doch besagt xaxoc mehr als axioxoq und atpgcov untreu und unklug; es bed. schlecht, nichtswürdig. So zeigt sich der Knecht in seinem Verhalten, daß er in der Meinung, sein Herr verziehe, werde noch lange nicht kommen, die ihm übertragene Macht mißbraucht, anfängt seine Mitknechte zu schla- gen, statt ihnen zur rechten Zeit ihren Speisebedarf zu geben, und mit den Trunkenen ißt und trinkt, also statt seines Amtes zu warten den Lüsten und Begierden des bösen Herzens fröhnt, statt die Mitknechte zu beaufsichtigen selbst mit den Lüderlichen ein lüderliches Leben fbhrt. Einem solchen Knechte wird der Herr unvermutet kommen und ihm den verdienten Lohn seiner Nichtswürdigkeit geben (kv Sga ^ per atiract für i]v). dixorofi^oei avzov er wird ihn in Stücke zerhauen {dixoTO(i€Zp eig. in zwei Teile zerschneiden, vgl. Exod. 29, 17 LXX), nicht: Hinrichtung mit der Säge {Mey., Weiss) ^ wofür jtQl^siv, xgl^so&ai gebräuchlich, s. Sicsann. v. 59. Hehr. 11, 37. „Und wird sein Teil (Los) mit den Heuchlern setzen^^, d. h. ihm sein Los in der Hölle zuweisen, ihn in die Hölle verdammen, wo Heulen und Zähne- knirschen sein wird, s. zu 8, 12 u. 23, 13. Mit diesem Satze geht die Bede vom Bilde in die Sache über. Die Verdammnis in die Hölle steht übrigens mit der Todesstrafe des Zerhauens nicht in Widerspruch. Die Hinrichtung schließt die Höllenstrafe nicht aus, ebenso wenig wie der zeitliche Tod die ewige Verdammnis, die ösmsQog d-dvaxoq genaut wird Apok. 2, 11. 20, 6. 14. 21, 8. Bei oder mit den Heuchlern soll er sein Los erhalten, weil sein Verhalten gegen den Herrn Heuchelei war, sofern er sich als treuer Knecht gezeigt haben muß, um das v. 45 von seinem Herrn ihm geschenkte Vertrauen sich zu evwerben, und erst in der Abwesenheit des Herrn die Bosheit seines Herzens offenbarte. Cap. XXV, 1—30. Weitere Begründung der Mahnung zur Wachsamkeit durch Gleichnisse. V. 1—13. Das Gleichnis von den zehn Jungfrauen, V. 1. „Alsdann wird das Himmelreich gleich sein zehn Jungi^auen, welche ihre Lampen nahmen und ausgingen dem Bräutigam entgegen^S Tors weist nicht auf den Zeitpunkt der Bestra- fung des untreuen Knechtes 24, 50 f. hin {Mey,, Weiss) ^ sondern sezt nur das in der Parabel Dargestelte im Allgemeinen in die Zeit der Pa- rusie Christi, ohne daß man bei dem vielfachen Gebrauche, den Matth. von dieser Partikel macht, eine bestirnte Zurückweisung auf c. 24, 37 oder 14 anzunehmen hat. Zu Ofioicad^asrai vgl. die Erörterung über (AfiOici&fi 13, 24. 18, 23. 22, 2. Das Futurum steht wie 7, 26 mit Be- 490 Matth. XXV, 2—7. zag darauf, daB die in der Parabel yeranschanlichte Gleichmachang d. h. factische Gleichstellang erst bei dem Gerichte erfolgen wird. Die Vergleichnng bezieht sich, wie schon zu 13, 24 (S. 315) bemerkt wcnr- den, auch bei dieser Parabel nicht auf die Jungfiraaen als Personen, sondern auf ihr Thnn und Verhalten mit seinen Folgen, wie es in dw Parabel geschildert ist. — Die Hochzeit, als Bild der Vereinigung des Herrn mit seiner Gemeinde (vgl. Apok. 19, 7 u. die Erkl. zu 9, 16. S. 241), zu welcher die Jungfrauen den Bräutigam feierlich einholen wollen, ist hier nicht, wie es die Sitte war (vgl. m. bibl. Archäol. S. 540), im Hause des Bräutigams gedacht, sondern im Hause der Braut (wie Rieht. 14, 10), in Rücksicht auf die im Gleichnisse abgebildete Sache, sofern nämlich Christus vom Himmel auf die Erde herab zu seiner Gfe- meinde komt. Bei i^^Xd'OP ist die Differenz unter den Attslegera, ob die Jungfrauen aus dem Brauthause (Mey,)^ oder aus ihren eigene Häusern {Ew.) ausgingen, für die Sache von keinem Belange und läBt sich exegetisch gar nicht entscheiden. Denn so natürlich es auch er- scheint, daß die Brautjungfern sich bei der Braut versammeln, um von da aus dem kommenden Bräutigam entgegen zu gehen, so sind dodi die zehn Jungfrauen schwerlich als bloße Brautjungfern d. h. Freun- dinnen oder Gespielinnen der Braut, von ihr verschieden, zu denken, so daß man mit Mey. die Frage aufwerfen darf, ob die Zehnzahl der Brautjungfern übliche Sitte war, sondern repräsentiren die Braut, die daher nicht genant ist, indem die parabolische Darstellung in diesem Punkte nicht der bei irdischen Hochzeiten üblichen Sitte gemäß, senden dem abgebildeten Sachverhältnisse entsprechend gebildet ist. Auf die Sache gesehen ist die Braut ja die Gemeinde Christi, und zwar nicht in abstracto, sondern in ihrer concreten Wirklichkeit als Versammlung oder Vereinigung der Christen. Daher komt auch die Zehnzahl nach ihrer symbolischen Bedeutung als Signatur der Vollständigkeit in Be- tracht, so daß die zehn Jungfrauen die Vollzahl der zur Vermählung mit Christo ihrem Bräutigame sich anschickenden Gläubigen darstellen. V. 2—4. Von den Jungfrauen waren fünf thöricht, fünf klug. Die Thörichten nahmen beim Ausgehen ihre Lampen, aber nicht Oel außer dem was in den Lampen braute, mit sich; die Klugen aber nahmen Oel in Gefäßen samt den Lampen mit, um für den Fall der Verzögerung der Ankunft des Bräutigams die Lampen nach Bedarf mit Oel speisen zu können. — V. 5. Als aber der Bräutigam mit dem Kommen verzog, nickten alle ein und schliefen. Hiebei ist wol vorausgesezt, daß sie unterwegs in ein Haus eingetreten waren, um daselbst die Ankunft des Bräutigams abzuwarten. — V. 6 f. Um Mitternacht entstand ein Ge- schrei: „Siehe da der Bräutigam! Geht aus ihm entgegen!" Da stan- den alle jene Jungfrauen auf und schmükten ihre Lampen, bq^i^oa nach 6 wfig>log fehlt in i., Bl., Wriis., Keim, misa die Darstellung des Matth für die ursprüngbche Form erklären, welche Lok. nach eigener Combinatim modiScirt m seine geschichtliche Darstellung verflochten habe, währecd Schläerm., Kern, Lange, Oremer, Godet annehmen, daU Jesus die Parabel zwei- mal, in verschieden modiflcirter Form vorgetragen habe. — Die Entscheidung ist schwierig und nicht mit Sicherheit zn treffen. Die beiden Darstellmigfin ge- meinsamen Elemente der Parabel ergaben sich für diu Vcranachaulichong der Idee der Rechenschaft, welche die Jünger dem Herrn dereinst von ihrem W'~ ken in seinem Reiche geben sollen, so einfach ans naheliegenden irdi""'"*" * hältnissen, dal^ eine wiederholte Verwendung des Itildes v dorn, in den lezten Reden Jesu vor seinem Schaiden v< auQer den Grenzen der Warscheinlichkeit liegt. Matth. XXV, 14-18. 498 Gleichnisse von den Talenten die rechte Art des Wirkens im Reiche Gottes und die Rechenschaft, die jeder Christ hei der Wiederkunft des Herrn abzulegen hat, veranschaulicht. — V. 14 f. „Wie ein Mensch, im Begriffe zu verreisen, seine eigenen Knechte rief und ihnen seine Güter übergab, und dem einen gab er fünf Talente, dem andern zwei, dem andern aber eins, einem jeden nach seinem Vermögen, und verreiste alsbald^S Dem mit SöJtsQ beginnenden Satze entspricht kein logischer Nachsatz. Beim Beginne der Vergleichung hatte der Erzähler die Ab- sicht, einen Nachsatz mit omcog folgen zu lassen; vermutlich ovrcog lorai xal tj jtagovola rov vlov r, dvd^Q.: eben so wird es sich mit der Wiederkunft des Menschensohns verhalten, vgl. 24, 39. Aber bei der weiteren Ausführung des Gleichnisses trat der Vordersatz in den Hin- tergrund, so daß der Nachsatz unterblieb und ein Anantapodoton ent- stand. cbtoöfjiAciv im Begriffe in die Fremde zu reisen, vgl. 21, 23. Toi)q lölovg öovXovg seine eigenen d. h. nicht etwa fremde, nicht zu sei- nem Hause gehörige Knechte, von denen er erwarten konte, daß sie seine Güter gut und zu seinem Vorteile verwalten würden. Den Knech- ten gab' er nicht gleiche Summen, sondern jedem xarä rrjv lölav 6vh vafdiv gemäß der ihm eigenen Befähigung zum Betriebe von Geschäf- ten. Gemeint ist die Naturanlage, die individuelle Begabung eines je- den, so daß er keinem mehr zumutete, als er zu leisten vermochte. Wegen rdXavra s. zu 18, 24. Streitig ist die Verbindung des svß'dcog. Im text rec. ist es (mit ACDL al) zu djtedjjfitjösv gezogen und besagt, daß der Herr die selbständige Benutzung des anvertrauten Geldes nicht beschränkte {Mey.), oder daß er eine nähere Verfügung über die Art der Verwendung des Geldes nicht traf, weil er gleich nach der Vertei- lung wegreiste {de W.). Dagegen haben es Fritzsche, Binck, Lehm., Tisch. 8 nach ^*B, Minusk. Ital. u. a. Verss. mit dem folgenden j^ogev- &€lg verbunden, wofür Weiss geltend macht, daß evd^icoq in unserem Evangelium stets voranstehe. Aber dieser Grund ist nicht entschei- dend, da hier auf dem Bvd^icoq kein solcher Nachdruck ruht, der die Voranstellung erheischte. Gegen die Verbindung mit jcoQSvß-elg spricht aber, daß die Bemerkung, wie die tüchtigen Knechte sich sofort daran machten, dem Willen des Herrn und ihrer Fähigkeit gemäß das empfangene Geld zu verwenden (Weiss)^ dem Zwecke der Parabel ferne liegt, da dieselbe nicht den Eifer, sondern nur die Treue in der Ver- wendung des anvertrauten Talentes lehren soll, daher auch bei der Ab- l^gnng der Rechenschaft das Mehr oder Weniger des erzielten Gewin- nes nicht in Betracht gezogen ist, den beiden treuen Knechten die gleiche Belohnung zugesprochen wird. — V. 16. Der welcher fünf Ta- lente empfangen hatte, gewann mit denselben andere fünf Talente. iqryaJQeod^L Greschäfte treiben; hv instrumental, das Verbum bei den C^ssikem häufig von Handels- und Wechselgeschäften gebraucht. hütobfjCBP er machte (Geld), wie auch im Deutschen für: gewann, er- warb-, in V. 17 dafür exigörjoev stehend. Eben so gewann der, welcher zwei Talente erhalten hatte, damit andere zwei. — Der Knecht aber, welcher eins empfangen hatte, ging hin, grub Erde auf (machte eine 492 Matth. XXY, 13. 14. Kraft des Geistes so za rüsten, daß sie zar Stunde, da der Herr komt, die Flamme des Glaubens und der Liebe alsbald wieder hell leuch- tend anfachen können. Mit dieser Kraft sollen wir uns durch fleißigen und rechten Gebrauch der Gnadenmittel des Wortes und der Sacra- mente rechtzeitig ausrüsten. Wer dies versäumt, der kann, wenn der Herr erscheint, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen, das Versäumte nicht nachholen. Mit der Wiederkunft Christi ist die Gnadenfrist alh gelaufen. Am Tage des Gerichts kann keiner für den andern einstahl oder mit seinem Glauben und seiner Liebe ihm aushelfen. Daß die kla- gen Jungfrauen den thörichten von ihrem Oele nicht abgeben wollen, ist nicht Zeichen von Lieblosigkeit; der Grund, den sie angeben: es würde nicht für uns und euch ausreichen, enthält in parabolischer Ein- kleidung die ernste Warheit, vor Ablauf der Gnadenzeit sich mit dem Oel des Geistes zu versehen, der uns der Aufnahme in die Seligkeit des ewigen Lebens versichert. — Das Zuschließen der ThtU: gehört zum Bilde der Hochzeit, die in einem Hause gefeiert zu werden pflegt V. 14—30. Das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden^ Mit yoQ an das yQTf/OQBlxB ovv v. 13 angeknüpft liefert dieses Gleichnis die lezte Begründung der mit c. 24, 42 anhebenden Ermahnung, bei der Ungewißheit des Tages der Wiederkunft Christi zu wachen, um nicht unvorbereitet von derselben betroffen zu werden. Die Aufforderung y^rf/OQBlre ovv v. 13 ist einfache Wiederholung von 24, 42. — Während die Parabel von den zehn Jungfrauen die Gefahr des Mangels an Ausdauer im geistlichen Leben der Gläubigen zeigte, wird in dem 1) Eine in dem Grundgedanken ähnliche Parabel findet sich Luc. 19, 12—26, in eine parabolische Darstellung des feindlichen Verhaltens der Juden za Christo verflochten^ und außerdem in der Ausführung mehrfach modificirt. Der Edle, welcher bei Luk. in ein fernes Land, zog, um ein Keich sich einzunehmen, gab seinen Knechten zehn Minen, damit sie mit denselben während seiner Ab- wesenheit Handel trieben. Als er dann nach Einnahme des Beiches wiederkam, fordert er Rechenschaft von dem anvertrauten Gelde, worauf der erste ihm zehn Minen, der zweite fünf als mit der empfangenen einen Mine erworben übergab, wofür der Herr den ersten mit der Hovala über zehn Städte, den andern mit der über fünf Städte belohnte, während der dritte, welcher seine Mine im Schweiß- tuche bei Seite gelegt hatte, mit der Entziehung derselben gestraft; wurde. Diese Verschiedenheit wird nach dem Vorgänge CdlMs von den neueren AuslL meistenteils für eine in der evangelischen Ueberlieferung vor sich gegangene Modification einer und derselben von Jesu vorgetragenen Parabel gehalten, in- dem Calv.j Olsh., Neand.^ Holtzm. u. A. die Modification auf Itechnung des Matth. setzen, Mey., Ew,, Bl., Weizs.^ Keim, Weiss die Darstellung des Matth. für die ursprüngliche Form erklären, welche Luk. nach eigener CJombination modificirt in seine geschichtliche Darstellung verflochten habe, während Schleierm.., Kern, Lange, Cremer, Godet annehmen, daß Jesus die Parabel zwei- mal, in verschieden modificirter Form vorgetragen habe. — Die Entscheidung ist schwierig und nicht mit Sicherheit zu treffen. Die beiden Darstellungen ge- meinsamen Elemente der Parabel ergaben sich für die Veranschaulichung der Idee der Rechenschaft, welche die Jünger dem Herrn dereinst von ihrem Wir- ken in seinem Beiche geben sollen, so einfach aus naheliegenden irdischen Ver- hältnissen, daß eine wiederholte Verwendung des Bildes von anvertrauten Gel- dern, in den lezten Reden Jesu vor seinem Scheiden von seinen Jüngern, nicht außer den Orenzen der Warscheinlichkeit liegt. Matth. XXV, 14-18. 498 Gleichnisse von den Talenten die rechte Art des Wirkens im Reiche Gottes und die Rechenschaft, die jeder Christ hei der Wiederkunft des Herrn ahznlegen hat, veranschaulicht. — Y. 14 f. „Wie ein Mensch, im Begriffe zu verreisen, seine eigenen Knechte rief und ihnen seine Güter übergab, und dem einen gab er fünf Talente, dem andern zwei, dem andern aber eins, einem jeden nach seinem Vermögen, und verreiste alsbald'^ Dem mit Söjibq beginnenden Satze entspricht kein logischer Nachsatz. Beim Beginne der Vergleichung hatte der Erzähler die Ab- sicht, einen Nachsatz mit ovxcoq folgen zu lassen; vermutlich otfrcog iorai xäi ^ jtagovola tov vlov r. civd-Q.: eben so wird es sich mit der Wiederkunft des Menschensohns verhalten, vgl. 24, 39. Aber bei der weiteren Ausführung des Gleichnisses trat der Vordersatz in den Hin- tergrund, so daß der Nachsatz unterblieb und ein Anantapodoton ent- stand. djeo6fifi(3v im Begriffe in die Fremde zu reisen, vgl. 21, 23. Tovg lölovg dovXovg seine eigenen d. h. nicht etwa fremde, nicht zu sei- nem Hause gehörige Knechte, von denen er erwarten konte, daß sie seine Güter gut und zu seinem Vorteile verwalten würden. Den Knech- ten gab' er nicht gleiche Summen, sondern jedem xara Trjv lölav 6vh vaficv gemäß der ihm eigenen Befähigung zum Betriebe von Geschäf- ten. Gemeint ist die Naturanlage, die individuelle Begabung eines je- den, so daß er keinem mehr zumutete, als er zu leisten vermochte. Wegen rdXavra s. zu 18, 24. Streitig ist die Verbindung des eüd-dcog. Im text rec. ist es (mit ACDL al) zu cbtsöjjfiijösv gezogen und besagt, daß der Herr die selbständige Benutzung des anvertrauten Geldes nicht beschränkte (Met/,), oder daß er eine nähere Verfügung über die Art der Verwendung des Geldes nicht traf, weil er gleich nach der Vertei- lung wegreiste (de W.). Dagegen haben es Fritzsche, Rinck, Lehm,, Tisch. 8 nach ^* B, Minusk. Ital. u. a. Verss. mit dem folgenden jtOQtv- d-slg verbunden, wofür Weiss geltend macht, daß evd-icoq in unserem Evangelium stets voranstehe. Aber dieser Grund ist nicht entschei- dend, da hier auf dem svd-icog kein solcher Nachdruck ruht, der die Voranstellung erheischte. Gegen die Verbindung mit jcoQBvd-elg spricht aber, daß die Bemerkung, wie die tüchtigen Knechte sich sofort daran machten, dem Willen des Herrn und ihrer Fähigkeit gemäß das empfangene Geld zu verwenden ( Weiss)^ dem Zwecke der Parabel ferne liegt, da dieselbe nicht den Eifer, sondern nur die Treue in der Ver- wendung des anvertrauten Talentes lehren soll, daher auch bei der Ab- legung der Rechenschaft das Mehr oder Weniger des erzielten Gewin- nes nicht in Betracht gezogen ist, den beiden treuen Knechten die gleiche Belohnung zugesprochen wird. — V. 16. Der welcher fünf Ta- lente empfangen hatte, gewann mit denselben andere fünf Talente. k^dQsöd-ai Geschäfte treiben-, kv instrumental, das Verbum bei den Glassikern häufig von Handels- und Wechselgeschäften gebraucht. iotolfjöeP er machte (Geld), wie auch im Deutschen für: gewann, er- warb; in V. 17 dafür exegörjoev stehend. Eben so gewann der, welcher zwei Talente erhalten hatte, damit andere zwei. — Der Knecht aber, welcher eins empfangen hatte, ging hin, grub Erde auf (machte eine 494 Matth. XXV, 19-27. Orube in der Erde) und verbarg darin das Geld seines Herrn. Statt (DQV§ev kv zfj yxi (»ach ACDXrAIl al) hat Tisch, 8 nach v^BfC^JLai, (DQv^sp Y^v recipirt. — V. 19 ff. Nach langer Zeit aber komt der Herr jener Knechte und hält mit ihnen Abrechnung {övvalQSiv Xoyov wie 18, 23). — Da brachte der, welcher fünf Talente empfangen hatte, seir nem Herrn die mit denselben erworbenen anderen fünf Talente; worauf der Herr zu ihm sprach: „Trefflich, du guter und treuer Knecht! In Bezug auf weniges warst du treu, über vieles will ich dich setzen. Gehe ein in die Freude deines Herrn'S Ev gut, schön, trefflich, will Mey» mit ^g jccarog verbinden, weil wenn es absolut gebraucht w&re, in gutem Griechisch svys stehen müßte, wie auch in Luc. 19, 17 evjB ursprünglich sei. Allein in Luc. 19, 17 hat zwar Tisch. 8 eiys reci- pirt, aber nur auf Grund von BD, wogegen t^AlRPAAlIu, die meistet anderen Uncialcodd. sv lesen. Auch in unserem Y. ist die Yerbinduig von SV mit ?]g jiccr, ganz unnatürlich. Bei slg xrjv xoQav ist nicht an ein Freudenfest zu denken, welches zur Feier der Bükkehr des Herrn veranstaltet wurde (de W,, Lange)\ xaQa ist der Freudenzustand, in welchem der Herr sich befindet, d. i. die Herrlichkeit des Himmd- reichs. — Y. 22 f. Gleicherweise wird der andere Knecht, der zwei Talente erworben hatte, von dem Herrn belobt und belohnt. — Y. 241 Da trat auch der, welcher ein Talent empfangen hatte, herzu und sprach: „Herr, ich kante dich, daß du ein harter Mensch bist, erntend wo du nicht gesäet und sammelnd von wo du nicht geworfelt hast; und mich fürchtend ging ich hin und verbarg dein Talent in der Erde. Siehe da hast du das Deine'^ Qway(x>v oß'sv ov öuöxoQjciöag sam- melnd von daher (d. h. von der Tenne), wo du nicht aus einander ge- streut d. h. geworfelt hast. Die Worte: ernten wo man nicht gesäet und sammeln, von wo man nicht geworfelt hat, sind sprichwörtlicher Aas- druck zur Charakteristik eines Menschen, der ganz unberechtigte An- forderungen macht. Dieser Knecht sucht mit dem Yorgeben, daß er bei den ihm bekanten unbilligen Anforderungen seines Herrn nicht habe riskiren wollen, mit seinem Gelde Geschäfte zu treiben aus Furcht da- bei das Geld zu verlieren, seine Trägheit zu rechtfertigen. — Y. 26. Die Unwarheit dieser vorgeblichen Entschuldigung dekt der Herr ihm auf und schlägt ihn mit seinen eigenen Worten. „Du böser und saum- seliger Knecht! wußtest du, daß ich ernte wo ich nicht gesäet und sammle von wo ich nicht geworfelt habe? Nun, so soltest du mein Geld den Wechslern gegeben haben und ich hätte, wenn ich gekommen, das meinige mit Zinsen davon getragen". Der Satz rjöecg ort . . . dieöxoQ- juöa ist als Frage des Befremdens zu fassen (Mey., Weiss) ; nicht con- cessiv (de W.)^ wozu das ovv im Nachsatze nicht passen wtlrde. Das oiv zeigt, daß der Nachsatz aus der Frage gefolgert ist: Kantest da mich wirklich als einen so harten Menschen? Nun dann war es deine Pflicht . . . ßaXstv xolg TQajcs^lzaig (das Geld) den Wechslern auf den Geldtisch hinwerfen, drükt das Mühelose des Thuns aus, und ayd hebt den Gegensatz: Ohne Mühe und Risiko hättest du mein Geld so anlegen können, daß ich bei der Bükkehr das meinige wieder bekommen konte, Matth. XXV, 27—30. 495 Cvv Toxtp mit Zinsen. — V. 28 f. Folglich kanst du dein Verfahren nicht rechtfertigen. „Nehmet also von ihm das Talent und gehet es dem, der zehn Talente hat". Dieser Urteilsspruch wird v. 29 mit der sprichwörtlichen Gnome gerechtfertigt: „denn jedem welcher hat wird gegehen werden, daß er Ueherfluß hahe, von dem aber der nicht hat wird auch genommen werden was er hat", die schon zu 13, 12 erläu- tert worden. V. 30. Aber nicht hlos mit Entziehung des ihm anver- trauten Talents wird der Schalksknecht gestraft, sondern auch als dxQstog unbrauchbar, untüchtig, vom Himmelreiche ausgeschlossen, V. 30 vgl. «, 12. 13, 42 u. a. — Der Schlußvers 30 wird nicht allein durch seine Correspondenz mit 24, 61, sondern auch durch seinen In- halt als ursprünglicher Bestandteil des Gleichnisses erwiesen (gegen Weiss, der ihn auf Grund seiner Urmarkushypothese für einen Zusatz des Evangelisten ausgegeben hat). Denn die Strafe, welche der träge und unnütze Knecht empfängt, bildet den für die Vollständigkeit der Parabel unentbehrlichen Gegensatz zu dem Lohne, welchen die treuen Knechte empfingen. Jene gehen in die Freude ihres Herrn d. i. in die ewige Seligkeit ein, dieser wird in die äußere Finsternis hinausge- worfen. Der Sinn oder die Lehre dieser Parabel ist leicht zu erkennen. Der avd-QWjfog, welcher für die Dauer seiner Abwesenheit seine Güter seinen Knechten zur Verwaltung übergibt, stelt Christum dar, welcher die Welt verläßt um zu seinem Vater im Hinmiel zurückzukehren, und bis zu seiner Wiederkunft die Güter, die er auf Erden zurückläßt d. h. die durch Gründung des Himmelreichs gestifteten Heilsgüter, nämlich die in dem Worte und den Sacramenten und den seiner Gemeinde zu ihrer Erbauung verliehenen Geistesgaben (Charismen, vgl. Ephes. 4, 7. 1 Kor. 12, 4—11 u. Rom. 12, 6—8) seinen Jüngern zur Verwaltung an- vertraut, damit sie als seine Haushalter diese Gnadenschätze im In- teresse üires Herrn d. h. zur Ausbreitung seines Reiches verwenden. Zu diesem Zwecke vertraut er jedem so viel an, als er nach seiner in- dividuellen Befähigung für treue und redliche Erfüllung seines Berufes bedarf. Bei seiner Wiederkunft wird der Herr von jedem seiner Diener Rechenschaft über die Verwaltung der ihm anvertrauten Heilsgüter fordern und die treu erfundenen Knechte mit der Aufoahme in das Reich der Herrlichkeit belohnen, die untreu erfundenen aber in die Hölle zu ewiger Pein verurteilen. Um die anvertrauten Güter treu zu verwalten, dazu müssen alle Jünger Christi wachsam sein, allezeit ein- gedenk der Wiederkunft des Herrn und der Rechenschaft, die sie dann werden ablegen müssen. Dagegen urteilt Weiss (S. 534) Über den Zweck und Sinn der Parabel, daß dieselbe mit der Wachsamkeitspflicht (vgl. v. 14), ja überhaupt mit der Wieder- kunft Jesu ursprünglich gar nichts zu thon hatte, da das Verreisen des Herrn im Gleichnisse nur die Situation für die Erprobung der Knechte hergäbe und nieht einmal die gangbare BeziehuBf^ auf geistliche Güter und Gaben oder gar auf die Berufsthätigkeit fordere. — Diese weitgreifenden Folgerungen gründet W. auf seine kritische Voraussetzung, daß die Gnome v. 29 in der Quellenschrift 496 Matth. XXV, 31. ihre ursprüngliche Stelle in Marc. 4, 25 hatte und dort nur den ErÜEÜmmgasatz ausdrücke, daß der Reiche leicht mehr erwirbt, der Anne auch sein Wenigw bald verzehrt, womach sie auch hier nur besage, daß es von dem Ertrage, den man aus der Anwendung der verliehenen Gaben erzielt hat, abhangt, ob num mehr empfangen oder auch die besessene Oabe verlieren soll. Allein zugegeben, daß die Gnome aus Mrc. 4, 25 entnommen sei, so erhellt doch schon aus dem Contexte jener Stelle und der Parallele Luc. 8, 17, daß dort von geistlichen Ga- ben und von der Berufsthätigkeit die Bede ist, wie auch in Mtth. 13, 12. Sodum läßt sich von einer sprichwörtlichen Gnome dieses Inhalts gar nicht behaupten, daß Jesus sie nur einmal, und falls mehrmals, immer in gleicher Beziehung nnd Anwendung gebraucht habe, und das mehrmalige Vorkommen derselben in den evangelischen Berichten aus einer für ursprünglich gehaltenen Stelle abznleitoi sei. Die Behauptung aber, daß die ganze Parabel mit der Wiederkunft Jesu und der Wachsamkeitspflicht der Jünger nichts zu thun hatte, laßt sich nur vorbringen, wenn man den Inhalt der Parabel verstümmelt hat Das Weg- schneiden des Schlusses (v. 30} reicht hiefür nicht aus; man muß auch in der den treuen Ejiechten verheißenen Belohnung die Worte ,gehe ein zu demes Herrn Freude' (v. 21 u.!23) willkürlich herausschneiden, um aus keinem anderai Grunde als nach subjectivem Belieben das Verreisen und Wiederkommen des Herrn für einen sachlich bedeutungslosen Zug der Parabel ausgeben, und die Stellung der Parabel nicht blos in unserem Evangelium, sondern auch bei LnL in c. 19, 12—26 für unrichtig erklären zu können. V. 31—46. Bas Weltgericht. Das Gericht, welches der Menschen- sohn bei seiner Wiederkunft über alle Völker halten wird, bildet den Schluß der awr^Xsia rov aicovog, das schließliche Ende der gegen- wärtigen Weltzeit. Hiernach gehört die folgende Schilderang des Welt- gerichts zur vollständigen Beantwortung der Frage, welche die Jünger 24, 3 an Jesum gerichtet hatten. — Auf die bei seiner Wiederkunft zu vollziehende Scheidung der treu erfundenen Jünger von den untreaen hatte der Herr schon in den Gleichnissen c. 24, 36—25, 30 nicht blos hingedeutet, sondern er hatte auch mit deutlichen Worten diese Schei- dang als Aufnahme der Treuen in das Reich seiner Herrlichkeit und als Ausschließung der Untreuen aus demselben und Verstoßung in die äußere Finsternis bezeichnet (24, 40 f. 47. 51. 25, 10 u. 12. 21. 23 n. 30). Aber nicht an diese Gleichnisse knüpft die folgende Schilderung des Gerichts an, sondern an die 24, 30 f. angekündigte Parusie des Menschensohnes, die Bedeutung derselben für die ganze Welt ent- wickelnd und damit zugleich die zur Wachsamkeit ermahnenden Gleich- nisse erläuternd und begründend. V. 31—33. „Wenn aber der Menschensohn gekommen sein wird in seiner Herrlichkeit, und alle Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem Throne seiner Herrlichkeit; und werden vor ihm versammelt wer- den alle Völker, und er wird sie von einander scheiden, wie der Hirte die Schafe von den Böcklein scheidet, und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen, die Böcklein aber zur Linken", (aytoi vor ayyBloi fehlt in ^BDLW al, und ist wol nur Glosse). Das richtige Verständnis der ganzen Gerichtsschilderung hängt von der Erklärung des Jtavxa Matth. XXY, 31. 497 rä id-tn/ ab. Nach constantem nentestamentlichen Sprachgebraache können daranter nur alle Völker der ganzen Erde vorstanden werden, wie in 24, 14 n. 9. 28, 19. Luc. 24, 47. Rom. 16, 26 u. a., da durch die Verkündigung des Evangeliums auf der ganzen bewohnten Erde vor der Wiederkunft Christi der Unterschied zwischen heidnischen und christlichen Völkern alsdann aufgehoben sein wird. Daraus folgt aber, daß das Gericht über alle Menschen ohne Ausnahme gehalten werden wird. Dennoch hat man im Hinblicke einerseits auf die folgende Be- schreibung des Gerichtsactes, andrerseits auf andere Aussprüche des N. T. die Frage aufgeworfen, ob Christen oder NichtChristen als die ge- richtet werdenden Subjecte zu denken seien, und diese Frage verschie- den beantwortet. — Nach dem Vorgange von K. A, GH. Keil fOpusc. ed. Goldh. p. 136 ss. u. Analekt. 18 13. 3 S. 177 ff.) nehmen Ohh., Bg.- Crus.y SUer, ÄuherL, Cremer, Hilgf., Weizs,, Volckmar, Keim, WH- Uchen an, daS das Gericht über die NichtChristen geschüdert seL Allein diese Annahme läßt sich weder mit der Bemerkung begründen, daß die Scheidung der Gläubigen bereits in den vorigen Gleichnissen gelehrt, hier also vom Endgerichte über die Nichtgläubigen die Bede sei, noch damit, daß nach Joh. 3, 18. 5, 24 die Gläubigen nicht ins Gericht kommen, und daß der Bichterspruch nicht nach dem Glauben, sondern nach der Liebe gefällt wird; sie steht vielmehr in unverein- barem Widerspruch sowol mit der (jesamtlehre der Schrift über die Erlösung der Menschen von der Sünde und dem Tode, als mit der Be- schreibung des Gerichts in v. 34 — 45. Die öbcaioiy welchen der König als den Gesegneten seines Vaters das Reich der Herrlichkeit zuerkennt, können nicht Heiden sein, die durch Werke der Liebe oder einer Hu- manität, welche des Glaubens nicht bedarf, der bei ihr durch die Liebe ersezt werde (Volckm.)^ sich der Aufnahme in das ewige Leben im Reiche Gottes würdig erwiesen haben, weil — von der apostolischen Lehre, daß in keinem Anderen als in Jesu Christo Heil, auch kein an- derer Name den Menschen gegeben ist, darinnen wir sollen selig wer- den (Act. 4, 12), und daß alles was nicht aus dem Glauben komt Sünde ist (Rom. 14, 23) abgesehen — den öcxaloig das Eingehen in das ewige Leben nicht um ihrer allgemeinen Menschenliebe willen zuge- sprochen wird, sondern wegen der Liebe, die sie gegen die geringen Brüder Christi und in diesen Brüdern Christo selbst erwiesen haben. Den Brüdern erzeigten Liebesdienst aber betrachtet Jesus nur in dem Falle als ihm selber erwiesen, wenn er etg t6 ovo/ia fia&7]TOv geleistet ist (10, 42), d.h. mit Rücksicht darauf, daß der Hilfsbedürftige ein Jünger Jesu ist. Solcher Liebesdienst ist ohne Glauben an Jesum Chri- stum als Heiland der Sünder und Retter der Verlorenen nicht möglich, also auch nicht Ausfluß allgemeiner Menschenliebe, oder einer Huma- nität, die des Glaubens nicht bedarf, sondern Frucht des rechtfertigen- den Glaubens an Christum. — Auch in den Reden der ölxaioc und der äöixoi: Herr, wann haben wir dich hungernd gesehen u. s. w. (v. 37 ff. u. 44), spricht sich das Bewußtsein des Glaubens an Christum aus; denn nicht, daß sie Jesum nicht gekaut oder nicht geliebt haben, machen sie Keilt Comm. z. Erangel. Mattb. 32 498 Matth. XXY, 31. geltend, sondern daß ihnen die Gelegenheit, ihm Liebe zu erweisen ge- fehlt habe. — Die Sichtang der Gläubigen aber, von welcher die vori- gen Gleichnisse handeln, ist nicht als dem Weltgerichte voraafgehend dargestelt, sondern in demselben vollzogen, da die Vorstellung einer zweimaligen Wiederkunft von Jesu nirgends gelehrt wird, sondern nur daß er kv t^ öwreXela rov alcovog das Gericht über Gute und Böse halten und seine Engel senden wird, um das Unkraut auf dem Acker des Reiches Gottes zu sammeln und zu verbrennen (13, 37—43). Die ölxaioi in 13, 43 sind Christen, nicht fromme Heiden. — Auf die Stel- len Joh. 3, 18. 5, 24 u. 1 Cor. 11, 31 werden wir später zurflkkom- men. — Ebenso wenig aber wie auf NichtChristen läßt sich das Ge- richt über alle Völker auf die Christen mit Ausschluß der NichtChristen einschränken, wie nach dem Vorgange von Lactanivus (instit, 7, 20), Hieron., Euthym,, Groiius in neuerer Zeit Neand., Bl, Mey,, Weiss u. A. thun, und teils aus dem Contexte, teils aus dem Bilde des Hirten und aus dem Grundgedanken der richterlichen Entscheidung, der Norm der Liebeserweisung gegen Jesum folgern. Allein aus dem Contexte läßt sich eher das Gegenteil erweisen; der Vergleich mit dem Hirten aber, der die Schafe von den Böcken scheidet, ist ein ganz untergeord- neter Punkt in der Schilderung, woraus nicht gefolgert werden dar^ daß Christus als Hirt seiner Herde gedacht ist, und in Betreff der Norm der Liebeserweisung ist zu erwägen, daß bei den aöixoi zwar Kentnis von Jesu und seinen Jüngern, aber nicht die Annahme des Evangeliums und der Eintritt in die christliche Gemeinde vorausgesezt ist. ^ Wenn nach der unzweifelhaften Lehre Jesu das Evangelium für alle Völker der Erde bestirnt ist und vor seiner Wiederkunft allen Völkern gepre- diget wird, so muß auch das Gericht, welches er dann halten wird, um die äöixoc von den ölxatoi zu scheiden, nicht nur über alle Völker im Großen und Ganzen, sondern auch über alle Menschen ohne Ausschlaß der Ungläubigen, welche nicht in die christliche Kirche eingetreten sind, sich erstrecken. Ein apartes Gericht über die Heiden lehren we- der die Propheten des A. T., noch Christus, noch seine Apostel; und 1) Daß infolge der Verkündigung des Evangeliums unter allen Völkern alle Menschen Christen geworden seien, läßt sich ans 24, 14 nicht erschUeßen, sondern nur , daß allen das Evangelium angeboten and allen Gelegenheit ge- geben worden, sich für oder wider Christum zu entscheiden. Eben so wenig läßt sich aus dem Eichterspruche Christi über die ddixoL in v.'42 f folgern, daß ,an Ungläubige nicht gedacht werden könne* ( Weiss), und daraus in Verbindung mit dem Umstände, daß Mark, und Luk. 'die Schilderung des Gerichts nicht haben, nicht der Schluß ziehen, daß die Verkündigung des Gerichts in der von Matth. überlieferten Gestalt nicht von Jesu herrühre, sondern der Evangelist eine in seiner Quelle gefundene Rede, welche nur darstelte, nach welcher Norm die Sichtung der Gläubigen und die Scheidung der ixXextol von den nicht be- währten Jüngern erfolgen werde, in die Form eines allgemeinen Weltgerichts umgedeutet habe, wie Bl u. Weiss behaupten. Noch einen Schritt weiter sind Keim (Gesch. Jes. 3. Bearb. S. 289) und Wittichen (d. Leben Jesu S. 343) §e- fangen und haben die ganze Eede Jesu abgesprochen und für ein Produkt aer ehnsucht der späteren Gemeinde, mit welcher man den König erwartete, der Gut und Bös auf ewig scheiden werde, ausgegeben. Matth. XXY, 32^.36. 499 außer dem Reiche der Herrlichkeit, in welches nach dem Endgerichte die Gerechten za ewigem Leben eingehen, und der yisvva rov jtvQog (18, 9. 5, 22), in welche die Ungerechten elg xoXaoiv alciviov verwie- sen werden, wird dann für Heiden kein Baum, weder im ELimmel noch auf der Erde, vorhanden sein. V. 32. Versammelt werden die Völker vor dem Throne des Welt- richters durch den Dienst der Engel, die mit dem Menschensohne er- scheinen; vgl. 24, 31 u. 13, 41. Die Scheidung der Völker in zwei Gruppen ist der Anfang des richterlichen Actes. Die Vergleichung mit dem Hirten, der in seiner Herde die Schafe von den Böcken scheidet, erinnert an die prophetische Verkündigung Ezech. 34, 17 — 19, daß der Herr zwischen Schaf und Schaf und den Widdern und Böcken richten werde, damit die mageren und schwächlichen Schafe nicht mehr von den feisten Schafen und den Böcken zu leiden haben. Die Vergleichung dieser Stelle macht es warscheinlich, daß bei den 6Qcg)oi nicht blos der geringere Wert der Ziegen und Böcke im Vergleich mit den Schafen, sondern auch das Naturell dieser Thiere in Betracht gezogen ist, also die geduldigen und friedlichen Schafe von den widerspenstigen und störrigen Ziegen geschieden werden. Dagegen läßt sich nicht geltend machen, daß iQiq)og und 6Qlg)iov nicht überhaupt die Ziegenböcke, sondern nur die jungen Ziegen bedeute. Denn eQiq)og (6 und ^) be- deutet im Griechischen die jungen Ziegenböcke und Ziegen, darnach ro lQig)iov das junge Ziegenvieh beiderlei Geschlechts und wird in der LXX Jer. 41, 40 für D'^'i^insj Böcke überhaupt gebraucht; und das stör- rige und stößige Naturell zeigen nicht blos die alten Böcke, sondern auch die Ziegen und Böcklein. — Die rechte Seite gilt wie die rechte Hand für vorzüglicher und kräftiger als die linke. — V. 33 f. Der Richterspruch. Christus heißt 6 ßaöijievg, weil er in seiner ßaöiXsla erscheint, 16, 28. Zu den zu seiner Rechten Stehenden wird er spre- chen: „Kommet her {ösike wie 11, 25. 22, 4), ihr Gesegneten meines Vaters, ererbet (nehmt in Besitz) das euch seit Grundlegung der Welt bereitete Reich", ^roifiaöfiit^v nicht blos besUmi, sondern bereitet, in Bereitschaft gesezt, vgl. 22, 4. djto xataßoXijg xoöfiov (vgl. 13, 35) ist nicht = jtgo xaraßoX^g x. vor Grundlegung der Welt. Die Erwäh- lung ist vor der Weltschöpfung d. h. von Ewigkeit her im Rathe der ewigen Liebe beschlossen (Eph. 1, 4. 1 Petr. 1, 20); aber die Bereitung des Reichs für die Auserwählten geschieht erst mit der Erschaffung der Welt. ßaaiXsUxp ist das Reich der Herrlichkeit, welches dem Seher auf Patmos in dem Bilde des himmlischen Jerusalems auf der neuen Erde gezeigt wird, Apok. 21, 2—22, 5. — Der Richterspruch wird be- gründet durch Angabe des Verhaltens der Gläubigen zu Christo. „Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben, ich war durstig und ihr habt mich getränkt; ein Fremdling war ich und ihr habt mich aufgenommen, nackend und ihr habt mich bekleidet; krank war ich und ihr habt mich besucht; im Gefängnis war ich und ihr seid zu mir ge- kommen". oiyi^ar/Bxi fie wörtl. ihr habt mich zusammengeführt sc. mit den Eurigen, mich in euer Haus aufgenommen (vgl. Deut. 22, 2 32* 500 Matth. XXV, 37—41. LXX). yvfivog nackend d. h. der ordentlichen Kleidung ermangelnd, vgl. Joh. 21, 7. Act. 19, 16. Die Aufzählung der einzelnen Liebes- dienste ist rhetorische Individualisirung des Gedankens, daS sie Jesa in jeder bedrängten Lage werkthätige Liebe erzeigt haben. — Y. 37. Die Gerechten lehnen das ihnen erteilte Lob ab, nicht aus zu großer oder (nach Olsh.) sogar unbewußter Bescheidenheit, sondern in sachge- mäßer und geziemender Demut, weil sie die betreffenden Liebesdienste niemals Christo selbst geleistet haben, und wenn sie auch seines Wo^ tes in 10, 40. 18, 5 eingedenk waren, doch den Wert dessen, was sie an den geringen Brüdern gethan haben, nicht nach jener Verheißung zu bemessen wagen. Wie wenig sie sich dessen bewußt sind, daß sie dem Herrn selbst Liebesdienste erwiesen haben, deuten sie mit dem dreimal wiederholten jcors ös slöofiev an. Aus ihren Worten aber zu folgern, daß sie ,noch kein bewußtes neutestamenü. Leben geführt ha- ben^ (Aub., Crem,\ ist eben so irrig als der aus der Anrede KvQts ge- zogene Schluß von Weiss, daß sie den Menschensohn als ihren Herrn anreden, also Jünger Jesu sind. Die leztere Folgerung wird schon da- durch als unstatthaft erwiesen, daß auch die Ungerechten y. 44 Jesom mit KvQie anreden, und der ersteren hat schon Bengel mit der An- merkung: Fideles opera bona sua, impii mala v, 44, non perinde aestimant ut Judex, vorgebeugt. — V. 40. Den Wert, welchen die Gläubigen auf ihre Liebes werke nicht legen dürfen ohne Ueberschätzung derselben, erkent die Gnade des Herrn an. „Warlich ich sage euch, so weit ihr's gethan habt einem dieser meiner geringsten Brüder, mir habt ihr's gethan". kg)^ oöov ist nicht Object zu ejtoijjöaze, sondern bed. m quanium, in wie weit, in dem Maße als, vgl. Böm. 11, 13. Das Object zu BJcoLrjö, ist aus dem Contexte zu suppliren — die vorher aufgefülu^ ten Liebesdienste. Mit evl xovrcov r. döeXqxüv x. eXaxloxcov sind nicht die Apostel gemeint. Denn wenn der Herr auch 28, 10. Joh. 20, 17 die Apostel seine Brüder nent, so kann er sie doch nicht als die geringsten der Brüder bezeichnen, ganz abgesehen davon, daß die den Aposteln erwiesene Liebe nicht den Maßstab für die Gläubigen aller Zeiten abgeben kann, ol dösXtpol sind die Christen insgemein, nicht die Menschen überhaupt {de W.\ wofür die Berufung auf Hehr. 2, 11. 17 nichts beweist, da zu dieser Auffassung weder das deiktische tov- xcov noch xmv iXaxloxcov paßt. Denn xovxcqv weist auf die vor dem Throne Versammelten, und zwar nicht auf die zur Linken, sondern auf die zur Rechten stehenden Jünger Christi hin, und wird durch rdiv kXaxlöxcov näher dahin bestirnt, daß unter diesen die Armen, Niedri- gen, Geringen gemeint sind, die jtxcoxol, jcBvd^ovvxaq, jcgaelg, ÖBÖicoy- fiivoiy welche Jesus in der Bergpredigt selig gepriesen und die nun in die verheißene Seligkeit eingehen werden (J/ey. u. A.). V. 41 ff. Zu denen zu seiner Linken aber wird er sprechen: „Gehet weg von mir, Verfluchte, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teu- fel und seinen Engeln". Vor xaxrjQafidvoc fehlt der Artikel ol in K^Z 33. 102, und ist von Tisch. 8 weggelassen, aber er steht in ADFAIl al., so daß die äußeren Zeugnisse pro et contra sich die Wage Matth. XXY, 42--16. 501 halten. Irrig ist es jedenfalls, xcmjQafiivoi mit JFeiss für Prädicat (,als Verflachte') zu halten. Begründet wird das Yerwerfnngsurteil analog dem Spruche über die Gesegneten damit, daß sie Jesu in seinen geringsten Brüdern keine Liebe erzeigt haben. Nor fehlt zov jtargog (lov (im Segensspruche v. 34), weil zur Vorstellung der xaxoQa als Act des göttlichen Zornes , nicht göttlicher Vaterliebe nicht passend, und obio xaxaßoXijg xoöfiov bei ^toc/iaöfiivov, weil das höllische Feuer den Fall der Engel, der erst nach der Weltschöpfung eingetreten ist, voraussezt. In der Entschuldigung der Verurteilten y. 44 ist die Rede, um ermüdende Wiederholung zu vermeiden, kurz zusammenge- faßt. Aus der Entschuldigung, daß sie nicht Gelegenheit hatten, Jesum in einer der Liebesdienste bedürftigen Lage zu sehen, läßt sich nicht sicher schließen, daß sie müssen Christen sein; aus ihren Worten erhellt genau genommen nur so viel, daß sie Jesum gekaut haben, und aus der Antwort des Herrn v. 45 auch nur so viel, daß sie mit Jüngern Christi in Verkehr gestanden, ohne sich um deren Not zu bekümmern. So kön- nen nicht nur selbstgerechte Namenchristen, sondern auch Nichtchri- sten sprechen. — Uebrigens bedarf es wol kaum noch der ausdrück- lichen Bemerkung, daß die richterliche Entscheidung nach Werken barmherziger, gegen Christen geübter Liebe mit der apostolischen Lehre, daß der Glaube allein gerecht und selig macht (Rom. 2, 23 f. 28. Gal. 2, 16. Eph. 2, 8 f. u. a.) nicht nur nicht in Widerspruch, sondern vielmehr in vollem Einklänge mit derselben steht, da nach Gal. 5, 6. Jak. 2, 14 ff. nur der durch Liebe sich bethätigende Glaube rechtfer- tigt. — V. 40 ist nicht Zusatz des Evangelisten, sondern Aussage des Herrn über den Vollzug des im Gerichte gefällten Urteilsspruches. In der Gegenüberstellung von elg xoXaöiv alciviov und slg ^w^v alciviov muß alciviov in beiden Sätzen gleiche Bedeutung haben, und darf der Begriff der Ewigkeit der Höllenstrafe nicht durch dogmatische Beden- ken und dialektische Künste (de W., Schleierm. u. v. A.) abgeschwächt werden. Die in neuerer Zeit sehr verbreitete Ansicht von der Wieder- bringung aller Dinge, nach welcher nicht allein die verdammten Men- schen, sondern auch der Teufel und seine Engel nach langer Strafzeit endlich doch auch selig werden sollen, ist ein Produkt theosophischer Speculation oder pantheistischer Philosophie, das mit der Lehre der ge- samten Schrift A. u. N. Testaments in Widerspruch steht. Diese Schilderung des Gerichts über alle Völker, welches Jesus bei seiner Parusie halten wird, ist keine Parabel, sondern Weißagung eines realen, das Schicksal aller Menschen für die Ewigkeit entscheidenden Vorgangs, aber insofern eine parabolische Schilderung zu nennen, als sie in das Bild eines menschlichen Gerichtstages, welchen ein König über seine Unterthanen hält, gekleidet ist, um eine Thatsache, welche über die Grenzen des gegenwärtigen Weltzustandes hinausreicht, für unser an Zeit und Raum gebundenes Erkentnisvermögen vorstellbar zu machen. Denn das Gericht über alle Völker erstrekt sich nicht blos auf die Völker und Menschen, welche zur Zeit der sichtbaren oder schließ- liehen Wiederkunft des Herrn noch im irdischen Leben sich befinden 502 Matth. XXY, 46. werden, ßondem auch auf alle, die bis dahin werden gelebt haben und gestorben sein. Denn — wie Jesus selbst in Joh. 5, 25. 28 f. lehrt — alle die in den Gräbern sind, werden die Stimme des Sohnes Gottes hören, und werden hervorgehen die das Gute gethan haben zur Auf- erstehung des Lebens, die aber das Schlechte gethan haben, zur Auf- erstehung des Gerichts. Vgl. Dan. 12, 2 u. Apok. 20, 11—15. — Wir haben also auch bei dieser Weißagung zwischen der in ein großartiges Gesamtbild gefaßten Schilderung des Gerichts und seiner geschicht- lichen Erfüllung oder Verwirklichung zu unterscheiden, und dürfen den Vollzug des Gerichts über alle Völker nicht auf den lezten Tag des ge- genwärtigen Weltlaufs beschränken, sondern müssen, auch schon wegen des Zusammenhangs, in welchen der Herr selbst das Weltgericht mit seiner Parusie gesezt hat, die Erfüllung als successive eintretend uns denken, so daß alle großen Gerichte, welche im Laufe der Jahrhun- derte der christlichen Kirche über die Völker, welchen das Evangeliun verkündiget worden war, ergangen sind, Vorstufen oder teilweise Ver- wirklichungen des Gerichts der Scheidung zwischen den Gerechten und den Ungerechten bilden, in welchen das Gericht über alle Völker und alle Menschen angebahnt wird, so daß der Gerichtsact des lezten Ta- ges der gegenwärtigen Welt nur den Abschluß bildet, zu welchem alle, die aus dem zeitlichen Leben ungerichtet in die Ewigkeit hinüberge- gangen sind, vor dem Richterstuhle Christi werden erscheinen müssen, um von ihm gerichtet und je nach ihrem Verhalten zu ihm und seinen Brüdern entweder in das Reich der Herrlichkeit zu ewigem Leben ein- geführt oder in das dem Teufel und seinen Engeln bereitete Reich zn ewiger Strafe verstoßen zu werden. Weitere Belehrung hierüber geben die Aussprüche Christi über das Gericht in den oben angef. Stellen: Joh. 3, 18: wer an den Sohn Gottes glaubt wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt ist schon gerichtet, u. 5, 24: wer mein (d. i. Christi) Wort hört und an den der mich gesandt hat glaubt, hat das ewige Leben und komt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tode in das Leben übergegangen. Um das Verhältnis die- ser Aussprüche zu der Gerichtsverkündigung unseres Cap. richtig zu er- fassen, hat man zu beachten, daß ^ xgloig bei Joh. die durch die Kraft des Wortes Gottes gewirkte Scheidung oder das geistig -sittliche Ge- richt bezeichnet, durch welches der Glaubende dem d^dvarog entnom- men und der ^cdtj aiciviog teilhaftig wird. Demgemäß verkündigt Chri- stus den Juden Joh. 5, 29, daß bei der Auferweckung der Todten aus den Gräbern die Einen zur dvdoxacig ^(o^g, die Andern zur dvaota- Oig xQlöecog hervorgehen werden , indem hier xQiOig im Gregensatz zu gco?7 die Ausscheidung aus dem Bereiche der ^co^ alcivtog bedeutet, diese Ausscheidung aber eo ipso Verstoßung in das Reich der Finster- nis und des Todes ist. In der Sprache des vierten Evangeliums ist also fj xQiöig der geistig- sittliche Proceß der Scheidung der Gläubigen von den Ungläubigen oder der Guten von den Bösen, welche Scheidung in dem Gerichte über alle Völker, von dem unser Cap. handelt, in die sichtbare Erscheinung tritt und am jüngsten Tage vollendet wird. Die Matth. XXV, 46. XXVI. 503 C^aiij alcopcog aber, welche der Grlaube an Christum wirkt, ist in dem irdischen Leben der Christen noch innerlich verborgen, jedoch nicht blos Gegenstand zuversichtlicher Hofhung, sondern bereits substan- tielle Eealität, nämlich der durch das im Glauben erfaßte Wort Gottes in die Seele gepflanzte Keim des ewigen Lebens, welcher mit dem fort- schreitenden Glaubensleben wächst und heranreift zur Ernte am Tage des Gerichts. Wann aber die Zeit der Keife für die im Glauben Stehen- den eintritt, ob schon mit dem Schlüsse des irdischen Lebens oder erst in der Zwischenzeit zwischen dem zeitlichen Tode und der Auferstehung — darüber gibt, der Herr seinen Jüngern keinen Aufschluß. Und was die Apostel aus Eingebung des heiligen Geistes, den Jesus nach seiner Himmelfahrt ihnen gesandt hat, daß er sie slg jcäaav xtjv dh^d-eiav führe (Job. 16, 12), darüber lehren, reicht nicht hin, uns einen deut- lichen Einblick in die Geheimnisse des Himmelreichs zu geben, dessen wir ja auch für unser Leben im Glauben, für das Schaffen unserer Se- ligkeit hienieden nicht bedürfen. — So wird denn auch erst der jüngste Tag uns volle Klarheit über den geschichtlichen Vollzug des über alle Völker ergehenden Gerichts und über alle damit zusammenhängenden eschatologischen Fragen bringen. 2. Die Geschichte des Leidens und Sterbens und der Anferstehuns Jesu Christi. Cap. XXVI-XXVIU. Li diesen drei Capp. wird die Erfüllung dessen, was Jesus über den Ausgang seines irdischen Lebens schon kurz vor seiner Verklärung (16, 21) und nach derselben wiederholt seinen Jüngern vorausgesagt hatte, nach ihrem thatsächlichen Verlaufe berichtet. Um zu zeigen, wie Jesus mit Wissen und Willen in die Hände seiner Feinde gerieth und in den Tod ging, leitet Matth. die Geschichte seines Leidens und Ster- bens zunächst mit der Bemerkung ein, daß Jesus zwei Tage vor dem Pascha die Jünger an die ihm bevorstehende Kreuzigung erinnerte (26, 1. u. 2) und weiter mit der Erwähnung dreier auf seinen Tod un- mittelbar vorbereitender Facta: des Beschlusses des Synedriums Jesum zu verhaften und zu tödten (v. 3—5), der Salbung Jesu in Bethanien (v. 6—13) und der Verhandlung des Judas Ischariot mit den Hohen- priestern über den Verrath Jesu (v. 14—16). Dann erst folgt die Er- zählung der einzelnen Ereignisse: die Zurüstung und die iB'eier des Paschamahles mit der Stiftung des heiligen Abendmahles (v. 17—29), der Gang nach dem Oelberge und der Seelenkampf in Gethsemane (V. 30—46), die dort erfolgte Verhaftung (v. 47—56), das Verhör vor Kajaphas mit der Verurteilung (v. 57—68) und die Verleugnung des Petrus (v. 69—75), der Beschluß des Synedriums, Jesum dem Land- pfleger Pilatus zur Vollziehung des Urteils zu überliefern (27, 1 u. 2), das Ende des Verräthers (v. 3-10), das Verhör und die Verurteilung zum Kreuzestode durch Pilatus (v. 11—26), Verspottung und Kreuzi- 504 Matth. XXYL gung (v. 27—44), Tod und Begräbnis (v. 45—65) und in c. 28 die Ge- schichte der Auferstehung. — Mit dieser Darstellung stimt Mark. c. 14 u. 15 fast in allen Punkten, und Lukas c. 22 u. 23 in allen Haupt- sachen ttberein. Nur haben beide die Nachrichten über das Ende des Yerräthers (27, 3—10), über das Weib und das Händewaschen des Pilatus (27, 19. 24 u. 25), über das Erdbeben und die Oeffoung der Gräber vieler Heiligen (27, 51^—53) und über die Versiegelung and Bewachung des Grabes Jesu (27, 62—64) weggelassen, weil dieselben für die Heidenchristen wenig Interesse hatten. Matth. aber teilte sie mit als Thatsachen, welche die Schuld der jüdischen Obrigkeit erhöhen. ,Sie wird durch Reue und Ende des Yerräthers in ihrer Yerstoktheit nicht wankend, muß aber wider Willen die Schrift erfüllen (27, 3—10). Während es so um die Obrigkeit Israels stand, kümmerte sich selbst das Weib des Pilatus um das Geschick des Gefangenen (v. 19) und wusch der heidnische Bichter seine Hände vor dem Yolke, welches das Blut des Unschuldigen über sich und seine Kinder nahm (v. 24 u. 25)' Grau, Entwickelungsgesch. I S. 256. Die Yersiegelung und Bewachung des Grabes aber muß dazu dienen, die Warheit der Weißagung Jesu von seiner Auferstehung zu bestätigen. Das Weitere hierüber s. zu c. 28. — Luk. hat noch die Geschichte der Salbung in Bethanien übergangen, weil er schon in c. 7, 36 ff. eine Salbung Jesu erwähnt hatte. Außerdem hat Luk. den Bericht über das Yerhör Jesu vor dem Synedrium sehr abgekürzt, dagegen den Bericht über das Paschamahl durch Erwähnung des Streites der Jünger über den Yorrang (22, 24—30) und die Geschichte der Yerurteilung und Kreuzigung Jesu durch Zu- sätze, namentlich die Yerweisung Jesu von Pilatus an Herodes (23, 6—12), die Anrede Jesu an die klagenden Frauen Jerusalems auf seinem Gange zum Kreuzestode (23, 27—31) und andere kleine ge- schichtliche Züge erweitert, auch die Reihenfolge der einzelnen Vor- gänge mehrfach anders geordnet. Abweichungen, die sich teils aus dem Anschlüsse an die paulinische Ueberlieferung der Heilsthatsachen, teils aus der Bestimmung seines Evangeliums für Heidenchristen erklären. — Noch mehr weicht der Johanneische Bericht von dem sjnioptischön ab, weil Johannes in den Gemeinden, für die er sein EvangeUom schrieb, die Kentnis der evangelischen Thatsachen im Allgemeinen als bekant voraussetzend nach dem in S. 6 angedeuteten Plane nur die- jenigen Thatsachen erzählt, welche ihm geeignet erschienen, in der Knechtsgestalt Jesu die Herrlichkeit des Sohnes Gottes, der sein Leben hingibt zur Versöhnung für die Sünden der Welt und die Macht hat es hinzugeben und wieder zu nehmen, zur Anschauung zu bringen. Ans diesen Gründen hat Johannes weder die Einsetzung des heiligen Abend- mahles erwähnt, noch das lezte Mahl, welches Jesus vor seinem Todes- leiden mit seinen Jüngern hielt, ausdrücklich als Paschamahl be- zeichnet, statt des Seelenkampfes in Gethsemane die längeren Reden Jesu bei jenem Mahl mit dem hohepriesterlichen Gebete überliefert, und auch in der Darstellung der Gefangennehmung, des Yerhörs, der Yerurteilung und Kreuzigung und des Todes Jesu nur die Momente Matth. XXYI, 1. 2. 505 genauer beschrieben, in welchen die göttliche Hoheit Jesu gegenüber seinen Feinden and vor dem Landpfleger Pilatus sich offenbarte. — So bedeutend aber auch die Abweichungen der johanneischen, teilweise auch der lakanischen Darstellung der Leidensgeschichte von der in den beiden ersten Evangelien erscheinen, so ergeben sie doch ftlr eine un- parteiische historische Kritik keine Widersprüche, welche die ge- schichtliche Treue des einen oder anderen Evangeliums zweifelhaft machen könte, wie sich bei der Erklärung des Einzelnen herausstel- len wird. Für die Anslegnng sind anl^er den allgemeinen Commentaren folgende Mo- nographien beachtenswert: Joh. WichelTuius, Yersnch eines ausführl. Kommentars zu der Geschichte des Leidens Jesu Christi nach den vier Evangelien. Halle. 1855 (Bmchstück, nicht über das lezte Mahl Jesu hinausgehend). P. L, Steinmeyer, Apologet. Beiträge: IL Die Leidensgeschichte des Herrn in Bezug auf die neueste Kritik. IIL Die Auferstehungsgeschichte des Herrn in Bez. auf die neueste Kritik betrachtet. Berl. 1868 u. 71. E, W" Hengstenberg, Vorlesungen üb. die Leidensgeschichte. Lpz. 1875. Jos. Langen (Kathol.) Die letzten Lebenstage Jesu. Ein bibl.-histor. Versuch. Freib. i. Br. 1864. JT. H. Priedlieb, Archäologie der Leidensgeschichte. Bonn 1843. Die ältere exeget. Literatur, imter welcher Ant Bynaeus,de morte Jesu Christi commentarius amplissimus. Libri IIL Amstel. 1691 — 98. 4 das bedeutendste Werk ist, s. bei Wichelh. S. XVI. Cap. XX VI. Die Salbung und das Paschamahl; der Seelenkampf in Gethsemane; die Verhaftung und Ver- urteilung Jesu, und die Verleugnung des Petrus. V. 1 u. 2 enthalten eine zum Folgenden tiberleitende Bemerkung des Evangelisten. Zu xal syivsxo oxs 6 7i]Oovg vgl. 7, 28. 11, 1. 13, 53. 19, 1. ndiruag x. koytyvg xovxovg bezieht sich auf alle Eeden, die Jesus in Jerusalem gehalten, von 21, 12—25, 46, nicht blos auf ,die lezte aus mehreren Abteilungen bestehende Rede c. 24 u. 25^ (Mey,). Mit den Worten: „Ihr wisset, daß nach zwei Tagen das Pascha ein- tritt und der Menschensohn wird tiberliefert, um gekreuzigt zu wer- den'S erinnert Jesus die Jtinger an die von c. 16, 21 an wiederholte Yerktindigung seines Leidens und Sterbens. Der Satz xal 6 vlög r. avd-Qoinm) tcxX. besagt in diesem Zusammenhange, daß die Ueberlie- ferung des Menschensohnes zur Kreuzigung am Paschafeste geschehen werde, und kann nicht von oxs abhängen, weil Jesus den Jüngern bis- her zwar seine Kreuzigung vorausgesagt hatte (20, 19), aber nicht daß sie am Pascha erfolgen werde. Tb jtdoxcc (hebr. noen, aram. «nöfi d.h. Vorübergehen, Verschonung bezeichnet die behufs der Verscho- nung der israelitischen Erstgeburt beim Auszuge aus Aegypten von Oott angeordnete Feier, welche in der opfermäBigen Schlachtung eines 606 Matth. XXVI, 8. Schaf- oder Ziegenlammes and dem Essen des nach hesonders darAber gegebenen Vorschriften zu einem Mahle zugerichteten Lammes, welches hiernach nDen zd jtdöxcc genant wurde, am 14. Nisan des Abends be- stand and zum Andenken an die Erlösung aus Aegypten jährlich wie- derholt werden solte. Diese Feier, welche dann kurzweg g>ayBlv %o jtdoxa genant wurde (vgl. v. 17), ist in dem Gesetze Exod. 12, Uff. Tgl. mit y. 3—14, und ganz deutlich in den beiden Festkalendern Lev. 23, 5. 6 u. Num. 28, 16. 17 von dem daran unmittelbar sich an- schließenden siebentägigen, vom 15. bis zum 21 . Nisan dauernden Feste der nia», eoQrfj rwv dtpfimv unterschieden. Da aber schon zum Pa- schalamm ungesäuertes Brot gegessen und schon am 14. Nisan aller Sauerteig aus den Wohnungen entfernt werden solte (Ex. 12, 15), so wurde der Name x6 3idoxo> in populärer Kode auf das ganze sieben- tägige Mazzotfest übertragen. So schon in Deut. 16, 1 ff. 2 Chr. 35, 9. 18 f., bei Joseph, u. im N. Test. Vgl. m. bibl. Archäol. S. 412. Anm. 1 u. S. 382. — Hier in unserem V. bezeichnet rb üiäoxa die Feier der Paschamahlzeit am Abende des 14. Nisan, mit welcher die eoQrcfj twv dC,v(i(DV das Fest der ungesäuerten Brote seinen Anfang nahm, wie sich ans der Vergleichung mit v. 17 ergibt, iiexd ovo rjfiigaq nach Verlauf von zwei Tagen d. h. übermorgen. Da nun, wie sich später ergeben wird (s. zu v. 17) in jenem Jahre der 14. Nisan auf den Donnerstag fiel, so hat Jesus diese Worte am Dienstag gegen Abend gesprochen, nachdem er den Tempel verlassen und am Oelberge den Jüngern die Zerstörung des Tempels verkündigt und ihre Frage über seine Parosie beantwortet hatte. — In v. 3— 16 stelt Matth. drei auf Jesu Tod vor- bereitende Begebenheiten nach sachlichen Gesichtspunkten zusammen. Zuerst erwähnt er in V. 3—5 den Beschluß des Synedriums, Jesum festzunehmen und zu tödien. Vgl. Mrc. 14, 1 u. 2. Luc. 22, 1 u. 2. Tors damals, als Jesus dies (v. 2) seinen Jüngern sagte, versammelten sich die Hohen- priester und Aeltesten des Volks im Hofe des Hohenpriesters Eajaphas und beriethen sich zusammen, daß sie Jesum mit List gefangennähmen und tödteten. Ol dgxiSQStg xal ol Jigsoßmegoi z. laov ist Bezeich- nung der Glieder des Synedriums, wie 21, 23. Der Zusatz Ttai ol ygafi- fiarelg im älteren Texte nach ^BDL ah ist Glosse aus Mark. u. Luk. elq TTjV avX?]V in den Hof d. h. den Palast des Hohenpriesters. Mit Unrecht bestreitet Mey, den in der späteren Gräcität, wie schon bei Homer vorkommenden Gebrauch von avX?] für ßaoiXstov als im N. T. nicht erweislich, da derselbe in Luc. 11, 21 vgl. mit Matth. 12, 29 un- zweifelhaft stattfindet und sich einfach daraus erklärt, daß in Palästen der ringsum von Gebäuden und Mauern umschlossene Hof als Gesell- schaftslocal benuzt wurde. Die Versammlung solte einen vertraulichen Charakter haben und wurde deshalb im Palaste des Hohenpriesters, nicht in dem officiellen Sitzungslocale des Synedriums, der Quaderhalle (n'^tan To'^h) auf der Südseite des Tempel vorhofs oder den tabemae (ni^an) am Tempelberge (vgl. Leyrer in HerzJs Realencykl. XV, 318; Wieseler Beitrr. S. 209 ff. u. m. bibl. Archäol. §. 151. Anm. 4) gehalten. Matth. XXVI, 4-6. 507 Tov Xsyofiivov Eaiäq)a besagt, daß Eatdq)ag (entw. von «fi'»';5 Beu- gung, Demütigung, kc*^? Gebeugtes, Gekrümmtes oder von M&'^d Fels herzuleiten) nicht der ursprüngliche, aber der gewöhnliche Name die- ses Hohenpriesters war (nicht bloßer Beiname , was durch kjecxakov- fidvov ausgedrükt sein müßte). Nach Joseph. Antt XVIII, 2, 2 u. 4, 3 hieß er ursprünglich Joseph und hatte' das Hohepriestertum von dem Procurator Valerius Gratus, dem Vorgänger des Pontius Pilatus erhalten. Nach Joh. 18, 13 war er ein Schwiegersohn des früheren Hohenpriesters Annas = Ananos, V. 4. ovveßovXsvaapto Iva sie be- rathschlagten mit einander in der Absicht oder zu dem Zwecke. doXcp xQOTSlv mit List zu verhaften und zu tödten; sie sagten aber: fi^ sv tfj koQTy nicht am Feste, während des siebentägigen Festes (wollen wir ihn verhaften), „damit nicht Aufruhr im Volke entstehe'^ Am Feste nämlich fand in Jerusalem ein großer Zusammenfluß des Volkes aus dem ganzen Lande statt, namentlich auch aus Galiläa, wo Jesus großen Anhang hatte. Fraglich ist hiebei, ob sie mit (irj kv x^ hoQxfj meinten: noch vor dem Feste, wie Neanä,, Hausraih u. A. die Worte verstehen, oder: erst nach dem Feste. Die erstere Meinung ist höchst unwarscheinlich, da die Zeit bis zum Feste zu kurz und die Stadt be- reits mit auswärtigen Festbesuchem gefült war. Sie dachten offenbar an die Zeit nach dem Feste, indem sie voraussezten, daß Jesus nicht sofort nach dem Feste Jerusalem wieder verlassen werde. Uebrigens ergibt sich aus dieser Berathung, daß der Hoherath in der Festzeit kein Hindernis für die Verhaftung und Tödtung erblikte, und nur we- gen der Befürchtung eines Volksaufruhrs das Fest vorübergehen lassen wolte. Dieser Beschluß kam nicht zur Ausführung, und der Evangelist erwähnt ihn nur, um zu zeigen, wie nicht die Absicht und Klugheit der jüdischen Oberen Jesu Tod herbeiführte, sondern Jesu Vorauswissen und Vorherverkündigung (v. 2) sich erfülte, Jesus also bewußt und frei in den Tod ging, als seine Stunde gekommen war. Das Aufgeben des Planes der Hohenpriester und Aeltesten wurde durch das Anerbieten des Judas Ischariot, ihnen Jesum zu überliefern (v. 14 ff.), herbeige- führt. S. zu V. 15. V. 6—13. Die Salbung Jesu in Bethanien. Vgl. Mrc. 14, 3-— 9 u. Joh. 12, 1—8. Bei Luk. fehlt,. wie schon bemerkt, diese Erzählung. Die Salbung, welche er c. 7, 36 ff. mitteilt, ist von der hier berichte- ten, in Bethanien vorgefallenen nach Zeit, Ort und Umständen so ver- schieden, daß sie mit derselben nicht identificirt werden darf. Dage- gen stimmen die Berichte des Matth. u. Mark, über die Salbung in Bethanien mit der in Joh. 12, 1 ff. erzählten in allen wesentlichen Punkten überein, so daß sich die Identität des Vorgangs nicht füglich in Abrede stellen läßt. Der Hauptgrund, welchen Mey. dagegen gel- tend macht, daß nämlich nach Johannes die Salbung 6 Tage vor dem Pascha stattfand, nach Matth. u. Mark, nur 2 Tage vorher, stüzt sich auf die unbegründete Annahme, daß Matth. und Mark, genau chrono- logisch erzählt haben, während beide nicht nur keine auf die Zeitfolge hinweisende Andeutung geben, vielmehr durch Einführung dieses Vor- 508 Matth. XXVI, 7. gangs mit den Worten: „als aber Jesus nach Bethanien gekommen^' {ysvofiivov kv Bijß-.) oder „als er in Beth. war" (Mrk.) zu verstehen geben, daß sie diese Salbung nur um des Contrastes willen, den sie zu dem Beschlüsse des Synedrinms bildete, hier mitgeteilt haben, wogegen auch das zotb v. 14 keine triftige Instanz abgibt. Wir wissen zwar aus c. 21, 17. Mrc. 11, 11 vgl. mit Luc. 21, 37, daß Jesus seit seinem mes- sianischen Einzüge in Jerusalem die Nächte in Bethanien oder am Oelberge zubrachte, womach er warscheinlich auch nach der am Oel- berge gehaltenen eschatologischen Bede (c. 24 f.) sich zur Nacht nach Bethanien begeben hat, aber in xov 6k ^Ir^Gov yspofidvov iv Bfjd-. ist nicht ausgesprochen, daß die Salbung an jenem lezten Abend, den Jesus in Bethanien zubrachte, oder an einem der nächstvorhergehenden Abende geschehen sei. — Die übrigen Gründe sind ganz unerheblich. Nach Mtth. u. Mrk. befand sich Jesus im Hause Simons des Aussätzi- gen (d. h. der früher am Aussatze gelitten und davon auch nach der Heilung dieses Uebels das Prädicat 6 Xejtgog zur Unterscheidung von anderen Personen des Namens Simon erhalten hatte), und lag zu Tische {avTOV dvaxBifiivav v. 7); nach Job. v. 3 hatte man Jesu in Bethanien ein ÖBlnvov ausgerichtet. Wer? sagt Johannes nicht, sondern nor, daß bei dem Mahle Martha aufwartete (&ii]x6v€i) und Lazarus einer der Tischgäste {slg xrnv dvaxeifiivfov avv avrm) war, also — dies liegt in den Worten, wenn man sie unbefangen nimt, wie sie lauten — das Mahl nicht im Hause des Lazarus und seiner Schwestern stattfand, weil als Wirt und Gastgeber Lazarus nicht als elg räv dvax. erwähnt sein würde, da er im weiteren Verlaufe des Mahles nicht irgendwie he^ vortritt. Martha aber konte auch bei einem im Hause eines beifrenn- deten Mannes Jesu zu Ehren gegebenen Mahle die Aufwartung über- nommen haben. Daß wie Mey. sagt, die Familie des Lazarus das Gast- mahl gab, ist willkürliche Eintragung. — V. 7. Die Frau, welche ein Alabastergefäß mit köstlicher Nardensalbe hatte und die Salbe über Jesu Haupt ausgoß, ist bei Mtth. u. Mrk. nicht näher bestirnt, wird aber bei Joh. Maria genant, wobei man zunächst an die Schwester der Martha und des Lazarus, den Jesus vom Tode auferwekt hatte (v. 1), zu denken hat. dXdßaOXQog ist ein Alabasterfläschchen, die man nach Plin, hist. nat. III, 3 zur Aufbewahrung kostbarer Salben gebrauchte. fiVQov jtoXvrlfiov (nach ^ADLMUaL statt der aus BFA aL stammen- den rec. ßaQVtlfiov) von sehr wertvoller Salbe-, nach Joh. war es echte Nardensalbe. Diese Salbe goß sie über sein Haupt während er zn Tische lag (Mtth. Mrk.); nach Joh. v. 3 salbte sie die Füße Jesu und trocknete sie dann mit ihren Haaren. Die Kopfsalbung d. h. die Sitte, Gästen zum Zeichen der Verehrung das Haupt zu salben, war so ge- wöhnlich (vgl. Winer RW. I, 450), daß wenn von Salbung eines Gastes die Rede, die Nennung des Hauptes nicht erforderlich war; dagegen die Salbung der Füße war seltener, ungewöhnlich, ein außerordentlicher Erweis überschwänglicher Liebe (vgl. Luc. 7, 46). Um also die Größe dieses Liebeserweises bemerklich zu machen, erwähnt Joh. das Salben der Füße und dazu noch das Trocknen derselben mit ihren Haaren, Matth. XXVI, 8—12. 509 ohne der aas den ersten Evangelien oder ans der Ueberlieferung be- kanten Salbung des Hauptes ausdrücklich zu gedenken. Uebrigens zeigt das ßakovoa ro /uvqov tovto sjtl xov ocifiarog fiov in dem Aus- sprache Jesu V. 12, daß die Salbung sich nicht auf den Kopf {xBq)aX'qv) beschränkt hatte. V. 8. üeber diese That äußerten die Jünger Unwillen, sprechend: „wozu diese Vergeudung?" (Verschwendung so kostbarer Salbe). fj djiciXeia das Verderben, der Verlust; im N. Test, sonst nur intran- sitiv gebraucht, woraus aber nicht folgt, daß die transitive Bedeutung (Vergeudung) bei Polyb, VI, 59, 5 hier unstatthaft wäre. Die Hand- lung der Maria hatte, wenn man die darin sich kundgebende Ueber- schwänglichkeit der Liebe nicht erwog, etwas Auffallendes und nach gewöhnlichen Begriffen Anstößiges, indem zwar Salbung und Fuß- waschung als Ehrenerweisüng Sitte war, aber das Salben mit wol- riechenden Oelen bei den Juden wie bei den Römern als Zeichen der Weichlichkeit und Verschwendung galt, und das Auflösen des Haares gegen den weiblichen Anstand verstieß (s. die Belege hiefür bei Wichelh. S. 81 f. u. Luthardt zu Job. 12, 4 f.). Die Differenz, daß nach Mtth. ol (la^rixal, nach Mrk. xiveq etliche ihren Unwillen äußerten, nach Job. aber Judas Ischariot dies that, gleicht sich durch die einfache Annahme aus, daß Judas nur laut aussprach, was die anderen Jünger oder etliche derselben durch Geberde oder leises Murren kundgaben. Sie hängt aber mit der Eigentümlichkeit der einzelnen Evangelien za- sammen, daß nämlich Matth. wie gewöhnlich, so besonders in dieser äußerst kurz gefaßten Erzählung nur den Kern der Sache — die Sal- bung und die Bedeutung, welche Jesus derselben als Vorbereitung auf seinen Tod beilegt, ins Auge gefaßt hat, für welchen Zweck der Name des Tadlers irrelevant war; während Johannes den Vorgang nach sei- ner psychologischen Bedeutung für Judas berücksichtigend den Na- men nent, um zu zeigen, wie dieser Jünger zum Verräther werden konte. — V. 9. Eine unnütze Verschwendung erblicken die Jünger in der Sache, weil die Salbe für vieles Geld (ütoXXov) verkauft und das Geld den Armen gegeben werden konte. Mrk. u. Job. geben den Wert zu 300 Denaren = 200 B. Mark an. V. 10 ff. Jesus aber nimt die Frau in Schutz. und rechtfertigt ihre Handlung. Fvovq (wie 16, 8) die Gedanken durchschauend (woraus sich ergibt, daß die Jünger ihren Unwillen nicht laut, so daß alle Tischgenossen es hörten, ausgesprochen, sondern nur leise unter sich darüber sich geäußert hatten) sprach Je- sus zu den Jüngern: „was macht ihr dem Weibe Beschwerden, denn sie hat ein schönes (sittlich-löbliches) Werk in Bezug auf mich gewirkt", wenn nämlich die besonderen Verhältnisse, unter welchen sie so ge- handelt hat, ins Auge gefaßt werden. „Denn die Armen habt ihr alle- zeit bei euch, mich aber habt ihr nicht allezeit"; wozu schon Äugtest bemerkt: loquehatur de praeseniia corporis, „Indem sie nämlich diese Salbe auf meinen Leib geschüttet, hat sie es gethan, um mich (als wenn ich bereits gestorben wäre) einzubalsamiren. Gewiß hat Maria, wenn sie auch der wiederholten Weißagung Jesu von seinem Tode eingedenk 510 Matth. XXVI, 13-16. war, bei der Salbung nicht daran gedacht, Jesu Leib für die Bestat- tung zuzurichten ; dennoch ist es nicht richtig zu sagen, ,Jesu8 l&M dankbar und gerührt der Frau eine Absicht, statt deren sie selbst nm die Erweisung ihre Liebe und Verehrung hatte' {Mey,\ denn er spricht nicht von der Absicht ihrer Handlung, sondern nur von der Bedeutung, welche ihre That, ihr selber unbewußt, nach göttlichem Liebesrathe für ihn erhalten solte. V. 13. Mit dieser That — sezt der Herr zur Beschämung der Jünger, welche die darin sich kundgebende Liebe nicht zu würdigen verstanden, feierlich versichernd (dfi^v Xdyco) hinzu — hat sie ein Gedächtnis ihrer Liebe sich gestiftet, von dem wo nur im- mer dieses Evangelium in der ganzen Welt wird verkündigt werden, auch geredet werden wird, to evayyihop xoHrto ist die Heilsbotschaft von Christo, wobei Toi;To im Zusammenhange mit v. 11 u. 12 auf den Tod Jesu hindeutet. Diese Verheißung hat sich erfült und geht fort und fort in Erfüllung. V. 14-16. Judas Ischariot erbietet sich den Hohenpriestern Je- sum zu überliefern. Dieser Schritt des Judas bildet einen grellen Con- trast zu der v. 6—13 erzählten Handlung der Maria. Doch haben we- der Matth. noch Mark, den Contrast hervorgehoben. Mtth. schliefit diese Begebenheit mit totb, Mark, mit einfachem xal an das Vorhe^ gehende an. Tors ist aber nicht (mit Mey. u. A.) in streng chronolo- gischer Bedeutung: ,alsdann nach dieser Mahlzeit' zu nehmen, Bondern in der weiteren Bedeutung, in welcher es Mtth. fast durchweg ge- braucht, um das mit zors Eingeführte im Allgemeinen als auf da» Vo^ hergegangene folgend anzureihen. Hier weist es auf tozs v. 3 zurück und besagt nur, daß nach jener Berathung der Synedristen über Jesu Verhaftung Judas sein Anerbieten den Hohenpriestern machte. Durch diese richtige Auffassung des rore wird die Annahme hinfällig, daß Ju- das aus Aerger und Erbitterung über die von Jesu erfahrene Zurecht- weisung V. 10 ff. vgl. mit Job. 12, 7 sich zum Verrathe habe fortreißen lassen (Fritzsche, Wichelh., Schenk, u. A.), wogegen auch schon der Umstand spricht, daß bei Mtth. in v. 10 ff. Judas gar nicht genant ist. — Unbegründet ist die Differenz, welche Mey, mit D, Strauß darin findet, daß nach dem synoptischen Berichte Luc. 22, 3 Judas vom Sa- tan schon zu dem hier erwähnten Schritte bewogen, nach Job. 13, 27 erst beim lezten Abendmahle zum Verrathe getrieben worden sei; denn das in beiden Stellen gebrauchte slgrjXQ'B 6 Zaxaväq elg ^lovöav ist von relativer Bedeutung und wird bei Luk. auf den Entschluß des Ju- das Jesum zu verrathen, bei Job. auf die Ausführung des gefaßten Ent- schlusses bezogen, wie daraus erhellt, daß Job. in 13, 2 bestirnt sagt, der Teufel hatte beim Beginne der Mahlzeit dem Judas schon ins Hen gegeben Jesum zu verrathen, dort also auch den Entschluß schon auf teuflische Eingebung zurückführt. — Mit den Worten : „einer von den Zwölfen" weisen Mtth., Mrk. u. Luk. auf die Größe des Frevels hin, dessen Judas sich schuldig machte; vgl. auch Job. 12, 4. Act. 1, 17. Ueber den Namen ^loxaQicoTTjq s. zu 10, 4. Aus dem Antrage: „was wolt ihr mir geben und ich werde euch ihn überliefern?" leuchtet Hab- Matth. XXVI, 16. 17. 511 sucht oder Geiz als treibendes Motiv des Verrathes hervor, nagadciöw übersezt Luther hier richtig: überantworten, in anderen Stellen weni- ger genau: verrathen. Kai in dem Sinne und so, wie öfter i im Hebr., daher man in dieser parataktischen Redeform (fQr: was wolt ihr mir geben, wenn ich euch . . .) nicht mit Mey. Ausdruck ,der angelegent- lichen Hast des Verräthers' suchen darf. „Sie aber wogen ihm dreißig Silberlinge dar". Das Verb, iarrjoav (von iori](ii) entspricht hier dem hebr. ^^ Zach. 11, 12 in der Bed. wägen, zuwägen, die es nicht blos in der LXX z. B. 2 Sam. 14, 26 u. a., sondern auch bei Griechen hat, vgl. Schleussner thesaur, in LXX interpr. III, 122 u. Passow Lexic. s. V. Der Plural aQyvQia Silberstücke für Silbersekel findet sich nur bei Mtth., in der LXX steht dafür entweder aQyvQOvq sc. ölxXovg Zach. 11, 12 oder aQyvglovg Jud. 17, 3. Hos. 3, 2. Gemeint sind Sil- bermünzen im Gewichte eines Sekels, nach unserem Gelde = 2 M. 25 oder 27 Pf.; vgl. m, bibl. Archäol. S. 608 u. 611. Hiemach steht eör^- öav zuwägen im weiteren Sinne für: zahlen, auszahlen. Dieser Ge- brauch stamt aus der altertümlichen Sitte vor Einführung gemünzten Geldes, die Metalle (Gold und Silber) zu wägen. Denn Silhermünzen wird man schwerlich bei Zahlungen gewogen haben , wie es allerdings bei Goldmünzen noch heutiges Tages, und zwar nicht im Oriente allein, geschieht. Abzuweisen ist die Erklärung constituerunt, sie sezten fest, bestimten, der Vulg., der Fritzsche, Wich,, Lange beipflichten, weni- ger wegen 27, 3—5, wo rä (XQyvQia auf die empfangenen Sekel zurück- weist (Mey,)^ denn der festgesezte Lohn konte dem Judas auch erst nach dem Verrathe, sofort nach Jesu Gefangennehmung eingehändigt worden sein, sondern hauptsächlich wegen der unverkennbaren Anleh- nung der Worte an Zach. 11, 12, welche die Bed.: sie wogen dar, zahl- ten, außer Zweifel sezt. Die Summe: 30 Sekel war nach Ex. 21, 32 der Preis für das Leben eines Sklaven, also für den Verrath Jesu, zu- mal bei Berücksichtigung der Habsucht des Judas ein sehr geringfügi- ger Preis. 1 Allein die Hohenpriester bestimten den Lohn nicht sowol nach der Größe des Dienstes, welchen Judas ihnen leistete, als viel- mehr nach dem moralischen Werte des Mannes, der bisher ein eifriger Anhänger Jesu, der Gemeinheit fähig war, sich ihnen als Verräther seines Herrn und Meisters anzubieten. — V. 16. Von da an suchte Ju- 1) Aus diesen Gründen und weil nur bei Matth. die Summe angegeben ist, findet es nach dem Vorgange von Str.y Ew , Schölten auch Mey. warscheinlich, daß die Angabe der 30 Silberlinge ungeschichtlich sei, der Verrätherlohn unbe- kant war und erst in der evangelischen üeberlieferung nach Zach. 11, 12 sich foststelte, während Wittichen S. 351 f. so weit geht, zu behaupten, daß erst, als die feineren Züge aus dem Leben des Jüngerkreises sich verwischt hatten, die Tradition zur Annahme einer Bestechung.gekommen sei und für eine so schnöde That auch ein schnödes Motiv vorausgesezt habe. — Aber daß die Hohenprie- ster dem Judas einen Geldlohn zusagten oder bestimten, das bezeugen auch Mrk. u. Luk., und die aus der Nichterwähnung der Summe bei Matth. gezogene Folgerung ist doch ein gar zu triviales argumentum e silentio, dessen Hinfällig- keit dadurch nicht verdekt wird, daß man nach den VorstelluD^en der Neuzeit von Geldwerte und Lohntaxen die angegebene Belohnung für einen zu gering- fttgigen Preis erklärt. 512 Matth. XXVI, 17. das gute Gelegenheit, ihnen Jesum zu überliefern, und zwar wie Lok. y. 25 hinzufügt: arsQ ox^ov ohne Volksaoflaaf. Darch das Anerbieten des Judas erledigte sich das Bedenken des Hohenrathes, Jesum aus Furcht vor Yolksaufruhr nicht am Feste gefangen zu nehmen (v. 5), indem man nun Zeit und Umstände dem Verräther anheimgeben konte. Ueber das Motiv des Judas zu dieser That s. zu 27, 3 ffl V. 17—29. Die Zubereitung und die Feier des Paschamahks. Vgl. Mrc. 14, 12— 25. Luc. 22, 7—23 u. Job. 13, 1-30. Als die jüdi- schen Oberen schon über die Verhaftung und Tödtung Jesu Beschluß gefaßt und das Anerbieten des Judas, Jesum ihnen zu überliefern, an- genommen hatten, aber noch in gänzlicher Ungewißheit waren, wann und wie sie ihren Beschluß würden ausführen können, traf Jesus mit klarem Bewußtsein über den Ausgang seines irdischen Lebens unmit- telbar vor dem Paschafeste die Vorbereitung zur Vollendung seines Werkes durch Hingabe seines Lebens in den Tod, indem er seine Jün- ger beauftragte, das Paschamahl zu bereiten, welches er vor seinem Todesleiden mit ihnen noch feiern wolte. Dies geschah „am ersten Tage der ungesäuerten Brote^', v. 17 vgl. mit den genaueren Bestim- mungen Mrc. V. 11: „als man das Pascha (lamm) schlachtete^', u. Luc V. 7: „der Tag der ungesäuerten Brote, an welchem das Pascha ge- schlachtet werden solte'^ Dies war der 14. Nisan, an dessen Nachmit- tage das Paschalamm geschlachtet und das Paschamahl für den Abend nach Sonnenuntergang bereitet wurde. Nach den Bestimmungen des Gesetzes selten die Israeliten sieben Tage, und zwar vom Abende des 14ten bis zum Abende des 21sten Abib (Nisan) Ungesäuertes essen (Ex. 12, 18) und das Fest der ungesäuerten Brote 7 Tage feiern, wo^ nach der fünfzehnte Tag als der erste und der einundzwanzigste als der siebente Tag des Festes gezählt (Ex. 12, 15) und in Lev. 26, 5 u. 6 £ Num. 28, 16 ausdrücklich vom vierzehnten, an dessen Abend das Pascha gegessen werden solte, unterschieden sind. Mithin war der vierzehnte nur der Vortag des Pascha, nicht der erste Festtag. Da je- doch schon am 14ten der Sauerteig aus den Wohnungen entfernt wer- den mußte und schon zum Paschamahl am Abende nur ungesäuertes Brot gegessen werden durfte, auch die Zurüstung zum Paschamahle, namentlich das Schlachten des Lammes am Nachmittage des vierzehn- ten im Tempel, vorgenommen wurde, so gewöhnte man sich, schon den vierzehnten Nisan in populärer Ausdrucksweise als den ersten Tag der ungesäuerten Brote zu betrachten und acht Festtage zu zählen, wie z. B. Joseph, Antt II, 15, 1 von achttägiger Feier der ä^vfia redet Nach diesem populären Sprachgebrauche ist hier in v. 17 u. bei Mrk. V. 12 der 14. Nisan ^ jc^cottj tcov dC,vfi(DV genant. Am Abende dieses Tages hielt Jesus mit seinen Jüngern das Paschamahl (v. 20. Mrk. v.l7), bei dem er das heilige Abendmahl einsezte (v. 26 ff. Mrc. v. 22 ff. u. Luc. V. 19 ff.). Nach dem Schlüsse dieser Feier ging er mit den Jün- gern in der Nacht nach Gethsemane (v. 30 u. 36 u. ParalL), wurde dort gefangen genommen (v. 47 ff. u. Parall.), zum Hohenpriester Eajaphas, bei dem sich die Schriftgelehrten und Aeltesten des Volks versanünelt Matth, XXVI, 17. 613 hatten, geführt (v. 57), verhört und des Todes schuldig befunden (V. 58—66. Mrc. v. 53 ff. Luc. v. 54 ff.), darauf in der Frühe des fol- genden Morgens dem Landpfleger Pilatus überliefert und zum Tode am Kreuze verurteilt (27, 1 f. 11-26. Mrc. 15, 1 ff. Luc. 23, 1 ff.), als- dann von den Kriegsknechten verhöhnt und zur Kreuzigung abgeführt und ans Kreuz geschlagen (27, 27—35. Mrc. 15, 16 ff. Luc. 23, 25 ff.), und als er nach einigen Stunden verschieden war (27, 50), am späten Nachmittage begraben (27, 57. Mrc. v. 42. Luc. v. 50). Nach diesem Berichte der drei ersten Evangelien ist also Jesus am 15. Nisan ge- kreuzigt worden, gestorben und begraben worden. Dieser Tag war nach 27, 62 ^ jcaQaoxsv^, vgl. Mrc. 15, 42 wo jcaQaoxsvtj für grie- chische Leser durch jtQOOdßßatov erklärt ist, u. Luc. 23, 50—54, wo die Zeit der Bestattung Jesu so bestirnt ist: i^v jtagaoxsv^ xal adßßa- rov sjtiqxDOxe. Hiernach ist Jesus am Freitage Nachmittags gestor- ben und gegen Abend vor Anbruch des Sabbats ins Grab gelegt worden. Der Freitag jener Woche war aber der erste Feiertag des siebentägi- gen Mazzotfestes, an welchem im Gesetze Exod. 12, 16. Lev. 23, 7. Num. 28, 18 alles Arbeitsgeschäft, d. h. alle Arbeit des irdischen Be- rnfes, Ackerbau, Handwerk u. dgl. verboten war (vgl. m. Comment. zu Lev. 23, 7). Mit diesen Zeitbestimmungen sollen — wie die neuere Evangelienkritik be- hauptet — die Aussagen des vierten Evangeliums über den Todestag Jesu in imvereinbarem Widerspruche stehen. Dies soll daraus erhellen,, daß nach Joh. 18, 28 die Juden nicht in das Prätorium des heidnischen Landpflegers hinein- gehen, damit sie sich nicht verunreinigten, sondern das Pascha äßen (d h. das Pasohamahl halten könten), daß femer nach Joh. 19, 14 Pilatus Jesum an der nagaaxevri zov ncccx« dem Eüsttage zum Pascha zum Ereuzestode verurteilt und nach 19, 31 die Juden den Pilatus bitten, die Leichname Jesu und der ndt- gekreuzigten Schacher nicht am Kreuze bleiben zu lassen, inei nagaaxev^ ^y, ^y yoLQ f^eyaXri ^ fjfzeQa ixelyov tov aaßßazov; daß endlich nach Joh. 13, 1 das lezte Mahl, welches Jesus mit seinen Jüngern am Abende vor seiner in der Nacht erfolgenden Verhaftung hielt, ngo x^g eogr^s xov na^xa stattfand. Aus diesen Stellen ergebe sich, daß Jesus am Tage vor der jüdischen Paschafeier d. L am 14. Nisan zum Tode verurteilt und gekreuzigt worden und am Abende vorher d. i. am Abende des ISten das Abschiedsmahl mit seinen Jüngern gehal- ten bai. Hiernach urteilt Mey : ,es ist kaum ein unzweifelhafteres exegetisches Besnitai su denken' als dies, ,daß nach den Synoptikern der Freitag des Todes Jesu der 15. Nisan, nach Joh. aber der 14. Nisan war^ Trozdem unterliegt die Bichtigkeit dieses exegetischen Eesultates sehr erheblichen Zweifeln. Begrün- '"dete Bedenken dagegen erheben sich schon, wenn man die Consequenzen ins Auge faßt, die sich daraus für den geschichtlichen Charakter der Evangelien ergeben. Da die vermeintliche Differenz nicht blos in verschiedener Bestim- mung des Kalendertags der Paschafeier und der Kreuzigung Christi besteht, sondern darin, daß nach den synopt. Evangelien Jesus am gesetzlich bestim- ten Tage der jüdischen Paschafeier mit seinen Jüngern Pascha gehalten und das heilige Abendmahl gestiftet hat, und am folgenden Tage d. i. am ersten Tage de» -Mazzotfestes gekreuzigt worden, dagegen nach dem Johann. Evangelium Keil, Comm. z. Evangel. Matth. 33 514 Matth. XXYI, 17 (Todestag Jesn). schon am Tage Yor der jüdischen Paschafeier gestorben und begraben worden ist, nnd das Paschamahl entweder gar nicht gefeiert oder um einen Tag antici- pirt hat, so kann dasjenige Eyangeliom, welches die unrichtigen Angaben hier- über enthält, nicht nnr nicht apostolischen Ursprungs sein, sondern auch in Be- zug auf seine übrigen Nachrichten über Jesu Leben und Wirken nicht für ge- schichtlich treu und zuverlässig erachtet werden. Denn die Feier des lezten Mahles, welches Jesus mit seinen Jüngern hielt, und der Tag seines Todes mußte sich dem Gedächtnisse der Jünger, welche diese Ereignisse als Teilnehmer und Augenzeugen erlebt hatten, so' imauslöschlich einprägen, daß eine Irrung hier- über oder ein Zwiespalt der Ansichten in der apostolischen üeberlieferung zu den unglaublichsten Dingen gehört. Selbst angenommen, was wir nicht f&r warscheinlich, noch weniger für erweislich halten, daß das erste kanon. Eyan- gelium nicht Yon Matth. herrühre, imd daß alle drei synopt. Eyangelien nur aus der evangelischen üeberlieferung des apostolischen Zeitalters geflossen seien« selbst bei dieser Annahme ist ein Irrtum über die fraglichen Begebenheiten kaum denkbar. Und so müßte auch über das vierte Evangelium geurteilt wer- den, falls dessen Angaben über den Todestag Jesu irrtümlich wären. Von Jo- hannes könte es dann nicht verfaßt sein. Denn hätte, wie viele Kritiker an- nehmen, Johannes die irrigen Angaben der in den synopt. Evangelien enthalte- nen Üeberlieferung berichtigen wollen, so würde er sich ohne Zweifel darüber deutlicher ausgedrükt haben, als in den angeführten Stellen geschehen ist. Falls aber, wie andere Kritiker annehmen, die Aussagen der synopt. Evangeliem. geschichtlich begründet waren, so konte der später schreibende Verfasser des vierten Evangeliums nimmermehr eine der geschichtlichen Üeberlieferung unA. den synopt. Evangelien widersprechende Ansicht aufstellen, weil er damit sei— her die apostolische Abfassung und die geschichtliche Glaubwürdigkeit seines Evangeliums verdächtig gemacht haben würde. Diese Bedenken gegen die Bichtigkeit des erwähnten exegetischen Besul- tats werden verstärkt durch die geschichtliche Thatsache, daß in den Oster- streitigkeiten des zweiten Jahrhunderts von einer Divergenz der Evangelien über den Tag des lezten Paschamahles, welches Jesus mit seinen Jüngern gefeiert hatte, nicht die Bede ist. Die Verteidiger der kleinasiatischen Sitte, die christ- liche Paschafeier am 14. Nisan zu halten, Irenäus, ein Schüler Polykarps, und Polykrates vonEphesus berufen sich nach dem Berichte in Euseh, hist. ecd, F, 24 für diese Observanz auf den Vorgang der berühmtesten Bischöfe und Märtyrer und insbesondere auf das Vorbild des Apostels Johannes ^ wobei fb- lykrates versichert, die ganze heil. Schrift durchgelesen zu haben und an der 1) Mit zu großer Zuversicht hat Hngsth. (Vorless. üb. d. LeidensgescL S. 13 f.) aus der Verhandlung des Pölykarp mit dem Bischof Anicet von Born und aus dem Briefe des Polykrates an den Bischof Victor u. die römische Gremeinde (bei Eufteh. l c.) die Folgerung gezogen, daß Johannes seiner Praxis, das Pa- schamahl am 14ten zu feiern, m seinen schriftlichen Aeußerungen darübernicht werde widersprochen d. h. in seinem Evangelium die Stiftung des heil. Abend- mahls auf den Abend vor der jüdischen Paschafeier werde verlegt haben. Diese Folgerung erscheint deshalb nicht bündig, weil aus Euseb. nicht klar erhellt, ob ? Tov (TcoTrjQiov naaya kogxri, d. L die christliche Paschafeier, worüber ver- handelt wurde, zum Andenken an das Paschamahl des Herrn und die EinsetzuDg des heil. Abendmahles, oder zum Gedächtnisse des Todes und der Auferstehimg Matth. XXYI, 17 (Todestag Jesu). 515 Bichtigkeit der Yon ihm und seinen Vorgängern befolgten Praxis nicht irre ge- worden zu sein.* Femer sagt Trenaeus adv. Tiaer. II, 22, 5, in einer Stelle, wo er auf das Evangeliam Johannes Bezug nimt, daß Jesus das Pascha gegessen und am folgenden Tage gelitten habe (manducans pascha et sequenti die passus), womit er das lezte Mahl Jesu mit seinen Jüngern nach den synoptischen Eyan- gelien als PowcÄamahl bezeichnet. Auch Jwtin, MarU dial. c. Tryph, c. 111 macht gegen die Juden geltend: xai ozi iy ^f^i^if tov naaxce avyeXaßete avtoy xai ofjioiais iy xt^ naaxcc Baxavqtoaaxe yiyganxat, erkent also die synoptische üeberlieferung, nach welcher Jesus an einem Paschatage d. i. am 14ten (in der Nacht) gefangen genommen imd am Paschafeste d. i. am löten gekreuzigt wnrde^ als richtig an. Ebenso führt Origenes, comment in Matth. 26, 17 gegen die Angabe, daß Jesus more Judaico pascha corporaliter gefeiert habe, nicht das Et. Johannes an, sondern weist den Ebionismus, den vielleicht aliquis imperito- mm darin suchen könte, mit der Bemerkung ab, daß Christus unter das Gesetz gethan worden, non ut eos, qui sub lege erant, sub lege relinqueret, sed ut educeret eos ex lege. Noch deutlicher ist in den Apostol. Constitutionen (Y, 15) die Ver- haftung Jesu iy avx^ avxüiy {'TovSaiojy) iogx^ gesezt; u. in einem Fragmente einer gegen die Quartodecimaner gerichteten Homilie heißt es : non in XI V. die ad vesperam ut lex praecepit, iUe a^us Dei qm toUit peccata mundi et pascha nostrum immolatus est Christus, sed XV, die {Spicileg. Solesmense T. I p, 11 bei jMngen l. c. S. 146).^ Noch starker wird der Glaube an die Dichtigkeit des ,ezegetischen Besul- tates' über die yorliegende Frage durch den Umstand erschüttert, daß die Eri- Christi begangen wurde. Aber eben so wenig sicher ist die aus der Eigentüm- lichkeit der kleinasiatischen Feier gewöhnlich gefolgerte Ansicht, daß den Eleinasiaten der vierzehnte Nisan der Gedächtnistag des Todes Jesu sein mußte (rgl, Steitz, Pascha in Herz.'s Bealencykl. XI, 156) , obgleich dies die dogma- iii^he Anschauung der späteren griechischen Kirche ist. 1) Nach Evseb. h. eccl. V, 24 erklärt Polyhrates in seinem Schreiben: Ilav^ x$€ (alle genanten Zeugen) ixt^griaccy xr^y rifAigay xr\s i^ xov na^xa xaxct xo tiayyiXioy — xai näaay ayiay ygaqj'^y SieXi^Xvd'dfS ov nxvQOfAai ini xoZg xa- t€tnXfjaaof>ieyoig, 2) Nur von Apolinaris von Hierapolis wird in den im Chronic, pasch, auf- behaltenen Fragmenten aus dem Pascnastreite (abgedrukt auch in Rheinwalds, die kirchl. Archäologie Beil. 14) berichtet, daß er gegen die, welche sagten, der . Herr habe am 14ten das Paschalamm mit seinen Jüngern gegessen und am j; noBen Tage xwy dCvfuoy gelitten, und hiefür Matth. anführten, bemerkt habe: f-. 9^y äavfjLvpiüVfOQ xe yo^w rj yoriaig avx&y xai cxaaia^Biy doxsT xttx avxovg xa i'iSayyiXitt, Wenn man diesen lezten Satz auch so versteht: ,daß nach diesen p^ Evangelien in Zwiespalt zu sein scheinen', so war doch Apol. gewiß weit I . entfernt, einen wirklichen Zwiespalt über die Paschafeier in den Evangelien an- ['smielmien. Wie fem eine solche Annahme der alten Kirche überhaupt lag, er- ; aleht man schon aus der Art, wie der andere Gegner der Quartodecimaner Cle- ' fUen« Alex, (in dem Chron. pasch) die evangel. Berichte sich zurechtiegt. Er sezt nämlich nicht nur die Zubereitung des Paschamahls (nach den Synopt.) und das ^eXnyoy Joh. 13, 1 , sondern auch das Leiden Christi xfi iniomjj aui den 14. Tag, und bemerkt schließlich: xavxjj xmy ^usQclyy rg dxQißel(f xai al yoaqfal naacti avfjicpoyvovoi xai xa evayyeXia isvy(^(fa, nachdem er vorher noch dafür, daß unser Heiland am 14ten gelitten habe, aus Joh. 18, 28 erwähnt hat, daß die Hohenpriester und Schriftgelehrten nicht zu Pilatus ins Kichthaus gingen, tya fxri uiay&cidiy, dKk* dxcoXvxoiS hanigas xo ndaxoi (payatai. — üeber Sie Geschichte dieser Frage vgl. Wichelhaus S. 187,ff. 33* 516 Matth. XXYI, 17 (Todestag Jesu). tiker sich darüber nicht einigen können, welcher von beiden evuigelischen Be- richten, ob der synoptische oder der johanneische, för geschichtlich treu zu halten sei. Während nach, dem Vorgange von Bretschneider (in s. Prohahüia) die Kritiker der Tübinger Schule, Yon ihrem Stifter Baur an bis auf ihren jüng- sten Vertreter, Hilgenfeldj herab, imd die nenprotestantischen Vertreter des Bationalismns, Schenkel, Keim n. A., den synoptischen Bericht für geschichtlich halten und den angeblichen Widerspruch des yierten Eyangelinms als Haupt- waffe gegen seinen johanneischen Ursprung und seine geschichtliche Glaubwür- digkeit gebrauchen, verteidigen die von den Pnncipien der neueren idealistischen Philosophien ausgehenden Kritiker, Lücke, de Wette, Bl^Jc u. A. die Aussagen des Ev. Johannes als historisch begründet auf Kosten der Glaubwürdigkeit der synoptischen Evangelien. — Schon aus dieser Thatsache kann man a priori schließen, daß die Argumente pro et contra nicht sehr schlagend sein können. Mit großem Nachdrucke hat Keim (III S. 476 ff.) für die geschichtliche War- heit des synoptischen Berichts das Zeugnis nicht nur der kirchlichen Tradition des 2. Jahrhunderts, sondern auch des Apostels Paulus geltend gemacht. ,E8 gehört — sagt er — zum Sichersten in der Welt, daß Jesus vor seinem Tode das Passamahl gehalten, daß er es mit dem Volke am gesetzlichen Tage gefeiert hat. — Will man den Evangelien nicht glauben, nun denn, so muß man es Fan- lus, dem alten Zeugen glauben, der zwar nicht vom Passahmahl redet, aber ein letztes Mahl Jesu beschreibt, welches mit dem Passahmahle der Evangelien we- sentlich übereinstimt — 1 Kor. 11, 23 ff. vgl. IKor. 7, Stellen, aus welchen man sogar schließen kann, daß Paulus auch mit seinen heidenchristl. Gemeinden die- ses Todesostem Jesu im Anschlüsse an die jüdische Fest^it wiederholte. — Selbst noch die kirchliche Tradition des 2. Jahrb. begünstigt den Todestag der älteren Quellend Zwar läßt sich aus den Paschastreitigkeiten jener Zeit nicht, wie Keim annimt, beweisen, daß die kleinasiatische Kirche die Feier des 14. als Paschatag, des 15. als Todestag Jesu gefeiert habe, doch hat schon Wieseler, Beitrr. S. 270 treffend bemerkt : , Wurde aus irgend einem Grunde von den ersten Christen das Pascha mit den Juden gehalten, so konte dies von ihnen, zumal in einer paulinischen Gemeinde außerhalb Palästina's sicher nicht anders ge- schehen als so, daß seine Feier besonders eine Erinnerungsfeier des lezten Pa- schafestös wurde, an welchem Christus gestorben und auferstanden war, mithin die betreffenden Thatsachen des Lebens Jesu von dem Abendmahle an zu den einzelnen Tagen des Pascha in eine bestimte Beziehung traten. Nun aber beru- fen sich die Quartodecimaner für ihre Festfeier ausdrücklich auch auf den Apostel Johannes, welcher ihre bei den Synoptikern am unzweifelhaftesten be- zeugte Festchronologie nach Bleek Joh. 13, 1 ff. sogar absichtlich widerlegt ha- ben soll'. Und daß die Kleinasiaten am 14. Nisan nicht den Todestag Christi, sondern zunächst das Paschamahl, bei welchem Jesus das heilige Abendmahl zum Gedächtnisse seines Todes gestiftet hatte, feierten, das wird durch die oben erwähnten Fragmente des Chron. pasch, über alle Zweifel erhoben. Denn Hippohjt läßt (p. 13) einen Anhänger der kleinasiatischen Sitte sagen : ,Was Christus damals an jenem Tage that, war das Pascha, und dann litt er, deswe- gen muß auch ich auf dieselbe Weise, wie der Herr gethan hat, also thun' {inoirjaB ro nccox^ o Xgcazog xbxs rrj ^f^eQen so leicht von einer Paschaopfermahlzeit der 7 Tage wie von der Paschamahlzeit am Abende des 14. Nisan verstanden werden ; und die Frage, in welchem Sinne es Joh. 18, 28 steht, läßt sich nur aus dem Contexte entscheiden. Sehen wir nun vorläufig von Joh. 13, 1 ab, so ergibt sich schon aus dem 18, 28 genanten Motive, weshalb die Synedristen das Prätorium nicht betreten wollen, nämlich um sich nicht zu verunreinigen, damit sie das Pascha essen könnten, daß g)ay€ty x. n. hier nicht das Essen des Paschalammes be- zeichnen kann. Die Behauptung von Mey. , daß sie das Prätorium für unrein hielten, weil es vom Gesäuerten nicht gereinigt war, ist rein aus der Luft ge- griffen, und der Grund, welcher das heidnische Haus für den Juden unrein machte, noch nicht genügend aufgehellt, vgl. Delitzsch, Talmud. Studien in d. Ztschr. f. luth. Theol. 1874 S. 1 £ u. Kirchn. S. 34 £ So viel aber kann als ausgemacht gelten, daß nach tr. Chagig, 2, 7. Schekäl. 8, 1 u. tr. D'^aj 2, 4 u. 5, 1 auf Grund von Lev. 15, 7 die Verunreinigung eine solche war, die nur bis zum Abende unrein machte und durch ein Wasserbad getilgt wnrde. Die Ueb erlief erung Jesu an Pilatus erfolgte am Morgen {ngcot d. i. in der lezten Nachtwache von 3 — 6 Uhr), also noch vor Tagesanbruch oder 6 Uhr morgens. Eine Verunreinigung um diese Zeit auf einen Tag konte am Abend durch ein Bad beseitigt werden, und hinderte nicht das Essen des Paschalammes nach Sonnenuntergang am Abende, mit welchem nach hebr. Anschauung der fol- gende Tag begann. Also nicht am Essen, höchstens am Schlachten des Pa- schalammes in den Nachmittagsstunden von 3 — 6 Uhr würden durch eine am frühen Morgen des 14. Nisan sich durch Betreten des Prätoriums zugezogene Verunreinigung die Synedristen verhindert worden sein ; das Schlachten aber konte durch Stellvertretung besorgt werden, nach M. Pesach. 8, 2 sogar durch einen Knecht oder Sklaven für seinen Herrn, so daß abgesehen davon, daß schwerlich das Synedrium in pleno vor Pilatus erschien, die Erschienenen doch hätten am Abende das Paschamahl essen können. Anders verhielt sich die Sache, wenn qxtyety xb naaxa von der Opfermahlzeit am 15. Nisan, welche die Rabbinen Chagiga nennen, zu verstehen ist. Die Festdankopfer, welche in Opfermahlzeiten verzehrt wurden, wurden am Vormittage nach dem Morgen- opfer und den daran sich anschließenden Festopfern dargebracht und nach der Darbringung das Fleisch alsbald gekocht und zur Mahlzeit zubereitet, welche am Mittage bis zum Abendopfer hin gehalten wurde. An einer solchen Festopfermahlzeit konte nicht teilnehmen, wer sich für den Tag venmreinigt hatte. Mithin ergibt sich aus dem lya f^rj fxmy^ioaiv, daß das Xya tpayfoftt ro 526 Matth. XXYI, 17 (Todestag Jesu). nccffx« die Opfermahlzeit der Chagiga bezeichnet, welche die Glieder des Sy- nedriums halten weiten. Die Einwände, welche Bleeki Lücke, de FT., Mey. U.A. gegen die Bündigkeit dieser Schlußfolgerung erhoben haben, sind von Hngsth^ Luth. zu Job. 18, 28, von me^eZ. Beitrr. S. 248 ff., Kirchner S. 32 ff. u.43ff. u. A. wiederholt so eingehend widerlegt worden, daß wir eine nochmalige Wi- derlegung für überflüssig halten. Noch weniger läßt sich aus Job. 19, 14 u. 31 ein Widerspruch mit den sy- noptischen Berichten über die Zeit des Todes Jesu erweisen. Der Wide^ Spruch wird nur durch die Deutung der nagaaxsv^ tov naaxcL vom Rüsttag auf das Paschafest gewonnen. Diese Deutung haben wir aber schon S. 517 als gegen die Grundbedeutung und den Sprachgebrauch von naqaoxBvii Tei- stoßend abgelehnt. Wenn naQaaxevri xov naaxa den Rüsttag in Ostern, wie Luther gut übersezt hat, bezeichnet d. h. den Freitag als Vorbereitung auf den ins Osterfest fallenden Sabbat, so läßt sich aus Job. 19, 14 nichts weiter schließen, als daß die Verurteilung Jesu zum Ereuzestode am Freitag des jü- dischen Osterfestes erfolgte. Und an diesem Rüsttage auf den Sabbat wurden nach Job. 19, 41 die Leichname der Gekreuzigten vom Kreuze abgenommen vor Anbruch des Sabbats, weil jener Sabbattag groß war, nämlich mit dem zweiten Tage des Mazzotfestes d. i. dem 16. Nisan zusammenfiel, so daß die Sabbatfeier durch ein zwiefaches zu dem Sabbatopfer hinzukommendes Fest- opfer, a) das für jeden der 7 Festtage vorgeschriebene Festopfer Num. 28. 19—24 u. 6) die Darbringung der ersten reifen Gerstengarbe mit einem ent- sprechenden Dankopfer Lev. 23, 9 — 14 (vgl. m. bibl. Archäol. S. 412) erhöht wurde. Vgl. Hngstb. u. Luth, zu Job. 19, 14 u. 31. — Endlich die Stelle Job. 13, 1 — 4 lautet: „Vor der Paschafeier aber, da Je- sus wußte, daß seine Stunde gekommen sei, daß er aus dieser Welt gehe, nachdem er die Seinigen, welche in der Welt waren, geliebt hatte, liebteer sie bis zu Ende ; und als er im Begriffe ist, Mahlzeit zu halten, als schon der Teufel dem Judas, Simons Sohne, Ischariot ins Herz gegeben, daß er ihn ver- riethe, da er (Jesus) wußte, daß ihm der Vater alles in die Hände gegeben hatte erhebt er sich vom Mahle und legt sein Obergewand ab und fing an den Jüngern die Füße zu waschen". Für das richtige Verständnis die- ses schwerfällig gebildeten Satzes ist zu beachten, daß die sachliche Bestim- mung zu TiQo xrjg ioQzfjg tov naaxa mit iyeiQBxai ix rov 6einyov v. 4 folgt, auch wenn man mit Bl.^ Baeunilein (Ev. Job.), Luth. u. A. das i^yantjaey avxovs V. 1 als die logische Fortsetzung des tiqo tfjs boqx. t. n. faßt, da dieses riyanti- cey sachlich durch Bysi^exai xxX. erklärt wird. Weiter ist in Betracht za ziehen, daß deinvov yivofidyov (die richtige Lesart nach i<*BLX) Partie. Präs. und zu übersetzen ist: beim Werden, Beginnen des Mahles, nicht: als das Mahl begonnen hatte, und daß die Zeitbestimmung tiqo xrjs boqx, x. n. nach Mafigabe der Angabe tiqo si fi^eqwv xov nacx» 12, 1 zu beurteilen und dabei zu erwägen ist, daß Johannes in 12, 1 u. 13, 1 ebenso wie in 2, 13 u. 23 zwi- schen xo nccax« und r; boqxtj xov naaxct unterscheidet, nämlich mit xo naax« die Festzeit im Allgemeinen, mit ^ boqxtj x. n. die Feierzeit des Pascha be- zeichnet. Wenn es daher nach der Angabe: „6 Tage vor dem Pascha" (12, 1) hier heißt: „vor der Feier des Pascha", so führt uns diese Bestimmung in die unmitelbarste Nähe des Paschamahls am 14. Nisan, mit welchem die Pascha- Matth. XXVI, 17 (Todestag Jesu). 527 feier ihren Anfang nahm. Bei der Genauigkeit, mit welcher Johannes in 12, 1 u. 12 die Tage vor dem Feste zählt, kann ngo (t^s ioQV.) nicht einen Zeitraum eines ganzen Tages involviren, sondern nur wie z. B. n^o zov a^iaiov Luc. 11, 38 den Moment unmittelbar vor Anfang der Festfeier d. i. vor Beginn des Pa- schamahls angeben. — Wie aber schon nqo iris boqx. r. n. nicht auf den 13ten, sondern auf den 14. Nisan hinweist und durch diese Zeitbestimmung der Ge- danke nahe gelegt ist, das ^slnrov das man im Begriff stand zu halten, vom Paschamahle zu verstehen, so wird durch den v. 27—30 erwähnten Vorfall bei jenem Mnyoy die Meinung, daß das deZnyov am 13. Nisan stattgefunden, ge- radezu ausgeschlossen. Als nämlich Jesus während des detnyoy dem Judas zu verstehen gab, daß er von seinem Verrathe wisse und ihn aufforderte, bald zu thun, was er vorhabe, und Judas alsbald auch die Tischgesellschaffe verließ, meinten die Jünger, welche Jesu Aufforderung an Judas nicht verstanden, Jesus habe ihm gesagt, zu kaufen was für das Fest nötig sei oder den Armen etwas zu geben. Auf solche Gedanken konten die Jünger bei einem am Abende des 13. Nisan gehaltenen Mahle nicht verfallen, weil in den Nachtstunden des 13ten weder Kaufläden geöffnet waren, noch Arme auf den Straßen sich aufhielten, und für Einkäufe wie für Versorgung der Armen noch fast ein ganzer Tag (der 14te) freie Zeit bis zum Feste war. Fand hingegen das Mahl am Abende des 14ten statt, so war keine Zeit zu versäumen, wenn für das Fest noch etwas zu kaufen war, und in dieser Nacht war auch die Gelegenheit zu Einkäufen ge- geben. Denn nach Mittemacht wurden die Tempelthore geöffnet und das Volk strömte in den Tempel. Bald nach Mitternacht begannen die Vorbereitungen für die Darbringung der Chagigaopfer des 15. Nisan ; da werden die Händler, welche Dankopferthiere im Vorhof der Heiden und andere Opfergegenstände feil hielten, gewiß nicht gesäumt haben, von Mittemacht an auf dem Platze zu sein. In dieser Nacht konte man also kaufen, und ist gewiß manches für das Fest, das ja noch länger als einen Tag dauerte, gekauft worden. Und in dieser Nacht werden auch die Bettler nicht geschlafen, sondern sich teils an den Thü- ren der Häuser, in welchen Festmahle gehalten wurden, teils an den Tempel- eingängen eingefunden haben, um Almosen zu erlangen. Vgl. Kirchner S. 31 ff. u. Luth, zu Joh. 13, 29. Was sich uns aber aus genauerer Erwägung des Johann. Berichts über das ietnvov (13, 1) ergeben hat, das wird durch die Vergleichung dieses Berichts mit der synoptischen Darstellung des Paschamahls bestätigt. Der in dem Johann. Berichte auffallende umstand, daß Jesus, als man sich schon zum Kahle gelagert hatte, vom Mahle aufsteht und den Jungem die Füße wäscht, um ihnen ein Beispiel zu geben, daß sie thun sollen, wie er ihnen gethan, und sie zu belehren, daß der Diener nicht größer ist als sein Herr und der Apostel nicht größer als der ihn gesandt hat (Joh. 13, 4. 15. 16), wird nur erklärlich, wenn die Jünger beim Beginne des Mahls einen Anlaß zu einer solchen Beleh- rung gegeben hatten. Diesen Anlaß erfahren wir aus Luc. 22, 24 ff., wornach beim Paschamahle unter den Jüngern ein Streit oder Wetteifer {(piXopBixia) darüber entstand, wer von ihnen der größere zu sein scheine, und Jesus sie durch die Belehrung zurechtweist, daß der Größere dem Kleineren dienen solle, und ihnen vorhält, daß er in ihrer Mitte wie der Dienende sei. Dieser Vorhalt sezt 528 Matth. XXVI, 17. 18. eine Handlung Jesu vorans, bei der er sich ihnen als diaxoyÄr gezdgt hatte. Dies hatte er bei der Fußwaschung, welche Johannes überliefert hat, gethan. Die Johanneische Darstellung des lezten Mahles, welches Jesus Yor seiiMi Qefangennehmung mit seinen Jüngern hielt, enthält demnach nicht nur nichts, was auf ein von der Paschamahlzeit verschiedenes, einen Tag vor derselben ge- haltenes Abendmahl hindeutete, sondern enthält vielmehr bestirnte Andeutun- gen, welche für die mit den geschichtlichen Verhältnissen bekanten Leser sei- nes Evangeliums ausreichten, um in diesem detnyoy die Feier des Paschamahles am Abende des 14. Nisan zu erkennen. — Das ngiotoy xpevdog der neueren ne- gativen Evangelienkritik liegt in dem unhistorischen Verfahren derselben, daß sie die einhellige üeberlieferung der ältesten Kirche über das Verhältnis des vierten Evangeliums zu den drei ersten, ihm voraufgehenden a priori verken- nend oder verwerfend, bei ihren Operationen von dem Satze ausgeht: wer das Johannesevangelium allein läse, ohne die Synoptiker zu kennen, der wftide nicht auf die synoptische Chronologie geführt werden. Diesen Satz nent Ebrard (wissensch. Erit. S. 619 f.) mit vollem Rechte eine ,utopische, nichtige Voraus- setzung'. Denn ,es hat eben keine Leser gegeben, die nur den Johannes und nicht auch die Synoptiker gekaut hätten. Johannes schrieb für Leser, welche die Synoptiker kanten, und er sezt diese Bekantschaft mit den Synoptikern bei seinen Lesern voraus^ — Wenn Johannes sein Evangelium nicht zu dem Zwecke schrieb, um die Gremeinden erst mit den einfachen evangelischen Thaisadien und den Elementen der Heilserkentnis bekant zu machen, sondern diese Eent- nis als in den Gemeinden schon verbreitet voraussezt, so hatte er nicht nSüg, das detnyoy, bei welchem Jesus sich vor der Paschafeier vom Mahle erhebt, nin den Jüngern die Füße zu waschen, ausdrücklich als Paschamahl zu bezeichnoi, weil die Christen, für die er sein Evangelium schrieb, um sie in dem Glauben, daß Jesus der Christ, der Sohn Gottes sei (20, 31), tiefer zu gründen, darüber schon hinreichend unterrichtet waren, daß dieses Mahl, nach dessen Beendigung Jesus in der Nacht verrathen und gefangen genommen wurde, das Paschamahl war, bei welchem Jesus, wie die Synoptiker berichtet hatten, unmittelbar vor seinem Todesleiden das heilige Abendmahl gestiftet hatte. Demnach beruht der Nachweis, daß die vier Evangelien über das lezte Mahl des Herrn und den Todestag Jesu übereinstimmen, welchen Tholuck^ Olshausen, Hengstenberg (Ev. KZ. 1838 u. in d. Comm. zum Ev. Joh. u. zur Lei- densgesch.), Wieseler (chronol. Synopse u. Beitrr.), Wichelhaus, Hqfmann (Ztschr. f. Protest, u. K. 1853) u. Lichtenstein, Langen, Kirchner, Luthardt, Andreae (der Todestag Jesu in »Beweis des Glaubens* 1870 S. 288 ff. u. 407 ff.), Rotermund (von Ephraim nach Golgatha, in d. Theol. Stud. u. Krit. 1876, S. 81 ff.) u. V. A. mehr versucht und geführt haben, auf solidem geschichtlichen Grunde. V. 18. Der Auftrag, welchen Jesus den Jüngern, nach Mrk. u. Luk. den beiden: Petrus und Johannes, hinsichtlich der Bereitung des Pa- schamahles erteilte, lautet bei Mtth. sehr kurz: „Gehet in die Stadt zu dem und dem und sagt ihm: der Meister spricht: meine Zeit ist nahe, bei dir halte ich das Pascha mit meinen Jüngern*'. '0 öetva ein gewis- ser, den man nicht nennen will oder kann. Daraus ergibt sich, daß Jesus den Namen des Mannes den Jüngern nicht genant hat. Der Auf- MattL XXYl, 18. 19. 529 trag aber, den sie an den Ungenanten aasrichten sollen, zeigt, daß die- ser Mann ein, wenn auch verborgener Jünger Jesu war, welcher wußte, daß Jesus den Tod erleiden werde. Schon 6 öiödöxaXog der Lehrec xaz h^oxTjv {Mey.)^ ohne Zweifel im Kreise der Jünger stehende Be- zeichnung Jesu, sezt voraus, daß der Mann ein Gläubiger war. Noch mehr das folgende: o xaiQoq fiov der Zeitpunkt d. i. die von Gott be- stimte Zeit meines Leidens und Todes (vgl. Luc. 22^ 16 = ^ Sga Job« 13, 1. 17, 1) ist nahe. Hätte der Ungenante von den Verkündigungen des Leidens und Todes Jesu nichts gewußt, so würde dieses Wort Jesu ihm ganz unverständlich geblieben sein. Die Eentnis seiner Leidens- verkündigungen bei ihm voraussetzend läßt Jesus ihm nur sagen, daß die Zeit seines Todesleidens nahe sei, und er deshalb das Pascha bei ihm halten wolle (jcocci ist nicht fuhcr. aiUc., sondern vergegenwärti- gendes Präsens). An diesen Worten solte der Mann erkennen, daß Je- sus vermöge seiner göttlichen Natur nicht nur überhaupt seinen Tod, sondern auch den von Gott bestimten Zeitpunkt desselben vorauswisse, um ihn im Glauben zu befestigen. Aus demselben Grunde nent Jesus offenbar auch den beiden Jüngern den Namen des Mannes nicht, näm- lich um sie im Glauben an seine gottmenschliche Person zu befestigen und sich ihnen als den zu bezeugen, der alle Dinge weiß. Hätten wir nur die Belation des Mtth., so könte man allenfalls meinen, daß Jesus den Namen des Mannes, in dessen Hause sie das Paschamskhl bereiten selten, genant hatte und nur Matth. den Namen nicht angegeben habe, weil er sich in der Ueberlieferung nicht erhalten hatte. Aber diese Meinung wird durch die Berichte des Mrk. u. Luk. über die Art, wie Jesus sie an den rechten Mann wies, ausgeschlossen. Nach diesen Be- richten «agte Jesus den Jüngern: in der Stadt werde ihnen ein Mann, einen Wasserkrag tragend, entgegenkommen, diesem sollen sie in das Haus, in welches er hineingehe, folgen und den Eigentümer des Hau- ses nach der Herberge, wo Jesus das Paschamahl halten könne, fra- gen, worauf derselbe ihnen ein großes mit Polstern belegtes Oberge- mach hiefür anweisen werde. Diese Anweisung läßt sich nicht aus einer Verabredung, welche Jesus etwa mit dem Manne vorher getroffen hatte, erklären; denn das Gehen des Mannes mit dem Wasserkruge auf der Straße ließ sich nicht verabreden, da die Zeit der Ankunft der Jünger in der Stadt sich voraus nicht bestimmen ließ. In der angege- benen Weise konte Jesus nur vermöge göttlicher Präscienz die Jünger den rechten Mann finden lehren. Somit sind alle Versuche, dieses über- natürliche Moment in diesem Vorgange durch Annahme einer Trübung oder gar traditioneller Umbildung der Sache ins Wunderbare als un- statthaft abzuweisen (vgl. Hngsihg.'s Bemerkk. gegen OlshaiLsen)\ und das Verhältnis der drei Belationen darüber ist nicht so zu bestimmen, daß der Vorzug der Ursprünglichkeit entweder der Darstellung bei Matth. {Str,, BL, Keim, Mey.\ oder dem Mrk. u. Luk. (Schleierm., Ew., Weiss u. A.) zukomme, sondern so, daß Matth. wie immer sich nur auf Angabe des Kernes der Sache, wie Jesus den Jüngern und dem Haus- eigentümer sich als den bezeugte, der alle Dinge weiß, beschränkt hat, Kall, Comm. x. Erangel. Matth. 34 530 Matth. XXVI, 19—21. Mrk. a. Lnk. hingegen den Hergang umständlicher berichteil) dabei aber die Worte Jesu weniger genau überliefert haben. — Y. 19. Die i)eiden Jünger fanden die Sache, wie Jesus ihnen vorausgesagt, und be- reiteten in dem ihnen zugewiesenen Gemache das Paschamahl. V. 20—25. Das Paschcmdhl am Abende. Vgl. Mrc. 14, 17-25. Luc. 22, 14. 21>-80. lieber die Paschamahlzeit bemerken alle drei Evangelisten nur, daß Jesus als es Abend geworden (zur üblichen Stunde, Luk.) sich mit den Zwölfen zu Tische legte. Dann erz&hkn Mtth. u. Mrk., wie Jesus während des Essens über den Verrath eines seiner Jünger sich aussprach und den über diese Eröffnung betrübten Jüngern den Judas Ischariot als Verräther kentlich machte (v. 21—25. Mrc. V. 18—21); und dann das heil. Abendmahl einsezte (v. 26—29. Mrc. V. 22—25). Luk. hingegen berichtet zuerst die Einsetzung des heil. Abendmahls (v. lö — 20), hierauf kurz die Anwesenheit des ye^ räthers bei Tische (v. 21—23), und hernach noch von dem Rangstreite der Jünger und ihrer Zurechtweisung durch Jesum (v. 24—30). Dies lezte Factum ist aber durch iyivero 6k Tcal q>iXovBixla so lose an das Vorhergehende angereiht, daß man sieht, wie der Evangelist dasselbe nur nachträglich erwähnt, nicht der Zeit nach hinter die Einsetzung des heil. Abendmahls setzen will. Wohin der Rangstreit chronologisch gehört, nämlich an den Anfang des Paschamahles, haben wir schon S. 527 gezeigt. — Aber auch die voraufgehende Erzählung des Lok. (v. 15—23) können wir nicht für chronologisch halten. Die Aussage Jesu über den Verräther (v. 21—23) ist durch jiXriv löov nur lose an die voraufgehende Einsetzung des heil. Abendmahls angefOgt, und übe^ haupt ist eine Andeutung über den Verräther unmittelbar nach Ein- setzung des heil. Abendmahls nicht sehr warscheinlich, dazu noch die Notiz über den Verrath sehr aphoristisch, kein Wort darüber wie Jeans den Verräther kentlich machte, enthaltend, wie doch nicht nur Mtth. u. Mrk., sondern auch Johannes (13, 23—26) berichten. — Demnach müssen wir der Darstellung des Mtth. u. Mrk., nach welcher Jesus während der Paschamahlzeit, vor Stiftung des heil. Abendmahls sich über den Verräther aussprach, den Vorzug der richtigen Anordnung zuerkennen, und die alte Streitfrage, ob der Verräther Judas bei Ein- setzung des heil. Abendmahls anwesend war und Brot und Wein des Abendmahls mit empfangen habe oder nicht, verneinend dahin beant- worten, daß er bereits vorher sich aus dem Kreise der Tischgesell- schaft entfernt hatte, vgl. Job. 13, 30. V. 21. ^öd^iovrcov avT<5v während sie aßen, d. i. wie v. 26 zeigt, noch vor Einsetzung des heil. Abendmahls, enthüllt Jesus das Vorha- ben des Verräthers. Damit stimt auch Johannes, sofern er die Kent- lichmacbung des Verräthers gleich nach dem Fußwaschen folgen l&Bt 13, 21 ff. — Nach Luk. eröffnete Jesus das Mahl mit den Worten: „Mich hat herzlich verlangt, dieses Pascha mit euch zu essen, bevor ich leide; denn ich sage euch: Ich werde nicht mehr davon essen, bis es im Reiche Gottes erfült d. h. vollendet sein wird", und nahm hierauf einen Becher Wein, segnete ihn und teilte ihn aus, d. h. reichte ihn den Matth. XXVi, 21. 531 Jftngern hemm z«m Trinken mit den Worten: „Ich sage ench, daS ich vom Gewächse des Weinstocks nicht mehr trinken werde, bis das Reich Gottes (das Beich der Herrlichkeit) gekommen sein wird^^ (y. 15—18). Dafi Jesus mit diesen Worten die Mahlzeit eröShete» lUt sich mit Sicherheit ans den rabbinischen Bestimmungen über die Feier des Paschamahls, wie sie im Tract Pesachim (besonders c. 10 der Mischna) und in der Pesach-Haggada enthalten sind, schließen. Denn obgleich das Alter dieser Bestimmungen größtentheils sehr zweifelhaft ist, so bernhen doch die Grandzüge des Bitaals auf altem Herkommen, daher wir zum besseren Verständnisse der evangel. Berichte das Wich- tigste daraas kurz zusammenstellen wollen. ^ Nach Rdbh, Gamalie! in M, tr. PeMoch, iO, 5 sind aom Paschamahle erfor- derlich: MDB (das Paschalamm) nzcQ (ungesäuertes Brot) und '^i-ts Bitteres, aufierdem nach Pex, 10, i Wein f&r vier Becher, den auch der Aermste haben und wenn er ihn nicht selbst sich anschaffön kann, von der (Commune erhalten soll. — Nachdem man sieh zum Mahle niedergelassen hatte, wurde ein Becher mit Wein geffilt; über diesen sprach der Hausvater den Segen, das «h^ HeUige (das Weihgebet far das Mahl), trank davon mid ließ der Reihe nach alle Tisch- genossen trinken. Hierauf nahm (nach der Haggada) der Hausvater etwas DB'na d. i. Lattich, tunkte es in Essig oder Salzwasser, aß es und gab allen davon zu essen; dann nahm er eine Mazza, brach sie in zwei Hälften und legte die grdßere zum Nachtische zurück. Jezt fülte man den Becher ziun zweiten Male mit Wein und der Jüngste in der Gesellschaft fragte, was dies alles zu bedeuten habe, worauf der Hausvater die ganze Geschichte der Knechtschaft Israels in Aegypi ten nnd der Erlösung aus diesem Lande nach der Bibel erzählte. Darauf wurde der Becher in die Höhe gehoben und dabei gesprochen! Wir sind schuldig zu danken, zu lobsingen u. s. w. nach P^. 10, 5; dami wurde der Becher wieder niedcrgesezt, Ps. IIB n. 114 gesungen und nach dem Gesänge der Becher ge- trunken. Nun folgt erst das eigentliche FestesscD, das damit begann, daß der Hausvater etwas Mazza genoß und für jeden Tischgenossen ein Stückchen zum Essen abbrach, dann Bitterkraut nahm und es auch wol mit einem Stückchsa Mazza in den Brei tauchte und aß und den anderen in derselben Weise gab, darauf den Segenssprucb über das Osterlamm sprach, welches nun gegessen wurde. Am Schlüsse aß man das Stück Mazza, welches vorher zum Nachtisch zurückgelegt war. Alsdann wurde der dritte Becher eingeschenkt, nannn 019 {notfj^ior T^f evXoylag 1 Eor. 10, 16) genant, die Lobpreisung gesprochen und der Becher getrunken. Darauf wurde der Becher wieder vollgeschenkt und der zweite Teil des Hallel (Ps. 115—118) gesungen, und nach dem Hallel getrun- 1) Die Pesach' Haggada ist oft u. noch in 5. Aufl. Leipz. 1866 hebr. mit deutscher üebersetzung gedruckt. Die wichtigste Literatur über die tahnud. u. nbbin. Quellen, sowie üoer die von vielen Gelehrten, Buxtorf, Light/., Bario* locci, Lundius, ügoUni u. A. mehr, zur Erläuterung des evang. Orients über die coena Domini daraus gegebenen Auszüge haben Wichelhaw a. a. 0. S. 2471 u. Kirehner (die jüd. Passanfeier) S. 8 f. verzeichnet. In neuester Zeit haben Friedlieb, Archäol. der Leidensgesch. §. 18 u. Kirchner a. a. 0. S. 11 das jü- dische Ritual recht sorgfältig beschrieben, wogegen die Beschreibung bei Schrih äeff Satzungen und Georäuche des talmudiseh- rabbinischen Judenthums 1851 — weil ohne Quellenbelege — für den wissenschaftlichen (jebrauch wertlos ist. 34» 532 Matth. XXYI, 22. 23. ken. Zuweilen wurde noch ein f&nfter Becher getranken nnd dabei Ps. 120—131 gesungen. Zum Schlüsse stimte man immer den Lobgesang Ps. 136 an: „danket dem Herrn, denn er ist freundlich'', mit dem bei jedem Verse wiederkehrenden Befrain : „und seine Güte währet ewiglich''. Bis Mittemacht muiSte die Feiei beendigt sein. — Wichtig ist für den evangelischen Bericht über die Pascha- feier Jesu mit seinen Jüngern die Angabe, daß das Mahl mit einem Becher Weiu begann und nach dem Essen des Lammes der ,Becher des Segens' getrunken wurde, und die Mahlzeit mit einem Lobgesange schloß ; unklar bleibt aber die Frage, was die Schüssel enthielt, in welche mit Jesu Judas die Hand eintauchte (y. 26 bei Mtth.) oder Jesus den Bissen eintauchte, den er dem Judas reichte (Joh. 13, 26). Warscheinlich enthielt sie den Brei oder das breiartig zubereitete Gemüse, welches die Babbinen ntji^li, nennen. ^ Ueber die feierliche Erklärung Jesu: „warlich ich sage euch: einer von euch wird mich verrathen^^ (jtaQaöciosi fi€ wird mich den Feinden überliefern, v. 21), wurden die Jünger sehr betrübt und fingen an, ein- zeln jeder, ihm zu sagen: fii]Ti iyoi eifii „doch nicht etwa ich bin es, Herr?^^ Das slg ig vficov ist so allgemein gesprochen, daß ciiie Jünger zu ernster Selbstprüfung ihrer Herzensstellnng zu Jesu veranlaßt wer- den selten. In der Antwort Jesu v. 23: „Der mit mir die Hand in die Schüssel eintaucht, der wird mich überliefern^^ wird sfißdipag von feto- tischem (noch bevorstehendem) Eintauchen verstanden {de W., ßLu.L). 1) Das Wort noi^n wird von den Talmudauslegem verschieden erklirt. Zu M. Pißsach. 2, 8, wo verboten wird, Mehl in das nDinn zu thun, bemeikt Bartenora (bei Surenh.): noi^n est id quod constat aceto et aqua^ ad immer- gendum in eo carnem. Dagegen zu Fes. 10,3 bemerkt derselbe Bart.: nOTW pulmentum quod conficitur ex ficubtis., avellanis (Nüssen), pistactis, amygddlis aliisque fructibus , quibus adjiciunt poma, quae omnia in mortario contundunt et miscent cum aceto, cui adjiciunt condimenta, ut, aromata^ cinnamonum^ in forma •fasciae ßiatae obJongae, in memoriam paleae ; necesse est etiam ut sit admodum crassum instar tuti. Kürzer sagt Maim, zu dieser St. : roi^in est mixtura quae- dam in qua similitudo est paleae et luti (d. h. zur Erinnerung an die in Aegypten aus Lehm und Stroh gefertigten Ziegel). R. Levy endlich im Neuhebr. u. Chald. Wörterb. II S. 113 : roi^n ,ein Brei, der aus zerstoßenen u. geschabten Fruch- ten mit einer Beimischung von Essig als Tunke zubereitet wurde'. — Insbes. oft eine solche Tunke, in welche man am Pesachabend die vorgeschriebenen Kräuter, Lattich u. dgl. eintaucht'. Aber von diesem also zubereiteten Brei heißt es Pes. 10, 3 nach dem im jer. Talmud enthaltenen richtigen Texte : daß noinn zu genießen nicht Pflicht ist (s. den Text mit Uebersetzung bei Levy IL 35 s. V. n^tn). Dieser aus süßen Früchten säuerlich bereitete compacte Brei ist demnach sicher eine erst später in Gebrauch gekommene Zuthat zum Pascha- mahle (daher nicht Pflicht) , die in ihrer mannigfaltigen Zusammensetzung die Produkte des gelobten Landes repräsentiren, und — wie Hngstb. (Comm. z. Leidensgesch. S. 43) vermutet — den Gedanken abbilden solte, ,daß diese ein Annex der durch das Paschaopfer versiegelten Bundesgnade sind*. Durch diese neue Art der Bereitung des rö-.^n wurde warscheinlicn das früher übliche, ad immergendum in eo carnem bestimte rbinn verdrängt, und nun, um dem Gesetze Exod.'l2, 8 zu genügen, ein Gefäß mit Essig oder saurem Wein (acetum et aqva wie Bart, zu Pes. 2, 8 sagt) auf den Tisch gesezt, worein man aber nicht Fleisch oder Brot, sondern den ungekochten Lattich eintauchte. Ich vermute daher, daß PDinn ursprünglich ein aus bitteren Kräutern bereitetes Gemüse als Zukost zum Fleische war, welches man mit einem Stücke Brotkuchen aus der Schüssel zum essen herausholte. Matth. XXYI, 28. 24. 533 Dagegen premirt Mey. den Aorist als Präteritum nnd übersezt: wer eingetaucht hat, nämlich vorher, wo noch Andere die Hand in der Schüssel, aus welcher Jesus aß, gehabt haben. Hiemach hätte Jesus mit diesen Worten den Yerräther gar nicht näher bezeichnet, um ihn nicht offen zu entlarven. Aus demselben Grunde haben Glöckler, Lan- gen, Hngstb. unter Berufung auf 6 ifißajnofievog (des Mrk.) die Ant- wort Jesu nur als vielleicht sprichwörtlichen Ausdruck des allgemeinen Gedankens: einer von meinen Jüngern, von deigenigen, die mit mir aus derselben Schüssel essen, fassen wollen, womach Jesus keine directe Antwort auf die Frage der Jünger gegeben, sondern nur das bereits Gesagte mit Nachdruck und mit Anspielung auf Ps. 41, 10 wiederholt haben würde. Für diese Auffassung läßt sich geltend machen teils, daß nach Job. v. 24 Petrus durch den an der Brust Jesu liegenden Jo- hannes Jesum fragen läßt, wer der Yerräther sei, teils, daß nach Mtth. u. Mrk. hernach noch Judas selbst Jesum fragt: doch nicht etwa ich bin es? indem beides voraussetze, daß Jesus keine directe Antwort ge- geben habe. Allein keiner dieser Gründe ist entscheidend. Die durch Vermittlung des Johannes an Jesum gerichtete Frage nebst der Ant- wort Jesu war offenbar so leise gesprochen, daß die übrigen Jünger sie nicht vernahmen, so daß also Judas noch hinterher fragen konte. Dies konte er aber in scheinheiliger Weise auch noch thun, wenn Jesus die von Mtth. mitgeteilte Antwort laut gegeben hatte, sobald er nur nach dieser Antwort, um sich nicht selbst zu verrathen, die Hand nicht mit Jesu in die Schüssel getaucht hatte. Gegen die Fassung des 6 ifi/idtpag fiSTs/iov in dem allgemeinen Sinn: einer meiner Tischgenossen, spricht entscheidend der Gebrauch des Part. Aor., welches nicht sich wieder- holende Handlungen oder das was man zu thun pflegt, ausdrücken kann. Das ifißdtpag kann sprachlich nur ein factisches Eintauchen bezeich- nen, woraus aber nicht folgt, daß der Aorist mit Mey, als Präterit. zu fassen ist. Zulässig ist dies, aber nicht notwendig, da hier wo das Hanptverbum im Futur folgt, der Aorist im Sinne des latein. fuL exdcU stehen kann; vgl. Winer Gr. §. 45 S. 321 u. Kühner H S. 153 A. 2. Hat Jesus gesagt: wer mit mir die Hand in die Schüssel eingetaucht haben wird, der wird mich verrathen, so war Judas damit nicht ent- larvt, so lange er nicht mit Jesu zugleich die Hand in die Schüssel ein- tauchte. Ob er dies gethan oder nicht, läßt Mtth. unbestimt, aber die Y. 25 folgende Frage des Judas zeigt, daß er es nicht gethan hat. — y. 24. Jesus sezt hinzu: „Der Menschensohn geht zwar dahin, wie von ihm geschrieben ist; wehe aber jenem Menschen, durch welchen der Menschensohn überliefert wird. Es wäre gut jenem Menschen, wenn er nicht geboren wäre". Die Wiederholung des 6 vlbg xov dvO'Qoijtov und des 6 avO-Qcojcog kxetvog gibt der Rede ,tragischen Nachdruck' (Mey.). vjtdysi entspricht dem hebr. l(?^ das Scheiden aus dem irdi- schen Leben bezeichnend. Damit man aber seinen Tod nicht für ein Werk der List des Verräthers und der Macht seiner Feinde halte, sondern als Erfüllung des göttlichen Rathschlusses erkenne und sich dadurch nicht im Glauben an ihn als den Sohn Gottes irre machen 134 Matt^ XXVI, 25. 26. iMse, sezt Jesus hioBa: X(x9-C7g y^Qoxvcu scegluotov^ nftmlich in det messianischen WeiBagangen des A. T. Aber diese höhere Notwendig- keit seines Todes ^ der er sich willig unterzieht, vermindert nicht die Sdiuld deB Verrftthers, der ihn seinen Feinden überliefert. „Wehe dem Verräther!" ^t ai xa^aöl&orat durch welchen er verrathen wird. KaXbv 7jv ix^A gut (nicht: besser) wäre ihm, wenn er nicht wäre ge- boren worden, sc. weil er dann nicht dem ewigen Verderben in der HMle würde verfallen sein. Dieser Ausspruch des Herrn liefert ein wichtiges Zeugnis gegen die L^re von der Wiederbringung. Denn wo* a«ch nach Tausenden von Jahren noch su der ewigen Seligkeit gelangt, von dem kann nicht gesagt werden, daß ihm gut wäre nicht geboreo zu sein. In diesem feierlichen Momente redete Jesus nicht in Hyp^ beln oder sprichwörtlichen Ausdrücken, von denen man sagen könte, daß isie nicht zu pressen seien. Daß vi^mehr ,'diese Worte in ihrer ganzen Strenge zu nehmen sind, das zeigt auch das entsprechende 6 vibq T^$ djt(oZBlttg Joh. 17, 12 der Sohn des Verderbens s. v. a. der dem ewigen Verderben Angehörige; eine Bezeichnung, welche im N.T. nur noch einmal 2 Thess. 2, 3 vom Antichriste gebraucht wird, der furchtbarsten Ooncentration des Bündlichen Verderbens auf Erden^ (Hhffsib.). — V. 25. Troz dieser ernsten Warnung war Judas so fitech, noch zu fragen: „Doch nicht etwa ich bin es, Rabbi ?^' worauf Jesus mit 0^ ebtag d. h. ja du bist es, ihm «einen Verrath offen heraussagt. Diese directe Aussage begründet keinen Widerspruch mit Joh. 13, 36 ff., wo V. 29 (nach Mey.) voraussetzen soll, daß sie nicht geschehen sei. Denn der in Joh. 13, 23—26 erwähnte Vorgang ist der Frage des Judas vor- ausgehend zu denken. Nachdem Jesus ihm den eingetauchten Bissen gereicht hatte, fragte Judas, um sich teils vor den andern Jüngern teils auch Jesu gegenüber den Schein zu geben, daß er an Verrath nicht denke, noch fi'f]Ti syci slfii und provocirt dadurch die offene Erklä- rung Jesu, daß er der Verräther sei. Wenn nun auch die übrigen Jün- ger diese Frage des Judas und Jesu Antwort gehört hatten, so mochte ihnen doch der Gedanke, daß Judas sein Vorhaben sofort ausführen werde, und vollends der Gedanke, daß Jesus ihn auffordere, dies xdxiov recht bald zu thun, so fern liegen, daß sie den Sinn der Worte: „was du thuest, thue bald^^ nicht begriffen und sich in den v. 29 mitgeteilten Vermutungen darüber ergingen: jiQog rl zu welchem Behufe er ihm dies gesagt hatte. V. 26—29. Die Einsetzung des heiligen Abendmahls. Vgl. Mrc. 14, 22—25. Luc. 22, 19 u. 20 und dazu 1 Kor. 11, 23—27. * In dem 1) Vgl. Sartoriwf^ Vertheidigmig der luth. Abendmahlslehre gegen die reformirtft u. katholische, in d. Dorpater Beitrr. zu d. theol. Wissensch. Hamb. 1832. 1 S. 305—347; K. Slröhel, die Schriftmäßigkeit der evangel. Abendmahlfl- lehre, in der Luth. Ztschr. v. Rudelb, u. Guer. 1842. 1, 115 ff. u. III, 85 ff. - F. C. Rodatz^ über die Einsetzungsworte des heil. Abendmahls, ebdst. 1843. 1, 65 ff. III, 1 ff. u. IV, 1 ff. — K, F. A. Kahnis, d. Lehre vom Abendmahle. Lw. 1851. Die hier verteidigte eigentliche Auffassung der Einsetzungsworte hat Kahnis später, vgl. Luther. Dogmatik I, 606 ff. u III, 345 ff. u. in der 2. um- gearb. Ausg. (1876) Bd. II S. 345 ff., mit der uneigentlichen vertauscht. - MaUh. XXYI, 26. Ö3ö Berichte über diese Stiftang des Herrn stixnt Uxk. mit Mtth. übereüi ; nur hat er v. 22 qxxyers nach Xaßexe ausgelassen und in v. 93 bei Darreichung des Kelches (vgl. mit y. 27 des Mtth.) statt der Worte Xb" yoov' Jilsre £§ avrov xdpvsg die Ausführung dieser Worte: xal Ijilop B§ avTOV nameg gesezt Zwei einfache Abkürzungen. Wichtiger er- scheint die Weglassung des Blq äq>6aiv afiagtuDV y. 24, erklärt sich aber auch aus der Voraussetzung, daß dieser Gredanke schon in den Worten: ,das Blut, das £Qr Viele yergossen wirdS enthalten sei. 3elb* ständiger und genauer ist der Bericht des Luk. Zu den Worten: idas ist mein Leib^ ist hinzugesezt: „der für euch gegeben wird. Dieses thut zu meinem Gedftchtnis^S In y. 20 ist durch den Zusatz: fiszä xb ösi- nvTJoai die Situation näher bestirnt, im übrigen aber die Relation kür- zer gefaßt Abweichend yon Mtth. lautet auch die Spendeformel bei Darreichiing des Kelches, worüber später mehr. In allen diesen Ab- weichungen stimt Luk. mit dem Berichte des Apostels Paulus in IKor. 11, 23 ff., woraus sich ergibt, daß Lok. yon Paulus als dessen yertrau- ter Schüler seinen Bericht empfangen hat. Uebrigens wird durch alle diese Abweichungen der sachliche Inhalt nicht geändert. y. 26. Das kod-iÄvxmv de avT<3v weist auf y. 21 zurück. Durch die Verhandlung über den Verräther war der Bericht yon dem Essen unterbrochen. Deshalb nimt Mtth. koi^iopzwp amäv wieder auf, um den Zusammenhang der Einsetzung des Abendmahles mit dem Pascha- mahle bestirnt anzugeben und zugleich den realen Zusammenhang des neuen Bundesmahles mit dem alten anzudeuten. Der Zeit nach haben wir die Einsetzung des heil. Abendmahls an das Ende des Pascha^sens zu setzen, d. i. nach der obigen Beschreibung des Paschamahles an d^ Schluß desselben, als das Lamm gegessen war und der dritte Becher eingeschenkt zu werden pflegte. Denn da war die Mahlzeit factisch zu Ende, indem nur noch Loblieder gesungen und ein paar Becher Wein getrunken wurden, zumal es gar nicht so ausgemacht ist, wie meist angenommen wird, ob dieser Abschluß oder richtiger gesagt dieser An- hang der Paschaf^r damals schon so unyerbrüchliche Sitte war, wie der Talmud und die Pesach-Haggada angeben. Wenn das heil. Abend- mahl den Charakter einer selbständigen neuen Stiftung erhalten solte, so durfte die Spendung der beiden Elemente, des Brotes und des Wei- nes nicht yon einander getrent werden, und auch die Einheit und In- tegrität des Paschamahles nicht durchbrechen. Da nun die Segnung des Kelches (taxä ro ÖBiowfjOat erfolgte, so kann auch die Segnung und Spendung des Brote^ nicht früher geschehen sein. Während des Eisens des Paschalammes sprach sich Jesus über den Verräther aus und da O. Thomasins, Christi Person n. Werk. III, 2 8. 67 ff. der 2. A — Pkilippi, Sjrchlicbe Glaubenslehre V, 2 (1871} S. 409 ff. — Die reformüite Auffassunjg yeiteidi^ Ebrard, d. Dogma vom heil. Abendmahle. Bd. I (1845)^ ygl. dazu die krit. Bemerkk. von Eodatz in d. Luth. Ztschr. 1846, III S. 50 ff. — Die ratio- nalistische Ansicht findet man bei D. Schulz, d. christl. Lehre vom Abend- mahle. Lpz. 1824. 2. A. 1881 und bei Rackert das Abendmahl. Sein Wesen xl aaine Qesefaiohte in d. alten Kirche. LpE. 18&6. 536 Matth. XXYI, 26. 27. Jadas sich sofort, nachdem Jesus ihn als solchen hezeichnet hatte, ans dem Kreise der Tischgesellschaft entfernte , so war er bei der Stiftnng des heil. Abendmahls nicht mehr anwesend. — „Jesus nahm Brot und nachdem er es gesegnet, brach er es und gab's den Jüngem'\ Vor ap- top fehlt der Artikel xöv in ^BCDEZal; und diese Godd. haben auch BvXcrfrjöaq, während die rec. xbv ägtov und evxccQiöxijöag nur durch Ar AU aL bezeugt ist. In Bezug auf den Sinn begründen diese Varian- ten keinen wesentlichen Unterschied. Das unbestimte agrov kann nur Brot sein, welches zum Paschamahle gegessen wurde und auf dem Tische lag; und die Danksagung (evx(XQiOx'qöaq) schließt die Segnung (^oXor/rjCaq) in sich, wie schon der Wechsel beider Worte in v. 26 u. 27 zeigt. In y. 26 unsers Textes ist svyccQiözijoag aus Luk. u. 1 Kor. 11, 24 gekommen. Das Segnen konte svxccQioretv genant werden, weil der Dank gegen Gott, mit dem man bekent, die Grabe von ihm empfangen zu haben, das Mittel ist, durch welches man den Segen auf sie herab- fleht. Der Segen aber, den Jesus über Brot und Wein sprach, war kein bloßer Segenswunsch, sondern eine reale Mitteilung göttlichen Segens wie bei dem svXoystv tovg aQxovg in 14, 19, nur mit dem ünte^ schiede, daß dort der Segen in wunderbarer Stärkung der leiblichen Nährkraft des Brotes bestand, hier dagegen darin, daß der irdischen Speise die Kraft zur geistlichen Speisung der Seele verliehen wurde. — Der Segnung des Brotes folgte das Brechen und Austeilen desselben mit den bedeutsamen Worten: „nehmet, esset, dies ist mein Leib'^. rovTO ist das gesegnete und in Stücke gebrochene Brot, welches Jesus den Jüngern zum essen reichte, also weder auf den lebendigen Leib Christi {Carlstadt), noch auf das erst zu sagende Vt^McbX (Ströhef) hinweisend. Wie Jesus das Brot den Jüngern gab, ob jedem einzelnen ein Stück darreichend, oder die gebrochenen Stücke auf einem Teller ihnen gebend, läßt sich aus den Worten nicht erkennen, aber die leztere Weise ist warscheinlicher, weil der Sitte, daß die Speisenden lagen, nicht am Tische saßen, mehr entsprechend. lieber den Sinn des kcxl ist s. später, ro öcifia [lov ist weder der physisch-materielle noch der geistig verklärte Leib Christi, sondern der für die Menschen in den Tod gegebene Leib Jesu Christi. Die nähere Bestimmung xb vjuq vfi(5v diöofisvov bei Luk. ist auch bei Mtth. u. Mrk. hinzuzudenken; sie liegt zwar nicht sicher implicite in den exXaöev, ergibt sich aber zweifellos aus der näheren Bestimmung des xo alfid fiov durch xo mqI jtoXXSv exxvvöfcsvov v. 28, und konte von Mtth. u. Mrk. weggelassen werden, weil die Sache aus der kirchlichen Feier^ des Abendmahls in den Gemeinden bekant war. V. 27 f. Bei jtoxj]Qiov fehlt auch der Artikel in v^BEFGZA al, wird aber durch ACDHKMSUVm al bezeugt. Der Kelch jtoxijgiov ist nach einer eben so naheliegenden als häufigen Metonymie {conti- nentis pro contentö) statt des Weines genant, weil der Wein gewöhn- lich in einem Becher gereicht wird. Nachdem Jesus das Dankgebet darüber gesprochen, reichte er denselben den Jüngern mit den Worten; „trinket alle daraus*, denn dieses (dieser gesegnete Wein) ist mein Blnt Matth. XXTV, 27. 28. 537 des Testaments (d. h. des Bundes) , das für Viele vergossen wird zu Sündenvergebung". Die Lesart xb alfid fiov rffq diad^xjjg hat Tisch, 8 nach t^BDLZaL aufgenommen statt der rec. xb alfid fiov xb x^g occu- vyg öiad^Tcrjg, die wol nur aus Mrk. stamt. Blut des Bundes (f^'^^.a'l 0*5 äi[ia xfig öia^xijg) nent Mose Exod. 24, 8 das Opferblut, mit dessen Sprengung an den Altar und auf das Volk der Bund am Sinai geschlos- sen wurde. Mein Blut des Bundes ist hiemach das Blut, welches zur Stiftung meines d. i. des neuen Bundes vergossen wird. Der am Sinai durch sühnendes Opferblut vollzogene Act der Bundschließung war die Besiegelung der Verschonungsgnade, welche der Herr seinem Volke Israel in Aegypten durch das Blut des Paschalammes zugewendet hatte. Die jährliche Wiederholung des Paschamahles war demnach eine stete Erneuerung der Bundesfeier, daher bei ihr das Blut des Paschalammes an den Altar gesprengt wurde; und diese Blutsprengung war die Be- dingung, unter welcher das Paschaessen Bundesmahl wurde. Aus die- sem Grunde schließt Jesus die Stiftung des heil. Abendmahles an das Paschamahl an und bezeichnet sein Blut, das er zu vergießen im Be- griffe steht, als Blut seines Bundes, d. h. des von ihm zu stiftenden neuen Bundes, von welchem Jer. 31, 31 ff. geweißagt war, daß er in Vergebung der Sünden bestehe. Diese Bedeutung des Paschamahles in Verbindung mit der Weißagung des Jer. von der Stiftung und dem Wesen des neuen Bundes konte den Jüngern auch den Sinn der Worte: dieser Kelch von dem ihr trinket, ist mein Blut des Bundes, das für Viele vergossen wird, verständlich machen , so weit dies vor der that- sächlichen Vergießung des Blutes Jesu Christi oder vor der factischen Hingabe seines Lebens in den Tod möglich war. Gleichwie die Pascha- feier vor* der wirklichen Bundschließung eingesezt worden, so stiftete Jesus das heil. Abendmahl vor seinem Tode, durch welchen er das Sühnopfer für die Sünden der Welt darbringt und den neuen Bund auf- richtet, dessen Heilsgüter seine Jünger in der Feier des Abendmahls sich fort und fort zueignen sollen. Und wie im Paschamahle das Lamm, dessen Blut zum Sühnopfer dient, auch zur Speise gegeben worden, so wird auch im neutestamentlichen Bundesmahle der Leib und das Blut des Herrn zu essen und zu trinken gegeben. — Statt xb alfid fiov xrjg öuxd-. steht bei Luk. ^ xaiv^ dta&rjxfj ev xw atfiaxl fiov (dieser Kelch ist) das neue Testament (der neue Bund) vermöge (oder kraft) meines Blutes (das er enthält). So die Worte zu fassen und nicht ev x(p alfi, fi. als nähere Bestimmung zu öiadi]X3] (Bund der in meinem Blute besteht) zu ziehen, fordert die Parallelstelle 1 Kor. 11, 25: ^ xaivrj 6ia%ifpcri iöxXv Iv X(p Bfidp aXfiaxi^ wo durch das zwischen ötad-Tjxri und ev r. hfl, alfi. gestelte eöxlv die lezten Worte zum Hauptsätze gezogen sind. Tb vjchg vfioiv ixxvvofievov hängt auch bei Luk. von aifiaxi ab, in- dem durch die Wahl des Nominativs das vom Blute Ausgesagte nach- drücklicher hervorgehoben wird, als es durch den Anschluß im Dativ geschehen konte; vgl. Mey. zu Luc. 22, 20. üegl ütoXXöiv schreibt Mtth. statt vjtkQ vficav (Luk.), weil er nur die hohe Bedeutung des vergossenen Blutes hervorheben will, und die specielle Application auf 538 MAtth. XXYI, 26—28. die Jlbiger in der Darrdchang des Kelches eingescMossen ist In die- sem Sinne sezt er auch: elg äg)eoiv afJUXQXtmv ^u Sündenvergebong' hinzu. Als Opferblut wirkt Christi vergossenes Blut SündenTergebung, nämlich für alle, welche dasselbe im Abendmahle genießen, Ueber den Sinn des ioxlv ist viel gestritten worden und wird noch gestritten, obwol gegenwärtig ziemlich allgemein ane^ant ist, daß ioxlv als Gopula, durch die Subject und Prädicat mit einuider in Iden- tität gesezt werden, sprachlich nur ist bedeutet, und wo die Aussage figürliph oder tropisch zu verstehen ist, der Tropus nicht in der Go- pula, sondern entweder im Subjecte oder im Prädicate liegt In den Aussprüchen Christi: Ich bin der Weinstock, der Weg, die Thür u.t.. ist es unmöglich die Worte umzusetzen in: ich bedeute einen Wein- stock, einen W^, eine Thür, sondern Weinstock, Weg, Thür sind geistlich zu verstehen: Christus ist der wahre (geistliche) Weinstock, der Weg zum ewigen Leben, die Thür für den Eingang ins Himnd- reich. Eben so in Stellen wie 1 Kor. 10, 4 u. Luc. 8, 11, die häufig für die tropische Bedeutung des hcxl angeführt worden sind. Wenn Paulus 1 Kor.. 10, 4 sagt: Der Fels war Christus, so meint er nicht, daß Christus den steinernen Felsen der arab. Wüste bedeute, sondern die durch jenen Felsen typisch abgebildete jcvevfiattx^ nix^a, die er unmittelbar vorher genant hat Oder in der Deutung des Gleichnisses: der Same ist das Wort Gottes Luc. 8, 11 ist nicht irdischer Same ge- meint, sondern der Same, von welchem Jesus geredet, d. L geistlicher Same. Dieser bedeutet nicht das Wort Gottes, sondern ist es. In die- sem lezten Beispiele kann man den Gedanken wol unpräcise so aus- drücken: der Same (in dieser Parabel) bedeutet das Wort Gottes. Auch die Deutung des apokalyptischen Bildes: „die sieben Sterne sind sieben Gemeinden^^ (Apok. 1, 20 j kann man so ausdrücken: die sieben Sterne (welche Johannes in der Ekstase geschaut) bedeuten sieben Ge- meinden, sofern die Gemeinden dem Seher in dem Bilde von Sternen zur Anschauung gebracht werden. Eben so kann man in der allegorischen Deutung der Geschichte der beiden Frauen Abrahams Gal. 4, 24 die Worte: avxai ydg sloiv ovo öca&^xai , diese (allegorisch gefaßten) Weiber sind zwei Bündnisse^, was sie als historische Personen genom- men nicht sind, so fassen, daß man sagt: diese Weiber bedeuten in der allegorischen Typik des Apostels zwei Bündnisse. Aber diese Ver- tauschung oder Gleichsetzung des ioxlv mit bedeutet läßt sich auf die Einsetzungsworte des Abendmahls nicht übertragen, weil hier weder parabolische noch allegorische Rede, noch prophetische Symbolik vor- liegt. Zwar meint noch Ifngstb., obwol er die eigentliche Erklärung derselben für zulässig hält und sich aus anderen Gründen für die Lutherische Abendmahlslehre entscheidet, doch S. 103 : ,Es kann nicht geleugnet werden, daß das: „dies ist mein Leib'^ der Sache nach so viel sein kann als: dies Brot stelt meinen Leib dar, ist im Bilde oder geistig genommen mein LeibS Allein in diesei: Umschreibung der Worte: dies ist mein Leib, sind drei ganz verschiedene Auffassungen identificirt. In dem Satze: ,dies ist ein Zeichen meines Leibes' ist MÄtth. XXVI, 2«-«Ä. 589 öSfia tropisch ge&Bt nach der Metonymie rei signatae pro signo, wie bekantlich Oecolampad. öcSfia für Zeichen oder Bild des Leibes ge- nommen hat, worauf im Grande auch Calvin hinauskomt. Dagegen hat schon Luther das Vorkommen eines solchen Tropus in irgend einer Sprache in Abrede gestelt, und in neuerer 22eit haben Rodatz und PhiHppi S. 416 ff. die logische und sachliche und darum auch sprach- liche Möglichkeit dieser Metonymie mit schlagenden Grftnden bestrit- ten. ^ Nicht ein concreter Gegenstand, nur eine Idee, ein abstracter Begriff kann in einem entsprechenden körperlichen Gegenstande bild- lich ausgeprägt und deshalb damit identificirt werden. In diesem Sinne sagt der Apostel 1 Kor. 11, 10: „das Weib soll eine Macht auf ihrem Haupte haben'', nämlich die in dem Bilde der Kopfbedeckung ausge* prägte Macht und Oberherrlichkeit des Mannes über sie, worin za*- gleich ihre Unterthänigkeit bildlich ausgeprägt ist. Wolte man nun dies auf den Leib Christi anwenden, trozdem daß derselbe kein Ab- stractum, sondern ein Goncretum ist, weil er doch nach gewissen Quali- täten, Zuständlichkeiten und Wirkungen mit dem Brote verglichen werden könnte, welches also insofern als die bildliche Verkörperung desselben gedacht und darum auch selbst der bildlich dargestelte Leib genant werden könte, so wäre doch der Satz: dies ist mein Leib kei- neswegs identisch mit dem Satze: dies ist ein Bild, geschweige denn ein Zeichen meines Leibes. Vielmehr läge der Tropus dann nicht im 1) Schon in dem Bekenntnisse y(hu Abendmahl Christi 15^8 sagt Luther (Ell. Ausg. XXX S. 250) : ,Zimi andern, ists auch nicht wahr, daß solcher Tro- pus Oecolampads in einiger gemeiner Rede oder Sprache sei in der ganzen Welt, und wer mir deß ein beständig Exempel bringet, dem will ich meinen Hals ge- btn«. — Mit gründlicher Umsicht und Sorgfalt hat Rodatz (a. a. 0. Ul S. 21 ff.) ^6 Stellen des A. n. N. Test., in welchen man die Metonymie rei signatae conr cretaepro signo rei signatae concretae hat finden wollen, durchmustert und be- leuchtet und das Ergebnis gewonnen, ^äass es nichts als ein endlich zu antigui- runder Irrtum ist, überhaupt das Vorhandensein einer solchen Metonymie zu stor tmren^ wie es deim dergleichen traditionelle Irrtümer in der Philologie noch eine Menge gibt' (S. 46). Weiter bemerkt derselbe S. 52: ,Vom Standpunkte der Logik haben wir aber noch zu erinnern , dass überhaupt ein Concretum niemals Sumbol eines andern Concretum sein kann , ein Moment, welches man meistens Tiel zu wenig beachtet umd hervorgehoben hat. Es sind immer Begriffe, Ideen, welche durch Darsl^eUung eines Concretum symbolisirt werden, nie andere Ckm- cr€ta; denn das Sinnbild ist vom Bilde, wie es der Maler und Bildhauer, der N»tur nachahmend, darstellt, durchaus verschieden^ — Diesen Punkt weiter begründend bemerkt Hiü. S. 416 : ,Die Metonymie sezt unter zwei Wörtern eins für das andere, weil beide in innerer Wechselbeziehung zu einander stehen. Die dabei stattfindende Vert^uschung der Begriffe ist nur deshalb statthaft, weil der eine Begriff in dem andern enthalten und von selbst mit ihm gesezt ist, wie auch die Gegenstande, deren Bezeichnungen mit einander vertauscht werden, in innerlich notwendiger, naturgemäßer Beziehung zu einander und unlösbarer Oonnexität stehen. Darum gibt es wol eine metonymia causae pro effeclu, anttr cedenlis pro constquente, adjuncti pro subjeeto ^ continentis pro contento, ea gibt aber keine metonymia signati pro signo, und es kann auch eine solche nicht ge- ben, weil das Zeichen -meist nur ein zufällig und willkürlich gewählter Gegen- stand ist, welcher in keiner von selbst gesezten, innerlich notwendigen, natur- gemäßen Beziehung zu dem bezeichneten Gegenstande steht^ 540 Matth. XXYI, 26-28. Prädicate, sondern im Sabjecte: dies, nicht eigentlich, sondern bildlich gefaßte Brot ist der Leib Christi (vgl. Phil S. 418 £). So verhält es sich auch mit dem Satze von Hngsth.: dies Brot ist geistig genommen mein Leib, in welchem auch d^s Subject tropisch ge- &Bt ist. Allein was berechtigt oder nötigt zu solch tropischer Fassung des xwtol Das Brot, welches Jesus brach und den Jüngern zu essen da^ reichte, war ja natürliches, irdisches Brot; und der Leib wird durch xo vüikQ vfiSv öidofisvov (Luk.) als der natürliche substanzielle Leib des Herrn bezeichnet, in welchem Jesus leibhaftig bei ihnen war. In diesem Satze weist nichts auf ein Tropus hin. Aber ,in dem Parallel- satze: dieser Kelch ist der neue Bund der in meinem Blute ist — sagt Kähnis II S. 348 — liegt unstreitig ein Tropus, so muß auch der Satz: dies Brot ist mein Leib ein Tropus seinS Unstreitig? Keineswegs. Das Subject: dieser Kelch ist eine einfache Metonymie, und dasPrft- dicat: der neue Bund, der in meinem Blute ist, wird nur durch die exegetisch haltlose Verbindung von hv t(S aüfiaxl (lov mit öiadTpai gewonnen. Uebersezt man, wie wir oben S. 537 schon bewiesen haben, richtig: dieser Kelch ist der neue Bund vermöge meines Blutes, so be- zeichnet der Herr damit nur sein Blut als den Inhalt des dargereich- ten Kelches und diesen Kelch bezeichnet er nur deshalb als den neuen Bund, weil das Blut, welches er darreicht, das Blut der Versöhnung ist, durch welches der neue Bund gestiftet wird, so daß wer von diesem Kelche trinkt, des neuen Bundes teilhaftig wird. Diese einfachen Meto- nymien versetzen uns nicht in das Bereich der Symbolik. Nur wenn eine symbolische Handlung erwähnt wäre, könten Brot und Wein als Sub- strate dieser Handlung gedacht und den Worten : dies ist mein Leib der Sinn : das nicht eigentlich, sondern symbolisch zu verstehende Brot ist mein Leib, vindicirt werden. Aber die Handlung, welche Jesus mit dem Brote und dem Weine vornahm, bestand blos darin, daß er beide segnete und das Brot brach. Das Brechen des Brotes aber war not- wendig, wenn von einem Brote alle Jünger essen selten, und so nahe es liegen mag, in dem Brechen eine Beziehung auf die Hingabe des Leibes in den Tod zu finden , so steht dieser Annahme doch der Um- stand entscheidend entgegen, daß mit dem Weine nichts vorgenommen wird, worin sich eine Hindeutung auf das Vergießen des Blutes suchen oder entdecken ließe. Es bleibt also nur das Segnen übrig. Aber Brot zum Essen, Wein zum Trinken segnen kann man doch nicht eine sym- bolische Handlung nennen, wodurch die Speise und der Trank aus der irdisch-sinnlichen Sphäre auf den ideellen Boden des Symbols versezt wird. Zwar wurden Brot und Wein durch die Segnung so geweiht, daß man sagen kann: das gesegnete Brot stelt den Leib, der gesegnete Wein stelt das Blut Christi dar; aber mit dem Worte darstellen ist die symbolische Auffassung von Brot und Wein nicht erwiesen. Denn Jesus zeigt den Jüngern nicht blos die gesegneten irdischen Elemente des Abendmahls, sondern gibt ihnen das Brot zu essen und den Wein zn trinken. Essen und Trinken aber sind nicht symbolische, sondern irdisch-reale Handlungen. Durch die Segnung werden demnach Brot Matth. XXVI, 26—28. 641 und Wein nicht zu symbolischen Zeichen oder Bildern, sondern zu wirklichen, snbstanziellen Trägem und Vehikeln des Leibes Christi geweiht, in, mit und unter welchen die Essenden und Trinkenden den wahren Leib und das wahre Blut des Herrn, nicht blos symbolische ünterpfönder des Leibes und Blutes Christi empfangen. — Was hindert uns denn nun, die Worte des Herrn in eigentlichem Sinne zu nehmen? Hauptsächlich meint man, der Umstand, daß Jesus das Abendmahl vor seinem Tode gestiftet. Weil Jesus noch leibhaft lebend unter den Jüngern saß, so konte keiner der Tischgenossen diese seine Worte im eigentlichen Sinne verstehen, und weil der Leib Jesu im Momente die- ser Feier noch ungebrochen, sein Blut noch unvergessen war, so konte auch Jesus nicht seinen Leib und sein Blut den Jüngern irgendwie wirklich, der Substanz nach zu essen und zu trinken geben. So Mey. n. A., auch Kahn, S. 347. Der erste dieser Einwände ist offenbar der schwächste. Das damalige Verständnis der Jünger kann unmöglich den Maßstab abgeben, nach welchem der Sinn der Rede des Herrn zu be- messen ist. Nirgends bemißt der Herr seine Reden ängstlich nach dem Maße des Verständnisses seiner Jünger, sonst hätte er ihnen vieles nicht sagen dürfen. Verstanden sie doch nicht einmal die Verkündi- gung seines Todes und seiner Auferstehung. Und wie vieles Andere hat ihnen erst der heilige Geist hernach klar gemacht. Mit dem Ka- non, daß Jesus seinen Jüugern nichts hätte sagen dürfen, was sie zur Zeit nicht verstehen konten, stelt man einen hermeneutischen Grund- satz auf, mit welchem man den größeren Theil der Lehrreden Jesu in den Evangelien aus der Geschichte streichen kann. Vgl. Thomas, S. 63. PhiUp. S. 432 f. — üeber den zweiten Einwand urteilt Thom, S. 64 richtig, daß der Schluß von der unbestreitbaren Thatsache, die er con- statirt, auf die Unmöglichkeit, die er daraus folgert, kein zwingender sei. Die Mitteilung seines Leibes und Blutes ist ein Act göttlicher Machtwirkung der Persönlichkeit Christi d. h. ein Wunder, ein Myste- rium, für unsern Verstand ebenso unbegreiflich wie z. B. die Heilung des blutflüssigen Weibes durch eine von Jesu ausgehende Kraft, die Auf erweckung des Lazarus aus dem Grabe durch sein Wort u. a. m. Sodann ist der Unterschied zwischen der Begehung des heil. Mahls in der Nacht vor seinem Tode und der nachmaligen Feier desselben in der Gemeinde in Betracht zu ziehen. Jene erste Feier als Stiftung trägt prophetischen Charakter, wobei der Herr in der Gewißheit seines unmittelbar bevorstehenden Versöhnungstodes den Jüngern die Heils- güter dieses Todes proleptisch zusichert oder testamentarisch vermacht, welche die nachmalige Feier ihnen fort und fort als die reale Frucht seines Todes gewährt. Die leibliche Gegenwart Jesu schließt die sacra- mentliche Mitteilung seines in den Tod gegebenen Leibes und seines zur Sündenvergebung vergossenen Blutes nicht aus; denn nicht seinen verklärten Leib und sein verklärtes Blut reicht der Herr im Abend- mahle seinen Jüngern, sondern seinen für uns in den Tod gegebenen Leib und das für uns vergossene Blut, und zwar nicht blos bei der 642 Matth. XXVI, 2e— 28. StiftuDg, sondern auch bei jeder nachmaligen Feier. Bei diesen ist es zwar der znr Rechten Gottes erhöhte und verklärte Christas, welcher seinen Leib und sein Bint mitteilt, jedoch nicht seine verklärte Leib- lichkeit, sondern sein für ans am Ereaze geopfertes Leibesleben, and zwar nicht blos die geistige Kraft {vigor) sondern die snbstanzidle Wesenheit desselben. ,Denn Leib and Blut bilden die beiden wesent- lichen Bestandteile der Leiblichkeit; das Blat ist das substanzielle Le- ben des Leibes (Lev. 17, 11), der Leib die vom Blnte beseelte Stoff- lichkeit^ (Thomas, S. 69). Dadarch wird das Brot, das wir brechen, xoivcovla xov ocifioxog rov Xqiötov and der Kelch, den wir segnen, xoivcovla Tov aifiatog rov Xqcotov, wie der Apostel 1 Kor. 10, 161 lehrt, d. h. Brot and Wein werden das, was ans in die Gemeinschaft des Leibes and Blates Christi sezt. — Mit dieser schriftgemäBen An- schaaang von dem was wir im Abendmahle genießen, ist zugleich der Einwand erledigt, daß verklärtes Blat nach nentestamenüicher An- schanang eine contradicUo in adjecto sei wie verklärtes Fleisch {Meg). — Noch weniger läßt sich die eigentliche Erklärang der Einsetzongs- worte widerlegen and die Notwendigkeit der symbolischen Auffassong begründen darch das Argament, daß ,der snbstanzielle G^naß des oäpa allein and für sich, ohne das cifia^ ganz anvorstellbar erscheint, so lange man den Begriff des Tcgiaq ferne hält' (Mey.), Denn die Sonde- rang der beiden wesentlichen Bestandteile des Leibeslebens, für deren gesonderte Darreichang ein Grund weder von Christo noch von den Aposteln angegeben ist, war durch den Anschlaß des Abendmahls an das Paschamahl gegeben, bei welchem das Blut vom Leibe des Lammes gesondert war, das Blut zur Sühnung an den Altar gesprengt, der Leib in dem die Gemeinschaft mit dem Herrn abbildenden Bandesmahle ge- gessen wurde. Auch Christus hat die Versöhnung nicht durch den Tod als solchen vollbracht, sondern nach constanter Schriftlehre durch das Vergießen seines Blutes am Stamme des Kreuzes. Um uns also die von ihm vollbrachte Versöhnung zuzueignen, reicht er uns in dem gesegneten Kelche des Abendmahls sein zur Sühnung der Sünden vergossenes Blut, und um uns in die Lebensgemeinschaft mit ihm zu setzen, reicht .er uns seinen in den Tod dahingegebenen Leib zu substanzieller An- eignung. Für die Behauptung, ,daß der getrente Genuß, nämlich des Leibes ohne das Blut und dann des Blutes für sich nicht dem Bereiche des wirklichen Essens von Leib und Blut angehört', hat Mey. einen Beweis nicht geliefert. Nach dem allen steht der eigentlichen Auffassung der Einsetzongs- worte kein haltbarer Grund entgegen , und wir müssen dieselbe um so mehr festhalten, als wir Testamentsworte Christi des Sohnes Gottes vor uns haben, die genau zu nehmen sind. Denn wenn auch öiaß^xri nicht Testament, sondern Bund bedeutet, so ist doch das Abendmahl ein Vermächtnis, eine Stiftung, welche der Herr vor seinem Scheiden den Jüngern macht, nicht blos zu bleibender Erinnerung an seinen Ver- söhnungstod, sondern zu steter Zueignung der durch seinen Kreuzestod uns erworbenen Heilsgüter, und zwar eine Stiftung, durch welche die Matth. XXYI, 29. 643 öxid, das Schattenbild des Paschamahls zum ocofia, zur Wirklichkeit der Feier anserer Yersöhnang and unserer Lebensgemeinschaft mit d^n Herrn onserem Ootte und Erlöser erhoben worden. Vgl. PhiUp. S. 436 ff. Doch ist bei dem mündlichen Genasse von Leib and Blat Christi die capernaitische Yorstellnng vom Essen irdischen Fleisches und Blates ebenso fem zu halten, als beim Segnen der irdischen Ele- mente die Vorstellung einer Verwandlung des Brotes und Weins in den Leib und das Blut Christi. In den irdischen Elementen des Brotes und Weins wird uns die überirdische Gabe des Leibes und Blutes des Herrn gereicht, indem vermöge der sacramentlichen Stiftung des Abendmahls durch das Wort des Herrn die materielle Speise und Trank zu einer geistlichen d. h. aus der Welt des Geistes stammenden und Seele und Geist für das ewige Leben nährenden Speise geheiligt worden ist. ^ V. 29. Im Bewußtsein der Nähe seines Todes, auf welchen er bei der Einsetzung des Abendmahls so bestimt hindeutete, sezt Jesus hinzu: „Ich sage euch aber, daß ich von jezt an nicht mehr trinken werde von diesem Gewächse des Weinstocks bis zu dem Tage, da ich es mit euch neu trinke im Reiche meines Vaters". Ov fin verstärkte Negation: gewißlich nicht; yivvrjiia im Sintie von xagjtog Frucht, wie ö. in der LXX u. bei späteren Griechen. Luk. hat v. 18 diesen Ausspruch mit der unwesentlichen Veränderung: „bis das Reich Gottes gekommen sein wird", vor der Einsetzung des Abendmahls bei der Austeilung eines Kelches des Paschamahls angeführt, correspondirend dem Aus- spruche bei dem Paschalamme v. 16: „ich werde davon nicht mehr essen, bis daß es im Reiche Gottes vollendet sein wird". Da jedoch Luk. überhaupt die einzelnen Vorgänge beim Paschamahle nach sackh lichen Gesichtspunkten anders geordnet hat als Matth., so dürfen wir nicht annehmen, daß Jesus zweimal, vor und nach der Einsetzung des Abendmahls dieselben Worte gesprochen habe. Und da es auch nicht warscheinlich ist, daß Jesus den Ausspruch zwischen dem Paschamahle und dem Abendmahle gethan habe, so haben wir die Stellung desselben nach der Einsetzung des Abendmahls bei Matth. für die ursprüngliche und richtige zu halten und anzunehmen, daß Luk. denselben nur des- halb mit den von ihm mitgeteilten Einleitungsworten verbunden hat, weil er sachlich dazu paßte und sich nicht speciell auf das Trinken des Abendmahlskelches, sondern ganz allgemein auf das Trinken des Weins bei der ganzen Paschafeier bezog. Aus dem djt agti läßt sich daher weder mit Olsh,, de W., Weiss u. A. schließen, daß Jesus selbst nicht auch den Kelch beim Abendmahle getrunken habe, noch diese Meinung mit Mey. als eine aprioristische, dem Paschagebrauche zuwiderlaufende Annahme abweisen. Nicht blos Matth., wie Mey» meint, auch Luk. 1) Die weitere theologische Begründoug dieser Lehre gehört in die Dog- mätik, in welcher sie namentlich Thomasius a. a. 0. in bündiger Kürze und PhiUppi a. a. 0. S. 244 ff. ausführlich gegeben haben. In geschichtlicher Hin- gicht vgl. Kahnh, Lehre v. Abendm. S. 171 ff. u. Luth. Dogmat. II S. 360 ff. der 2. Ausg., und die Kritik der Ansichten der neueren Vermittelungstheologie bei Phüippi a. a. 0. S. 372 ff. 544 Matth. XXVI, 29—81. deutet in keiner Weise an, daß Jesus vom Abendmahlskelche getmn- ken habe, ehe er ihn den Jüngern herumreichte. Wenngleich aber dde Worte sich auf das Trinken des Weins beim Paschamahle beziehen, so fehlt doch im Texte jede Andeutung darüber, daß dies der vierte und nicht der dritte Becher des Mahls war, wie Mey. behauptet, selbst wenn man das mit Nachdruck vorangestelte xomov so premiren wolte, daß es den Pascha-'^Qm bezeichnete. Aber xomov besagt nur, dafi der Wein, der bei Pascha- und Abendmahl getrunken worden, eine Frucht vom irdischen Weinstock war, und den Gegensatz dazu bildet xaivov d. i. nicht = vdov recens sondern bezeichnet einen Wein ganz anderer Art, novitatem plane Singular em, wie Beng. sagt. Der Gedanke ist folgender: Den irdischen Wein, welchen ich bei diesem Paschamahle mit euch getrunken habe, werde ich auf dieser Erde nicht mehr mit euch trinken; denn ich werde mit euch kein Pascha mehr auf Erden feiern; aber dereinst werde ich im Reiche meines Vaters d. i. im Reiche der Herrlichkeit in neuer, verklärter Weise mit euch Wein trinken d. h. ein Abendmahl feiern, dessen Speise und Trank der verklärten Gestalt des neuen Himmels und der neuen Erde entsprechen wird. Mehr läßt sich über die Beschaffenheit des neuen Weins nicht sagen, weil wir uns von der Gestalt des Reiches der Herrlichkeit keine Vor- stellung machen können. So viel aber erhellt aus diesem Ausspruche, daß Jesus nach seiner Auferstehung keinen irdischen Wein mehr ge- trunken hat, wogegen auch Act 16, 41 keine begründete Instanz liefert. V. 30—35. Das Gespräch beim Gange nach dem Oelberge, Vgl. Mrc. 14, 26—31. Luc. 22, 31—39. — V. 30. Als sie den Lobpreis ge- sungen, gingen sie hinaus an den Oelberg. Mit Lobgesang schloß die Paschafeier und schließt Jesus auch die Einsetzung des heil. Abend- mahls. Ob aber vfivTJaavTsg auf den Gesang des zweiten Teils des Hallel (Ps. 115—118) zu beziehen sei (Mey.\ ist sehr fraglich. War- scheinlich ist der Gesang von Ps. 136 gemeint, mit welchem nach rab- binischer üeberlieferung die Paschafeier geschlossen wurde. — Der Oelberg liegt auf der Ostseite von Jerusalem, nur durch das Kidron- thal von der Stadt getrennt, s. Job. 18, 1. Daß der Gang aus der Stadt nicht gegen die Paschavorschriften verstieß, haben wir schon S. 519 gezeigt. — Das v. 31 folgende Gespräch Jesu mit seinen Jün- gern hat Luk. 22, 31—38 vor dem Weggange aus dem Hause einge- fügt. Zwar halten viele AusU. die Rede Jesu bei Luk. für verschieden von der bei Mtth. v. 30—35 u. Mrk. v. 26-31, aber mit Recht hat nach dem Vorgange von Calvin u. A. sich Hngstb, für die Identität bei- der erklärt. Die Ankündigung der Verleugnung des Petrus ehe der Hahn in dieser Nacht krähen werde (Luc. v. 34) stimt so wörtlich mit der bei Mtth. v. 34 u. Mrc. v. 30 überein, daß eine zweimalige War- nung dieses Inhalts nicht angenommen werden kann. Dazu komt, daß Luk. diese Rede Jesu durch die einleitende Formel: eine 6e 6 tcvqkx; gar nicht chronologisch an das Vorhergehende angeknüpft hat, also mit der chronologischen Stellung der Rede bei Mtth. gar nicht in Wide^ Matth. XXVI, 31. 545 sprach tritt. Zweifelhaft könte die Richtigkeit dieser Stellang nar wer- den bei der Vergleichung mit Joh. 13, 38, wo dieselbe Warnung des Petras im Zusammenhange dessen vorkomt, was Jesus nach der Ent- fernung des Judas Ischariot aus dem Kreise der Tischgesellschaft, also noch im Hause nach der Einsetzung des heil. Abendmahls geredet hat, da der übrige Teil der längeren Rede Joh. 14—17 ein untrennbares Ganzes bildet. Daher sucht Hngsih. die verschiedenen Angaben durch die Annahme auszugleichen, daß das roxe bei Mtth. in seiner Be- ziehung auf xal vfiPfjöavteg s^rjXO-ov xrX, uns in der Zeit zwischen dem Lobgesange und der Ankunft am Oelberge freien Spielraum lasse und Johannes die nähere Bestimmung gebe, daß dieses Gespräch noch im Säle des Abendmahls vorgefallen sei. Allein röze nach vorher er- wähntem h^fjXd^ov kann bei aller Unbestimtheit, in der es Matth. öfter gebraucht, doch nicht besagen: damals ehe sie hinausgingen, sondern nur: damals als oder während sie hinausgingen, d. i. auf dem Gange zum Oelberge, ehe sie dort anlangten. Die genauere Zeitbestimmung bei Johannes zu suchen, dazu liegt um so weniger Grund vor, als er nicht einmal die Einsetzung des Abendmahls erwähnt und das, was er von Jesu Rede nach der Entfernung des Judas bis zu Anfang der länge- ren Trostrede c. 14—17 d. h. in c. 13, 31—38 mitteilt, so zu einem Ganzen verbunden hat, daß sich die Stelle, in welche die Einsetzung des heil. Abendmahls hineingehört, gar nicht mit Sicherheit erkennen und bestimmen läßt. Bei dieser Beschaffenheit dieses Teils der johan- neischen Rede Jesu liegt die Annahme viel näher, daß Johannes die Warnung des Petrus vor Verleugnung hier eingeflochten hat, nicht weil Jesus damals noch im Säle den Petrus gewarnt hatte, sondern weil er sie hier am schicklichsten einfügen konte und die chronologische Stel- lung derselben zwischen dem hohenpriesterlichen Gebete c. 17 und der Gefangennehmung Jesu c. 18 ihm für den Pragmatismus seines Evan- geliums nicht passend erschien. Von dem Inhalte des Gesprächs berichten Matth. u. Luk. nur die Hauptgedanken, so daß ihre Berichte einander ergänzen. Matth. gibt den Anfang des Gesprächs v. 31 u. 32, Luk. nur die Unterredung mit Petrus, diese aber ausführlicher als Matth. — Um die Jünger auf dem Wege nach Gethsemane auf das ihm bevorstehende Leiden vorzuberei- ten, sprach er zu ihnen: „Ihr alle werdet euch in dieser Nacht an mir ärgern" d. h. Anstoß an dem was mir widerfahren wird nehmen und im Glauben an mich irre werden. „Denn es steht geschrieben: Ich werde den Hirten schlagen und die Schafe der Herde werden sich zerstreuen". Mit diesen Worten deutet er an, daß dieses Wort der Schrift in dieser Nacht noch sich erfüllen werde, und stelt damit das was geschehen wird in das Licht des göttlichen Heilsrathes. Die angeführten Worte sind aus Zach. 13, 7, einer messianischen Weißagung, die im Grund- texte also lautet: „Schwert mache dich auf über meinen Hirten und über den Mann, der mein Nächster, spricht Jahve der Heerscharen, schlage den Hirten, und die Schafe werden sich zerstreuen, aber ich werde meine Hand über die Kleinen zurückführen". Bei Anführung Keil, Comin. s. Evangel. Matth. 35 ■ ^ 1 546 Matth. XXVI, 31. 32. dieser Worte hat Jesas die prophetische Anrede an das Schwert nach ihrem sachlichen Inhalt in die Worte: „Ich (d. i. Gott) werde den Hir- ten schlagen'' gefaßt und den lezten Satz: „ich werde meine Hand über die Kleinen zurückführen" ans der Form der Weißagung in die Form ihrer zunächst bevorstehenden geschichtlichen ErfüUang umgesezt nnd in den Worten: „nach meiner Auferweckung aber werde ich vor euch hergehen in Galiläa" wiedergegeben. Die Weißagung des Zacharia, aus welcher die angeführten Worte genommen sind, kündigt das Ge- richt an, durch welches Israel von seinen Schlacken geläutert und nach Austilgung seiner unlauteren Glieder zum warhaft heiligen Volke des Herrn gemacht werden soll. Dieses Gericht erging über das jüdische Volk bei der Sendung des verheißenen Messias. Die Sendung Jesu Christi, des Sohnes Gottes, war die lezte Gnadenheimsuchung, welche Gott dem jüdischen Volke angedeihen ließ, um es dem Ziele seiner göttlichen Berufung zuzuführen. Jesus war der Hirt, welchen Gott in Zach. 13, 7 als seinen Nächsten bezeichnet d. h. als den der durch sei- nen Beruf wie durch seine Persönlichkeit in der innigsten Gemeinschaft mit ihm steht; denn er und der Vater sind eins. Von seinem Auftreten als Messias an hat er sein Hirtenamt an dem jüdischen Volke aasge- richtet und die Schafe, die auf seine Stimme hörten, um sich gesam- melt. Da jedoch der größte Teil des Volks mit seinen Oberen ihn nicht als den von Gott ihnen gesandten Hirten anerkante, sondern ihn ver- warf und ihm nach dem Leben trachtete, so brach das von dem Propheten geweißagte Gericht über das jüdische Volk herein. Der Hirte wird geschlagen und die Schafe zerstreuen sich. Aber nur die, welche den guten Hirten verworfen haben, sollen durch schwere Ge- richte vertilgt werden-, über die Kleinen oder Geringen hingegen will der Herr seine Hand zurückführen d. h. sich ihrer wieder annehmen und aus ihnen und durch sie das Volk des Eigentums sich bilden, an dem er seine Verheißung: ihr Gott zu sein, herrlich erfüllen werde. Vgl. die Ausführung dieser kurzen Andeutungen über den Inhalt der angef. Weißagung in ;w. Comment. zu Zach. 13. — Jesus hat aus der- selben nur die Worte herausgehoben , die zunächst an ihm und seinen Jüngern sich erfüllen selten, das Geschlagenwerden des Hirten und die Zerstreuung und Wiedersammlung seiner Jünger. Den Hirten wird Gott schlagen, um das Volk Israel zu läutern. Der Tod Christi ist von Gott nicht nur beschlossen und vorher geweißagt, sondern wird auch von Gott herbeigeführt. Ohne den Willen Gottes hätten die Oberen des jüdischen Volks Jesu kein Haar krümmen können. Wozu sein Tod notwendig ist, nämlich um seine Seele als Xvtqov dvxl jtoXXcov zu ge- ben (20, 28), davon sieht Jesus hier ab, und hebt nur den Gedanken heraus, daß die Menschen, die ihn tödten, nur Werkzeuge in Gottes Hand sind. Dies zu wissen war in diesem Momente für die Jünger wichtig, zur Stärkung ihres Glaubens an Jesum als den Sohn Gottes und Erlöser Israels. Auch darauf läßt sich der Heiland nicht ein, den Jüngern auseinanderzusetzen, inwiefern die Juden durch die Tödtung ihres Erlösers sich verschulden und das Gericht der Zerstörung Jeru- Matth. XXVI, 33. 34. 547 salems auf sich laden, nämlich weil sie aus Haß und Feindschaft ihn tödten und dadurch ohne es zu wissen und zu wollen zur Vollziehung des göttlichen Heilsrathes wirken. Denn dieses Geheimnis des gött- lichen Gnadenrathes der Erlösung konten die Janger damals noch nicht fassen; dies konte und solte erst nach seiner Auferstehung der Geist, den er ihnen senden weite, ihnen klar machen. — Wenn der Hirte ge- schlagen wird, so werden die Schafe der Herde sich zerstreuen. Schon die Gefangennehmung Jesu gereicht den Jüngern zu solchem Aerger- nisse, daß sie fliehen. Dieses Fliehen war ein Vorspiel der Zerstreuung der Herde beim Tode des Hirten. Dies selten die Jünger beim Tode Jesu erleben. Aber damit sie auch dann nicht an ihm irre werden möchten, kündigt er ihnen schon jezt an, daß er nach seiner Auf- erweckung vor ihnen in Galiläa hergehen, sie dort wieder sammeln werde. Das W. jcgod/eiv yoranziehen, erklärt sich aus dem Bilde des Hirten, welcher seine Herde so leitet und weidet, daß er vor ihr her- geht und die Schafe ihm folgen. Die Sammlung der Jünger in Galiläa durch Jesum nach seiner Auferstehung war übrigens auch nur der An- fang und das Vorspiel der Sammlung aller derer aus dem jüdischen Volke, welche durch die apostolische Predigt von dem Tode und der Auferweckung Jesu Christi zum Glauben an ihn erwekt und seiner Ge- meinde einverleibt wurden. V. 33 f. In kühnem Selbstvertrauen auf die Stärke seiner Liebe zu Jesu antwortet Petrus: „Wenn alle sich an dir ärgern werden, so werde ich mich niemals ärgern". Aber der Herr, die Schwäche und Verzagt- heit des menschlichen Herzens kennend, erwidert ihm: „Warlich ich sage dir, daß du in dieser Nacht bevor der Hahn gekräht haben wird, mich dreimal verleugnen wirst". ccjcaQVTJö^ fis du wirst mich ableug- nen, leugnen, daß ich dein Herr und Meister bin. Bei Mrk. lauten Jesu Worte: „. . . bevor der Hahn zweimal krähet, wirst du mich dreimal verleugnen". Der Hahn kräht nämlich zweimal in der Nacht; zuerst um Mittemacht, sodann wieder kurz vor Tagesanbruch. Matth. erwähnt nur den zweiten Hahnenruf als den Zeitmoment, an welchem die Ver- leugnung geschehen sein wird. Die Erfüllung dieser warnenden Vor- aussage s. V. 74. — Aber auch die in dieser bestimten Vorhersagung enthaltene ernste Warnung vor zu starkem Selbstvertrauen hielt den Petrus nicht ab, nochmals seine unwandelbare Treue Jesu zu ver- sichern: „Wenn ich auch mit dir sterben solte, so werde ich dich ge- wißlich nicht verleugnen". — Eben so sagten auch alle Jünger. Diese leztere Angabe findet die neuere destructive Kritik nicht warscheinlich. Allein die Sache entspricht ganz der Stellung, welche die anderen Jün- ger im Vergleiche mit Petrus zu Jesu einnahmen. Im Herzen ebenfalls ihrer Liebe zu Jesu sich bewußt, wollen sie auch in dem Bekentnisse derselben nicht hinter Petrus zurückbleiben. .Der ausführlichere Bericht des Luk. über dieses Gespräch läßt sich in die kürzere Darstellung des Mtth. (u. Mark.) so einfügen, daß das Wort des Herrn zu Petrus in Luc. v. 31 u. 32 die Antwort auf die Er- klärung des Petrus, daß er sich niemals an Jesu ärgern werde 36* 548 Matth. XXVI, 35—38. (y. 33 Mtth.), bildet, worauf Petrus erwidert, was Mtth. v. 35 mitteilt und dann der Herr ihm mit bestimten Worten die Verleugnung voraus- sagt (v. 34 bei Luk. u. Mtth.). Sodann die weitere Erläuterung und Begründung der Warnung des Herrn Luc. v. 35—38 ist an den Satz: ofiolcog . . . eljcap (Mtth. v. 35) anzuschließen. V. 36—46. Der Seelenkampf Jesu in Geihsemane. Vgl. Mrc. 14, 32—42. Luc. 22, 40—46. — Mark, stimt im Ganzen mit Mtth. übereiü, hat nur durch ein paar kleinere Zusätze den Hergang verdeutlicht und gegen Ende hin die Beschreibung etwas abgekürzt. Luk.. berichtet die Begebenheit in abgekürzter Form, erwähnt den dreimaligen Gang Jesu zum Gebete nicht, erläutert aber durch Ergänzungen v. 43 u. 44 die Größe des Seelenkampfes Jesu und durch djtb xrjq Xvjfqq v. 45 das Verhalten der Jünger. — V. 36. Auf dem Gange zum Oelberge (v. 30) begab sich Jesus mit den Jüngern in ein Landgut, Gethsemane genant, das am Fuße des Oelbergs lag. x(dqiov übersezt Luth. Hof, es ist ein Grundstück oder Landgut, das einen Garten (xfjjtoq Job. 18, 1) hatte, wo Jesus oftmals mit seinen Jüngern sich aufzuhalten pflegte, so daß die Oertlichkeit auch dem Judas Ischariot bekant war (Job. 18, 2). red^ör](iavf] oder re^07](iavel (Lehm., Tisch.) entspricht dem hehr, m Kelter und 1»^ aram. Kjottj Oel, also: Oelkelter. Die Araber nennen den Ort, welchen die kirchliche Tradition dafür hält, noch Dschesmä- nij'eh, östlich von der Stadt und dem tiefen Kidronthale am Westfoße des Oelbergs; vgl. Rohins. Pal. I S. 389 u. Tohler, d. Siloahquelle u. d. Oelberg (1852) S. 192 ff. — Am Eingange dieses Gartens sagte Jesus den Jüngern: „Setzet euch hier (amov wie Act. 15, 34. 18, 19. 21, 4), bis ich hingehend dort gebetet haben werde" (exet hinzeigend). V. 37. Dann geht er mit Petrus und den zwei Zebedäussöhnen (Jakobus und Johannes) tiefer in den Garten hinein, so weit daß die am Eingange zurückgelassenen Jünger von seinen Kämpfen im Garten nichts ver- nahmen. Nur die drei vertrautesten Jünger, welche Zeugen seiner Ver- klärung gewesen, solten auch Zeugen seines schwersten Seelenleidens, seiner tiefsten Erniedrigung sein. Die übrigen Jünger hatten noch zu wenig geistliches Verständnis für seinen Seelenkampf. — Als er mit den Dreien tiefer in den Garten sich begeben hatte, fing er an zu trauern und zu zagen. riQ^aro deutet nicht das Plötzliche der einge- tretenen Betrübnis an, sondern hebt nur den Contrast hervor, welchen die eintretende Traurigkeit und Verzagtheit zu der bisherigen Ruhe und Festigkeit bildete, mit der er noch kurz zuvor von dem ihm bevor- stehenden Leiden und Tode gesprochen hatte. Statt Xvjtslo^ai betrüht werden hat Mrk. das stärkere exß^afißstöß^ai in Schrecken versezt wer- den, dörjiiovelv in Seelenangst gerathen. Die Trauer und Angst, die ihn überfallen hatten, spricht er v. 38 gegen die Jünger aus in den Worten; „Sehr betrübt ist meine Seele bis zum Tode; bleibet hier nnd wachet mit mir". Die Traurigkeit, die er empfindet, gleicht der Angst, welche die Seele im Todeskampfe empfindet. In dieser Angst will er nicht allein sein. In der Aufforderung an die Jünger: bei ihm zublei- ben, spricht sich das Bedürfnis nach Trost und Beistand aus, in den Matth. XXVI, 39. 549 Worten: mit ihm zu wachen, die Schwere der Versuchung, in die er ge- kommen. Wachen sollen die Jünger mit ihm , nicht um ihn in seinem Seelenkampfe zu unterstützen — das können sie bei der Schwachheit ihres Fleisches nicht — sondern um selbst nicht der Versuchung an- heimzufallen (vgl. V. 41). Um diese Worte ganz zu verstehen, müssen wir in Betracht ziehen, was Jesus kurz vorher Luc. 22, 31 zu den Jün- gern gesprochen hatte: „Simon, Simon, siehe der Satan hat sich ausge- beten, euch zu sichten wie den Waizen". Diese Sichtung erging jezt über sie. Jezt kam der Fürst dieser Welt, von dem der Herr gesagt hatte, daß er an ihm keinen Teil habe (Joh. 14, 30). In diesem Aus- spruche liegt ein Zwiefaches: a. daß der Fürst dieser Welt versuchen will, Jesum zu fällen, ihm aber nichts wird anhaben können; b. daß derselbe versuchen werde, die Jünger zum Abfalle von Jesu zu ver- führen. In Gethsemane begint das Gericht über die Welt und die Aus- stoßung des Fürsten dieser Welt (Joh. 12, 31). Der Kampf, den Jesus hier kämpft, ist im tiefsten Grunde ein Kampf gegen den Fürsten die- ser Welt, dessen Herschaft über die Welt Jesus brechen soll, nämlich durch Hingabe seiner Seele in den Tod als Xvtqov für die Sünde der Welt. Als Zeugen dieses Kampfes sollen die Jünger mit Jesu wachen, um sich zum Widerstand gegen die Anläufe des Teufels zu rüsten. V. 39. Dann ging Jesus eine kleine Strecke (fiixQOv) vor, fiel auf sein Angesicht und betete. Luk. sagt dafür: djtsojtdödTj er wurde fort- gerissen von ihnen ohngefähr eines Steinwurfs weit. Die innere Angst trieb ihn gewaltsam von den Jüngern fort, daß er sich auf den Erdbo- den niederwarf um zu beten : „Mein Vater, wenn es möglich, gehe von mir dieser Kelch vorüber". Das Niederfallen mit dem Gesicht zur Erde wird von Jesu nirgends weiter berichtet. Es ist Zeichen der tiefsten Beugung der Seele in der größten Herzensangst. Dem entspricht die Anrede: jtdzsQ (lov mein Vater, die wir auch in Gebeten Jesu nicht weiter finden ; die aber die Anrede besonders andringend macht. (Das fiov ist durch ^ABCDJm al so überwiegend bezeugt, daß die Weg- lassung desselben bei Tisch, 8 auf Grund der Codd. LA kritisch nicht zu rechtfertigen ist). Tb JtOT7]Qiov ist wie 20, 22 der Kelch der Lei- den. rovTO dieser Kelch ^ den er jezt trinken soll, sl öwarov soztv zeigt, daß Jesus die Möglichkeit dieses Leidens enthoben zu werden er- wägt. Luk. hat statt dessen: el ßovXBi wenn du wilst d. h. wenn dein Rathschluß es gestattet. Diese Kestriction der Bitte liegt auch in dem Znsatze bei Mtth.: „doch nicht wie ich will, sondern wie du (wilst)" sc» geschehe es (dem nagsld-irm entsprechend ist ysviöd'a) zu suppliren, nicht das Futur yavjjösrac oder sorac, wie Mey. unter unpassender Anwendung des Unterschiedes von ov und fi7] auf den vorliegenden Satz behauptet). Die sachliche Schwierigkeit aber, daß Jesus seinen Willen dem Willen des Vaters entgegenhält und die Möglichkeit der Befreiung von dem Leidenskelche ausspricht, läßt sich nicht mit Calv, u. Hngsth, durch die Bemerkung, daß die Bitte nicht den ganzen Wil- len des Heilandes, sondern nur die eine Seite desselben ausspreche, zutreffend heben, sondern nur durch die Annahme, dafi die Worte: 550 Matth. XXVI, 40—42. wenn es möglich a. s. w., nur Ausdruck der menschlichen Empfindung der die Kräfte seiner Seele übersteigenden Last der Leiden sind, wo- mit der Heiland den Vater nicht bewegen will, seinen Rathschlnß zu ändern und ihn des Leidens zu überheben, sondern vielmehr inständigst anfleht, ihm in dieser Not kräftig beizustehen. Dies liegt auch in den Worten jcdvra övvard öoc bei Mrk., mit welchen Jesus an die All- macht Gottes appellirt, nicht um ihn vom Trinken des Kelchs zu be- freien, sondern um ihm beizustehen, daß er das Trinken desselben über- stehen könne. — V. 40. Nachdem Jesus so im Gebete mit Gott gernn- gen, kehrt er zu den drei Jüngern zurück und spricht, da er sie schla- fend findet, zu Petrus: „Also ihr vermochtet nicht eine Stunde mit mir zu wachen!" Als Ausdruck schmerzlichen Befremdens sollen diese Worte die Jünger zur Erkentnis der Schwachheit des Fleisches im Kampfe wider die Macht des Bösen führen. Um das Befremdliche die- ses Verhaltens der Jünger zu erklären, hat Luk. hinzugesezt, daß sie djto rijg Xvjztjq von wegen der Traurigkeit eingeschlafen waren. Tiefe, bis in den Grund der Seele gehende Trauer macht den Menschen so müde, daß er wider Willen in Schlaf versinkt. Das Seelenleiden ihres Herrn ergriff die Jünger so gewaltig, daß sie in der Betrübnis ihrer Seele in Schlaf verfielen. Diese 2.vütri hat Christus schon in der Ab- schiedsrede Job. 16, 7 ff. bekämpft. Dagegen soll der Christ an- kämpfen. „Wachet und betet — ruft der Herr ihnen v. 41 zu — damit ihr nicht in Versuchung hineinkommet". Ueber jteiQaOfiog s. zu 6, 13. Hier bezeichnet es eine Lebenslage, in welcher man dem Andränge des Bösen nicht mehr Widerstand leisten kann. Zum Wachen hatte der Heiland die Jünger gleich anfangs aufgefordert. Hier wiederholt er diese Aufforderung. Daraus darf man nicht schließen, daß die Jünger die Kraft dazu hatten, wenn sie nur ernstlich wolten. Denn der Herr sezt hinzu: „und betet". Durch Gebet soll sich der Christ die Kraft dazu von Gott erbitten. Denn „der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach". To jivevfia ist nicht = vovg der geistig sittliche Trieb im Menschen (de W,)^ sondern der göttliche Geist als Lebenstrieb des Wiedergeborenen, rj OaQ^ ist die des göttlichen Lebensgeistes erman- gelnde Menschennatur nach Seele und Leib. Bei dem in Sünde gebore- nen Menschen ist die öägg von der Sünde inficirt, dagegen die ödg^ Christi (Joh. 1, 14) ist ohne Sünde, doch auch mit Schwachheit behaf- tet, daher auch Christus versucht werden konte. Doch hier redet Christus nicht von seiner Person, sondern von dem Zustande der Jün- ger. jiQod-vfiog bereitwillig, den Mut zu etwas habend. Der ernste Wille zu wachen fehlte den Jüngern nicht, aber die Kraft dazu gebrach ihrer ödg^. Treffend bemerkt Beng, zu diesen Worten: id non ad excusandum torporem, sed ad vigiliam acuendam debemus accipere. V. 42. Dann ging der Heiland zum zweiten Male hin und betete: „Mein Vater, wenn es nicht möglich, daß dieser (Kelch) von mir vor- übergehe, ich trinke ihn denn, so geschehe dein Wille". Diese Bitte ist der vorigen nicht ganz gleich; die Angabe bei Mrk. jigogr^v^aTO Tov avTov Xoyov ist nicht genau. Jesus redet nicht mehr von seinem Matth. XXVI, 43—45. 551 Willen, sondern ordnet denselben dem Willen des Vaters unter, den er erfüllen will, wenn ihm das Trinken des Kelchs nicht erlassen werden kann. IläXiv ix öevr^gov ein bekanter Pleonasmus, vgl. Job. 21, 15. Act. 10, 15. — V. 43. Zu den Jüngern wieder zurükkehrend findet er sie abermals schlafend, denn — sezt Mtth. hinzu — „ihre Augen wa- ren beschwert" nämlich vom Schlafe, dessen sie sich bei der Schwach- lieit ihres Fleisches nicht erwehren konten. — V. 44. „Und er ließ sie" d. h. nicht: schlafen; denn nach Mrk. v. 40 können sie ihm nichts ant- worten; was voraussezt, daß Jesus mit ihnen geredet, also sie aufge- wekt hatte. dg)elg amovg besagt also nur, daß er es aufgab, sie zum Wachen nochmals aufzufordern und zu ermahnen. Er aber ging noch zum dritten Male hin und betete dieselben Worte (wie das zweite Mal V. 42). — Luk. erwähnt das dreimalige Hingehen Jesu zum Beten nicht, schildert aber v. 44 f., bis zu welcher Höhe der Gebetskampf stieg. Nach dem ersten Gebete erschien ein Engel vom Himmel und stärkte ihn; nicht etwa moralisch {de W,) oder nur geistig (Mey,\ son- dern physisch, damit die beschränkte menschliche Kraft im Kampfe nicht erläge. (D(pd^7i sezt die Eugelerscheinung als ein objectiv reales Factum. Die Stärkung bestand hiernach in durch den Engel vermit- telter Zuführung geistiger Kräfte. Dies geschah aber nicht, wie Olsh, meint, erst nach dem dritten Gebetsgange, sondern nach dem ersten. Denn darnach trat der Zustand v. 45 ein, daß Jesus hv dycovla ge- kommen andauernder (kxrsvioTBQOv) und angestrengter betete, so daß der Angstkampf ihm blutigen Schweiß erpreßte. „Sein Schweiß wurde wie auf die Erde herabfallende Blutstropfen". Dies ist nicht blos von der Größe der Schweißtropfen zu verstehen {Euthym,, Grot,, Bl., Olsh. u. A.), so daß dabei an Blut nicht zu denken wäre. In (dobl liegt nur, daß der Schweiß keine reine Blutmasse war, sondern blutige d. h. mit Blut gemischte Schweißmasse, die beim Herunterfließen sich wie zur Erde herabfallende Blutklumpen (^QOfißoi aifiarog) darstelten. Bluti- gen Schweiß kann nur der höchste Grad von Seelenangst erpressen. Vgl. medizinische Belege hiefür bei Grüner, comment. de morte Jesu Christi vera. Halle 1805 p, 33 ss. u. 109 ss. Aus dem sxTsvdorsQOv jcQOOrjvxBTO ergibt sich, daß die Evangelisten nur den Kern des Gebe- tes Christi mitgeteilt haben. V. 45 f. Zum dritten Male zu den Jüngern zurückgekehrt, sprach der Heiland zu ihnen: „Schlafet fortan (to Xoiütov was die übrige Zeit betrift) und ruht euch aus". Diese Worte werden nach dem Vorgange von Theophyl, u. A. noch von Mey. als Ironie oder ,schmerzliche Ironie' gefaßt ; aber eine Ironie im Munde Jesu wäre in diesem Momente ganz unnatürlich. Eben so unstatthaft ist es, xad^svöexB und dvajiavsod^e mit Bl als Indicative zu fassen: ihr schlaft für die noch übrige Zeit und ruhet, nämlich jezt, wo zum Schlafen und Ausruhen keine Zeit ist. Die Imperative sind vielmehr in permissiver Bedeutung zu fassen: So schlaft denn ferner und ruhet (Winer Gr. S. 292), nämlich meinetwe- gen. Ich bedarf eures Wachens nicht mehr, da der Kampf nun zu Ende ist {Hngstb.). So gefaßt enthalten die Worte in milder Form eine 552 Matth. XXYI, 4& ernste Aufforderung zu gründlicher Selbstprüfung, ob sie im Stande seien, mit Jesu in den Tod zu gehen, wie sie v. 35 versichert hatten. — Darauf kündigt Jesus ihnen an, was unmittelbar bevorstehe. „Siehe die Stunde ist genaht, da der Menschensohn in Sünderhände überlie- fert wird", fj Sga die von Gott festgesezte Zeit seines Leidens und Sterbens, wie Job. 17, 1 u. a. Sünderhände sind die Hände der jüdi- schen Obern, in die Jesus durch seine Gefangennehmung geräth. Y. 46. ^yelgeöd^s macht euch auf! s. v. a. Auf! äycofisv wir wollen gehen! nicht um den nahenden Häschern zu entfliehen, sondern um festen Mutes ihnen entgegenzutreten. „Siehe, der Verräther ist nahe gekom- men". Mit diesen Worten begibt sich der Erlöser samt den drei Jün- gern aus dem hinteren Teile des Gartens an den Eingang desselben zn den übrigen Jüngern, die wir bei der Ankunft des Verräthers alle um ihn versammelt finden. — So geht Jesus aus freiem Entschlüsse dem Tode entgegen. Der Seelenkampf in Gethsemane bildet ein Moment in dem Leben des Erlösers, dessen Verständnis für die richtige Auffassung sowol seiner gottmenschlichen Natur als auch seines erlösenden Wirkens von großer Wichtigkeit ist; in psychologischer Beziehung aber bietet er auch ein schwer zu lösendes Problem. — Die Betrübnis bis zum Tode und die Seelenangst, die sich Jesu bemächtigt, das Hingen im Gebete mit Gott bis zu blutigem Angstschweiße sind Erscheinungen, welche mit der Ruhe und Festigkeit, mit welcher er sein Todesleiden den Jüngern vor- hergesagt und als notwendig zur Ausführung des göttlichen Rathschlus- ses der Erlösung bezeichnet hat, in so auffälligem Contraste stehen, daß sie sich aus dorn natürlichen Bangen und Grauen seiner Seele vor dem nahen martervollen Tode psychologisch nicht genügend erklären lassen. Iliefür reicht die vielfach gemachte Bemerkung nicht aus, daß das rein menschliche Gefühl Jesu , nicht die Abstraction sokratischer Ruhe oder stoischer Apathie' wäre, seine Seele vielmehr das jedem Menschen natürliche Widerstreben gegen Leiden und Tod um so tiefer empfinden mußte, als sie von Sünde rein nicht dem Tode als Sold der Sünde unterworfen war. Dagegen ist mit Recht gesagt worden: ,Wie gar seltsam würde dieses bange Vorgefühl mit der Ruhe und Geduld, mit dem Mute und der Sicherheit contrastiren, die der Herr unter den thatsächlich hereingebrochenen Leiden bewiesen hat!' {Steinm.\ Ebenso wenig reicht zur Lösung des fraglichen Problems der Hinweis auf die menschliche doO^eveia hin, in welche Jesus vermöge seiner Er- niedrigung eingegangen war (2 Kor. 13,4. Hehr. 5, 7). Denn die dö^evsia dürfen wir uns doch bei Jesu nicht größer vorstellen, als bei den Märtyrern, die in der Kraft des Glaubens den Schrecken des Todes, selbst des martervollsten Todes standhaft und unverzagt entgegengin- gen. Ueberhaupt aber ist es nicht blos Todesfurcht oder gar der höchste Grad von Todesfurcht, der sich, wie Hngstb. meint, in dem Schmerze des Heilands äußert. Nicht um Abwendung des Todes bittet der Heiland. Dies wird zwar aus Hebr. 5, 7 gefolgert, tritt aber in den evang. Berichten über den Gebetskampf in Gethsemane nicht her- Maith. XXVI, 36—46. 553 vor. Das Trinken des Kelchs, vor dem seine Seele Angst und Grauen empfindet, ist nicht Bild des Todes, sondern des Leiden bis zum Ereu- zestode, das er auf sich nehmen soll. Dieses Leiden besteht nicht blos darin, daß er in Sünderhände dahingegeben wird, die ihn geißeln und kreuzigen werden (20, 18 f.), sondern wird dadurch zum schwersten Seelenleiden , daß er nach dem ewigen Rathschlusse des Yaters seine Seele als Xvtqov fttr die Sünden der Welt dahingehen soll (20, 28), daß er die Sündenschuld der Menschheit mit sich nehmen, tragen und durch den Tod am Kreuze tilgen soll. Vor dem Tragen dieser schwe- ren Last bebte seine sündenreine Seele, und errang sich in heißem Ge- bete vom himmlischem Vater die Kraft, die erforderlich war, um das Opfer für die Sünde der Welt zu bringen. Dadurch wurde sein Seelen- kampf zugleich ein Kampf wider den Fürsten dieser Welt, dem durch die Erlösung der Menschheit von der Schuld und Strafe der Sünde seine Beute entrissen wurde. Diese Bedeutung des Seelenkampfes Jesu in Gethsemane haben unsere alten kirchlichen Theologen richtig er- kant, wenn sie auch bei der psychologischen Erklärung dieses Seelen- kampfes, in der Auffassung desselben als ein Erleiden der Höllenqualen oder als Tragen des Zornes Gottes in seinem Vollmaße über das Zeug- nis der Schrift hinausgegangen sind, wie Sieinm, a. a. 0. S. 40 ff. nach- gewiesen hat. Dagegen weiß die neue kritische Theologie sich in diesen Seelenkampf Jesu nicht zu finden. Die trivialen Versuche des vulgären Eationalismus, diesen Kampf als ein körperliches üebelbefinden ( Thiess, Paulus) , oder als Enttän- schungsleid gescheiterter Hoffnung (Wolfenb. Fragm.) oder als Trennungs- schmerz der Freundschaft {Schuster) zu deuten, verschmähend hat man gegen die geschichtliche Warheit des evang. Berichts teils das Schweigen des Johan- nes geltend gemacht {Goldhorn, ScKleierm.) , teils auch die Abweichungen der drei ersten Evangelien in der Beschreibung desselben dazu benuzt, um die Schilderung des Vorgangs als übertrieben zu bezeichnen und die Sache in ein der reinen menschlichen Natur Jesu entsprechendes Grauen und Zagen vor dem martervollen Tode abzuschwächen. — Um das aus dem Schweigen des Johan- nes über diesen Vorgang entnonunene Argument zu entkräften, reicht freilich die Bemerkung nicht hin, daß Johannes in s. Evang. auch viele andere That- sachen aus dem Leben Jesu übergehe, weil er dieselben als aus den ersten Evan- gelien bekant voraussetze und zu jenen Berichten nichts wesentlich neues hin- zuzufügen hatte {Olsh., Ebr., Hngsth. u A.); denn Johannes hat sich in seinem Evangelium einen höheren Zweck vorgesezt, als den, die früheren Evangelien zu ergänzen. Zutreffender haben Andere den Grund in der freieren Composition des vierten Evangeliums gesucht. Nachdem Jesus — sagen Ew. und Mey. — gebetet, wie er Job. 17 gebetet, hatte der Seelenkampf bei Johannes keinen Platz mehr in seinem Evangelium, und nach 12, 23 ff. bedurfte er keinen mehr, so wenig wie der Angstruf am Kreuze. Dieses Argument läßt sich freilich auch gegen den geschichtlichen Charakter des vierten Evangeliums verwenden; doch darauf haben wir hier nicht näher einzugehen. So viel erhellt jedenfalls aus dem Job. 12, 27 mitgeteilten Ausspruche Christi : „ Jezt ist meine Seele erschüt- tert, und was soll ich sagen? Vater, hilf mir aus dieser Stunde! doch darum 554 Matth. XXYI, 47. bin ich in diese Stande gekommen'', daß die Nichterwähnnng des Seelenkampfes Jesu in Gethsemane im Evang. des Johannes kein Argument gegen die Wirk- lichkeit desselben liefern kann. — Entscheidend für den geschichtlichen Cha- rakter des vorliegenden Berichts ist der Umstand, daß sich ein solches Ereignis gar nicht erdichten ließ. Das Gepräge der inneren Warheit, welches der ganzen Erzählung aufgedrükt ist, ist dem Charakter der Sage entgegen. Den Heiland mit tapferem, unerschüttertem Heldenmute , den schon die Propheten des A. B. im Angesichte des Todes bewiesen hatten, dem Tode entgegengehen zulassen, lag der Sage gewiß viel näher, als den Gottessohn wie einen Wurm im Staube liegend und aus Furcht des Todes blutigen Schweiß schwitzend darzustellen. Und faßt man auch das Betragen der Jünger ins Auge, welcher Contrast dei Wirklichkeit und der Idee ist nicht ihr Schlaf! Sie angesichts des Bingens ihres Herrn und Meisters mit dem Tode schlafen zu lassen, darauf würde nimmer- mehr die dichtende Sage verfallen sein. — Hiezu komt die Aussage Hebr. 5, 7, daß Jesus in den Tagen seines Fleisches Gebete und Flehen an den der ihn ret- ten konte vom Tode mit starkem Geschrei und Thränen dargebracht und von wegen der Gottesfurcht erhöret worden , die auf kein anderes Ereignis im irdi- schen Leben Jesu so passend sich beziehen läßt als auf das Gebetsfiehen in Geth- semane, und ein unverwerfliches Zeugnis für die geschichtliche Treue der evan- gelischen Berichte liefert, welches den Vorwurf der Uebertreibung, den Schleierm,^ Hase, Hl., Mey. u. A. gegen die Darstellung desselben, insbesondere bei Lukas, erhoben haben, zu nichte macht. Uebrigens sind auch die Einwürfe der Kritiker sehr schwächlicher Natur. Die Stärkung Jesu durch einen Engel karm als ,absonderlich und merkwürdig nur der in Zweifel ziehen, dem die Existenz der Engel a priori zweifelhaft erscheint. Und was Keim (III S. 303 f.) gegen den dritten Gebetsgang Jesu und gegen den dritten Schlaf der Jünger eingewandt hat, daß nämlich ,der dritte Schlaf ohne Wort, ohne Rüge Jesu bleibt und das dritte Gebet buchstäblich die Wiederholung des zweiten, und nach diesem, nach der willigen Uebernabme des Opfers, so zwecklos wie störend' sei, ist teils nicht richtig, denn die Worte Jesu v. 43 (Mttli.) involviren eine Rüge, teils subjective Meinung ohne realen Gehalt. Jesus der Christ, der menscbgewordene Gottes-Sohn , von dessen Thun und Leiden die Evangelisten Zeugnis geben, hat anders empfanden, anders gedacht, anders gehandelt als der ^menschliche Jesus von Nazara', welchen Keim an seine Stelle gesezt hat und empfinden, denken und handeln läßt. — Endlich als Quelle des Berichts haben wir nicht blos das anzusehen, was die Jünger, ehe sie vom Schlafe überwältigt worden, gesehen und vernommen haben (Mey.), um mit Keijn zu bedauern, daß sie ,leider so manches dieser Gebetsworte, welches uns heute Gold wäre, ver- schlafen haben mögen*. Denn die Treue des apostolischen Zeugnisses von Jesu Leben und Wirken beruht nicht einzig auf dem, was die Jünger im Umgange mit Jesu gesehen, vernommen und verstanden haben, sondern auch auf Beleh- rungen und Aufschlüssen, die Jesus ihnen nach seiner Auferstehung darüber er- teilt hat, und hauptsächlich auf der Erleuchtung durch den heiligen Geist, welchen er ihnen nach seiner Himmelfahrt zur Verkündigung des Evangeliums als Farakleten gesandt hat. V. 47—56. Die Verhaftung Jesu, Vgl. Mrc. 14, 43—52. Luc. 22, 47—63 u. Joh. 18, 3—11. — In der Sache stimmen die vier Berichte Matth. XXVI, 47—60. 555 mit einander überein, obwol Luk. sie kürzer gefaßt und Job. nur Ein- zelnes genauer gegeben hat. V. 47 f. Während Jesus noch mit den Jüngern redete, kam Judas und mit ihm ox^og jtoXvg ein großer Haufe Volks mit Schwertern und ^vXcov Knütteln, von den Hohenpriestern und Aeltesten des Volks her d. h. von ihnen abgesandt. Den ox^og JtoXvg hat Joh. genauer bestimt als r^v öjcstgav die Gehörte und Die- ner von Pharisäern und Hohenpriestern, mit Fackeln und Lampen und Waffen kommend. ^ öJtBlga ist die römische Cohorte, die nach Joseph, hell, jud, V, 5, 8 während des Festes in der Burg Antonia stationirt war, geführt von einem irihunus, x«>l/«()XOc (Joh. v. 12), selbstverständ- lich nicht die ganze Cohorte, sondern eine Abteilung derselben. Auch Luk. erwähnt v. 47 nur oxXog, und wenn er v. 52 Jesum die wider ihn gekommenen aQXt-BQBlg x. öTQaTrjyovg rov hgov x, ütQBOßvriQovg an- reden läßt, so ist daraus nicht zu schließen, daß er, ,nach ungenauer üeberlieferung' (Mey.) die Oberpriester und Aeltesten mit erscheinen lasse, sondern diese Angabe so zu verstehen, daß in den Dienern die Obersten angeredet sind, weil das, was Jesus ihnen vorhielt nicht den Dienern sondern ihren Herren galt. Römisches Militär zu requiriren hielten die jüdischen Oberen für nötig, weil sie starken Widerstand vonseiten der Jünger Jesu fürchteten, und Fackeln und Lampen troz- dem der Vollmond am Himmel schien, für den Fall, daß Jesus sich im Gebüsche verstecken möchte. — V. 48. Judas, welcher der Schar vor- anging, hatte derselben das Zeichen gegeben: „welchen ich küssen werde, der ist's; greifet ihn". Der Aorist eöcoxsv läßt sich in seiner gewöhnlichen Bedeutung fassen, wenn man annimt, daß Judas erst an- gesichts Jesu und seiner Jünger das Zeichen mit der Schar verabredete-, aber warscheinlich ist dies nicht, sondern vielmehr, daß er schon beim Ausziehen dies getan hatte; und in diesem Falle ist eöcoxev im Sinne des Plusq. gebraucht, wie öfter in nachträglichen Bemerkungen. — V. 49. Und alsbald nach der Ankunft am Eingange des Gartens trat er zu Jesu hin mit dem Gruße: x^^^ Rabbi und küßte ihn herzhaft {xats- g)lXrjO£V Verstärkung des Simplex, küßte ihn so freundlich, wie ein treuer Anhänger Jesu nur thun konte, vgl. Luc. 7, 38. 45. Act. 20, 37). Da Jesus ihm seinen Verrath vorausgesagt hatte (s. zu v. 25), so wolte Judas mit dieser anscheinend herzlichen Begrüßung die Absicht seines Kommens vor Jesu verbergen. Aus der Nähe der bewaffneten Volks- scbar ließ sich ja, da Jadas derselben vorausgegangen war, nicht ohne weiteres schließen, daß er sie geführt hatte. Dabei hatte er freilich nicht erwogen, daß Jesus als Herzenskündiger die Absicht seines Kom- mens durchschauen und seine Heuchelei sofort entlarven würde. — V. 50. Jesus sagt ihm: „Freund, wozu bist du da!" Die Anrede exalQS Zeichen liebevoller Herablassung des Höheren zu seinem Untergebenen, wie 20, 13, berechtigt nicht zu der Folgerung, daß Jesus den Ver- räther noch nicht aus dem Kreise seiner Jünger ausgeschieden hatte, sondern ist Ausdruck mitleidsvoller Liebe, mit der Jesus als Sünder- beiland auch dieses Kind des Verderbens hatte retten wollen, und des Bewußtseins, daß auch die That des Judas nach göttlicher Vorherbe- 556 Matth. XXVI, 5 1—Ö3. Stimmung zur Ausfdhrxiiig des Werkes der Erlösung dienen solte. Die Worte hg) o jcaQSi als Frage zu fassen ist gegen deu griechischen Sprachgebrauch, indem die Classiker das relat. o bei directen Fragen nicht fttr rl gebrauchen. Mey. faßt daher die Worte als Aposiopese: ,Freund, wozu du hier bist' sc. das thue; aber offenbar unpassend, da Judas das wozu er gekommen war, schon gethan hatte, und wir doch nicht annehmen dürfen, daß Jesus die Bedeutung des Judaskusses nicht verstanden hätte. Die Worte sind mehr Ausruf als Frage in dem Sinne: Freund zu welcher That bist du hier! Der Gebrauch aber des Ig)' o für £9)' olov gehört zu den Incorrectheiten der späteren Gräcitat, die wenigstens hinsichtlich anderer Kelativpronomina belegt ist, vgl. fViner Gr. S. 157. — Luk. (v. 48) hat den Sinn dieses vorwurfsvollen Ausrufs durch die Umschreibung: Judas, mit einem Eusse überantwor- test du den Menschensohn! verdeutlicht. — An diese Eüge des Judas- kusses reihte sich an, was Job. v. 4—8 mitteilt, daß nämlich Jesus den Häschern entgegenging und sie fragte, wen sie suchten, worüber sie so erschraken, daß sie zurükprallend zu Boden fielen, und erst, nachdem Jesus seine Frage wiederholt und nochmals erklärt hatte, daß er der von ihnen Gesuchte sei, und daß sie, wenn sie ihn suchten, seine Jün- ger gehen lassen selten, Hand an ihn legten und ihn verhafteten. In diesem Momente zog Petrus sein Schwert und hieb einem der Diener des Hohenpriesters das rechte Ohr ab, wie im Einklänge mit Job. V. 10 f. auch Mtth. v. 51, Mrk. v. 47 u. Luk. v. 50 erzählen. Nur nen- nen diese weder den Namen des Petrus noch den des Dieners, weil dar- auf für die Sache nichts ankam und die That für Petrus ohne Schaden ablief, indem Jesus dem Knechte das Ohr sofort heilte, wie zwar nur Luk. V. 51 erwähnt, aber als zweifellos anzunehmen ist, weil nur da- durch begreiflich wird, daß die Häscher Jesum allein, nicht auch seine Jünger, wenigstens den Petrus, festnahmen. — Statt der Heilung des Dieners berichtet Mtth. die Zurechtweisung, welche Jesus dem Petrus wegen seines fleischlichen Eifers v. 52- 54 erteilte. V. 52 ff. „Stecke dein Schwert an seinen Ort (in die Scheide, Job. V. 12). Denn alle die das Schwert nehmen, werden durch's Schwert umkommen. Oder meinest du, daß ich nicht vermag jezt meinen Vater zu bitten und (daß) er mir mehr denn zwölf Legionen Engel beiordnen (zum Beistande senden) werde? (ägzi ist nach ACDrAU al. vor na^a- xaXioai zu belassen und nicht mit Tisch, 8 nach ^BL al hinter Jta- gaOT^üsc [iOL zu versetzen). Wie nun solten die Schriften erfült wer- den? Denn also soll es geschehen". Dreifaches hält der Herr dem Petrus vor: 1) daß die Anwendung des Schwertes dem der dazu greift zum Verderben gereicht. Was hätte auch Petrus, was hätten alle elf Jünger gegen die bewaffneten Soldaten und Gerichtsdiener ausrichten können? Doch nicht auf diese Gefahr blos will der Herr mit diesen Worten hinweisen. Das Schwert nehmen (kafißdrsiv) — sagt Luther — ,die es ohne ordentliche Gewalt brauchen'. Die Obrigkeit trägt^ führt {q)OQ€t) das Schwert als Gottes Dienerin (Rom. 13, 4). Die Hä- scher handelten im Auftrage der jüdischen Obrigkeit. Die That des Matth. XXVI, 54—56. 557 Petrus war Anflehnung wider die gottgeordnete Obrigkeit (nach Rom. 13, 2). Der Herr erkent damit einerseits der factisch bestehenden jü- dischen Obrigkeit das Recht zu, von ihrem Standpunkte aus ihn zu ver- haften und zu tödten, und vindicirt impliciie damit überhaupt der Obrigkeit das Recht der Todesstrafe; andrerseits aber sind diese seine Worte zugleich eine Weißagung zur Beherzigung derer, die ihm nach dem Leben trachteten, eine ütQO(persla rfjc; dtaq)&OQäg rcov kjceXO^ov- Tcov avTcp 'lovöalcov, wie schon Exithym, bemerkt hat, die sich in der römischen Katastrophe am jüdischen Volke erfülte. ,Denn was von de- nen gilt, die sich gegen die irdische Obrigkeit als Gottes Dienerin auf- lehnen, das muß auch von der irdischen Obrigkeit gelten, wenn sie sich gegen die himmlische Obrigkeit empört' {Hngsth,). — 2) rj öoxstg oder — um dich noch auf ein anderes Versehen aufmerksam zu machen — meinest du, daß ich deines schwachen Schutzes bedarf? Käme es darauf an, mich den Händen meiner Feinde zu entziehen, so könte ich meinen Vater bitten und er würde mir mehr als zwölf Legionen Engel als Beistand senden. Die Z.wölfzahl der Legionen Engel steht in Be- ziehung zu den zwölf Aposteln. Diese Jesu zur Verfügung stehende Macht, die in övvafiat angedeutet ist, hat Petrus bei seinem Vorgehen außer Acht gelassen; er hat nicht bedacht, daß Jesus der Sohn des lebendigen Gottes ist, sein früheres Bekentnis (16, 16) vergessen, und. ohne Glauben gehandelt. Endlich 3) hat er auch vergessen, was der Herr von c. 16, 21 an wiederholt seinen Jüngern verkündigt hat, daß er in Jerusalem leiden und sterben müsse, wie in der Schrift geweißagt ist. Dieser lezte Punkt ist mit ovv als Folgerung aus dem Vorher- gehenden eingeführt. Wie selten demnach, wenn ich durch Anwen- dung von Gewalt mich meinen Häschern entziehen wolte, die Schriften, in welchen Gottes Rath verkündigt ist, erfült werden? Der Plur. al YQag>al zeigt, daß Jesus nicht diese oder jene bestimte Weißagung des A. T., etwa Jes. 53 im Auge hat, sondern an vielen Stellen der Schrift, nach Luc. 24, 44 im Gesetze Moses, in Propheten und Psalmen, Weißa- gungen seines Leidens und Sterbens erblikt. — Fraglich bleibt, ob das oTi des lezten Satzes recitirend (dafi) oder causal {denn) zu fassen. Im ersten Falle wäre Xiyovöai zu suppliren: die Schriften, welche sagen, daß es so und nicht anders geschehen soll; im zweiten ist der mit oTi eingeführte Satz für sich zu nehmen: denn nach der Schrift muß es also geschehen. V. 55 f. Nach der Zurechtweisung des Petrus — hv hxelvxi r^ Sga in jener Stunde d. h. während das v. 49—54 Berichtete vorging, ehe die Abführung Jesu erfolgte — wandte er sich noch an die Häscher, um ihnen zu zeigen , daß sie seine Gefangennehmung nicht ihrer List und Gewalt beimessen dürfen, sondern daß dieselbe, nach göttlichem Rathe geschehe. Dies den Häschern und mittelst derselben den Hohen- priestern und Volksältesten zu erklären war notwendig, um dem Wahne vorzubeugen, als sei er nicht der Messias, als den er sich bis- her kundgegeben, sondern ein Empörer und Gotteslästerer, wofür die Pharisäer und Hohenpriester ihn hielten. Von diesem Wahne beseelt 558 Matth. XXVI, 66. hatten seine Widersacher in der Nacht eine bewaffnete Macht aufge- boten, um ihn greifen zu lassen, als ob er einem Räuber gleich sich verstecken oder seiner Verhaftung Gewalt entgegensetzen werde, während er doch täglich im Tempel sitzend gelehrt und da niemand Hand an ihn gelegt habe. Dagegen konte man freilich einwenden: die Hohenpriester und Aeltesten fürchteten das Volk, weil dieses Jesum für den Messias hielt und ihm anhing (vgl. v. 5). Diesen Einwand schneidet der Herr ab, indem er v. 56 weiter erklärt: „dies alles aber ist geschehen, auf daß die Schriften der Propheten erfült würden^^ TovTO de oXov yer/ovev xtL halten Erasm., ßeng,, Fritzsche, de W,, BL, Weiss u. A. für eine Bemerkung des Evangelisten, wie 1, 22. 21,4; aber dann würde der Bede Jesu nicht nur die Spitze, sondern über- haupt der Abschluß fehlen. Die Worte : wie gegen einen Räuber seid ihr ausgezogen mit Schwertern und Knütteln, mich zu fangen, während ihr täglich, da ich im Tempel lehrend saß, mich hättet greifen können, würden nur den trivialen Gedanken enthalten: ihr habt unnütze An- strengung gemacht mich festzunehmen, ich habe ja mich gar nicht zurückgezogen, sondern täglich im Tempel gelehrt, ohne daß jemand Hand an mich gelegt hat. Auch zeigen die Parallestellen Mrc. 14, 49 u. Luc. 22, 53, daß der Vers Worte des Herrn enthält. Die Worte bei Mark.: „aber damit die Schriften erfült würden'^, lassen sich nur als Worte Christi verstehen. Ebenso die Worte des Luk.: „aber das ist eure Stunde und die Macht der Finsternis^^, womit Luk. den Hinweis des Herrn auf die Schrift, die erfült werden soll, für die heidenchrist- lichen Leser deutet, indem er die Verhaftung Jesu als eine That der Finsternis bezeichnet, die sie ausführen konten, weil sie nach göttlicher Fügung geschehen solte. xomo oXov ist nicht blos die Verhaftung in den einzelnen Umständen, unter welchen sie ausgeführt wurde, sondern auch dies, daß sie früher Jesum im Tempel nicht gefangen genommen hatten. Ueber jiZrjQcoO^coOtr al yga^pal x. jiQog). gilt die Bemerk, zu v. 54. — al yQaqxxl r<5v jrQorprjzcQP sagt hier Jesus, weil die Behand- lung des Messias als eines Üebelthäters und seine Tödtung nur in den Schriften der Propheten ausdrücklich geweißagt war, z. B. Jes. 53. — „Alsdann verließen ihn alle Jünger und flohen". Damit ging was Jesus V. 27 vorausgesagt hatte in Erfüllung. — üeberblicken wir schließlich die Abweichungen der vier evang. Berichte über die Gefangennehmung Jesu, so zeigt sich, daß — von Mrk. der durchweg nur die Facta kurz erwähnt abgesehen — auch Matth. , Luk. und Joh. sich nur auf Er- wähnung der Hauptsache beschränken und nur die Ereignisse ein- gehender beschreiben, aus welchen zu ersehen, wie Jesus auch in die- sem Momente sich den Aposteln und auch den Häschern als der Messias erweist, der nach göttlichem Rathschlusse seinen Feinden tiber- antwortet wird. Matth. zeigt dies durch den wiederholten Hinweis Jesu in seinen Reden auf die Schrift, die erfült werden soll ; Luk. durch Erwähnung der Heilung des Knechts des Hohenpriesters, dem Petrus das Ohr abgehauen; Johannes durch Schilderung des Zuiükprallens der Häscher vor der göttlichen Hoheit der Person Jesu. Matth. XXVI, 57-59. 559 V. 57—76. D(is Verhör Jesu und die Verleugnung des Petrus. Vgl. Mrc. 14, 5S— 72. Luc. 22, 54-71 u. Joh. 18, 12-27. — Als Je- sus zum Hohenpriester abgeführt wurde, folgte ihm Petrus von ferne bis in den Palast desselben und sezte sich dort im Hofe zu den Die- nern. Mit dieser Angabe leitet Mtth. v. 57 u. 58 den Bericht von dem Verhöre Jesu vor dem Hohenpriester und dem Synedrium und die Ver- leugnung Jesu vonseiten des Petrus ein ; zwei Ereignisse, die gleich- zeitig eintraten. Nach Mtth., Mrk. u. Luk. wurde Jesus zum Hohen- priester Kaiaphas (s. über denselben zu v. 3) geführt, wo die Schrift- gelehrten und Aeltesten d. h. die Glieder des Synedriums, der obersten Justizbehörde des jüdischen Volks (s. zu 5, 22. S. 160) sich versammelt hatten {övvrixd^Oaif), Genauer Mrk.: und es kommen zu ihm alle Hohenpriester und die Aeltesten und die Schriftgelehrten zusammen; denn aus der Vergleichung mit Joh. 18, 13 ff. ergibt sich, daß das Synedrium nicht schon versammelt war, als Jesus zum Hohenpriester geführt wurde, sondern erst nachher sich versammelte. Nach Joh. 18, 13 nämlich führten die Häscher Jesum zuerst zu Hannas, dem Schwie- gervater des derzeitigen Hohenpriesters Kaiaphas, welcher ein Vorvw- hör mit Jesu vornahm, während dessen das Synedrium sich bei Kaiaphas versammelte. Dieses Vorverhör haben die Synoptiker übergangen, weil es keinen entscheidenden Einfluß auf die Verurteilung Jesu hatte. Da- gegen hat Johannes das Verhör vor Kaiaphas und dem Synedrium, als aus den früheren Evangelien bekant, nicht näher erzählt, sondern in 18, 24 u. 28 nur angedeutet. ^ ecag rffq avX'^q bis zum Palaste-, nicht: bis in den Hof (Mey,)^ s. dagg. zu v. 3. Eben so Mark, emq söco elg X7IV avXfjv, wo €000 überflüssig wäre, wenn avXj] Hof bedeutete. Denn Jesus wurde nicht in den Hof, sondern zum Hohenpriester in seine Wohnung geführt. Wenn also Petrus ihm bis dahin folgte, so folgte er ihm bis in den Palast. Daß er in den Hof hineinging, sagen erst die folgenden Worte: elösXd^wv söoo innen eingetreten sezte er sich zu den Dienern, die sich im Hofe aufhielten. Nur bei Luk. v. 55 u. Joh. v. 15 ist avX?] der Hof des Palastes. vjiT/Qdrai sind die amtlichen Diener des Hohenpriesters. Zu diesen sezte sich Petrus löstv rö xiXoq das Ende, den Ausgang der Sache zu sehen. — Im Folgenden erzählt Mtth. zuerst, was dort Jesu widerfuhr (v. 59—68), sodann was Petrus dort erlebte (v. 69—75); Luk. umgekehrt zuerst die Verleugnung des Petrus (v. 56—62); sodann das Verhör und die Verurteilung Jesu (v. 63—71). V. 59—68. Das Verhör vor Kaiaphas und dem Synedrium. — Der Bericht des Mtth. (u. des Mrk.) über dieses Verhör ist recht genau, aber doch auch nur die Hauptpunkte, die Vernehmung der Zeugen und 1) Von dem Versuche vieler AuslL, den johanneischen Bericht mit dem synoptischen durch die Annahme in £inklang zu bringen, daß man die Angabe Joh. 18, 24: und es schikte ihn nun Hannas gebunden zu Kaiaphas, als nach- trägliche Bemerkung zu fassen habe, in der aniaxeiXev im Sinn des Plusq. stehe, wornach das Joh. 18, 19 ff. berichtete Verhör nicht vor Hannas, sondern vor Kaiaphas stattgefunden hätte, können wir absehen, da Hngsth. (Leidensgesch. S. 164 ff.), Luih. zu Joh. 18, 15 u. Steinmeyer S. 115 ff. die UnStatthaftigkeit desselben überzeugend dargethan haben. 560 Matth. XXVI, 60. 61. die Beschwörung Jesu vonseiten des Hohenpriesters, angebend; kürzer und minder actenmäßig ist die Darstellung des Luk., in welcher das Zeugenverhör weggelassen ist, weil es nicht zum Ziele führte. Es ist daher nicht richtig, wenn Steinm, S. 121 u. Godet die Frage des Hohen- priesters: sage uns ob du der Christ bist (Luc. v. 67) als der Zeugen- vernehmung voraufgehend oder als Einleitung des Verhöres betrachten. Ob das Synedrium es für nötig erachtete, vor Aufstellung der Zeugen Jesu diese oder jene Frage vorzulegen, das läßt sich weder bejahen noch verneinen. Selbst von dem Vorverhöre bei Hannas (Joh. 18, 19 ff.) abgesehen, konte das Synedrium sich bewogen finden, möglichst kur- zen Proceß zu machen. Zieht man aber jenes Verhör in Betracht, so hatte Eaiaphas jedenfalls darüber von seinem Schwiegervater so viel erfahren, daß er wußte, wie mit Fragen nach Jesu Lehre und Schulen nichts auszurichten sei. Solte Jesus des Todes schuldig befunden wer- den, so mußte man seine Schuld durch Zeugenaussagen zu constatiioi versuchen. „Die Hohenpriester und (überhaupt) das ganze Synedrium* suchten falsches Zeugnis (tpevdofiaQxvQlav vom Standpunkte des Evan- gelisten ausgesagt) wider Jesum, um ihn zum Tode zu bringen, und sie fanden es nicht, obgleich viele falsche Zeugen herzugetreten waren^.^ Nach dem Gesetze Deut. 17, 6. 19, 15 solte jeder Handel durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden. Diese Form Rechtens will das Synedrium einhalten. Zeugen wider Jesum durch Ueberredung oder Bestechung sich zu verschaffen, dazu hatte man nicht Zeit gehabt, da die Verhaftung Jesu wider Erwarten rasch erfolgt war. Daher honte man nur anwesende Zuhörer auffordern, Zeugnis abzu- legen ; und deren Aussagen stimten nicht überein Ciöai ovx i^oav Mrk.), daß sie als dem Gesetze genügend angesehen werden konten. — Zulezt aber traten zwei Zeugen auf und brachten einen Ausspruch vor, wel- chen Jesus vor Jahren in Jerusalem getban hatte (Joh. 2, 19 f.), und der in der Form wie die Zeugen ihn vorbrachten, in Ermangelung trif- tigerer Gründe, ein Verbrechen zu involviren schien. Jesus hatte nach der ersten Tempelreinigung, um sein messianisches Auftreten gegen die Juden, die ein Zeichen zur Rechtfertigung desselben forderten, gesagt: „Brechet diesen Tempel ab und in drei Tagen werde ich ihn aufrich- ten". Diese Worte, mit welchen Jesus den Tempel seines Leibes meinte, j 1) Der Zusatz xal ol nQBaßvxegoi in A CNF oZ.fehlt in ^BDL ah und ist jedenfalls überflüssig. 2) Die mancherlei Varianten der Codd. in v. 61 ändern am Sinne nichts. Warscheinlich ist die rec. xal ov^ ^^Qop' xctl tioXXoüv xpevdofxaQzvQcay ngog' eXS-butd)!/ ovx ^^'Qoy, durch ^C^J&n al. bezeugt, die ursprüngliche Lesart Nach ihr gehört xal ot'x evgoi/ zum vorhergehenden Satze: sie suchten falsches Zeugnis wider Jesum und fanden es nicht ; und obgleich viele falsche Zeugen herzutraten, fanden sie es doch nicht, nämlich ein solches falsches Zeugnis, das zur Verurteilung hinreichte. Die Weglassung des xal vor noXXwv und des ovx evaoi/ mag daraus entstanden sein, daß man die Zugehörigkeit des xal ovx «^P**»' zu xpev^ofjLaqxvQLav V. 59 verkante, und dann das ovx ^*'(»oi/ am Ende als tauto- logisch oder überflüssig und mit ihm auch das xal vor noX'AiJoy als unpassend wegzulassen bewogen wurde. Matth. XXVI, 61—63. 561 hatten die Juden auf den steinernen Tempel bezgen. Aber auch in die- sem Sinne gefaßt war es schwer, dieses Wort zu einem strafwürdigen Verbrechen zu stempeln. Die Zeugen führen, ob aus Mißverständnis oder in böser Absicht, läßt sich nicht entscheiden, dasselbe so an: Ich (Jesus) kann (^övvafiai) den Tempel Gottes abbrechen und in drei Ta- gen {öiä TQKDP ^fjiSQcov Während dreier Tage) ihn aufbauen. Dadurch erhielt der Ausspruch Jesu einen anderen Sinn. Hätte Jesus dies ge- sagt, so hätte er sich anheischig erklärt, ein Wunder der göttlichen Allmacht zu vollbringen. Bei Mark, lautet die Aussage so: Ich werde ^ . diesen mit Händen gemachten Tempel abbrechen und in drei Tagen g. einen nicht mit Händen gemachten bauen. Mrk. sezt hinzu: daß auch kdiese Aussage der beiden Zeugen nicht gleich war, gibt aber nicht l^rBftlier an, worin die Verschiedenheit bestand, vielleicht darin, wie Mtth. u. Mrk. den Ausspruch referiren. Der Hohepriester aber findet diese ^- Aussagen für Jesum sehr gravirend und fordert ihn zu einer Erklärung darüber auf. V. 62: „Antwortest du nicht auf das was diese wider dich zeugen?" Die Worte ovöhv djtoxglvTß ri ovrol oov xarafiaQzvQovötp können mit Vulg., Luth., de W., Bl, Erv,, Weiss u. A. als eine Frage gefaßt werden, da djtoxQlvsod'ai ri etwas beantworten bedeuten und rl für o,ri stehen kann. Man kann sie aber auch in zwei Fragen zer- legen: Antwortest du nicht? Was (d. i. wie Schweres) zeugen diese wi- der dich? {Mey. dem ovx djioxQlvxi ovöiv bei Mrk. entsprechend). Diese Auffassung wäre einfacher als mit Fritzsche u. Hngstb, zl als concisen Ausdruck für zl zovzo eöztv o ovzot zu nehmen. Die Zer- . legung in zwei Fragen erscheint dem Affecte angemessener, welchen der Hohepriester simulirt, aber zu dem Affecte paßt nicht recht was folgt, nämlich daß der Hohepriester auf das Schweigen Jesu hin diese Anklage fallen läßt. V. 63. „Jesus schwieg", weil er, wie schon Euthym, bemerkt hat, wußte ozt liaxTjv djtoxQivslzai Jiccgä zoiovzotg. Gegenüber solchen Zeugenaussagen war Schweigen das einzig richtige Verhalten. Aus Luc. v. 67 u. 68 schloß Hngsth,, daß das sötcijta sich nur auf eine zur Sache gehörige Antwort beziehe, daß aber der Herr sich wegen der Nichterteilung derselben rechtfertige, indem er zeige, wie überflüssig das Reden vor solchen sei, die sich einmal fest darauf gesezt haben, der Warheit keinen Eingang bei sich zu gestatten. ,Er schwieg also, nachdem er vorher sein Schweigen gerechtfertigt hatte'. Diese Aus- gleichung erscheint nicht zutreffend. Die Antwort, welche bei Luk. Jesus gibt, bezieht sich nicht auf eine Frage, die der Hohepriester hin- sichtlich der Zeugenaussagen an Jesum gerichtet hatte, sondern ganz allgemein auf das was das ganze Synedrium hören wolte. Und Jesus begnügt sich bei Luk. auch nicht mit der Erklärung, daß sein Reden überflüssig sei, sondern erklärt weiter, daß sie von jezt an den Men- schensohn zur Rechten der Allmacht Gottes werden sitzen sehen; er gibt also im wesentlichen dieselbe Antwort, die er nach Mtth. dem Hohenpriester hernach auf seine Beschwörung erteilt hat. Demnach haben wir das Verhältnis des lukanischen Berichts zu dem bei Mtth. u. Keil, Gomm. z. Eyangel. Matth. 36 562 Matth. XXVI, 64. Mrk. so zu fassen, daß Lok. nur die Hauptsache des Verhörs mitgeteilt, diese aber durch erläuternde Umschreibung zu verdeutlichen gesacht hat. — Das Schweigen des Herrn macht die Absicht des Hohenprie- sters, in der Zeugenaussage ein Verbrechen Jesu nachzuweisen, zq nichte; und es bleibt demselben nichts übrig, als mit dem wahren Grunde hervorzutreten. Er beschwört also Jesum bei dem lebendigen Gott, zu sagen, ob er der Christ, der Sohn Gottes sei. Das Prädicat Gottes: der lebendige, gehört zur feierlichen Form der Beschwörung. Als der lebendige ist Gott der Rächer der ünwarheit. Der Zusatz: der Sohn Gottes, dient zur näheren Bestimmung des Begriffes 6 XQiOxoq — der Christus in dem Sinne, in welchem Jesus sich dafür erklärt hatte, nämlich der Sohn Gottes in der metaphysischen Bedeutung der Wesenseinheit mit Gott. Denn nur in diesem Bekentnisse lag eine Gotteslästerung, wenn Jesus sich dafür erklärte und es, nach der An- sicht des Synedriums nicht war. — Jesus antwortet: „du hast es ge- sagt", d. i. die hebr. Ausdrucksweise der Bejahung, daher von Mrk. für griechische Leser mit syoi elfii wiedergegeben. Er erkent den Hohen- priester als Präses des Synedriums als die zur Zeit noch bestehende gottgeordnete Obrigkeit des jüdischen Volks an, vor der er nach Got- tes Willen Zeugnis ablegen soll, damit offenbar werde, daß das jüdische Volk seinen Heiland verworfen und getödtet hat. Um deß willen fügt er zu dem Ja, welches als Antwort auf die feierliche Beschwörung des Richters die Bedeutung eines abgelegten feierlichen Eides hatte, noch das Bekentnis hinzu: „Doch ich sage euch, von jezt an werdet ihr den Menschensohn sitzen sehen zur Rechten der Allmacht und kommen aaf den Wolken des Himmels". nX7]v bed. weder profecto (Olsh,) noch quin (Kuin,), sondern doch d. h. aber troz der Niedrigkeit, in der ich jezt vor euch stehe um von euch gerichtet zu werden, werdet ihr als- bald erfahren, daß ich wirklich der von den Propheten angekündigte Messias bin, den Gott zu seiner Rechten erhöht bis er alle Feinde ihm unterwerfen wird, und dem er Herschaft, Majestät und Königtum über alle Völker verleiht. Dies liegt in dem nach Ps. 110, 1 und Dan. 7, 13 gebildeten Ausspruche Christi. Das Sitzen zur Rechten der Macht weist auf Ps. 110, 1 hin: „Setze dich zu meiner Rechten, bis ich alle deine Feinde zum Schemel deiner Füße mache", rj övvafitg = rrniiaan im Talmud häufig Bezeichnung der göttlichen Allmacht und des allmächtigen Got- tes, s. Buxt. Lex. talm,p, 385, Das Kommen des Menschensohnes auf den Wolken des Himmels ist aus Dan. 7, 13. «V ägri gehört zu oipsod^s, von jezt an d. h. von meinem jezt bevorstehenden Tode an, durch welchen ich zur Herrlichkeit bei Gott verklärt werde, otpsö&s ihr werdet sehen (nicht mit leiblichen Augen), sondern erfahren in der Machtwirkung des Sohnes Gottes vom Himmel herab. Dieses Sehen trat schon ein bei den wunderbaren Zeichen, die seinen Tod und seine Auferstehung begleiteten , wurde aber noch augenfälliger in der Aus- breitung seines Reiches durch die Predigt des Evangeliums und in dem Gericht der Zerstörung Jerusalems, mit dem das Reich Gottes von den Juden genommen wurde. — Dieses feierliche Bekentnis seiner Mes- Matth. XXVI, 65—67. 563 sianität und Gottheit legt Jesus vor der Obrigkeit seines Volkes ab, nicht am sie von dem Schritte den sie thnn will zurückzuhalten und sie zur Anerkennung seiner göttlichen Sendung zu bewegen — denn die Leiter des Volks waren in der Verstockung gegen den heiligen Geist schon so weit vorgeschritten, daß eine Umkehr nicht mehr möglich war — sondern um ihrem Vorhaben die Ausrede, daß Jesus sich nicht entschieden genug als Messias und Sohn Gottes legitimirt habe, abzu- schneiden, um öffentlich vor dem hohen Rathe zu bezeugen, daß er nach göttlichem Bathe und Willen den Tod erleiden solle, um die Sünde der Welt zu tragen. — V. 65. Auf seine menschlichen Richter macht daher auch diese feierliche Erklärung keinen Eindruck. Der Hohe- priester erblikt darin eine Gotteslästerung und gibt seiner sittlichen Entrüstung und Betrübnis über solchen Frevel durch Zerreißen der Kleider einen sinnlichen Ausdruck. Ueber diesen Gestus, darin be- stehend, daß man die Kleider am Leibe vorn auf der Brust einriß, als Zeichen tiefen Schmerzes oder schmerzlicher Trauer s. m, bibl. Archäol. §. 115, 6 (S. 574) und die talmud. Satzungen darüber bei BuxL, Lex. lahn, p. 2146, — „Er hat Gott gelästert {eßXaoqyqfirjOev) — ruft der Hohepriester aus — Was bedürfen wir noch Zeugen! Siehe, nun habt ihr die Gotteslästerung gehört. Was dünket euch? Und sie antworten: des Todes ist er schuldiges Einen Gotteslästerer mit dem Tode zu be- strafen, war im Gesetze Mose's Lev. 24, 15 vorgeschrieben, und das Synedrium war zur Handhabung des Gesetzes rechtlich befugt und als theokratische Behörde dazu verpflichtet. Auch die Befugnis, auftre- tende Propheten zu prüfen und falsche Propheten mit dem Tode zu be- strafen nach Deut. 18, 20, stand ihm rechtlich zu. Aber hatte denn der hohe Rath den in Deut. 18, 20 ff. für die Bestrafung eines falschen Propheten geforderten Beweis, daß Jesus nicht Gottes Wort, sondern aas dem eigenen Herzen geredet, auch nur zu führen versucht? Konte er die Wunder und Zeichen, durch welche Jesus seine göttliche Sen- dung dargethan, in Abrede stellen, um Jesu Bekentnis, daß er der sei, welchen Gott durch die Propheten als Messias verkündigt hatte, für eine Gotteslästerung auszugeben? — Die Verurteilung Jesu war ein Justizmord, mit dem die Obrigkeit des jüdischen Volks das Maß ihrer Sünden voll machte. V. 67 f. Nachdem das Synedrium das Todesurteil ausgesprochen hatte, galt Jesu für eine Seele, die aus ihrem Volke ausgerottet wer- den solte. Da nun aber das Synedrium unter der römischen Herschaft nicht in der Lage sich befand, die im Gesetze vorgeschriebene Steini- gung zu vollziehen, so suchte man wenigstens durch Mißhandlungen des Verurteilten seinen Eifer für Gottes Ehre zu zeigen. Als Subject zu evsjtTvöav sind nach dem Contexte Glieder des Synedriums zu den- ken, wie sich aus den rcvsg bei Mrk. unzweifelhaft ergibt. Das Speien ins Gesicht war Zeichen des Absehens vor dem (vermeintlichen) Got- teslästerer. xoXag)l^eiv mit der Faust schlagen; gajcl^scv bei den Griechen: peitschen, mit Ruthen schlagen, hier dagegen: Backenschläge mit flacher Hand erteilen. In dieser Bed. gebraucht Matth. 5, 39 das 36* 564 Matth. XXYI, 68. 69. Wort nach dem Vorgange der LXX vgl. Hos. 11, 4. Jes. 50, 6. Von dieser Bed. abzugehen nnd mit Beza, Bng,, Ew., Mey, n. A. die im Griechischen herschende Bedeutung vorzuziehen, liegt kein Grund vor. Die ,andere Art der Mißhandlung, die mit ol dl eingeführt wird' {Mey.\ bestand nicht darin, dafi man statt Faustschläge, Ruthenstreiche er- teilte, sondern darin, daß man nach Verhüllung des Gesichts Backen- streiche gab und höhnend ihm zurief: „weißage uns, Christe, wer ist es, der dich gezüchtigt hat?'' also darin daß man seine messianische Würde verspottete, jtal^scv Scherz und Spott mit jemand treiben. Die Ver- hüllung des Gesichts erwähnen Mrk. v. 65 u. Luk. v. 64 ausdrücklich; sie muß auch bei Mtth. angenommen werden, weil sonst das jtQO^' TBveiv die Angabe der Jesu natürlicher Weise unbekanten Person, die ihn geschlagen, bezeichne, bedarf keiner Widerlegung. — Die Notiz des Mrk., daß auch vjtrjQirai Gerichtsdiener Jesu Qojtlöfiara zuwar- fen, begründet keine sachliche Differenz. Ob Richter oder Gerichts- diener? ändert an der Sache nichts. Die Differenz aber, daß in Luc. 22, 63—65 die Mißhandlung und Verspottung Jesu vor dem Verhöre erzählt ist, bei Mtth. u. Mrk. nach demselben, läßt sich nicht durch die Annahme ausgleichen, daß Luk. dabei den Job. 18, 22 erwähnten Backenstreich, den ein Diener bei dem Verhöre vor Hannas Jesu gab, im Auge hatte und damit gleich die Mißhandlungen nach dem Urteils- spruche des Synedriums verbunden habe, sondern ist aus dem Plane des Luk. zu erklären, daß er nach sachlicher Ordnung in der Form einer Klimax erst die Verleugnung Jesu durch einen seiner Jünger, so- dann die Mißhandlung und Verspottung vonseiten derer, die ihn ge- fangen genommen hatten, zulezt die Verurteilung durch das Synedrium beschreibt. V. 69—75. Jbie Verleugnung des Petrus, Vgl. Mrk. 14, 66—72. Luc. 22, 56-62 u. Job. 18, 15—18. 25—27. — Nicht blos die Sünde des jüdischen Volks hatte der Erlöser Israels auf sich zu nehmen und zu tragen, sondern auch die Sünde seiner Jünger, die ihn als den Sohn Gottes erkant und bekant hatten. Petrus, der so eben noch mit dem Schwerte für seinen Herrn und Meister hatte kämpfen wollen, verleug- net ihn dreimal vor den Mägden und Dienern des Hohenpriesters. — Die vier evang. Berichte über die Verleugnung des Petrus stimmen in Betreff der dreimaligen Verleugnung zusammen, aber hinsichtlich des Ortes weicht Johannes von den Synoptikern insofern ab, als nach ihm die erste Verleugnung während des Verhöres Jesu vor Hannas im Hofe des Hohenpriesters vorfiel, die zweite und dritte, nachdem Hannas Je- sum gebunden zum Hohenpriester Eaiaphas geschikt hatte. Diese Dif- ferenz gleicht sich ohne Schwierigkeit durch die schon von Euthym, vorgetragene Ansicht aus, daß Hannas und Eaiaphas zwei Gebäude des hohenpriesterlichen Palastes mit einem gemeinsamen Hofe bewohn- ten, wofür sich Ehr., Lange, Godet, Hngsth,, Luth,, auch Keim u. A. mehr entschieden haben, und der auch die Darstellung bei Job., troz der gegenteiligen Behauptung von Mey,, in keiner Weise widerspricht Matth. XXVI, 70—74. 566 Hinsichtlich der Zeit der Yerlengnang ist der Bericht des Job. genaaer als der synoptische, ohne demselben zu widersprechen, indem Mtth. a. Luk. die Zeit gar nicht näher angegeben haben, so daß ans ihren Be- richten nur so viel sich ergibt, daß sie währen^ des Verhöres Jesa sich zugetragen, nnd Luc. v. 61 nur berichtet, daß nach der dritten Ver- leugnung der Herr einen Blick auf Petrus warf. — V. 69 u. 70. Die erste Verleugnung. Matth. knüpft seinen Bericht v. 69 durch die Notis5 : ,Petrus aber saß draußen im Hofe' an die Bemerkung v. 58 an, daß Petrus Jesu, als er zum Hohenpriester abgeführt wurde, von ferne folgte und in den Hof des Hohenpriesters eingetreten sich zu den Die- nern sezte, die nach Luc. v. 55 u. Job. v. 18 dort ein Feuer angezündet, hatten und um dasselbe herumsaßen. £gö> draußen — vom Stand- punkte im Innern des Hauses, wo Jesus verhört wurde, bemerkt. „Es trat zu ihm eine Magd sprechend: Auch du warst mit (bei) Jesu dem Galiläer". Nach Joh. v. 17 war dies die Thürhüterin, welche den Pe- trus auf Vermittelung des dem hohenpriesterlichen Hause bekanten Johannes eingelassen hatte. Petrus leugnete vor allen (Anwesenden): „Ich weiß nicht was du sagst''. Diese Antwort ist ausweichend. Bei Job. lautet sie kurz und bestimt: ovx elfit ich bin nicht (ein Jünger jenes Menschen). — V. 71 u. 72. Die zweite Verleugnung. Durch die Frage der Magd in Verlegenheit gesezt ging Petrus hinaus slg top Jtv- Xcova d. h. aus dem Hofe in das Portal, den bedekten Baum, von dem aus man in den offenen Hof des viereckigen Gebäudes trat. Mark, nent . ihn jtQoavXiov Vorhof, den man sich aber nicht als draußen vor dem ' Hause denken darf. Dort stehend sah ihn eine andere Magd und spricht zu den Umstehenden: „Auch dieser war mit Jesu dem Nazare- ner". Statt aXXf] sagt Mrk.: und die Magd, ihn gesehen habend fing wieder an zu den Nebenstehenden zu sagen; Luk. aber: szegog löcov cevTOv eg)^; Joh. v. 25: sbtov sie (die Diener im Hofe) sagten. Diese Verschiedenheiten lösen sich durch die Annahme in Harmonie auf, daß die Dienerschaft, als sie das schüchterne Wesen des Petrus merkte, anfing darüber sich lustig zu machen, wobei einer und der andere, Mägde und Diener sagten: dieser war auch bei Jesu, ist auch einer seiner Anhän- ger, und ihn dadurch veranlaßten, seinen Umgang mit Jesu abermals zu leugnen, und zwar nach Mtth. fisd'^ oqxov mit einem Schwüre. War- scheinlich hat Petrus auch diesmal zuerst einfach seine Bekantschaft mit Jesu verneint, und erst als die Diener ihre Aussagen wiederholten, mit einem Schwur abgeleugnet, daß er Jesum kenne. — V. 73 u. 74. Die dritte Verleugnung. Merä (iixqov nach kurzer Zeit: nach Luk.: gegen eine Stunde nachher, traten die Dastehenden an Petrus heran und sagten: „Warlich auch du bist einer von jenen (d. h. von den An- hängern Jesu), denn deine Sprache verräth dich" (d. h. zeigt, daß du ein Galiläer bist). Der galiläische Dialekt unterschied sich nämlich von dem jüdischen durch plattere Aussprache mehrerer Buchstaben, das ^ wie ri, das n wie S'; vgl. Menschen N. Test ex talm. ill.p. 119. Statt dessen berichtet Job.: Einer der Knechte des Hohenpriesters, dem Petrus das Ohr abgehauen, sagte: „Hab ich dich nicht im Garten bei 566 Matth. XXVI, 76. ihm gesehen?'^ Aach diese Differenz begründet keinen Widersprach. Wenn man sich den Vorgang nur nicht so vorstelt, daß jedesmal nur eine Person ans der Dienerschaft den Petras anredete, sondern daB, wenn einer angefangen hatte, den Petras in Verlegenheit oder Furcht za setzen, die andern zustimmten und ihre Angaben zu begründen sach- ten, so kann der eine Diener den galiläischen Dialect geltend gemacht, ein anderer, nämlich der, welchen Petrus im Garten mit dem Schwerte verwandet hatte, gesagt haben, er habe ihn dort gesehen. Dadurch wurde Petrus so in die Enge getrieben, daß er mit wiederholten Eid- schwüren und Verwünschungen leugnete Jesum zu kennen. — „Und alsbald krähete der Hahn." V. 75. Da erinnerte Petrus sich des Wor- tes, mit welchem Jesus ihm seine Verleugnung vorhergesagt hatte, und ging hinaus, aus dem Hofe und dem Palaste, und weinte bitterlich. Luk. fügt V. 61 hinzu, daß als der Hahn krähete, der Herr (Jesus) sich wandte und den Petrus anblikte, wodurch derselbe an jenes Wort des Herrn erinnert wurde. Jesus muß demnach in diesem Momente auf den Hof gekommen oder über den Hof geführt worden sein, daß er einen Blick auf Petrus werfen und Petrus ihn sehen konte. Ob dies aber ge- schah, als Hannas ihn gebunden zu Eaiaphas schikte {Hngstb., Godet, Luth.\ oder nachdem das Synedrium ihn des Todes schuldig befunden hatte und ihn aus dem Gerichtssale in den Hof führen und dort be- wachen ließ, bis man ihn dem römischen Landpfleger überliefern konte — diese Frage läßt sich nicht mit voller Sicherheit entscheiden. Fan- den die beiden lezten Verleugnungen nach der Absendung Jesu zu Eaiaphas statt, wie man aus Job. 18, 24 ff. schließen kann, voransge- sezt, daß Johannes nach der Zeitfolge erzählt hat, so kann nur die zweite Annahme richtig sein. Die chronologische Anordnung der Vor- gänge aber bei Job. in Zweifel zu ziehen, dazu liegt kein triftiger Grund vor. Die Angabe Matth. 27, 1 wie Job. 18, 28, daß die üebe^ antwortung Jesu an Pilatus in der Frühe {jiQGoii) erfolgte, stimt mit der Angabe, daß bei der dritten Verleugnung der Hahn krähete d. i. nach dem genaueren Berichte des Mark, zum zweiten Male krähete. Die dreimalige Verleugnung des Petrus kann befremdlich erschei- nen, wenn man sich den Hergang nicht richtig vorstelt. Daß Petrus seinem gefangen abgeführten Herrn von ferne nachfolgt und durch Vermittelung des Johannes bis in den Hof des hohepriesterlichen Pa- lastes geht, um den Ausgang der Sache zu sehen, zeigt seine brennende Liebe zum Herrn. Daß er sich aber dabei besonderer Gefahr aussetzen könte, mochte er nicht überlegt haben. Für seine persönliche Freiheit brauchte er freilich nicht besorgt zu sein, nachdem Jesus die Gefahr, in die er sich durch das Dreinschlagen mit dem Schwerte bei Jesu Ge- fangennehmung gestürzt hatte, durch die Heilung des verwundeten Die- ners von ihm abgewendet hatte. Aber die Warnung Jesu vor Verleug- nung hätte ihn zur Vorsicht bewegen sollen. Weshalb leugnete er auf die Rede der Magd hin, daß er bei Jesu war, sein Verhältnis zu Jesu ab? Schwerlich aus Furcht vor persönlicher Gefahr, die aus dem Zu- geständnisse desselben für ihn entstehen konte. Warscheinlich hielt er Matth. XXVI, 75. JXVII, 1. 567 die Rede der Magd nicht für so wichtig, um sich ihr gegenüber offen zu Jesu zu bekennen, und glaubte wol auch, mit der ausweichenden Ant- wort, die er gab, seinen Herrn nicht zu verleugnen. Nur daraus wird sein Bleiben im Hofe erklärlich. Ebenso mochte die Art und Weise, wie nach einer Weile die Dienerschaft ihm von neuem seine Verbin- dung mit Jesu vorhielt, ihm nicht so gefährlich erscheinen, um durch sofortiges Verlassen des Hofes Furcht zu zeigen, wodurch er sich der Dienerschaft nur hätte verdächtig machen können. Aber der Schwur, mit dem er nun schon sein Verhältnis zu Jesu in Abrede stelte, war eine Sünde, durch die seine Antwort zu einer ernsten Verleugnung sei- nes Glaubens und damit auch seines Herrn wurde. Warum aber zog er sich denn jezt nicht von diesem gefährlichen Orte zurück? Wol nicht blos deshalb nicht, weil er noch weitere Anfechtungen vonseiten der Dienerschaft nicht vermutete, sondern hauptsächlich, weil er den Aus- gang des Verhöres Jesu abwarten wolte, und durch die Aufregung, in welche ihn alles Vorgefallene versezt hatte, das warnende Wort des Herrn seiner Seele verdunkelt worden war. So blieb er denn — um der Versuchung zu erliegen. Als die Dienerschaft ihm nochmals ernstlicher als früher vorhielt, ihn bei Jesu gesehen zu haben, und er in steigender innerer Erregtheit anfing, mit Schwüren und Verwünschungen zu leug- nen — da krähete der Hahn ; und der Hahnenruf rief ihm das war- nende Wort seines Herrn ins Gedächtnis; und Jesu Blick auf ihn in diesem Momente brachte ihm die Tiefe seines Falles zum Bewußtsein. Das kühne Vertrauen auf die Stärke seines Glaubens und seiner Liebe zum Herrn ist vernichtet. Bittere Reue ergreift seine Seele. Er hat nun erfahren, wie schwach das Fleisch bei aller Willigkeit des Geistes ist. Mit der Erkentnis seines tiefen Falles wurde aber auch das trost- reiche Wort, welches der Herr bei Ankündigung der seinen Jüngern bevorstehenden sataniscfien Versuchung ihm zugesagt hatte: Ich habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre (Luc. 22,^32), in sei- ner Seele wieder lebendig und hat ihn vor Verzweifelung bewahrt. — Die äußeren Verhältnisse, unter welchen Petrus der Versuchung erlag, erscheinen sehr geringfügig. Durch zeitiges Verlassen des Ortes, wo- hin ihn zwar die Liebe zu seinem Herrn gezogen, aber nicht Pflicht und Beruf geführt hatte, hätte er der Gefahr, seinen Heiland zu verleugnen, entgehen können. Aber eben dieser Umstand solte ihn tief demütigen and das Vertrauen auf die eigene Kraft brechen, damit er in der Kraft des Herrn stark würde. Cap. XXVIL Das Ende des Judas. Das Verhör Jesu vor Pilatus; Kreuzigung, Tod und Begräbnis Jesu. V. 1 u. 2. Jesu Ueherantwortung an Pontius Pilatus. Vgl. Mrc, 15, 1. Luc. 23, 1 u. Joh. 18, 28. In der Frühe des Morgens, nachdem das Synedrium Jesum des Todes schuldig befunden hatte, hielten die Hohenpriester und Aeltesten Berathung wider Jesum, daß sie ihn zu Tode brächten, d. h. darüber, wie sie die Vollziehung des gefällten 568 Matth. XXVII, 2. 3. Urteils bei dem römischen Landpfleger auswirken wolten, da dem Syne- drium das Recht über Leben und Tod {jm gladii) unter der römischen Herschaft entzogen worden war; vgl. m, bibl. Archäol. §. 151. S. 717. Dann führten sie Jesam gebunden ab und übergaben ihn dem Lanpfie- ger. Aus dem örjCavTsq avrov läßt sich nicht (mit Mey.) schließen, daß Jesu die Fesseln, welche ihm bei der Verhaftung angelegt worden (Joh. 18, 12. 24), während des Verhörs abgenommen waren und nun wieder angelegt wurden. Matth.u. Mrk. erwähnen erst jezt die Anle- gung der Fesseln, weil sie es früher nicht gethan hatten, vgl. 26, 50 mit Mrc. 14, 46. Auch djti^ayov ist nicht so zu pressen, daß man daraus schließen dürfte, das Synedrium habe in pleno Jesum zum römi- schen Landpfleger abgeführt. Selbst der Ausdruck ajcav t6 jcX^d^og avTaXal bei Strah. XVII, 3 den Namen Kopf oder Schädel erhalten hätte. Ansprechender ist die Ansicht von Furrer, welcher Palästina und Jerusalem bereist hat, in Schenk! s Bibellex. II, 506 , daß ,wir uns unter Golgotha wol eine Felsbank zu denken haben, welche durch flache Wölbung aus dem umgebenden Terrain sich heraushob, einer breiten zu Stein erstarrten Meereswelle ähnlich, von der morgenländischen Phantasie mit einem kahlen Schädel verglichen'. — Viel streitiger ist auf den heutigen Tag die Lage von Golgotha. Die bis ins 4. Jahrh. hinaufreichende Tradi- tion sezt den Calvarienberg mit dem heil. Grabe an die Stätte, wo die beilige Grabeskirche erbaut ist, innerhalb des heutigen Jerusalem. Aus dem N. Test, erhellt darüber nur so viel klar, daß Golgotha außer- halb des damaligen Jerusalem lag (Mtth. 27, 32 f. Mrc. 15, 21 f. Joh. 19, 17. Hehr. 13, 12). Die Entscheidung für die Richtigkeit der kirch- lichen UeberlieferuDg hängt also von der Frage ab, wie weit damals Jerusalem sich nach NW. hin erstrekt hat, ob die sogenante zweite Mauer, welche die Unterstadt gegen Nordwesten und Westen umgab und begrenzte, östlich von der jetzigen Grabeskirche vorbeilief, so daß das Terrain der Grabeskirche auberhalb der damaligen Stadtmauer lag. Nachdem schon im vorigen Jahrh. Korie die Richtigkeit der kirch- lichen Tradition bestritten hatte, suchte sie in neuerer Zeit hauptsäch- lich Robinson (Pal. II S. 268 ff.) als unhaltbar nachzuweisen und seine Ansicht gegen die Einwendungen von Williams (the holy cityj, Schulz (Jerusalem) , Krafft u. A. aufrecht zu halten in ,Neue Untersuchungen üb.d. Topographie Jerusalems' 1847 u. ,Neuere bibl. Forschungen' 1857 S. 332 ff. Allein wie wenig es bis jezt gelungen ist, die Frage zur Ent- scheidung zu bringen, das läßt sich schon aus dem Geständnisse schlie- ßen, welches Furrer, der in seinen Wanderungen durch Palästina 1865 sich gegen die Richtigkeit der Tradition erklärt hatte, vier Jah/e spä- ter in Schenk! s Bibellex. a. a. 0. abgelegt hat, daß eine erneute selb- ständige Prüfung der Frage bei vielfach vermehrten wissenschaftlichen Hilfsmitteln ihn bewogen habe, zum Golgatha der Tradition als im ganzen richtig zurückzukehren, weil wir hinlängliche Beweise dafür zu besitzen scheinen, daß die zweite Mauer östlich von der Grabeskirche sich hingezogen habe. ^ 1) Sehr beachtenswert ist auch die Bemerkung desselben a. a. 0. : ,Man darf beim Studium dieser Frage niemals vergessen, daü die Stadt der Juden ihren Schwerpunkt im Tempel hatte und danach ihr JB[rystallisationsprozeß sich richtete, während das christliche Jerusalem (welehos seit Konstantins Zeiten 582 Matth. XXVH, 33. y. 34. Vor der Annagelüiig an das Kreuz war es jüdische, nicht römische Sitte, znr Linderung der Schmerzen einen betäubenden Trank zu reichen, vgl. Lightf, hör. ad h. /. * Einen solchen Trank reichte man auch Jesu, nach Mtth. Wein mit Glalle gemischt, nach Mrk. kcpvQ- viöfiivov olvov mit Myrrhe versezten Wein. Statt o^oq (nach ANrAn al) bieten ^BBKL al. olvov, welches Tisch, 8 reeipirt hat, da o^oq wol nur durch Vergleichung mit der zu Grunde liegenden Stelle Ps. 69, 22 in den Text gekommen ist. Das Wort ^oA^ wird in der LXX nicht blos für «J»'^ bittere, für giftig gehaltene Pflanze, sondern auch für fij?^ Wermut (Prov. 5, 4. Thren. 3, 15) gebraucht und bedeu- tet auch in Ps. 69, 22 nicht Galle, sondern Wermut. Hiemach geben beide Evangelisten dasselbe Getränk nur mit verschiedener Bezeich- nung an. Bas Getränk war sauerer mit irgend einem Bitterstoffe ge- mischter Wein. Jesus, als er ihn gekostet, trank ihn nicht, weil er mit klarem Bewußtsein sein Leben am Kreuze aushauchen wolte. — Die Kreuzigung wurde gewöhnlich so executirt, daß man zuerst das Kreuz aufrichtete, dann den Verurteilten entkleidet ^ mit Stricken soweit in die Höhe zog, daß der Körper auf einem in der Mitte des Pfahls ange- brachten hervorragenden Pflocke, der zwischen den Beinen durchging, ruhte, worauf die Hände, sodann die Füße mit spitzen eisernen Nägehi durchbohrt an das Kreuz fest; angenagelt wurden. ^ — Während der Kreuzigung sprach Jesus (nachLuk.): Vater, vergib ihnen, denn sie entstaDd) seinen Schwerpunkt in der Grabeskirche gewann, wodurch mit innerer Notwendigkeit eine wesentliche Veränderung der einstigen Stadtverhältnisse erfolgen mußte*. — Zur Uebersicht über die neueren Verhandlungen über die Lage von Golgotha und über den gegenwärtigen Stand dieser Frage vgl. Winer^ bibl. KW. I, 436 ff., Lanqen, d. lezten Lebenstage Jesu S. 363 ff., Arnold, heil. Grab in Htrz.'s Eealencykl. V S. 296 ff. u Zion ebdst. XVIII S. 643 ff. u. Fmv rer im Bibellex. a. a. 0. — Alles was in älterer Zeit über Golgotha geschrieben worden, hat Tobler in der Sehr. Golgatha u. s. Kirchen. Nach Quellen u. An- schau; mit Ansichten u. Plänen. St. Gallen 1851. zusammengetragen. 1) Bahyl. Sanhedr. foh 45, 1 ; Prodeunti ad supplicium capitis potum dede- runt, granum thuris irfpoculo mni^ ut turbaretur intellectus ejus. 2) Die Entkleidung schließt eine Bedeckung der Schaamteile nicht aus. Nach Sanhedr. c. 6 hal. 3 bei Lightf. l. c. fand bei der Steinigung eine gewisse Bedeckung statt: Denudant vestibus, virumque tegunt a parte priori (i. e. pudenda}^ foeminamque et a jyriori et a posteriori. Haec sunt verba R. Jehudae. At Sa- pientes dicunt : vir lapidatur nudus, at foemina non nuda. Bei den Heiden galt nach Artemidor 2, 23: yvfxvol atavQovvxai. Aber bei dem vagen Gebrauche des W. yy/Ltpog ist damit eine Bedeckung der pudenda nicht ausgeschlossen. Aus- führlich hat Latiqen a. a. 0. S. 304 ff. diese Frage erörtert. 3) Um das Wunder der Auferstehung zu beseitigen und in ein Erwachen aus dem Scheintode zu verwandeln, hat nach dem Vorgange von Cleric. zu Joh. 20, 27 und Dathe zu Ps. 22, 7 der Heidelberger Paulus das Annageln der Füße als bei der Kreuzigung nicht üblich zu erweisen unternommen und bei Lücke, Fritzsche, Ammou, B.-Crus., Mner, AScÄ7e{e?m. Zustimmung gefunden. Dagegen haben aber Hug in der Freyb. Ztschr. III. V u. YII u. im Gutachten üb. d. Leben Jesu gegen Str'auss, und besonders Bahr in Heydenr. u. HüffeVs Ztschr. 1830. 2 S, 308 ff. u. in Tholucks Litt. Anz. 1835 Nr. 1—6. die Annagelung der Füße als das Gewöhnliche so überzeugend dargethan, daß gegenwärtig kein Sach- kundiger sie mehr bezweifelt. Vgl. die Geschichte dieses Streits in ThoVs Litt. Anz. 1834 Nr. 53-65 u. bei Langen a. a. 0. S. 312 ff. Matth. Xrm, 36—39. 583 wissen nicht was sie thun. — V. 35. Nach Beendigung dieses Geschäf- tes verteilten die Soldaten, welche die Execntion besorgt hatten, die Kleider der Gekrenzigten unter sich, nach üblicher Sitte, wie Mtth., Mrk. u. Luk. nur kurz erwähnen, dabei aber der Anwendung des Loses gedenken. Ausführlicher berichtet darüber Johannes 19, 23 f. mit dem Nachweise, wie dadurch die Weißagung Ps. 22, 19 erfült worden. Der Zusatz tva jcZijQciD^ xb gijd'sv xtX. im Elzevireschen Texte des Matth. ist unecht und aus Joh. 19, 24 in einige Minnskelhdschr. u. Versionen gekommen. — V. 36 f. Die Soldaten sezten sich alsdann beim Kreuze nieder, Wache zu halten. Weiter berichtet Mtth. in Uebereinstimmung mit Mrk. u. Job., daß man über dem Haupte des Gekreuzigten, d. h. oben am Kreuzespfahle die Ueberschrift anbrachte: „Dieser ist Jesus, der König der Juden'^ Aus dem ijci^xav läßt sich nicht schließen, daB die Soldaten, nachdem sie bereits das Geschäft der Kreuzigung be- endigt, die Kleider verlost und sich zum Wachehalten hingesezt hat- ten, noch nachträglich die Anheftung des titulus vollzogen (Mey.). Eben so wenig steht in Joh. 19, 19, daß der tituhis vor Aufrichtung des Kreuzes angebracht worden sei. Dies ist zwar möglich, ja war- scheinlich, wird aber von keinem der Evangelisten bestimt angegeben, weil für die Sache von keinem Belange. Das Subject von kni^xav ist unbestimt: diejenigen deren Geschäft es war. Das Genauere über die Ueberschrift und den Anstoß, welchen die jüdischen Oberen an der Fassung derselben nahmen, s. bei Joh. 19, 19—22. — Auch die Notiz V. 38 über die Kreuzigung zweier Missethäter mit Jesu, einen zur Rechten, den andern zur Linken, ist nur kurz berührt, als eine gött- liche Fügung, wodurch das Schriftwort Jes. 53, 12 erfült wurde, wie Jesus vor seinem Leiden den Jüngern vorausverkündigt hatte (Luc. 22, 37). — Die Anführung dieser Erfüllung bei Mrk. v. 28 ist nach den kritischen Zeugen nicht für ursprünglich zu halten, sondern erst später aus Luc. 22, 37 in den Text des Mrk. gekommen. V. 39—44. Die Verspottung Jesu am Kreuze. An dieser beteilig- ten sich Alle: die Vorübergehenden (v. 39 u. 40), die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Aeltesten (v. 41—43), endlich auch die mitge- kreuzigten Schacher (v. 44). Luk. erwähnt zuerst das Volk überhaupt samt seinen Oberen (v. 35), sodann v. 36 die Kriegsknechte, die ihm Essig zum Trinken reichten und dabei sprachen: wenn du der König der Juden bist, so rette dich. Damit meint Luk. nicht die Darreichung des bitteren Trankes vor der Kreuzigung, sondern den Spott, welchen Matth. in v. 49 nach dem Ausrufe Jesu: Mein Gott, mein Gott u. s. w. (v. 46) andeutet. Endlich v. 44 erwähnt er den Spott vonseiten des einen Mitgekreuzigten, nebst der Zurechtweisung, die derselbe vom an- deren Schacher erhielt, was Mtth. übergangen hat, weil ihm das Zeug- nis, welches Gott für Jesu Unschuld und Gottessohnschaft v. 43 u. 51—53 ablegte, für den Zweck seines Evangeliums hinreichend er- schien. — V. 39. Die Lästerung der Vorübergehenden (jiaQCLjtOQ^o- liavcov) zeigt, daß die Kreuzigungsstätte an der Landstraße lag. Es war römische Sitte, den Executionsplatz mit seinen Abschreckungen 584 Matth. XXVH, 39—44. den Aagen des Volks zugänglich zu machen, und ihn vor die Thore an öffentliche Straßen zn verlegen. — Die Verspottung bezeichnet Mtth. mit ßZao^fisZv als Gotteslästerung; Luk. gebraucht hcfivTexrj' gl^eiv die Nase rümpfen, nach Ps. 22, 8, wo auch das Eopfechüttehi vorkomt. Das Schütteln des Kopfes {xtvslv rag xeq)aXccg) ist Geberde des Befremdens über Unerwartetes, des Bedauerns, und für sich allein nicht schadenfroher Spott; vgl. Hupfeld zu Ps. 22, 9. Dazu wird es erst in Verbindung mit spöttischen Mienen oder höhnenden Worten. Hier bei Jesus ist es Gestus der Verneinung, daß der so hilflos am Kreuze Hängende nimmermehr Gottes Sohn sein könne. Wenn er — wie er gesagt hat — den Tempel abbrechen und in drei Tagen bauen könte, so würde er sich retten; wäre er Gottes Sohn, so würde er vom Kreuze herabsteigen. Der Spott liegt in den Imperativen: er rette sich, er steige herab, und wird durch die Anrede: wenn du Gottes Sohn u. s. w. in dem parallelen Satze verschärft. Der Ausspruch über den Tempel war durch die Zeugenaussage publik gewordei und wurde nun Jesu höhnend vorgehalten. — V. 41 ff. Aehnlich sprachen die Hohenpriester samt den Schriftgelehrten und Aeltesten: „Andere hat er gerettet, sich selbst kann er nicht retten'^ Damit erklärten sie die Wunder Jesu für Lug und Trug. „Ist er der König Israels (d. h. der Messias, wof||tr er sich ausgegeben), so steige er herab vom Kreuze (d. h. so zeige er doch seine Wundermacht, um sich vom Tode zu be- freien), und wir wollen an ihn glauben". (Statt jtiozevadfisv nach BDGKSUVnal hat Tisch. 8 jciaxevaojfiev n^Yi^EFHLMrn aJ. re- cipirt, dagegen Lehm. jccöTevofcsp nur nach AaL), „Er hat auf Gott vertraut, er rette nun, wenn er ihn will". Diese Worte sind eine Re- miniscenz aus Ps. 22, 9: rjXjciosv tjtl Kvqcov, gvodoü^oo avzov, Oco- ödro) avzov ort (heXet avxov (LXX), wobei d^iXsc avzov dem hebr. 12 i^an wenn er Wolgef allen an ihm hat, entspricht. „Er hat ja gesagt: ich bin Gottes Sohn". Wenn er das ist, so wird ja Gott ihn auch ret- ten, lieber diese Rede der Hohenpriester bemerkte schon /. D, Mich, zu Ps. 22: ,Sie nahmen diese Worte, wie Leute zu thun pflegen, die viel mit der Bibel umgehen, aus unserm Psalm, nicht bedenkend, was für ein Psalm es sei, dessen Worte ihnen eben beifielen, und wie un- selig sie ihn erfüllten'. In diesem Psalme hat nämlich David den Lei- densweg, auf welchem Gott ihn zum Throne führte, in einer Weise be- sungen, welche die Wirklichkeit seiner Erlebnisse weit übersteigt, so daß die Schilderung sowol dessen was er erlebt als was er erhofft hat, erst in Christo seine volle Erfüllung erreicht hat, wodurch dieser Ps. zu einer Weißagung auf Christum geworden ist; vgl. Delitzsch Comm., Einleit. z. d. Ps. — V. 44. Auf die nämliche Weise schmähten ihn auch die mit ihm gekreuzigten Räuber. Matth. drükt sich hier allgemein aus, um zu zeigen, wie der Herr die Schmach Aller, die ihn sahen, zu erdulden hatte (der Plur. ol Xi]OTai steht generisch), ohne der durch Luk. überlieferten Thatsache zu erwähnen, daß nur der eine der mit- gekreuzigten Uebelthäter Jesum lästerte, der andere aber Jesu Un- schuld einsehepd den Lästerer zurechtwies und Jesum um die Auf- Matth. XXYU, 45. 585 nahm^ in sein Reich bat and die tröstliche Zusage seiner Bitte erhielt. Dies erwähnt Luk. y. 40—43, weil es seinem Plane entsprach, Jesum als den Heiland darzustellen, welcher die Sünder selig macht. V. 45—50. Todeskampf und Tod Jesu. Vgl. Mrc. 15, 33-37. Luc. 23, 44-46 u. Joh. 19, 25—30. — V. 45. „Von der sechsten Stunde an ward eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde^^ Nach Mrc. 15, 25 war es die dritte Stunde, als man Jesum kreuzigte, d. i. 9 Uhr Vormittags, als die Kreuzigung vorgenommen wurde. Die sechste Stunde ist die Zeit von 11—12 Uhr; das ajio von dieser Stunde an verwehrt, den Termin erst ans £nde dieser Stunde d. i. um 12 Uhr Mittags zu setzen.^ Jesus hing demnach schon zwei volle Standen und darüber am Kreuze, als die Finsternis eintrat, welche 3 Stunden, also bis gegen 3 Uhr Nachmittags währte. In die beiden 1) Mit diesen Zeitbestimmmigen steht die Angabe Joh. 19, 14, daß Pilatus um die sechste Stunde sich auf den Richterstnhl sezte, nm das Todesurteil über Jesum zu föllen, in onausgleichbarem Widerspruch, wenn diese Angabe, wie meist angenommen wird, nach jüdischer Stundenzählong gemacht ist. Alle Ver- suche, von dieser Voraussetzung aus die Differenz auszugleichen sind willkür- lich und gezwungen. Dagegen löst sich die Differenz in Harmonie auf, wenn die sechste Stunde (bei Joh.) nach römischer Stundenzählung gerechnet, die Zeit um 6 Uhr Morgens ist. Diese Ausgleichung ist nicht blos zmässig, sondern lä&t sich auch vollständig rechtfertigen. Wieseler hat in d. ,Beiträgen' S. 252 ff. aus Strabo II c. 34 f. u. den epistolae des jüngeren Plinius (III, 9. IX, 36) nachge- wiesen, daß mit der Herschaft der Bömer der bürgerliche Tag, dessen Stunden die römischen Priester nach PUn. hist. nat. IT^ 79 von Mittemacht datirten, in lOeinasien zur Geltung kam, so daß um das Ende des ersten Jahrhunderts, als Johannes für die dortigen Christen sein Evangelium verfaßte, jene Stundenzäh- lung nicht bezweifelt werden kann und sich ihm ndt Büksicht auf seine Leser und wegen ihrer größeren Genauigkeit empfahl. Femer hat IsenbergJSibei die Differenz zwischen Joh. 19, 14 u. Marc. 15, 25' in der Ztschr. f. luth. Theol. von Rud. u« Guer. 1868 S. 450 ff. einleuchtend gezeigt, daß im Evang. des Johannes, wo nicht vom gewöhnlichen Arbeitstage die Bede ist, die Tagesstunden nach römischer Stundenzählung angegeben sind. — Der Einwand aber, daß, wenn man Morgens 6 "Uhr verstehe, zu wenig Zeit für die gerichtlichen Verhandluu- gen übrig bleibe, zumal wenn wir mit dem Ev. Luc. die Sendung zu Herodes ergänzen (Lth.), erweist sich bei näherer Betrachtung als nicht stichhaltig. Das Paschamahl mit den Beden Jesu Joh. 14—17 war ohne Zweifel so zeitig vor Iküttemacht zu Ende, daß Jesus um Mittemacht schon nicht nur seinen Leidens- kämpf kämpfen, sondern auch gefangen genommen werden konte. Denn als der Hahn zum ersten Mal krähete, wurde er bereits von Hannas verhört (Mrc. 14, 68) und beim zweiten Hahnenkrähen in der dritten Nachtwache, etwa gegen 5 Uhr Morgens war das Verhör vor dem Synedrium bereits beendigt (s. zu 26, 75) und in der Frühe (nQcot d. i. vor Ta^essu[ifang, also noch vor 6 Uhr Morgens wurde Jesus schon dem Landpfleger Pilatus überliefert, wie Mttb. 27, 1. Mrk. 15, 1 u. Luk. 22, 26 in üebereinstimmun^ mit Joh. 18, 28 berichten. Die Verhandlung vor Pilatus aber wird nicht so lange gedauert und auch die Sendung Jesu zu Herodes, selbst wenn derselbe nicht in dem Palaste, in welchem das Prätorium war, wohnte, nicht so viel Zeit in Anspruch genommen haben, daß nicht gegen 9 Uhr Morgens schon Jesus zur Kreuzigung abgeführt werden konte. In 3 Stran- den, etwa von 5*/«— 8* 2 Uhr konte die Verhandlung bei Pilatus inclus, einer Stunde für die Sendung Jesu zu Herodes beendigt sein, da die Hohenpriester wegen des bevorstehenden großen Sabbats die Sache möglichst zu beschleuni- gen gesucht haben werden. 586 Matth. XXVH, 45. ersten Stunden fÄlt die Verspottung, die Jesus von den Vorübergehen- den, den jüdischen Oberen und dem einen Schacher erfuhr. Während dieser Zeit schwieg er, außer dem Worte, das er bei der Ereuzignng gesprochen, und der Zusage, die er dem frommen Mitgekreuzigten er- teilte. Mit dem Eintreten der Finsternis am Mittage werden wol die Verhöhnungen aufgehört haben. Bei oxorog kann nicht an eine Son- nenfinsternis gedacht werden, nicht blos aus dem schon von Orig. an- geführten Grunde, weil zur Zeit des Vollmonds, in die das Pascha fiel, eine gewöhnliche Sonnenfinsternis nicht eintreten kann, sondern auch schon deshalb, weil Mtth. u. Mrk. kein Wort über Verfinsterung der Sonne sagen, und Luk. ausdrücklich die Verdunkelung der Sonne als eine Folge des eingetretenen oxorog darstelt, darnach also die einge- tretene Finsternis das Sonnenlicht verdunkelte, nicht aber durch Ver- dunkelung des Sonnenlichts die Finsternis entstand. ^ Es war ,eine außerordentliche, wunderbare Verfinsterung, eine göttliche Zeichen- sprache in der Natur', wie Mey. richtig anerkent, aber diese Zeichen- sprache nach weitverbreiteter Ansicht unrichtig als ein Trauern der Erde über den schmählichen Tod des Gottessohnes deutet. Diese Deu- tung, welche Olsh. so ausgeführt hat, ,daß auch die Natur die Erhaben- heit des Moments mitzufeiern schien, daß mit dem Herrn der Natur die Schöpfung selbst gelitten habe, und daß dieselbe um den Vorgang auf Golgatha gleichkam den Schleier der Nacht breite, um das Ver- brechen zu bedecken', hat Steinm. S. 220 f. mit Recht als eine poetisch romantische Betrachtung bezeichnet, für welche man in der Schrift keinen Halt finde, und hat die Bedeutung dieser wunderbaren Erschei- nung aus den Stellen der Schrift erläutert, in welchen Jesus sich als das Licht der Welt darstelt und als das Licht der Welt bezeichnet wird, wie nicht allein im Ev. Job. 8, 12. 9, 5. 12, 46. 1, 4. 9 u. a., sondern auch im Ev. Luc, wo Zacharias des heil. Geistes voll die Er- scheinung Christi als dvaroXfj i§ ikpovg, kxKpävai xotg ev Oxoret x. öxia d^avdrov xad^niivoig weißagt (1, 78 f.) und der greise Symeon (2, 32) das Jesuskindlein als q)wg dg dutoxdXvxpiv £{hvc5p begrüßt, und in Ev. Matth., wenn Jesus in der Bergrede 5, 14 seine Jünger to g)(og Tov xoofiov nent, und der Evangelist Jesu messianisches Auftreten in Galiläa nach der Weißagung Jes. 8, 23 f. als ein großes Licht bezeich- net, welches den in Finsternis und in Todesschatten Sitzenden aufge- gangen ist. Noch deutlicher ergibt sich die Bedeutung der Finsternis bei Jesu Tode aus dem warnenden Worte, mit welchem der Herr Joh. 12, 35 von dem Volke Abschied genommen: „Noch eine kleine Weile ist das Licht bei euch. Wandelt dieweil ihr das Licht habt, daß euch die Finsternis nicht überfalle. Wer in Finsternis wandelt, weiß nicht 1) Dies hat auch Hngstb. nicht beachtet bei seiner Deutung ,der Verfinste- rung der Sonne* (ro axotog) als Realerklärung des Zornes Gottes über Israel, als Ankündigung des Gerichts, welches sie durch die Kreuzigung ihres Königs auf sich laden, und der Begründung dieser Deutung mit den prophet. Stellen Joel 3, 4 u. 4, 14. 15, wo das Erlöschen der Himmelslichter als Vorbote der herannahenden göttlichen Gerichte vorkomt. Matth. XXVn, 46. Ö87 wo er hingehet^^ Diese Wamang haben sie verschrnftht. ,Indem Jesus stirbt nach ihrem Willen, durch ihre Hand, ist das Licht der Welt fttr sie erloschen und das Höllendunkel wird die Stätte ihrer Wohnung. Eben dies drükt sich symbolisch in der Finsternis ab, die sich aus- breitet über ihr Land während der Stunde ihres traurigen Triumphes, eines Triumphes, welcher bald den Rückschlag erfuhr: ihr werdet mich suchen und nicht finden können; denn wo ich hingehe, da könnet ihr nicht hinkommen^ (Steinm,). Iläöav ttjv yi^v ist nicht die ganze Erde, die Matth. 24, 14 mit oXrj fj o^xot;^^ bezeichnet, sondern das ganze (jüdische) Land. Die Finsternis war ein Zeichen, mit welchem Gott dem jüdischen Volke den Tod seines Sohnes deutete. y. 46. Um die neunte Stunde schrie Jesus auf mit lauter Stimme: „Mein Gott, mein Gott, warumhast du mich verlassen!" Mtth.u. Mrk. teilen den Ausruf in der aramäischen Sprache mit, welche Jpsus redete, um den Anlaß zu dem Spotte erkennen zu lassen, in welchen die Um- stehenden diesen Schmerzensruf des Heilandes verdrehten. caßaxO-ccpl ist das aram. *'?ni55ü = dem hebr. *'?P!^!?,. Die Worte sind aus dem An- fange des 22. Psalms, und im Munde Davids Ausdruck des Ringens der Seele mit dem Gefühle des Yerlassenseins von Gott im UebermaBe der Leiden, die über ihn hereingebrochen sind und ihn dem Tode nahe ge- bracht haben. Daß die Frage: warum hast du mich verlassen? nicht Rede der Yerzweifelung eines von Gott Verlassenen ist, das zeigt schon die Anrede: mein Gott, in welcher der Klagende ja Gott noch als sei- nen Gott anruft, sich also der Gemeinschaft mit Gott noch bewußt ist. Die Frage Ivarl (»i»^, K»i) ist Ausdruck des Befremdens über das Ver- ziehen der göttlichen Hilfe und Rettung aus der Todesnot, in der er schwebt. Im Munde des Herrn kann diese Klage noch weniger Aus- druck der Verzweifelung an Gottes Hilfe sein, oder aussprechen, ,was der Erlöser empfand, indem sein Benmßtsein der Erfahrung mit Gott augenblicklich den zum höchsten Punkte gelangten Leibes- und Seelen- leiden gewichen und ein momentanes ^ichiempfinden der göttlichen Lebensmacht in ihm eingetreten war' (Gess, Mey.), Nachdem Jesus in Gethsemane im Gebete mit Gott gerungen und den Kampf siegreich be- standen hatte, ist ein solches Zurücksinken in eine überwundene Stimmung bei ihm, der mit klarem Bewußtsein nicht blos dem Tode, sondern dem schmerzlichsten Todesleiden entgegenging, psychologisch schwer denkbar, und ist von Steinm, als nicht zum Ziele führend mit Recht abgewiesen worden. Die Gottverlassenheit, über welche der Herr klagt, kann nicht auf einem momentanen Fühlen und Empfinden beruhen, sondern muß in einer objectiven Thatsache begründet sein. Diese Thatsache kann auch nicht in der Ueberlassung Jesu an die gott- feindliche Gewalt der Welt (Hofm.) bestehen, denn die gottfeindliche Macht der Welt hat der Erlöser schon in Gethsemane überwunden; sie kann nur in dem Eintreten des Todeskampfes, in dem Ringen mit dem Tode beruhen. Da fühlte sich Jesus von Gott verlassen und sprach in diesem Klagerufe die Empfindung seiner Seele aus. Sterben konte er nicht anders, als indem der Vater ihn verließ und in diesem Verlassen* 588 Matth. XXVn, 47— 49. werden yom Vater hat er den Tod and die Bitterkeit des Todes ge- schmekt^ V. 47 ff. Die Verdrehung des ?jXl ijXl tctZ. in eine Anrufung des Elias entstand nicht aus Mißverständnis der Worte, sondern war bos- hafter Judenwitz und Spott, den man daher nahm, daß die Ankunft des Elias vor der Erscheinung des Messias erwartet wurde (17, 9 ff.). Die- sen Elias — meinen sie spöttisch — habe Jesus angerufen und ftber sein langes Ausbleiben geklagt. — In v. 48—50 hat Matth. den weite- ren Verlauf der Dinge kurz zusammengezogen. — Daraus, daß nach y. 48 einer der Umstehenden, den Angstruf Jesu würdigend, Mitleid empfand und eine ErquickuDg bringen wolte, während die Uebrigen spotten, nach Joh. 19, 28 Jesus seinen Durst ausdrücklich ausgespro- chen hat, nach Mrk. 15, 26 der Tränkende zugleich der Spottende war, zieht Mey. den Schluß, daß in diesen Abweichungen eine Trübung der Ueberlieferung anzuerkennen sei. Aber die angef. Stellen ergeben nur dann eine solche Differenz, wenn man den Ausruf öitpci bei Joh. irrig deutend als ein Wort faßt, welches Jesus gesprochen habe, damit die Schrift erfült werde (nämlich den Satz iva TsZsKoß^ fj tQ^^^ ^ Vordersatz mit dem folgenden XirfBC öttpci verbindet) — eine Auffas- sung, die Luih. im Comm. z. d. St. und Steinm. S. 208 ff. als unhaltbar nachgewiesen haben. Nach der richtigen Auffassung von Joh. 19, 28: da Jesus wußte, daß nun alles vollendet sei, damit die Schrift vollendet würde, sprach Jesus . . , war alles, was nach der Schrift vollendet wer- den solte mit dem Ausrufe: mein Gott, mein Gott u. s. w. vollendet; und das bald darauf folgende Wort: „mich dürstet", hat Jesus nicht gesprochen, um eine Weißagung der Schrift (Ps. 69, 22) zu erfüllen, sondern um, bevor er seinen Geist aufgab, die Qual des brennenden Durstes zu mildern; und Johannes erwähnt das Verlangen nach einem erquickenden Tranke zum Beweise, daß Jesus mit Freiheit aus seinem Leibe und dessen Leben schied, indem der Trank etwas war, das nicht dem Sterben sondern der Lebenserhaltung diente (Lth,). Hat aber das dttpco nur diese Bedeutung und sprach der Herr dasselbe bald nach dem Rufe : Eli, Eli u. s. w., so konten Mtth. u. Mrk. es übergehen und sich auf Mitteilung des Factums der Tränkung mit saurem Wein samt dem Spotte, wozu dieselbe Veranlassung gab, beschränken. Das Fac- tum selbst aber wird nur erklärlich, wenn Jesus nach einem Tranke verlangt hatte. Wie wäre sonst jener Mensch darauf verfallen, ihm 1) Vgl. Steinm. S. 206 mit der weiteren Erläuterung S. 207: , Allerdings ist der Stachel des Todes die Sünde, namentlich die Sünde, sofern sie ihre Macht vom Gesetze empfängt (1 Cor. 15, 56). Und da der Herr in Gethsemane die Sünde der Welt auf sich genommen (u^ccgzia vneg fi^dny noirj&ets), da er dieselbe auf das Kreuz getragen (xaTccQa vnkg f;uioy yeyofxeyog), so hat er im Sterben ohne Frage dies xeytgoy S-ayäzov gefühlt. Allein weil diese Sünde seiner Person doch inmier ein Fremdes war ix^^Qf'S ccfAngting), weil das Gesetz dieselbe nie in ihm erregt und darum überhaupt auch nichts an ihm gehabt {ovx dx^y iy aiit^ ovÖBv im Sinne von Joh. 14, 30 j: so konte nur ein ausdrücklicher, in dem iyxa- zaXeineiy sich vollziehender Gotteüwille ihn dem anheimgeben, der des Todes Gewalt unter Vermittlung der Sünde besaß*. Matth. XXVn, 49—51. 689 einen Trank zn reichen? Der Ruf: mein Gott, mein Gott, gab dazu keine Veranlassung. Mrk. gibt 15, 36 als Absicht an, warum jener Jesum tränkte: er wolte sehen, ob Elias komme, ihn zu befreien. ,Er wolte also Jesu das Leben fristen, um diese Be&eiung zu ermöglichen, natürlich in spöttischem Sinne (Luc. 23, 26); vgl. Lichtenst Leben Jesu S. 453 u. Lth. zu Job. 19, 29. — Matth. hielt es nicht für nötig die Absicht des Eriegsknechtes bei der Reichung des Trankes ausdrücklich zu erwähnen. Daß man Jesum damit verspottete, ergab sich aus dem was die Anderen sagten. Das ä^ere des Mrk. sezt das äg)6g des Mtth. voraus; es verlangt notwendig, daß jemand dem Redenden hindernd entgegengetreten war. 6§og ist saurer Wein, die posca der römischen Soldaten. Ein Gefäß mit diesem Getränke stand in Bereitschaft, zu- nächst für die wachehaltenden Soldaten, wol auch zugleich für die Ge- kreuzigten, die immer unsäglich an Durst litten. Dies leztere erhellt daraus, daß auch Schwamm und Rohr, doch wol nur für diesen Zweck, zur Hand waren. Der xdXafiog war nach Job. v. 29 ein Ysopstengel, der 1 bis l^k Ellen Länge hat, so daß man mit einem an das Ende des Stengels befestigten Schwämme bis an den Mund de? Gekreuzigten reichen konte. äg)Bg laß ist abwehrend. Wir wollen sehen, ob Elias komt zu retten. — V. 50. „Jesus rief wiederum (jtdXiv auf v. 46 zu- rückweisend) mit lauter Stimme und gab den Geist auf S Was Jesus gerufen, sagt Luk. 23, 46: „Vater, in deine Hände befehl ich meinen Geist^^ Nach Job. 19, 30 hat Jesus noch zuvor, gleich nachdem er den Trank genommen, gesprochen : rsT^Xeozai vollbracht ist sc, mein Werk, das Werk der Erlösung. — Von dem Verscheiden gebraucht Mtth. den Ausdruck: dtp^xs zo jtvevfia er entließ den Geist; Job.: jtagiöcoxe ro jüvevfia er übergab den Geist dem Vater. Beide Ausdrücke besagen, daß Jesus in freier Macht sein Leben hingab. V. 51—66. Die Ereignisse nach Jesu Tode und sein Begräbnis. Vgl. Mrc. 15, 38—47. Luc. 23, 47-56 u. Job. 19, 31-42. — üeber die Ereignisse nach dem Tode Jesu gibt Mtth. den vollständigsten Be- richt. Während Johannes nur die Abnahme vom Kreuze und das Be- gräbnis umständlicher erzählt, Mrk. u. Luk. nur das Zerreißen des Vorhangs im Tempel (Luk. v. 45), den Eindruck, welchen Jesu Tod auf den wachehaltenden heidnischen Hauptmann machte, die Anwesenheit der galiläischen Frauen und die Bestattung des Leichnams erwähnen, hat Mtth. außerdem die Kunde von dem Erdbeben und der Eröffnung der Gräber nach dem Verscheiden Jesu (v. 52 u. 53) und von der Ver- siegelung und Bewachung des Grabes auf Antrag der Hohenpriester und Pharisäer (v. 62—66) überliefert. V. 51—53. Die beiden, den Tod des Herrn begleitenden wunder- baren Vorgänge: das Zerreißen des Vorhangs im Tempel und das Erd- beben mit seinen Folgen, sind symbolische Thatsachen, durch welche Gott Zeugnis von der welthistorischen Wirkung des Todes seines Soh- nes gab, den Juden zum Schrecken, den Jüngern Jesu zur Stärkung des Glaubens. — Der Vorhang des Tempels, welcher von oben bis unten in zwei Stücke zerriß, ist der Vorhang zwischen dem Heiligen und Aller- 590 Matth. XXYII, 51. heiligsten des Tempelhaases, welcher den Einblick in das Allerheiligste yerhüllte nnd den Zugang znr Stätte des göttlichen Gnadenthrones ver- dekte. Td xazajtiraOfia wird zwar in der LXX von beiden Vorhängen der Stiftshütte, dem vor dem Heiligen nnd dem vor dem Allerheiligsten gebraucht. Und auch im Herodianischen Tempel war nach Joseph, bell, jud. V, 5, 4 der Eingang in das Heilige durch das hohe mit mächtigen offenstehenden Flügelthüren versehene Portal mit einem kostbaren in den vier Farben des Heiligtums gewebten Vorhange verhangen, wel- chen Jos. To xatojidraofia nent (vgl. m. bibl. Archäol. §. 29); aber daß nicht dieser äußere, sondern der innere Vorhang entzweiriß, das läßt sich schon a priori daraus schließen, daß jener äußere Vorhang keinen wesentlichen Bestandteil des Tempels bildete, im Salomonischen und Serubabelschen Tempel fehlte, und nur zu dem äußeren Schmuck ge- hörte, mit welchem Herodes den Tempelneubau überlud, um seinen Zeitgenossen und der Nachwelt ein Denkmal von der Herrlichkeit sei- nes Königtums zu hinterlassen, während der Vorhang des Allerheilig- sten einen wesentlichen Bestandteil des israelitischen Heiligtums von tief symbolischer Bedeutung bildete. — lieber die Bedeutung des Zer- reißens dieses Vorhangs gibt uns der Verf. des Hebräerbriefs Auf- schluß, indem er 6, 19 u. 20. 9, 12 und 10, 19 u. 20 den Opfertod Christi des wahren Hohenpriesters als Eingang in das Allerheiligste darstelt, durch den er uns einen neuen lebendigen Weg durch den Vor- hang bereitet hat. Das Zerreißen des Vorhangs beim Tode des Herrn bezeichnet also diesen Tod als das Mittel der Versöhnung der Men- schen mit Gott, wodurch die Scheidewand, welche den Sünder von Gott trent, aufgehoben ist. Es war das aj]fielov, mittelst dessen Gott den Tod Jesu als sühnenden Opfertod darstelte oder factisch bezeugte, daß der Menschensohn sein Leben als Xvtqov dvxl jcoXXcqv (20, 28) dahin- gegeben habe, und in dieser Beziehung zugleich eine Realweißagang der Aufhebung des alttestamentlichen Opfercultus, die den Verfall des jüdischen Tempels zur Folge haben mußte. Mit dem Abthun des Scheidevorhangs des Allerheiligsten vom Heiligen hörte der Tempel auf, Wohnung Gottes unter seinem Volke zu sein. In dieser Weise hat Jesus mit seinem Tode den Tempel abgebrochen, um durch seine Auf- erstehung nach drei Tagen den neuen nicht mit Händen gemachten Tempel seines verklärten Leibes aufzurichten. — Für die ungläubigen Hohenpriester solte das Zerreißen des Vorhangs ein Zeichen Gottes sein nicht nur dafür, daß der von ihnen Verworfene wirklich der Christ und Sohn Gottes ist, sondern auch dafür, daß der Tempel und Tempel- cultus, für den sie eiferten, untergehen werden. Das andere wunderbare Ereignis, daß „die Erde erschüttert wurde und die Felsen zerrissen und die Gräber geöffnet und viele Leiber der entschlafenen Heiligen auferweckt wurden", solte die Wirkung des Todes Christi für die Menschheit anzeigen, obwol selbstverständlich das Erdbeben sich nur über Jerusalem und, die Umgegend erstrekte, weil das Zeichen von der Wirkung des Todes Christi nur denen gege- ben wurde, welche den Tod Jesu herbeigeführt und gesehen haben. Matth. XXYU, 52. 53. 5B1 Das Erbeben der Erde, die Spaltung der Felsen und die Oeffnong oder Aufdeckung der Gräber gehören zusammen. Die flrschütterung der Erde war so gewaltig, daß Felsen barsten und Gräber, die bei den Juden häufig in Felsen eingehauen waren, blos gelegt wurden. Dem Erdbeben (mit Sieinm. S. 224 f.) einen selbständigen Wert beizulegen als ,symbolische Darstellung der fierad^eöig, die nach Hebr. 12, 26 im Himmel Platz greift, nachdem das Lamm Gottes den hohepriesterlichen Thron bestiegen und die Herschaft der ßaöiZsla dodZaxrcog angetreten hat, um das Gericht zum Siege auszuführen^ das ist weder in unserem Texte angedeutet, noch aus Hebr. 12, 26 zu erhärten, indem dort in der symbolischen Deutung der Hag. 2, 6 u. 21 geweißagten Bewegung Himmels und der Erde auf die Bewegung nicht blos der Erde sondern auch des Himmels im Unterschiede von der Bewegung nur der Erde, die bei der Gesetzgebung am Sinai stattgefunden, der Nachdruck gelegt und die Stiftung des N. Bundes als eine Bewegung des Himmels und der Erde gefaßt ist. — Erdbeben sind in der Schrift aij/isla der Offen- barung oder Erscheinung Gottes auf Erden zur Gründung, Erhaltung und Vollendung seines Reiches. Zu welchem Zwecke aber Gott im ein- zelnen Falle sein Walten auf Erden so ankündigt, das ergibt sich je- desmal aus den das Zeichen begleitenden Umständen. Beim Tode Jesu deutete das Erdbeben die Erschütterung der Welt an, welche dieser Tod wirkt, und diese Wirkung wird durch die Oeffnung der Gräber kundgethan. Der Tod Christi bricht die Macht des Todes, daß die Gräber sich öffnen und die Todten aus denselben auferwekt werden. IloXXä öcifiara viele Leiber der entschlafenen (gestorbenen) Heiligen d. h. der Glieder des heiligen Volkes Gottes wurden auferwekt. Der Ausdruck öcifiara ist zu beachten. Im Grabe ruhen nur die Leiber der Gestorbenen. Diese werden auferwekt und in verklärter Gestalt mit den Seelen wieder vereinigt für das ewige Leben. — V. 53. „Und aus den Gräbern hervorgegangen nach seiner (Jesu) Aufer weckung gingen sie (die Auferwekten) in die heilige Stadt und erschienen Vie- len", fisrd xfiv sysQOiv ovtov gehört nicht zu slg^Xd^ov, wie Heinsius u. Mey. behaupten, sondern zu i^aXd^omeq^ die Verbindung mit efe- T^Xd-ov ist gegen die Wortstellung: die ,absurde Vorstellung aber, daß die Betreffenden lebendig bis zum dritten Tage im Grabe geblieben waren', welche nach Mey. in der Verbindung mit h^eXd^ovxeg liegen soll, hat schon Hofm. Schriftbew. II, 1 S. 492 mit der treffenden Be- merkung abgewiesen: ,man braucht keine Sorge zu haben, wo jene Auferstandenen zwischen Jesu Tod und Auferstehung geblieben sind, indem ihre Erstehung, welche ja erst durch ihr Erscheinen kund ward, nur deshalb gleich an die Bloslegung der Gräber angeschlossen ist, weil bei Jesu Tode die Eröffnung der Gräber erfolgt ist, welche den eröffneten Ausgang aus dem Tode bedeutetet Daß sie gleichzeitig mit dem die Gräber aufdeckenden Erdbeben auferwekt worden seien, liegt nicht in den Worten. Da sie erst nach Christi Auferweckung aus den Gräbern hervorgingen und erschienen, so sind sie auch erst nach der- selben auferwekt worden, da Jesus der Erstling der aus dem Tode 592 Matth. XXYII, 53. Erstandenen ist 1 Kor. 15, 20. Eol. 1, 18. Damit steht die Aoferweckimg des Lazarus nicht in Widersprach, denn er wurde in das irdische Le- ben zurückgerufen und starb wieder. Dagegen die Heiligen, welche nach Jesu Auferstehung aus den Gräbern hervorgingen, sind mit gei- stigen Leibern erstanden und nicht wieder dem Tode anheimgeMen, sondern sind in das himmlische Jerusalem eingegangen, in die Ge- meinde der Erstgeborenen und der Geister der vollendeten Gerechten aufgenommen worden (Hebr. 12, 22). Ihr Erscheinen in der heiligen Stadt hat nur die prophetische Bedeutung, denen welchen sie erschie- nen den thatsächlichen Beweis zu liefern, daß nachdem Christus von dem Tode erstanden ist, durch ihn alle Gläubigen werden auferwekt werden. Die jtoXXol, denen sie erschienen, sind nicht ungläubige Ja- den, sondern gläubige, die in Jesu den Erlöser Israels erkant hatten. Jerusalem heißt ayla ütoXiq wie in 4, 5 wegen des in ihr befindlichen Heiligtums; dort im Oontrast gegen das unheilige Unterfangen des Teufels Jesum zu verführen, hier in unserem V. als Schattenbild des himmlischen Jerusalems, der Stadt des lebendigen Gottes. Auch die Bezeichnung der Aufer wekten als St/lol ist gewählt, um sie als echte Glieder des zum heiligen Volke Gottes berufenen Israel den entarteten Gliedern dieses Volks, den Juden, welche Jesum getödtet haben, ent- gegenzusetzen. An diesen wunderbaren Ereignissen hat die neuere Kritik Anstoß genom- men. Badicale Kritiker {Schleierm.^ Strauss, Schölten^ Keim u. A.) haben sowol das Zerreißen des Vorhangs als auch das Erdbeben und die Oeffnung der Grä- ber samt der Auferstehung und Erscheinung der Heiligen in das Grebiet der dichtenden Sage verwiesen; die gemäßigten Kritiker aus Schleierm.*s Schule haben nur die Auferweckung der Heiligen teils für sagenhaftes Gebilde der Ueberlieferung ausgegeben, teils in ,das Leben der Verstorbenen verbürgende Gesichte* (Visionen) umgebildet (so nicht nur Mich.y Paul., Kinn, sondern auch Hug, Steudel, Krabbe, Bl. u. A.). Dagegen hat bereits Mey. über das Zerreißen des Vorhangs bemerkt: ,Die Thatsache der göttlichen Symbolik zur symboli- schen Sage zu wandeln ist um so weniger Grund, da weder eine Weißagung des A. T. noch der jüdische Volksglaube zu einer solchen Sagenbildung die Hand bot. Die Sage veränderte vielmehr das Zerreißen des Vorhangs in das Derbere und Auffallendere: Superliminare (die Oberschwelle) templi infinitae mag- niludinis fraclum esse atque divisum, Evang. sec. Hebr. bei Hieran, Der Gredanke dieser Sage war die Zerstörung des Tempels*. — Auch das Erdbeben und das Oeffnen der Gräber hält Mey. für göttliche Symbolik der durch Jesu Tod ver- mittelten künftigen Auferstehung seiner Gläubigen, meint jedoch, daß diese Be- deutung des göttlichen Zeichens, welches verständlich genug und gerade ohne weitere Zuthat dem Wesen eines Symbols entsprechend genug war, sich unter der plastischen Fortärbeit der Ueberlieferung in die weitere Greschichte: i7oA/.« atofxaxa rcHy xexocfi. ayicov riyeQd^r} etc. verwandelt habe. — Ueber diese der ne- gativen Kritik gemachte Concession bemerkt aber Steinm. S. 326 sehr richtig, daß er keinen Grund sehe, sich zu ihr herbeizulassen. ,Die Eröifnung der Grä- ber für sich allein wäre eine unverständliche Symbolik gewesen; erst durch den nachfolgenden Zug trat die Bedeutung derselben in das Licht. Femer hängen Matth. XXVII, 53-56. 593 die beiden Zeichen: das Zerreißen des Vorhangs und das Erdbeben mit seinen Wirkungen nnd Folgen zusammen. , Beides zusammen bedeutet, daß mit dem Tode Jesu der Zugang zu Gott und der Ausgang aus dem Tode eröffnet ist' (Hofm. a. a. 0. S. 491). Mit Becht betont auch Steinm. a. a. 0.: ,daß sich der Vater durch diese arjfxeta nicht überhaupt zu seinem Sohne, sondern daß er sich zu der Leistung bekent, die derselbe nunmehr vollbracht, daß er das Opfer för vollgültig erklärt, welches vollendet ward zur Sühne der menschlichen Sünde. Denn eben durch den Opfertod des Herrn ist den Menschen der dso^os ge- schenkt; durch seinen Opfertod ist die Erschütterung des Himmels (? der Erde) bedingt; ja durch eben diesen Tod ist die Macht dem genommen, der da hatte des Todes Gewalt; der Bann ist gebrochen und Leben und unvergängliches We- sen ans Licht gebracht'. V. 54. Vgl Mrc. 15, 31. Luc. 23, 47. 48. Auf den römischen Cen- torio and seine Mannschaft machte das Erdbeben in Verbindung mit dem Sterben Jesu so tiefen Eindruck, daß er das Bekentnis aussprach: „Warlich dieser war Gottes Sohn". 6 sxarovraQxog ist der beim Kreuze wachehaltende römische d. i. heidnische Hauptmann; ol fier avTOv TTjQovvTBq sind die Eriegsknechte, welche mit dem Hanptmanne die Wache hatten, xal rä yivofisva und (überhaupt) das Geschehende, die das Verscheiden Jesu begleitenden Vorgänge. Das Particip. präs. bezeichnet das noch in die Gegenwart Hineinreichende, das sie eben gesehen haben (vgl. Kühner II S. 117). Mrk. gibt statt dessen an: oxt ovrco XQd^ag i^ijtvBvöev d.h. daß Jesus mit den lauten Ausrufen: Mein Gott, mein Gott, warum u. s. w. und: Vater in deine Hände u. s. w. verschieden sei. kg)oßi]d^öav ö^oöga sie geriethen sehr in Furcht, nicht im Gedanken an den erregten Zorn der Götter (Mey.\ sondern in der AJinung, daß der Sterbende ein Gottessohn, ein übermenschliches Wesen gewesen sei, die der Hauptmann auch ausspricht, fiv er war dies in seinem Leben. Daß Jesus sich für Gottes Sohn erklärt hatte, mochte der Hauptmann von der Verhandlung bei Pilatus her vernom- men haben. NachLuk. sprach der Hauptmann: „Fürwahr dieser Mensch war gerecht". Dies erkante der Centurio klar, während der Ausspruch: „Gottes Sohn war er" als Ahnung desselben zu betrachten ist. V. 55 u. 56. Vgl. Mrc. 15, 40 u. 41. Luc. 23, 49. Alle drei Evan- gelisten erwähnen noch, daß die galiläischen Frauen, welche Jesu ge- dient hatten, ihn auch am Kreuze nicht verlassen haben, sondern von ferne die großen Ereignisse ansahen {d-scogstv ansehen, contemplari). Johannes hat die Anwesenheit dieser Frauen schon v. 25 erwähnt bei Gelegenheit der Nachricht, daß Jesus vor Eintreten des Todeskampfes seine Mutter dem Jünger den er lieb hatte, zur Versorgung und Pflege im Alter übergeben hat. Maria Magdalene d. i. aus Magdala (s. zu 15, 39), welche Jesus durch Austreibung von sieben Dämonen gesund gemacht hatte (Luc. 8, 2) \ Maria die Mutter des Jakobus {minor) und Joses, der beiden döeXtpol Jesu, bei Joh. ^ xov KXcojta Weib des Klo- pas und d6£Xg>7] d. i. Schwägerin der Mutter Jesu genant-, s. zu 12, 46 (S. 307. Anm.). Die Muiter der Söh^e Zebedäi (der Apostel Jakobus und Johannes) , deren Namen Salom^ Mrk. angibt. Die Mutter Jesu Keil, Comm. z. Evangel. Matth. 38 594 Matth. XXVII, 57. 58. erwähnen Mtth. u. Mark, nicht, schließen sie aher auch nicht ans (gegen Schenkel n. Keim)^ znmal sie ausdrücklich nur von dienenden Franen reden (Mey.). V. 57—61. Das Begräbnis Jesu. Vgl. Mrc. 15, 42—47. Luc. 23, 50—56 u. Joh. 19, 31—42. — Ueber die £j-euzabnahme und Bestat- tung Jesu berichtet Johannes ausführlich, um nachzuweisen, wie auch dadurch die Weißagung des A. T. vom Tode Christi in Erfüllung ging, während die drei ersten Evangelisten sich auf die Angabe der Haupt- sache, nämlich der Bestattung Jesu durch Joseph von Arimathia be- schränken. — V. 57. Als es spät geworden (6y)lag ysvofiivi^g, ge- meint ist der s. g. erste Abend, die lezten Stunden vor Sonnenunter- gang) kam ein reicher Mann von Arimathia, Namens Joseph, welcher auch selbst ein Jünger Jesu geworden war, und bat Pilatus um den Leib Jesu, worauf Pilatus befahl, daß er ihm gegeben würde, jigiiia- d-ela ist das hebr. o^no-n mit Artikel (1 Sam. 1, 1. LXX 'Agfiad^atnl der Geburtsort Samuels, gewöhnlich kurzweg ha-Räma (die Höhe) ge- nant, an der Stelle des heutigen Dorfes er Räm über 4 geogr. Meilen nordwestlich von Jerusalem, s. m. Oomm. zu 1 Sam. 1, 1. Die Orts- angabe djco 'Agifi. gehört zu avd-Qcoütoq, nicht zu rjXd-B, Mit xal ao- xoq (et ipsej s/iad; T(ß 7tjgov wird das Motiv hervorgehoben, welches diesen reichen Mann bewog, sich Jesu Leib zu erbitten. Mrk. u. Lnk. bezeichnen den Mann näher als einen angesehenen Rathsherrn (ßov- X£vt?]g d. i. Mitglied des Synedriums), der (nach Luk.) nicht in den Bath und das Thun jener (der übrigen Synedristen) eingestimt d. h. der Verurteilung Jesu nicht zugestimt hatte. — V. 58. Es war römische Sitte, die Leichname am Kreuze hängen zu lassen bis sie verweseten und den Raubvögeln zur Beute wurden (Plaut mil glor, 11^ 4, 9. Horat, epist. I, 16, 48); doch durfte auf Ansuchen den Angehörigen die Verabfolgung der Leichname zur Beerdigung nicht versagt werden. Vlpian. 48, 24, 1; vgl. Hug, Freyb. Ztschr. V S. 174 ff. Die jüdische Sitte hingegen erforderte auf Grund des Gesetzes Deut. 21, 23, daß der Gehängte als ein Fluch Gottes nicht über Nacht am Holze hängen solle, die Beerdigung der Gekreuzigten am Tage der Hinrichtung. Da nun Jesus am Freitage, der obendrein Rüsttag auf den Sabbat im Osterfeste war, gekreuziget worden, so mußte man eilen, die Gekreu- zigten noch vor Anbruch des Sabbats mit Sonnenuntergang unter die Erde zu bringen. Daher baten die Juden den Pilatus um das cruri- fragium der Gekreuzigten, das Zerschmettern der Gebeine, um den Tod zu beschleunigen, und die Todten vom Kreuze abnehmen und in der Erde verscharren zu können. Auf diese Weise wurden die beiden mit Christo gekreuzigten Schacher getödtet. Als aber die Soldaten zu Jesu kamen und sahen, wie er schon gestorben war, unterließen sie das crurifragium , und stießen nur mit der Lanze in seine Seite, um sich von dem eingetretenen Tode zu vergewissern (Joh. 19, 31 — 37) ; worauf dann Joseph von Arim. kam und vermöge der von Pilatus erhaltenen Erlaubnis den Leichnam Jesu vom Kreuze abnahm. — Nach der Dar- stellung des Joh. {[iBTa 6b ravta v. 38) scheint Joseph, erst, nachdem Matth. XXVII, 59-61. 595 die Kriegsknechte bereits den beiden Schachern die Schenkel zer- schmettert und dnrch den Lanzenstich sich vom Tode Jesu tlberzeogt hatten, zu Pilatus gekommen zu sein, um sich Jesu Leichnam zu erbit- ten. Nach Mrk. 15, 44 äußert Pilatus, als Joseph ihn darum bat, Ver- wunderung darüber, ob Jesus schon gestorben sei, und bewilligte die Bitte erst, als der herbeigerufene Centurio den Tod als schon lange eingetreten bezeugt hatte. Daraus ergibt sich, daß Joseph erst, als er das Eingetretensein des Todes gesehen hatte, zu Pilatus ging, um sich Jesu Leichnam zur Beerdigung zu erbitten. Wenn er aber hiernach vom Kreuze weg zu Pilatus ging, wie auch Mey, jtQogeX&cov richtig er- klärt hat, so wird er gewiß zuvor dem Wache habenden Centurio seine Absicht mitgeteilt und sich mit ihm darüber verständigt haben, daß derselbe den Leichnam Jesu nicht durch die Kriegsknechte vom Kreuze abnehmen ließ. — V. 59 f. Den abgenommenen Leichnam wickelte Joseph, in reine Leinwand, legte ihn in sein neues Grab, das er im Felsen ausgehauen hatte, wälzte einen großen Stein an die Thür d. h. den Eingang des Grabes und ging davon. Dieser kurze Bericht wird durch Joh. v. 39—42 dahin vervollständigt, daß an der Bestattung sich auch Nicodemus beteiligte, namentlich Specereien brachte, um nach jü- discher Sitte den Leichnam einzubalsamiren, und daß das Grab in einem Garten nahe bei der Kreuzigungsstätte war. Die Leinwand ist nicht als Leichenkittel zu denken, sondern wurde in Streifen geschnit- ten um die einzelnen Teile und Glieder des Körpers gewickelt, und die Einbalsamirung, die nur eine vorläufige war, bestand darin, daß man Specereien um den Körper herum legte und streute, und darüber die Leinenstreifen wickelte. Wegen des nahen Anbruchs des Sabbats mußte man die Bestattung beschleunigen ; daher steht damit nicht in Wider- spruch, daß die galiläischen Frauen, die Jesu nachgefolgt waren, nach der Beisetzung der Leiche noch Specereien kauften und bereiteten (Luc. 23, 58. Mrc. 16, 1), um nach dem Sabbate die Balsamirung zu vollenden. Auch die dem Mtth. eigentümliche Angabe, daß das neue Grab dem Joseph gehörte, ist deshalb nicht für einen Zusatz späterer Ueberlieferung zu halten, weil die andern Evangelisten sie nicht haben und Johannes berichtet, daß das Grab nahe gewesen und man Jesum wegen des Büsttags in dasselbe gelegt hübe {Mey,). Denn weder sagt Mtth. bestirnt, daß Joseph am Pietät sein eigenes Grab dazu hergege- ben habe, noch folgt aus der von Joh. erwähnten Lage des Grabes, daß dasselbe nicht dem Joseph, sondern einem Fremden gehörte. Das sub- jective Moment der Pietät, welches hiebei mitgewirkt haben mag, wird durch den von Joh. für die Wahl des Grabes angegebenen Grund weder ausgeschlossen noch irgendwie beeinträchtigt. Der Artikel h t^ Jthog^ bezeichnet den Fels als dort befindlich. Den Zugang zum Grabe mit einem großen Stein zu verschließen, war übliche Sitte. In den sog. Gräbern der Könige bei Jerusalem, die man für das Grabmal der Kö- nigin Helena von Adiabene hält, bestehen die Thüren zu den Grabkam- mern aus großen behauenen, einfach verzierten Steinblöcken (s. Strauß Sinai u. Golgatha. S. 217 der 6. JL"). — • V. 61. Bei der BestaUung 38* 596 Mft^- XXYII, 62. waren zugegen Maria Magdalena, und die andere Maria d. i. die Mat- ter des Jakobus and Joses (s. zu v. 56), dem Grabe gegenüber sitzend und in Schmerz versenkt, um zuzusehen, wohin Jesus gelegt wurde (Mrk.), damit sie dem geliebten Todten später noch Liebe erweisen könten, s. zu 28, 1. Die Bestattung Jesu bezeichnet Beng, als initia honoris, und der Umstand, daß Joseph von Arimathia und Nikodemus, zwei angesehene Glieder des Synedriums, die bisher aus Scheu vor den Juden ihren Glauben an Jesum als den Messias verheimlicht hatten, nun offen her- vortraten und ohne Menschenfurcht dem schmachvoll Hingerichteten die lezte Ehre erwiesen, war nicht nur ein mächtiges Zeugnis gegen die Hohenpriester und Obersten , die Jesum zum Tode verurteilt hat- ten, sondern auch eine höhere Fügung. — Schon darin, daß Jesus nicht von den jüdischen Oberen getödtet und nach dem Gesetz zu Tode gesteinigt, sondern wie er vorhergesagt hatte, den Heiden überliefert und von Pilatus zum Tode verurteilt an das Ereuz geschlagen worden war — eine Todesstrafe, die so schmerzhaft und schmachvoll sie auch war, doch den Leib vor Verstünmielung bewahrte — zeigte sich das Walten einer höheren Hand über den Knecht des Herrn. Noch mehr wurde die seinen Leib für die bevorstehende Auferstehung bewahrende göttliche Fürsorge in der Bestattung desselben offenbar. Von Joseph, dem ävd-Qcojtog JtXovciog, in sein eigen Grab gelegt, erhielt der unter die Uebelthäter Gerechnete (Jes. 53, 12 vgl. Luc 22, 37) sein Grab nicht bei den Gottlosen, sondern bei einem Reichen, wie Jes. 53, 9 ge- weißagt war. Die Hindeutung auf diese Weißagung läßt sich in der von Mtth. gewählten Bezeichnung des Joseph als äv&Qcojtog jtXovoiog nicht verkennen. V. 62—66. Die Versiegelung und Bewachung des Grabes Christi. — Die Absicht, Jesum, der durch Wort und Werke sich als den Mes- sias bezeugt hatte und von seinen Jüngern und dem Volke dafür gehal- ten wurde, als ihren Gegner aus dem Wege zu räumen, hatten die Hohenpriester und Pharisäer menschlichem Anscheine nach erreicht. Jesus hatte am Kreuze seinen Geist aufgegeben und sein Leib ruhte nun im Grabe. Aber seine Widersacher ließ die Furcht vor ihm nicht zur Ruhe kommen. Wenngleich bei seiner Verhaftung seine Jünger ge- flohen waren und auch das Volk seiner Kreuzigung keinen Widerstand entgegengesezt hatte, so lieferte doch die Thatsache, daß hochgestelte Männer wie Joseph von Arimathia und Nicodemus durch die Bestat- tung des Gekreuzigten offen als Anhänger und Jünger Jesu hervortra- ten, einen nicht zu unterschätzenden Beleg dafür, daß der Glaube an seine Messianität tiefe Wurzeln in den Herzen nicht blos des ungebil- deten Volks sondern auch der Gebildeten getrieben hatte. Auch war sein Tod von Ereignissen begleitet gewesen, welche mehr geeignet wa- ren den Glauben an ihn als den erwarteten Messias zu stärken und zu beleben, als ihn zu erschüttern und zu untergraben. Diese Lage der Dinge bewog die Hohenpriester und Pharisäer zu dem Schritte, wel- chen Mtth. in diesen Versen erzählt. — V. 62 ff. Am andern Tage der Matth. XXVH, 63-66. 597 nach der Rüstzeit folgt (d. i. am Sabbate) versammelten sicli die Hohen- priester and Pharisäer zu Pilatus and sprachen: Herr, wir haben ans erinnert, daß jener Verführer, als er noch lebte, gesprochen: „Nach drei Tagen werde ich auferstehen^^ Befiehl also, daß das Grab bis zum dritten Tage sicher verwahrt werde, damit nicht seine Jünger kom- men, ihn stehlen und dem Volke sagen: er ist von den Todten auf- erstanden, und es wird so die lezte Verführung ärger werden als die erste. Dieses Begehren bewilligte Pilatus. Er stelte ihnen eine Wache zur Verfügung mit den Worten: geht hin und verwahrt das Grab, wie ihr wisset. Und sie gingen und verwahrten das Grab, den Stein ver- siegelnd, mit der Wache. — Für die eigentümliche Bezeichnung des folgenden Tages: iJTig eöxl fisxä r^v jtaQaoxsvijv statt des einfachen ^tg 6ötI tö adßßarov, läßt sich der Grund weder (mit Wiesel.) darin suchen , daß der leztere Ausdruck mißverständlich gewesen wäre , da der vorhergehende Festtag auch adßßarov genant werden konte, noch mit Mey, darin, daß im christlichen Sprachgebrauche fj jtagaaxsw] die solenne Bezeichnung für den Todesfreitag Jesu geworden war. Denn Mtth. will den Tag, an welchem das Folgende geschah, weder als den siebenten Wocheutag oder Sonnabend, noch als den Tag nach dem To- destage Christi bezeichnen — beides war überflüssig, weil für aufmerk- same Leser seines Evangeliums von selbst klar — , sondern er will durch die gewählte Bezeichnung darauf aufmerksam machen, daß das Unternehmen der Hohenpriester mit dem Charakter des Tages als eines Tages vollständiger Ruhe in Widerspruch stand, üagacxavi] hieß der Freitag, weil an ihm die Speise für den Sabbat bereitet wurde; der Tag nach der jtagaoxsvi] ist demnach der Tag, an welchem nach dem Gesetze gar keine Arbeit vorgenommen, nicht einmal die Speise zube- reitet werden soll. Diese religiöse Bedeutung des siebenten Wochen- tags wird durch diese Umschreibung stärker hervorgehoben als durch die Bezeichnung Sabbat, bei der man leicht nur an den siebenten Wochentag dachte. — Statt an diesem Tage zu ruhen, trieb das böse Gewissen die Hohenpriester und Pharisäer hin zu Pilatus dem Heiden, in dessen Haus sie Tags zuvor nicht eintreten weiten, um sich nicht zu verunreinigen, und mit der Wache, die sie von ihm erhalten, zum Grabe zu gehen und das Geschäft des Versiegeins des Grabes zu verrichten. '0 JtXdvoq der Irreführer, Verführer (2 Kor. 6, 8); rj jtXdvrj die Ver- führung des Volks zum Abfalle vom Gesetze. Die lezte Verführung könte durch Entwendung des Leichnams und durch Vorgeben, daß der Todte auferstanden sei, im Volke einen Aufruhr erregen, dessen Folgen nicht zu ermessen wären; die erste war durch das Lehren Jesu entstan- den , wodurch er nach der Meinung der Hohenpriester das Volk von dem Gesetze Mose's, von dem väterlichen Glauben abwendig gemacht hatte. Kai eöxai hängt nicht noch von fii^jtoTs ab, sondern bildet einen selbständigen Satz, sxsts ist Imperativ habete, ,da habt ihr' (Luther). dcq)aXlöaöd^s cog olöats versichert, d. h. verwahrt sicher das Grab, wie ihr es zu verwahren wißt, d. h. so gut ihr es verstehet. (iSTa xfig xüvoxcoölag gehört zu rjo(paXl(iavxo top rdq>ov sie verwahrten das 598 MfliHii. XXVIIL Grab mit Zuziehung der Wache, die rie davor postirten, nachdem sie den Stein versiegelt hatten. Das Versiegeln geschah entweder so, daß man einen über den Thürstein gezogenen Bindfaden an den beiden Enden mit Siegelerde an der Grabeswand versiegelte {Paulsen, Regier, der Morgenl. S. 298. Harmar Beobachtt. II S. 467), oder falls nach einer alten Vorrichtung, die sich noch jezt in den Gräbern bei Jerusa- lem findet, der vor die Thür gewälzte Stein durch einen Querbalken an den vorstehenden Seiten des Felsens befestigt wurde, so, daß das Siegel da aufgedrükt wurde, wo der Querbalken sich an den Thttrstein an- schloß, wie Strauß, Sinai u. Golg. S. 219 vermutet. — Das Weitere hierüber s. zu c. 28, 11—15. Cap. XXVIIL Die Auferstehung Jesu Christi. Die auf Betrieb der Hohenpriester und Pharisäer am Grabe Jesu aufgestelte Wache konte die Auferstehung des Herrn nicht hindern. Wie das Leiden und der Tod Christi so geschehen war, daß die Schrift erfüllet wurde, so solte auch erfüllet werden, was Jesus seinen Jüngern über seine Auferstehung am dritten Tage vorhergesagt hatte; und die Grabeswächter selten nach göttlicher Fügung den jüdischen Oberen die Nachricht von der wunderbaren Oeflfhung des Grabes durch einen Engel Gottes bringen (28, 11), so daß den Hohenpriestern und Aelte- sten des Volks nur übrig blieb, durch Bestechung und Lüge ihr Volk um den Eindruck der Thatsache der Auferstehung des Erlösers zu bringen (28, 12-15). — Diesen Gesichtspunkt hat Matth. bei seiner Darstellung der Auferstehung des Herrn und der Offenbarung des Auf- erstandenen im Auge. In v. 1—10 erzählt er, wie in der Frühe des Tags nach dem Sabbate die Jesu dienenden galiläischen Frauen zam Grabe kommend dasselbe leer finden und ein Engel ihnen die Auf- erstehung Jesu verkündigt mit der Weisung, diese Botschaft semen Jüngern zu bringen und sie nach Galiläa zu bescheiden, wo der Herr sich ihnen offenbaren werde, und wie dann der Auferstandene selbst diesen Frauen auf dem Wege vom Grabe begegnet und ihnen die Mit- teilung und den Auftrag des Engels bestätigt. Hierauf läßt er v. 11—15 als Gegenstück hiezu das Verhalten der Hohenpriester und Volksälte- sten zu dem von den Grabeswächtern ihnen gemeldeten Ereignisse fol- gen, und gibt dann v. 16—20 zum Schlüsse noch einen summarischen Bericht über die Erscheinung des Auferstandenen in Galiläa, bei wel- cher Christus sich den Jüngern als den kundgibt, dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden verliehen ist, und sie beauftragt, auszugehen und alle Völker durch Taufe und Lehre in das Reich Gottes aufzuneh- men, mit der Verheißung, daß er alle Tage bis zur Weltvollendung mit ihnen sein werde. Vergleichen wir damit die Berichte der andern drei Evangelien, so finden wir, daß Mrk. in 16, 1—8 den Hergang, wie die Auferstehung des Herrn durch den Engel den galiläischen Frauen kundgethan wurde, übereinstimmend mit Matth. erzählt. Weiter sind in einem Anhange Matth. XXVm. 599 V. 9—20, welcher nach dem Zeugnisse der alten Hdschr. und der Kchvv. keinen arsprünglichen Bestandteil des Evangeliams gebildet hat, drei Erscheinungen des Auferstandenen, der Auftrag des Herrn an seine Jünger, aller Greatur das Evangelinm zu predigen, mit einer Schilde- rung der wunderbaren Zeichen, welche die Predigt desselben als Got- teskraft erweisen werden, und die Himmelfahrt des Herrn kurz zusam- mengestelt. — Luk. beschreibt in c. 24, was die galiläischen Frauen am Grabe erfuhren und was Petrus dort sah (v. 1—12), die Offenbarung des Auferstandenen, welche den nach Emmahus gehenden Jttngem zu- teil wurde (v. 13—35), die Erscheinung Jesu unter den versammelten Jüngern am Ostersonntage, bei der der Herr ihnen die Notwendigkeit seines Leidens und seiner Auferstehung aus der Schrift nachwies und die Ausrüstung mit dem heil. Geiste verhieß (v. 36—49), und die Auf- fahrt Jesu gen Himmel angesichts der Jünger bei Bethania (v. 50—53). — Johannes berichtet, wie Maria Magdalene und auch Petrus und Jo- hannes das Grab leer fanden und nach dem Weggange der beiden Jün- ger Maria sich umwendend einen Mann erblikt, der sich ihr als Jesus, der Auferstandene kundgibt (20, 1—20), femer, wie am Abende des- selben Tages der Herr den bei verschlossenen Thüren in Jerusalem versammelten Jüngern erscheint, sich ihnen an seinen Wundenmalen zu erkennen gibt und mittelst Anhauchung ihnen den heiligen Geist mit- teilt (v. 21—23) und, weil Thomas, welcher nicht zugegen war und der Mitteilung der Jünger, daß sie den Herrn gesehen, nicht Glauben schenkt, nach acht Tagen nochmals in gleicher Weise den versammel- ten Jüngern erscheint und den Thomas von der Wirklichkeit seiner Auferstehung überzeugt (v. 24—29), und schließlich in c. 21 anhangs- weise eine Offenbarung des Auferstandenen am galiläischen Meere vor den dort mit Fischfang beschäftigten Jüngern. Sonach stimmen alle vier Evangelien darin zusammen, daß in der Frühe des Ostermorgens die galiläischen Frauen zum Grabe gingen, dasselbe geöffnet fanden und durch Engelmund die Botschaft der Auf- erstehung des Herrn empfingen, und bald darauf der Auferstandene diesen Frauen oder der Maria Magdalene erschienen ist. Die Ab- weichungen der einzelnen Berichte über dieses Factum betreffen unter- geordnete Momente. Bedeutend erscheint nur der Umstand, daß Matth. — da Mark, bei der warscheinlichen Unechtheit des Schlusses V. 9—20 außer Rechnung bleibt — außerdem nur von einer Erschei- nung des Auferstandenen in Galiläa berichtet, Luk. hingegen nur Er- scheinungen in Jerusalem, gar keine in Galiläa, und Joh. zwei Erschei- nungen im Kreise der versammelten Jünger in Jerusalem, und nur in dem Anhange c. 21 noch eine in Galiläa erzählen. — Diese Verschie- denheiten hat die negative Kritik dahin zugespizt, daß Matth. die Er- scheinungen des Auferstandenen in Judäa, Luk. die in Galiläa gänzlich ausschließe, nach Joh. aber Jesus wenigstens acht Tage in Jerusalem geblieben sei und die Jünger gleichfalls, denen er daselbst zweimal er- schienen sei und dann noch zum dritten Male in Galiläa, und daß jMatth. wirklich nichts von den judäischen Erscheinungen weiß', da er 600 Matth. XXVIII. die Zasammenknnft des Herrn mit den Eilf v. 16 ff. augenfällig als das erste durch den Engel v. 7 und durch Jesum selbst v. 10 verheißene Wiedererscheinen im Jüngerkreise darstelle, und zwar so, daB im Zu- sammenhange seiner Erzählung nirgends ein Platz für die judäischen Erscheinungen' sei. ^ — Allein in dieser Zuspitzung der Verschieden- heiten zu unausgleichbaren Widersprüchen zeigt sich schon die dog- matische Tendenz der Kritik, die wunderbare Thatsache der Auf- erstehung des Herrn zweifelhaft zu machen. Dagegen Folgendes: 1. Daß Matth. die Erscheinungen des Auferstandenen in Jerusalem gänzlich ausschließe, ist nicht wahr. Er berichtet ja v. 9 ganz bestirnt, daß Jesus den vom Grabe weggehenden Frauen erschienen ist. Sodann was er sowol über diese Begegnung Jesu als auch über den Gang der Frauen zum Grabe und ihre Warnehmungen bei demselben mitteilt, bietet so viel üebereinstimmendes mit dem Berichte Joh. 20, 1-17, daß die Selbigkeit des Factums keinem Zweifel unterliegt, da Mtth. nur die Hauptsache kurz zusammengefaßt hat, während Joh. den Vorgang ausführlich nach allen Nebenumständen erzählt. Wenn aber Joh. hie- bei nur von der Maria Magdalene erzählt, während Mtth. außer dersel- ben noch die andere Maria, Mrk. dazu noch die Salome nent, so be- gründet dies keinen Widerstreit, da auch Mtth., Mrk. u. Luk. (v. 10) die Magdalenerin an erster Stelle nennen , und Luk. dieselbe schon in c. 8, 2 f. an die Spitze der galiläischen Frauen gestelt hat, welche Jesu von ihrem Vermögen Handreichung leisteten. ,War Maria dem Herrn seit ihrer Befreiung von einem schweren Leiden mit der ganzen Innig- keit des Glaubens und der Zuneigung nachgefolgt, so erklärt sich der höhere Grad ihres Schmerzes eben so leicht, wie ihr Vorangehen auf dem Wege zum Grabe und ihre stürmische Erregung durch das, was sie in der Nähe desselben wargenommen hat' (Steinm, S. 62). Eilte sie aber den anderen Frauen voran, so läßt sich auch aus dem Zurück- laufen, um Petrus und Johannes zu holen (Joh. v. 2—8), kein Wider- spruch gegen das Schweigen der Synoptiker über diesen Zwischenfall formiren, da die beiden Jünger dort weiter nichts als das leere Grab sahen und ohne zum Glauben an die Auferstehung zu kommen, nach Hause zurükkehrten (Joh. v. 8— 10). 2 Die Engel im Grabe erblikte 1) So Mey. zu 28, 10 mit der Bemerkung: , Vereinigung dieser verschiede- nen Berichte ist unmöglich (Strauss II, S. 558ff., HoUzm., S. 500 f., KetmYy und der daraus gezogenen Folgerung: ,Ueber die Erscheinungen des Auferstandenen unter seinen Jüngern hatte sich eine dreifache Ueberlieferung ausgeprägt: 1) die rein Galiläische^ welche sich bei Matth. darstelt; 2) die rein Judäische, welche Luk. hat, auch Joh. ohie den Anhang c. 21; 3) diegemischte, welche Ju- däische und Galiläische Erscheinungen berichtete und bei Joh. mit dem Anhange c. 21 sich findet*; woraus als geschichtliches Resultat sich ergebe, daß Jesus sowol in Jerusalem als auch in Galiläa den Jüngern erschienen sei. 2) Mit vollem Rechte erhebt Steinm: S. 61 gegen ,die Kritik die ernste An- klage, daß sie die Widersprüche in den evang. Berichten mit aller Schärfe her- vorzukehren pflegt, während sie über dasjenige ein beharrliches Schweigen be- obachtet, worin die Darstellungen tibereinstimmen. Sie stelt die Disharmonien in ein möglichst grelles, in ein blendendes Licht, um dem Auge des Lesers die vorhandene Harmonie zu entrücken und es über dieselbe zu täuschen'. l. V MaUh. XXVm. 601 (auch nach Job. v. 11 ff.) Maria erst nachher, and erst nachdem sie mit denselben gesprochen nnd sich am wendete, erblikt sie Jesom, den sie aber nicht eher erkent, bis er sie bei Qirem Namen Maria angeredet hat. Dies konte in summarischer Ers|Uilung unbedenklich so gefaßt werden, daß Jesus den Frauen beim Weggehen vom Grabe begegnet sei. Hinsichtlich dieser Begegnung aber schreibt Job., daß Jesus der Maria das Bertlhren seiner Person verweist {in^ (lov ojvtov v. 17); Matth., daß die Frauen Jesu Füße umfassen;, nach beiden Belationen aber schneidet der Herr die Huldigung mit der Weisung ab, den Auftrag an seine Jünger, den er ihnen erteilt, auszurichten. Diese Uebereinstim- mungen liefern einen ausreichenden Beweis für die Identität des von Mtth. u. Job. erzählten Ereignisses und widerlegen die Behauptung, daß Matth. von dem Erscheinen des Auferstandenen in Jerusalem nichts wisse. 2. Richtig ist nur, daß Matth. keine Erscheinung des Auferstande- nen, welche den Aposteln in Jerusalem zuteil wurde, erzählt; unbe- gründet ist dagegen die Behauptung, daß er dieselben gänzlich aus- schließe. Für die Behauptung, daß die v. 16 ff. erzählte Zusammenkunft Jesu mit den Eilf in Galiläa augenfällig als das erste Wiedererschei- nen im Jüngerkreise dargestelt sei, hat Mey. einen Beweis nicht ge- liefert. Das Schweigen von den Erscheinungen in Jerusalem reicht hiefür nicht aus, auch nicht die Weisung, welche der Engel und dann der Herr selbst durch die Frauen den Aposteln geben läßt, nach Galiläa zu gehen, wo sie den Herrn sehen werden. Nach Luc. 24, 34 sprachen die Apostel zu den von Emmahus zurückgekehrten Jüngern, welche ihnen ihr Erlebnis auf dem Wege erzählten: der Herr ist warhaftig auferstanden und Simoni erschienen, und doch hat keiner der vier Evangelisten diese Erscheinung des Herrn erzählt. Nur der Apostel Paulus erwähnt sie 1 Kor. 15, 5, dann aber v. 5 u. 6 noch zwei Er- scheinungen, welche mehr den fünfhundert Brüdern auf einmal und dem Jakobus zuteil geworden, von welchen auch in den Evangelien kein Wort zu lesen ist. Daraus ergibt sich wol deutlich genug, daß die Evangelisten nicht darauf ausgingen, alle Erscheinungen des Herrn zu berichten, sondern daß jeder nur diejenigen erwähni, welche er für die Leser seines Evangeliums zur Befestigung im Glauben an die Auf- erstehung des Herrn für ausreichend erachtete. Matth. aber bezeichnet die Erscheinung Jesu in Galiläa v. 16 ff. weder als die erste, noch als die einzige, noch auch als die lezte Offenbarung des Herrn vor seinen Jüngern, sondern erwähnt dieselbe als Erfüllung der Zusage, welche Jesus am Abende vor seinem Tode den Jüngern gegeben (26, 32), daß er nach seiner Auferstehung vor ihnen in Galiläa hergehen d. h. als treuer Hirte sie dort wieder sammeln werde. Um diese Zusage zu er- füllen ließ er durch die Frauen denselben die Weisung geben, nach Galiläa zu gehen, um dort seiner Erscheinung gewärtig zu sein. Dort will er sich ihnen zeigen, und ihnen Befehl und Verheißung geben; nicht weil es in der Hauptstadt zu geräuschvoll war (Olsh,) oder auch, um zu verhüten, daß sie nicht vorzeitig durch Verkündigung seiner 602 Matth.XXVm. Auferstehung Verfolgung wider sich hervorriefen {Lange, Leben Jesu II, 3 S. 1666), sondern ,weil Galiläa das Land seiner Gläubigen war^. ,I)ort wo er bei den Geringen und Unwissenden Glauben gefunden, und nicht in Jerusalem, wo ihn die Fdttdschaft der Oberen ans Kreuz ge- schlagen, ziemte es sich, daß er die Seinen wieder sammelte, welche sein Tod zu einer hirtenlosen Herde gemacht hatte^ {Hofm. Schriftbew. II, 1 S. 520). Wenn also Matth. sich hinsichtlich der Offenbarungen des Auferstandenen auf die Mitteilung der in Galiläa geschehenen be- schränkt, so entspricht dies ganz dem in seinem Evangelio befolgten Plane, vorzugsweise das messianische Wirken auf dem Boden von Ga- liläa zu schildern, welchen er bei der Angabe, daß Jesus in Galiläa aufgetreten sei, durch den Hinweis auf die Erfüllung der WeiBagang Jes. 9, 1 f. in c. 4, 14 angedeutet hat (s. S. 11 ff. ti. 126 f.). Wie er diesem Plane zufolge in der Darstellung der Lehrfhätigkeit Jesu die Beisen nach Jerusalem übergeht und Jesum erst nach Jerusalem auf- brechen läßt, als die Zeit gekommen war, daß er dort durch Leiden, Tod und Auferstehung das Werk der Erlösung vollenden solte, so übergeht er auch die Erscheinungen des Auferstandenen unter seinen Jtlngern in Jerusalem und erwähnt nur die in Galiläa geschehene zum Zwecke der Sammlung und schließlichen Ausrüstung der Jünger fOr das ihnen befohlene Amt der Verkündigung des Evangeliums unter allen Völkern, wie aus dem Inhalte dieser Offenbarung v. 16—20 zu ersehen ist. — Fragt man aber noch, warum denn Matth. die Erschei- nungen des Auferstandenen, welche Luk. und Joh. (in c. 20) schildern, nicht wenigstens andeutungsweise berührt hat, so ist darauf erstlich zu antworten, daß er ebenso wenig wie Mrk., Luk. u. Joh. sein Evangelium für Leser geschrieben hat, die noch gar nichts von Jesu Christi Leben und Wirken vernommen hatten, sondern für Christen, welchen die evangelischen Thatsachen bereits mündlich gepredigt waren, und daß er darin für die Christen aus dem jüdischen Volke, um dieselben im Glauben an Jesum als den von den Propheten geweißagten Erlöser Israels zu befestigen, den Nachweis führen will, wie Jesus in Warheit der im A. Test, verheißene Messias und Vollender des Reiches Gottes gewesen ist. Zweitens aber ist zu erwägen, daß die den Aposteln in Jerusalem zuteil gewordenen Offenbarungen des Auferstandenen, welche Luk. u. Joh. berichten, nur den Zweck hatten, die Zweifel der Jünger an der Wirklickeit seiner Auferstehung zu heben und sie im Glauben an diese Grundthatsache der apostolischen Verkündigung, auf welcher die Gemeinde des Herrn erbaut werden solte, fest zu gründen. Dies erhellt ganz deutlich aus der Beschreibung dieser Offenbarungen in Luc. 24, 13—49 u. Joh. 20, 19—29, wornach Jesus sich nicht damit begnügt, den Jüngern durch das Zeigen seiner Nägelmale und durch Essen vor ihnen (Luc. 24, 42 f.) sich als den Auferstandenen kundzu- geben, sondern ihnen auch aus der Schrift die Notwendigkeit seines Leidens und Sterbens wie seiner Auferstehung erweist. So notwen- dig aber diese Befestigung der Jünger im Glauben an die Auferstehung Christi immerhin war, bevor ihnen befohlen wurde, in die Welt hinaus- MattL XXVm, 1. 603 zugehen und alle Völker durch Taufe und Lehre zu Jüngern des Herrn zu machen, so gehörte die Erwähnung dieser Glaubensstärknng der Jünger doch nicht in den Plan, welchen Matth. hei der Darstellung der Auferweckung des Herrn zur Vollendung seines Werkes auf Erden in Aussicht genommen hatte, .daß die Kritik ein Recht hätte, aus der Nichterwähnung das Nichtwissen zu folgern. ^ V. 1—10. Die Auferstehung des Herrn und die erste Erscheinung des Auferstandenen, Vgl. Mrc. 16, 1—11. Luc. 24, 1—12 u. Joh. 20, 1—18. — V. j. In der Späte des Sahhats, bei Tagesanbruch auf den Sonntag kamen Maria Magdalene und die andere Maria, das Grab zu besuchen. ^Otpl oaßßdrcov spät Sabbats bedeutet weder nach Verfluß des Sabbats (Olsh., de W,, Bl, B,'Cr., Ew.)^ noch nach Verfluß der Woche (Grot, Wies). Denn otpi spät mit näher bestimmenden Geni- tiv bezeichnet immer die Späte, welche zu der im Genitiv angegebenen Zeit selbst noch gehört, s. Mey. z. St. u. Kühner Gramm. H, 292 mit den dort angef. Belegen aus Classikem. t^ h3tiq)a}6xovöiß sc. ^(liga bei Aufleuchten des Tags, bIq [ilav Oaßßdrcov wörtlich auf den ersten nach Sabbat, fila öaßßdtcov entspricht dem talmudischen nn^n nriK der erste im Verhältnis zum Sabbate d. i. der auf den Sabbat folgende Wochentag, der Sonntag. Vgl. über diese talmud. Bezeichnung der Wochentage Lightf. hör. ad h. l. Aus dieser näheren Bestimmung er- gibt sich, daß dieser Zeitbestimmung die natürliche Tagesrechnung von Sonnenaufgang bis wieder zum Sonnenaufgang zu Grunde liegt. Ge- meint ist der Zeitpunkt, wo die den Sabbat schließende Nacht in die erste Morgendämmerung des Sonntags überging. Diese Angabe stimt ganz mit den Angaben der anderen Evangelisten, dem öiar/svoiiivofü Tov öaßßdtov — Xlav ngcot r^g iiiäq öaßßdrcov (Mrk.), t^ (ua räv 1) Gleicherweise läßt sich ans dem Plane, welchen Luk. nnd Joh. bei Ab- fassung ihrer Evangelien verfolgten , der Grund nachweisen, weshalb Luk. nur Erscheinnngen des Auferstandenen in Jerusalem und Joh. die in 'seine Schrift aufgenommenen mitteilen. Da dies aber nicht in einen Comm. über das Matth.- Evang. gehört, so verweisen wir darüber auf die Erörterungen von v, Hofm. im Schriffcbew. II, 1 S. 520 fp. u. II, 2 S. 4ff. und Grau, Entwicklungsgesch. I S. 289 ff., und wollen daraus zur Bestätigung unserer obigen £röi*terung nur folgendes herausheben. ,Dem Matth. gilt es, den Judenchristen wie den Juden zu beweisen, daß durch Israels Schuld das Heil vor den Juden vorübergehe und sich zu den Heiden hinüberwende. So zeigt er durch die ihm eigentümliche Er- zählung, wie die Obersten Israels durch Bestechung der Grabeswächter das Volk auch um die lezte Heilsthat des Herrn betrogen, das äußerste Maß der Schuld des Volkes ; welcher gegenüber der Befehl des Herrn an die neue Obrigkeit des Himmelreichs ergeht, die ganze Welt zum Eingange in dasselbe aufzufordern' {Grau S. 290). Dazu vgl. die ergänzende Ausführung bei v. Hofm. II, 2 S. 6: ,Mit dem Gegensatze zwischen dem Hohenrathe und den Elfen, auf welchen es Matth. abgesehen hat, ist der von Jerusalem, der Stadt des jüdischen Volks, und Galiläa, dem Lande der Jünger Jesu, notwendig verbunden, während bei Luk. Jerusalem die heilige Stadt ist, wo der Zeugenberuf der Jünger anhebt, gegen- über von Born, dem Mittelpunkte der Völkerwelt, welche er umspannen soll. Galiläa und nicht Jerusalem war der Ort, wo Jesus die Seinen wiedersehen, aber Jerusalem war der Ort, von wo aus er das Zeugnis seiner Auferstehung in alle Welt ausgehen lassen wolte'. eOl Matth. XXVIII, 1. caßßdrcov oq&qov ßaß-sog (Luk.) nnd r^ fiia rwv öccßßdrcüv — jtQcot oxorlaq In ovCTjg (Job.), d. i. Sonntag früh vor Sonnenaufgang als es noch dunkel war. Unrichtig ergänzt Ew. zu rfj ijtigxDOxovo^ das notn. hojtig^ und erklärt es vom abendlichen Lichtleuchten, mei- nend, Matth. habe*zusammengezogen, was die Frauen Sonnabend Abend und Sonntag in der Frühe thaten. Allein zu dieser Annahme liegt gar kein Grund vor, da Mtth. das Balsamiren des Leichnams überhaupt nicht erwähnt. Auch Keim versteht die Worte von dem abendlichen Anbruche des Tags mit dem Aufgange der Sterne oder Anzünden der Lichter; allein hätte Matth. dies sagen wollen, so würde er einfach xy fiia caßßdrcov kjtigxjoöxovcxi geschrieben haben. ^ Gegen Keims Deu- tung, die einen Widerspruch zwischen Matth. und den anderen Evan- gelien eintragen soll, spricht entscheidend schon der Umstand, daß fär die Auferstehung die rglttj ^fiega (s. zu 27, 63) gar nicht herauskomt, wenn die Frauen am Sonnabend vor Einbruch der Nacht zum Grabe kamen und dort den Stein abgewälzt fanden. — Ueber die ,andere Maria' s. zu 27, 56. Mrk. nent noch die Salome, während Joh. nur die Maria Magdalene als die Hauptperson erwähnt. Diese Verschie- denheiten sind nicht auf Verschiedenheit der Ueberlieferung zurückzu- führen {Mey.)^ sondern erklären sich einfach daraus, daß keiner der Evangelisten darauf ausging, eine vollständige Chronik der Anf- erstehungsgeschichte zu liefern. Wie wenig dies in ihrem Plane lag, ersieht man einleuchtend aus Luk., wo 24, 10 außer der Maria Magdal. die Johanna und Maria Jakobi xal al XoiJtal ovv ovratg als beim Grabe gewesen erwähnt sind, während in 23, 55 f. nur im Allgemeinen die mit Jesu aus Galiläa gekommenen Frauen bei der Grablegung zu- gegen waren, und dann 24, 1 fortgefahren wird: am ersten Wochen- tage aber gingen sie zum Grabe xai riveq ovv amalq. — Die Frauen kamen d-emg^oai zu beschauen d. h. zu besuchen das Grab. Nach Mrk. u. Luk. kamen sie mit Specereien, um die Balsamirung zu vollenden, (s. zu 27, 59 f.). Dies war allerdings der Hauptzweck, weshalb sie in aller Frühe nach dem Sabbate zum Grabe gingen; aber ganz irrig schließt daraus Mey., daß diese Angabe bei Mtth. wegen der Versiege- lung und Bewahrung keinen Platz finden konte. Weshalb hat denn aber Mtth. schon in 27,61 nicht die Bereitung der Specereien u. v. 59 die Salbung des Nikodemus erwähnt? Am Freitag Abend, als Jesus ins Grab gelegt wurde, da wußten doch die Frauen noch nicht, daß das Grab würde versiegelt und bewacht werden. Den Grund weshalb Mtth. von der Balsamirung des Leichnams Jesu nichts sagt, haben wir einzig darin zu suchen, daß dieselbe keine heilsgeschichtliche Bedeutung hatte, nur ein Zeichen treuer Anhänglichkeit und Liebe war, die sich aber 1) Gegen die Annahme von Weiss, daß der Bearbeiter des ersten Evange- liums die beiden Zeitangaben in Mrc. 16, 1 und 2 zusammengezogen habe, hat schon Met/, richtig bemerkt: ,das wäre allzu ungeschikt gewesen ; er hätte ja nur die beiden Zeitbestimmungen des Mark, einfach zusammenzustellen und zu schreiben gebraucht: diayeyo/ueyov zov aaßßäiov, ^iccy nfjcjt zf^s fjccig aaßßit- j(oy. Er hat aber eben ganz unabhängig von Mark, geschrieben*. Matth. XXVm, 2. 3. 605 schon darin kundgab, daß ein Rathsherr, wie Joseph von Arimathia sich den Leichnam Jesu von Pilatus erbat, um ihn in sein eigenes Grab zu legen, und die galiläischen Frauen sich dem Grabe gegenüber hin- sezten, die Bestattung ansahen und gleich nach dem Sabbate in aller Frühe sich zum Grabe begaben. V. 2—4. „Und siehe ein großes Erdbeben geschah; denn ein Engel des Herrn stieg vom Himmel herab und trat hinzu, wälzte den Stein ab und sezte sich darauf ^ Kai löov dient dazu, auf einen ganz un- erwarteten Umstand (oder Gegenstand) aufmerksam zu machen. Daß das hier Erzählte ,angesichts der Frauen^ geschehen sei, das liegt nicht in dem xal löov, sondern hätte deutlich gesagt werden müssen. Frei- lich darf man auch die Aoriste iyiveTO, xaraßdg, djcsTcvXiosv etc. nicht im Sinne des Plusq. {Kern, Ehr, u. A.) fassen wollen, sondern der Y. 2 berichtete Vorgang ist gar nicht in zeitliche Beziehung zu dem Kommen {rjXd^s) der Frauen zum Grabe gesezt, sondern sachlich dem- selben gegenübergestelt als etwas Eingetretenes, das die Frauen am Grabe nicht erwarteten. Zum Grabe gekommen fanden sie den Stein nicht mehr vor des Grabes Thür, sondern abgewälzt, und ein Engel saß darauf. Ob dies Ereignis eingetreten war, während sie auf dem Wege waren oder schon vorher, läßt Matth. ganz unbestimt. Vergleichen wir Mark., der die äußeren Vorgänge sehr genau zu beschreiben pflegt, so ersehen wir aus seiner Darstellung, daß das fjXd'B Maglafi .... ^cco- Q^aai nicht die Ankunft der Maria am Grabe aussagt, sondern den Gang zum Grabe, da EQXSOd-ai wie «"ia nicht blos wohin kommen, sondern auch wohin gehen bedeutet. In diesem lezteren Sinne des "Worts schreibt Mark.: die Frauen sQxovrai am xb fitfTjfietov gehen zum Grabe und eXeyov sprachen zu einander: wer wird uns den Stein abwälzen, und aufgeblikt habend sahen sie, daß der Stein abgewälzt ist. Die Aeußerung: wer wird . . . abwälzen thaten sie nicht erst als sie am Grabe angekommen waren, denn so wie sie demselben so nahe waren, daß sie einen Blick dahin werfen konten, da sahen sie ihn schon abgewälzt. Wie egxovrai bei Mrk. so ist auch ^Xd-e bei Mtth. gemeint, nämlich von dem Gange zum Grabe. Was sie bei der Ankunft am Grabe sahen, ist mithin als vor der Ankunft geschehen zu denken. Luk. v. 3 hat den Hergang in den Worten: svqop top Xl^ov djcoxsxvXcöfii' vov ganz richtig dargestelt. — Ueiöfiog ohne y^g ist wol nur eine Er- schütterung der Grabesstätte, ein nur auf diese Stelle sich erstrecken- der Erdstoß. Demselben folgte das Herabsteigen des Engels, welcher den Stein abwälzte. Nicht durch die gewaltige Erschütterung der Grabstätte, sondern von Gott durch die Hand des Engels wurde der Stein abgewälzt. Der Engel sezte sich ijtdvo) amov sc, rov Xld-ov ,als der gottgesandte Wächter und Dolmetscher des leeren Grabes', wie Mey. richtig bemerkt. Erkent man dies als den Zweck der Engel- erscheinung, so erklärt sich auch die scheinbare Differenz dieser An- gabe mit dem weiteren Berichte. Die Worte des Engels zu den Frauen: komt her und sehet die Stätte wo der Herr gelegen (v. 6), setzen vor- aus, daß der Engel nicht auf dem abgewälzten, vor dem Grabe liegen- 606 Mattt XXVIII, 3-6. den Steine saß, sondern drinnen im Grabe sich befand. Dies sagen Mrk. V. 5 u. Lnk. v. 3 n. 5 unzweideutig. Damit steht auch jene An- gabe des Mtth (ixäd^xo hndvco avzov v. 2 nicht in Widerspruch. Mtth. erwähnt das Sitzen des Engels auf dem Steine nur, sofern das- selbe Bezug auf die Wächter hatte. Daß der Engel dort sitzen bliebe bis die Frauen ankamen, ist damit nicht gesagt. Wo diese den Engel vorfanden, gibt Mtth. nicht bestimt an, sondern läßt es aus der schon angefahrten Rede desselben : öems, idere xrZ. nur erschließen. Die Unter des Grabes wurden durch die Erderschtttterung aus ihrer Bohe aufgeschreckt; die Erscheinung des Engels solte ihnen die Erderschüt- terung deuten, daß sie dieselbe nicht far einen natürlichen Erdstoß hielten, zugleich aber solte die Erderschütterung ihnen zeigen, daß die Erscheinung des Engels kein Gebilde ihrer aufgeregten Phantasie, kein Gespenst war. — V. 3. Die Gestalt {löia oder elöea das Aussehen, die äußere Erscheinung) des Engels war leuchtend wie der Blitz und sein Gewand weiß wie Schnee. Aus dem überirdischen Beiche des Lichts kommend glich seine Erscheinung dem Leuchten des Blitzes. ^Ajio tov g)6ßov avTOV von der Furcht vor ihm erbebten (easlößT^aav) die Hüter des Grabes und wurden wie todt d. h. ohnmächtig vor Schrecken. Daß sie flohen wird nicht ausdrücklich gesagt; denn es versteht sich von selbst, daß mit der Erscheinung des Engels und der Abwälzung des Steines von des Grabes Thür das Wachehalten der Soldaten vorbei war und den Wächtern nichts übrig blieb als fortzugehen und den Hohen- priestem das Vorgefallene zu melden (v. 11). — Mit der Entfernung der irdischen Grabeshüter hatte der Engel seinen Dienst als gottge- sandter Wächter des Grabes erfült. Für die zum Grabe kommenden Frauen hatte er das Grab nicht zu bewahren, sondern ihnen nur die Leere des Grabes zu deuten. Daher erscheint er ihnen im Grabe sitzend, um ihnen die Gottesbotschaft der Auferstehung des Herrn zu verkündigen. V. 5—7. „Antwortend sprach der Engel zu den Weibern", djio- xQid-eig ist gebraucht wie 11, 25, die Rede des Engels als Erwiderung auf den wargenommenen Eindruck, welchen das Geschehene auf die Frauen gemacht, einführend, firj g)oßelö&€ vfislg fürchtet ihr euch nicht. Das durch die Nachstellung betonte vfistg ist dem Erschrecken der Wächter entgegengesezt. „Denn ich weiß, daß ihr Jesum den Ge- kreuzigten sucht. Er ist nicht hier, sondern er ist auferwekt worden, wie er gesagt hat". Davon könt ihr euch überzeugen. „Komt nur her und besehet die Stätte, wo er gelegen". Das xaO-wg eins bezieht sich auf die Vorherverkündigungen Jesu von seiner Auferstehung, wie Luk. V. 6 f. durch Anführung des Inhalts dieser Verkündigungen verdeut- licht. — Statt des Engels, welchen Mrk. v. 5 nach seiner Erscheinung als vsavioxov bezeichnet, erwähnt Luk. 4 ff. dvÖQsg ovo in leuchten- den Gewändern, also zwei Engel, wie Maria Magd, bei Joh. v. 12 im Grabe sitzen sieht. — Die Auferweckung und Auferstehung Jesu selbst wird nicht beschrieben, sondern nur als geschehen durch das Ver- schwundensein des Leichnams aus dem Grabe und das Zeugnis des Matth. XXVm, 6—9. 607 Engels knndgetan. Als ein Wander der göttlichen Allmacht entzog sich dieser Vorgang nicht nur der Warnehmang irdischer Augen, sondern auch dem Begreifen des menschlichen Verstandes. Jesus ist durch die Auferweckung nicht wie Lazarus in das irdische Lehen zurückgeführt worden, sondern mit geistigem (verklärtem) Leibe aus dem Grabe er* standen. Als der Verklärte ist er für irdische Augen ebenso unsichtbar wie die Geister des Himmels, die Engel, und kann nur den Engeln gleich den Menschen sichtbar erscheinen. Die Vorstellung der neueren Vermittlungstheologen, daß mit der Auferstehung die Verklärung des Leibes Christi nur begonnen und in den 40 Tagen bis zur Himmelfahrt sich successiv vollendet habe, ist schriftwidrig und irrig, vgl. dgg. Stemm. S. 105 ff. — V. 7. Der Engel erteilt den Frauen zugleich den Auftrag, den Jüngern die Auferstehung des Herrn zu melden und ihnen zu sagen, der Auferstandene werde in Galiläa vor ihnen hergehen und dort sich ihnen zu sehen geben. Die Worte xai iöov jtQodyec bis otpEOd^s gehören noch zu dem, was die Frauen den Jüngern sagen sol- len, wie Beng. richtig bemerkt hat. Sonach geht v/istg und dtpeoß^s auf die Jünger nicht auf die Frauen. Mrk. sezt hinzu: xaß'cog ehtev vfilv wie Jesus den Jüngern gesagt hatte auf dem Gange nach Gethse- mane 26, 32. Mrc. 14, 28. — Ueber jtQodyec s. zu 26, 32. Es bezeich- net ,nicht ein simples Vorangehen, sondern ein Vorangehen als Hirt und Führer' {Hngsib.) und schließt vorhergegangene Erscheinungen, um. die Jünger von der Wirklichkeit seiner Auferstehung zu überzeu- gen, nicht aus, so daß von einer ,unausgleichbaren Differenz mit den Berichten des Joh. und Luk.' (Mey.) nicht die Rede sein kann. Auch aus dem xaxv jtOQevß'etoai ehtate folgt nicht, daß die Jünger unver- züglich schnell nach Galiläa gehen selten. Nur die Nachricht von Jesu Auferstehung soll ihnen schnell gebracht werden. Zwar wurde ihnen damit auch nicht gesagt, daß sie noch länger in Jerusalem warten sol- ten. Wenn dies aber dennoch geschah, so ist es daraus zu erklären, daß die Jünger der ihnen gebrachten Botschaft keinen Glauben schenk- ten und der Auferstandene ihnen selbst erst in Jerusalem erscheinen und sich als auferstanden kund geben mußte. — Mit den Worten: „siehe ich hab es euch gesagt^' erklärt der Engel seine Verkündigung als zweifellos gewiß. V. 8—10. Die Frauen eilten nun mit großer Furcht und Freude den Jüngern die Botschaft zu bringen, /isrä q)6ßov xal xagäq fisyäZtig ist, wenn auch (ieydXrjq zu beiden Substantiven gehört, nicht als eine Mischung von Furcht und Freude zu denken, sondern Furcht ergriff sie vor dem Wunder Gottes, welches der Engel ihnen kundthat und durch seine Erscheinung verbürgte; Freude über die Botschaft des Engels, daß Jesus aufer wekt sei und seine Jünger in Galiläa wieder sammeln wolle. — V. 9. Unterwegs aber, ganz unverhofft {Iöov s. zu V. 2) komt Jesus ihnen entgegen mit dem Gruße: xa/()£rf* Als sie aber seine Füße umfassen und ihn anbeten wollen, spricht er zu ihnen: „fürchtet euch nicht, geht und verkündigt meinen Brüdern, daß ..." Das (iTj q)oßetöd^e zeigt, daß die Erscheinung Jesu ihnen Furcht ein" 608 Matth. XXVIII, 10-14. flOBte, weil sie den Eindrack einer Erscheinung ans der überirdischen Welt machte. Daher umfassen sie seine Füße, ihn ehrfurchtsvoll anzu- beten. Jesus aber beruhigt sie und befiehlt ihnen, seinen Brüdern die Kunde von seiner Auferstehung zu bringen, zotg d6eXq)0lq fiov. So bezeichnet der Herr die Apostel auch nach Joh. 20, 17, aber nie vor seinem Tode, denn in 12, 49 ist d6£jiq)ol nicht im eigentlichen und vollem Sinne zu nehmen. Mey, meint: wegen der Vorstellung des über- irdischen Wesens, mit welcher die Frauen vor ihm lagen. Richtig aber nicht ausreichend. Jesus will damit nicht blos seine menschliche Na- tur betonen, sondern zugleich andeuten, daß seine Jünger auch seiner Herrlichkeit teilhaftig werden sollen, vgl. 25, 40, wo er als Weltrich- ter alle Gläubigen döeXipol nent. Sieinm, meint: weil sie in die Ge- meinschaft seines Wirkens eintreten sollen; aber weder vom Gontexte nahe gelegt, noch der Parallelstelle 25, 40 entsprechend. Die Erneue- rung des Auftrags, welche schon der Engel den Frauen erteilt hatte, ist nicht ,überflüssig^ (de W.\ oder gar ,sinnlos und unwürdig^ {Kem)^ einen späteren Ueberarbeiter verrathend. Sie war vielmehr wichtig, ja notwendig, um sowol den Frauen als den Jüngern seine Auferstehung zu versichern; ein Act der Herablassung des Herrn zur Glaubens- schwäche seiner Jünger. V. 11— 15. Das Verhalten der Obersten der Juden zur Thaisache der Auferstehung Christi. — noQ£vo(isva)v öh avzcov während aber dieselben (die Frauen) gingen, den Jüngern die Kunde (v. 10) zu brin- gen, siehe da kamen einige von der Wache (26, 65) in die Stadt und meldeten den Hohenpriestern alles Geschehene (das v. 2—4 Erzählte). — V. 12. Und nachdem sie (die Hohenpriester) mit den Aeltesten sich versammelt und Rath gepflogen hatten, gaben sie Silberlinge genug den Soldaten, sprechend: „Saget, daß seine Jünger des Nachts gekommen sind und ihn gestohlen haben während wir schliefen". Zu övvax^Bvxeq sind die dQXiegstg Subject. Vgl. über solchen Wechsel des Subjects Winer Gr. S. 586. ovfißovXiov Zaßetv Berathung halten, wie 12, 14. 22, 15. An eine Beschlußfassung in förmlicher Sitzung des Synedriums ist nicht zu denken. Die Hohenpriester mußten in Gemeinschaft mit den Aeltesten, welche ihren Haß gegen Jesum teilten, die Sache im Ge- heimen berathen und abmachen, da es galt, die Soldaten durch Be- stechung zu vermögen, daß sie über das was sie am Grabe erlebt hat- ten, nicht blos schwiegen, sondern auch, da die Kunde von der Auf- erstehung Jesu sich alsbald in Jerusalem verbreiten mußte und das Factum des Verschwundenseins des Leichnams aus dem Grabe sich nicht in Abrede stellen ließ , eine erlogene Aussage über den Vorgang verbreiten. Das Vorgeben, zu welchem die Hohenpriester die Soldaten verleiteten, nent August, eine infelix astutia, da die Soldaten ja nicht wissen konten, was während ihres Schlafens geschehen war. Allein wenn wirklich, während sie schliefen, der Leichnam aus dem Grabe verschwunden war, so lag die Annahme nahe, daß die Jünger ihn heim- lich bei Seite gebracht hatten. — V. 14. Aber das Schlafen der Wache auf ihrem Posten war ein schweres Dienstvergehen, welches der ^yeftciv Matth. XXYIU, 15. 609 den Soldaten nicht ungestraft hingehen lassen durfte. Um also die Soldaten hierüber zu beruhigen, versprachen ihnen die Hohenpriester: wenn die Sache zum Verhör vor den Landpfleger kommen solte, daß sie dann denselben überreden d. h. beschwichtigen und sie dfiSQlfiPovg frei von Sorge vor Strafe machen wolten. äxaveöd-ac ijtl gehört wer- den vor dem Richter d. h. zum gerichtlichen Verhöre kommen. jteld'Sip per suader e, in dem Sinne: über eine Sache beruhigen. — V. 15. Die Soldaten nahmen das Geld und thaten wie sie gelehrt d. h. instruirt worden waren. So wurde 6 Xoyog ovzog die Aussage, daß Jesu Leich- nam von seinen Jüngern gestohlen worden (y. 13), bei den Juden durch Gerede verbreitet {öutpruAlö^) bis auf den heutigen Tag d. h. bis zur Zeit der Abfassung des Evangeliums. Die geflissentliche Ausbreitung dieses Lügengerüchtes erwähnt auch Justin c, Tryph. 17. 108. — Die Verbreitung dieses Gerüchtes unter den Juden veranlaßte ohne Zweifel Matthäus zunächst, in sein für Judenchristen bestimtes Evan- gelium die Geschichte von der auf Betrieb der Hohenpriester veran- stalteten Bewachung des Grabes Jesu aufzunehmen und durch Darle- gung des Sachverhaltes der Lüge entgegenzutreten, während die anderen Evangelisten keine Veranlassung hatten, in ihren für Heiden- christen bestimten Schriften die Sache zu erwähnen. Doch haben wir diese äußere Veranlassung nicht für das Hauptmotiv zu halten, welches Matth. hiezu bestirnte. Dieses liegt vielmehr darin, zu zeigen, wie die Hohenpriester und Obersten der Juden gegen die Anerkennung der Auferweckung Jesu von den Todten, wodurch Gott selber den von ihnen Gekreuzigten als seinen Sohn und Christ erwies, sich wider Wissen und Gewissen verstokten und dadurch das Gericht der Ausschließung aus dem Reiche Gottes über sich und ihr Volk herbeiführten; s. S. 603 Anm. Auch den neaereu Gegnern der Auferstehung Jesu gereicht die von Matth. erzählte Thatsache zum Anstoß und Aergemis, wie die Versuche der Kritiker, den geschichtlichen Charakter dieser Erzählung zu verdächtigen, augenfällig zeigen. Als eine ungeschichtliche Sage soll sieh nämlich die Geschichte von der Grabesbewachung durch ihre Unbegreiflichkeit verrathen. Abgesehen davon, daß Jesus nicht einmal seinen Jüngern direct seine Auferstehung vorhergesagt habe, soll es ganz unwarscheinlich sein, daß a) die Frauen am Auferstehungs« morgen das Einbalsamiren der Leiche beabsichtigen und ihre Sorge nur auf das Abwälzen des Steines beschränken konten, wenn sie von der Wache und Ver- siegelimg des Grabes wußten, b) Im höchsten Grade unwarscheinlich sei wenn nicht die Willfährigkeit des Pilatus, doch das unkluge Benehmen der Sanhedri- sten, welche, statt den Leichnam Jesu selbst in Beschlag zu nehmen, ihn seinen Anhängern überlassen, und statt die Soldaten folgerichtig zur Bechenschaft zu ziehen, sie zur falschen Aussage verleiten, c) Eben so unwarscheinlich sei die Beschwichtigung des Procurators gegen eine Dienstverletzung seines Militärs, welches durch eine sehr dumme Lüge gerade alle Entschuldigung sich abge- schnitten hätte. Endlich verrathe der Evangelist selber die Entstehung dieser Sage in dem von feindlicher jüdischer Seite ausgesprengten Gerüchte von einem Diebstahle der Leiche. So Mey. unter Berufung auf Paulus (exeg. Hdb.), Keil, Comm. z. Evangel. Matth. 39 610 Matth. XXVm, U. 15. Strauss (II S. 562 ff.) , Schleiermacher L. J. S. 458 ff., Weisse, Ew., Hase, Bl, Keim, Schölten, Hilgf. — Aber schon den Ausgangspunkt dieser Zweifel, daß Jesus nicht einmal seinen Jüngern seine Auferstehung bestirnt Yorausgesagt habe, müssen wir nach dem S. 354 f. darüber Bemerkten als eine willkürliche und unbegründete Voraussetzung zurückweisen. — Sodann der Einwand 1) stüzt sich auf die eben so grundlose Voraussetzung, daß die Anhänger des Herrn Yon der Versieglung und Bewachung des Grabes Eentnis erhalten hatten. Woher wissen dies die Kritiker? Nach den evangel. Berichten ging Joseph, nachdem er das Grab mit dem Steine verschlossen hatte, davon {anfiX^ey 27, 60) und auch die gläubigen Frauen, welche der Bestattung zugesehen hatten, kehrten um und ruhten den Sabbat über nach dem Gesetze (Luc. 23, 55). Die Hohenpriester und Pharisäer aber haben erst an dem auf die Rüstzeit folgenden Tag d. i. am Sab- bate bei dem Procurator um eine Wache für das Gfab angesucht und dieselbe erhalten und das Grab versiegelt. Und diese Sache heimlich zu betreiben hat- ten sie mehr Ursache als sie ruchbar zu machen ,Die Anhänger des Gekreuzig- ten aber waren schwerlich jezt in der Stimmung auf Grerüchte zu lauschen und Erkundigungen einzuziehen; — ohne Zweifel ist ihnen also das Gerücht erst durch die Umstände bekant geworden, welche die Auferstehung des Herrn be- gleitet haben' {Steinm., Leidensgesch. S. 247). Ad 2 u. 3): Das Benehmen der Synedristen ist auch nicht unklug, sobald man sich nur die Lage der Dinge deutlich macht und sie nicht durch bodenlose Einfalle, wie der, daß die Synedristen den Leichnam Jesu hätten für sich in Be- schlag nehmen sollen, verdunkelt und verwirrt. Für die Annahme, daß sie von Jesu Aeußerungen über seine Auferstehung nichts gehört haben solten, dafar liegt kein haltbarer Grund vor. Mochte auch durch Jesu Jünger über seine To- des- und Auferstehungsverkündigungen kein Wort unter das Volk gedrungen sein, so konte doch den Pharisäern im Gedächtnisse geblieben sein, was Jesus zu der yevea novriQCi xcd fxoixccXig von dem Jonaszeichen gesagt hatte, welches sie zu seiner Zeit empfangen würden. »Vergleicht man Mtth. 12,39 — 40 (u.ir),4) mit c. 27, 63, so kann warlich nur der willkürliche Eigensinn behaupten, daß es der Aussage: ifxyr}a&rju€y oxl ixeVyog o nXccvog bItibv £Ti ^ioy' xaxa TQelg ^fAEQag iyeigofzat an der ausreichenden geschichtlichen Basis gebreche' {Steimn. S. 249). — Wenn nun die Hohenpriester und Pharisäer sich an diese Aussage erinnerten, so waren sie doch weit entfernt zu glauben, daß Jesus wirklich aus dem Grabe auferstehen werde. Nur der Gedanke komt ihnen bei, daß die Jünger Jesu den Leichnam heimlich bei Seite schaffen könten und dann das Ge- rücht verbreiten, Jesus sei vom Tode auferstanden. Aber auch dieser Gedanke kam ihnen nicht in den Sinn, als Jesus von seinen Jüngern verlassen am Kreuze hing und da sein Leben aushauchte, um sofort Gegenmaßregeln zu treffen. Dazu bewog sie erst der Umstand, daß nach seinem Tode zwei angesehene Mämier unerwartet als Anhänger Jesu hervorgetreten waren und Jesu Leichnam ehren- voll bestattet hatten. Ließ sich von so entschlossenen Anhängern nicht noch mehr erwarten? Indeß für die erste Nacht war ein Portschaffen der Leiche nicht zu besorgen, da Jesus seine Auferstehung am dritten Tage angekündigt hatte , mithin erst dann ein Verschwinden des Leichnams aus dem Grabe für eine Auferstehung aus dem Tode ausgegeben werden konte. Aber für die zweite Nacht, nach deren Ablauf der dritte Tag nach seinem Tode anbrach, war man Matth. XXVIII, 14. 15. 611 vor einem solchen Schritte nicht mehr sicher. Ging nun die Absicht der Hohen- priester dahin, dieser nXayri Yorznbeogen, so erscheinen die Anstalten, die sie trafen, völlig zweckgemäß. Nicht von dem Amtssiegel ihres Synedrioms, wol aber von der Wache des Procurators versprachen sie sich den Erfolg, daß da- durch die Jünger an dem gewaltthätigen üotemehmen, das sie etwa im Sinne hatten, verhindert werden konten. Daher wenden sie sich an den Procurator. Dieser aber durfte schon deshalb ihre Bitte nicht abschlagen, weil durch Aus- führung des den Jüngern zugemuteten Vorhabens ein Aufruhr im Volke ent- stehen konte. So hat denn die Gewährung dieser Bitte vonseiten des Pilatus durchaus nichts Unwarscheinliches. — Aber — meint man — desto unwar- scheinlicher ist das Verhalten der Grabeswächter und das Benehmen der Hohen- priester und Aelteston gegen die Wächter. Allein daß die Wächter das Vorge- fallene nicht dem Procurator, sondern den Hohenpriestern überbringen, erklärt sich vollständig aus dem Umstände, daß Pilatus die Wache den Befehlen des Synedriums unterstelt und es demselben überlassen hatte, das Grab so sicher zu verwahren, wie sie wüßteu, also auch die Wächter mit der nötigen Instruc- tion zu versehen. Ob die jüdischen Oberen den Bericht der Wächter für wahr oder unwahr hielten, läßt sich aus der Erzählung nicht erkennen. Aber wie es sich auch in Wirklichkeit mit dem verhielt, was die Wächter am Grabe erlebt zu haben versicherten, so stand so viel fest, daß das Gerücht von Jesu Auf- erstehung aufgetaucht war und Consistenz zu gewinnen drohte. Solte diesem Gerüchte entgegengewirkt werden, so empfahl sich von selbst das Mittel, das- jenige nunmehr als Thatsache hinzustellen, was sie dem Landpfleger zuvor als ihre Besorgnis bezeichnet hatten, nämlich daß Jesu Leichnam von seinen Jün- gern gestohlen worden sei. Aber die Soldaten einer Dienstverletzung anzukla- gen und auf ihre Bestrafung anzutragen, das mußte als ein sehr bedenkliches Unternehmen erscheinen. Wenn die Soldaten aussagten: durch einen Erdstoß und einen vom Himmel gekommenen Engel sei der Stein vom Grabe gewälzt und das Grab geöffnet worden, und bei dieser Aussage beharrten, wie konte man ihnen das Gegenteil beweisen und sie einer falschen Aussage überführen? Durften die Kläger hoffen, daß Pilatus, den man so schwer hatte zur Verurtei- lung Jesu bewegen können, sich jezt so willfahrig zeigen werde, auf eine un- beweisbare Anklage hin seine Soldaten zu bestrafen. Nicht einmal im Syne- drium, wenn man die Sache da zur förmlichen Verhandlung kommen ließ, war man sicher, daß die Angabe vom Schlafen der Wächter und dem Stehlen der Leiche ohne Widerspruch aufgenommen werden möchte. Thöricht war also der Entschluß, den sie faßten und ausführten, durchaus nicht, vielmehr unter den obwaltenden Umständen das Klügste, was sie thun konten. Sittlich betrachtet ist freilich die Verleitung der Soldaten zur Lüge durch Bestechung durchaus verwerflich. Aber weiten die Feinde des Herrn ihre Opposition gegen ihn und seine Anhänger nicht aufgeben, so blieb ihnen keine andere Waffe übrig als die Lüge. Nur diese konten sie mithin auch denen empfehlen, die sie zur Durch- führung ihres Kampfes gegen die Warheit als Helfer und Werkzeuge nicht ent- behren konten. Pilatus aber — bei seiner Stellung zu den religiösen Fragen der Juden — hatte keinen Anlaß, eine Untersuchung über das Verhalten seines den Hohenpriestern zur Verfügung gestelten Militärs anzustellen, so lange dieee nicht eine Klage über Dienstverletzung bei ihm anbrachten. 39» 612 Matth. XXVm, 15—17. Endlich die Behauptung, daß der Evangelist selber die Entstehung seiner Erzählung aus den von den Juden ausgesprengten Gerüchte verrathe, möchte nur dann denkbar erscheinen, wenn jenes Gerücht etwa 30 Jahre nach dem Er- eignisse d. h. zu einer Zeit, wo man darüber nichts Zuverlässiges mehr ermit- teln konte, unter den Juden ausgestreut worden wäre. Da aber die Kunde von der Auferstehung Jesu sich sofort nach dem Ereignisse in Jerusalem und dar- über hinaus verbreitete, so mußten die jüdischen Oberen, wenn sie dem Glaaben an dieses Wunder wirksam entgegentreten weiten, auch ohne Verzug den Xoyos vom Diebstahle des Leichnams unter das Volk bringen. Oleich nach dem Er- eignisse aber durften es die Anhänger Jesu nicht wagen, die Geschichte von der Grabeswache, welche die Hohenpriester nicht blos einer raffinirten Lüge, son- dern auch der Bestechung römischer Soldaten und das Militär des Procurators einer schweren Dienstverletzung bezüchtigte, ersinnen, weil dann die Synedri- sten nicht unterlassen haben würden, die Urheber dieser Geschichte zu verfol- gen und wegen boshafter Verleumdung anzuklagen, um ihr Vorgeben vom Leichendiebstahl aufrecht zu erhalten. Oder sollen wir es glaubhaft finden, daß die Christen jenes Lügengerücht der Juden werden Jahrzehnte lang ruhig sich haben verbreiten lassen, um dann erst durch eine ersonnene Geschichte von der bis dahin kein Mensch etwas gewußt hat, der Lüge der Juden entgegenzutre- ten? Das glaube, wer es kann. V. 16—20. Jesu Erscheinung in Galiläa und Verordnung der Eilf zu Aposteln für alle Völker. — V. 16. Die eilf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte, ob tibi hier wie öfter so gebraucht, daß es neben dem Begriff der Buhe wo zu- gleich den Begriff der Bewegung wohin involvirt und beide Begriffe verschmelzt, vgl. Luc. 10, 1. 22, 10. 24, 28. Winer Gr. S. 43 f. u. Kühner II S. 473. A. 4. ov hd^axo bezieht sich auf die v. 10 mitge- teilte Weisung. Dort ist nur Galiläa im Allgemeinen genant, hier bei Angabe der Ausführung jener Weisung ist nachträglich noch die spe- cielle Oertlichkeit elq xö OQog hinzugefügt. Contextwidrig übersezt Weiss ov ezd^aro ,wo Jesus ihnen Befehl gethan hatte' und combinirt erä^aro mit ÖLOxdööcov 11, 1 in dem Sinne, daß der Schluß des Evan- geliums auf den Anfang zurückweise, wo Jesus den Jüngern auf dem Berge die Grundgesetze des Gottesreichs gegeben hatte (5, 1). — V. 17. „Als sie ihn sahen, beteten sie an, etliche aber zweifelten". Subject sind ol evösxa fiad-, v. 16 nicht allein zu jtgoqsxvvTjöav son- dern auch zu köloxaöav, nur daß bei lezterem die Beziehung auf die svösxa durch ol öe die Einschränkung erleidet, daß nicht die Eilf son- dern nur einige von ihnen zweifelten. Ol de ohne vorhergegangenes Ol fiev drükt nicht eine Halbirung oder Teilung in zwei gleiche Hälf- ten aus, sondern deutet nur einige Ausnahmen von der Gesamtheit an. Doch besagen die Worte nicht, daß alle anbeteten, aber von den An- betenden einige zweifelten, sondern — dies fordert das gegensätzliche öi — daß die Zweifelnden nicht anbeteten. jtQogxvvstv steht nicht in dem weiteren Sinne der ehrfurchtsvollen tiefen Verbeugung vor einem Höheren, sondern im Sinne göttlicher Anbetung. Die mancherlei Ver- suche, das sölöraöav auf Andere als die Eilf, etwa auf die 70 Jünger Matth. XXVm, 18. 19. 613 oder andere außer den Eilf Anwesende zu beziehen, hat Mey. als an- statthaft zurückgewiesen. Der Evangelist hat dabei warscheinlich den Thomas im Sinne, troz des unbestimteren Pluralis, ähnlich wie Joh. 6, 64 in rlveg slolv ol iirj jttOTSvovrsg eigentlich nur Judas Ischariot ge- meint ist. — Das Zweifeln vonseiten der Apostel (vgl. Joh. 20, 19. 26. Luc. 24, 31. 37. 41) ist weder daraus zu erklären, daß Jesus den Jün- gern in verklärtem Leibe erschien (Kchw., Oish., Krabbe u. A.), noch aus einer Veränderung der Leiblichkeit und des Aussehens Jesu, einer geheimnisvollen, einen Mittelzustand zwischen dem leiblichen Wesen wie es vorher war und der Verklärung, die erst im Momente der Him- melfahrt eintrat, anzeigenden Wandelung der äußeren Gestalt {Mey,). Beide Annahmen stehen im Widerspruch mit den evangel. Berichten, nach welchen Jesus den Jüngern die Nägel- und Wundenmale an seinem Leibe zeigt (Joh. 20, 20. 27), und vor ihnen Speise genießt (Luc. 24, 43, Joh. 21, 5). Das Zweifeln erklärt sich vielmehr aus der Art und Weise, wie Jesus ihnen erschien, entweder plötzlich in ihrer Mitte stehend und eben so plötzlich wieder verschwindend (Joh. 20, 19. 26), oder in der Erscheinung eines Gärtners (Joh. 20, 15}, eines Wanderers (Luc. 24, 15 ff.) oder irgend eines unbekanten Mannes (Joh. 21, 4ff^). Diese befremdende Weise seines Erscheinens war und blieb den Jün- gern räthselhaft, bis sie durch die unverkennbaren Beweise, die Jesus von der Wirklichkeit seiner Person ihnen gab, und durch die Belehrung aus der Schrift über die Notwendigkeit seiner Auferstehung zum vollen Glauben an ihn als den Auferstandenen gelangten. — In unserer Er- zählung ist die Art und Weise seiner Erscheinung nicht angegeben, sondern nur gesagt, daß die Jünger ihn sahen {löovxeq) und wie aus dem jtQogeXd-cov sich ergibt, zuerst in einiger Entfernung von ihnen. V. 18. Näher zu ihnen getreten redete er zu ihnen: „Gegeben ist mir alle Gewalt im Himmel und auf Erden". Diese Worte stehen in deutlicher Beziehung zu dem Ausspruche 11, 27, besagen aber noch bestimter, daß Jesu alle Machtbefugnis zur Durchführung des "V^erkes der Erlösung in der Welt verliehen ist, oder — kurz ausgedrükt — die Ausübung der königlichen Gewalt im Reiche Gottes, nicht die ge- samte Weltregierung, die der Vater dem Sohne nicht abgetreten hat. Als den im A. T. geweißagten König Israels auf dem Throne seines Ahnen David hatten die Obersten des jüdischen Volks Jesum verworfen und getödtet. Sein himmlischer Vater aber hat ihn durch die Auf- erweckung von den Todten zum König des alle Völker umfassenden Eeiches Gottes eingesezt und ihm für die Ausbreitung seines Reiches in der ganzen Welt alle Gewalt im Himmel und auf Erden verliehen. — V. 19. In Kraft dieser ihm verliehenen Gewalt betraut er nun seine Jünger, die eilf Apostel (v. 16), mit dem Amte, alle Völker zu seinen Jüngern zu machen, d. h. sie in das von ihm gegründete Himmelreich als Bürger desselben aufzunehmen. Das ovv hinter noQBvd-ivxeq im texU rec, hat Tisch. 8 auf Grund von ^AF al, gestrichen; es istwol auch nur eine den Gedankenzusammenhang verdeutlichende Glosse. liadTjXBVBiv zu Jüngern Jesu machen. Wie dies geschehen soll, besagen 614 Matth. XXVIII, 19. die beiden Participialsätze ßamtC^ovreq . . . und ötddöxtnrtEq . . . ^ Statt ßajtrl^ovTsg bieten BI> ßajtrloavtag; aber das Zeugnis dieser beiden Codd. ist gegenüber dem von ^ArAÜ u. v. andern zu schwach, um dieser Lesart den Vorzug vor dem Partie. Präs. zu geben; daher auch nicht mit W^eiss auf das Partie, aor. ßajirlöavxsq im Vergleiche mit dem Partie, präs. ÖLÖaöxovreq Gewicht zu legen und das einmalige ßajtrl^tip, wodurch das fia^rsvsiv vollzogen werden soll, von dem dauernden öiödöxsiv, welches dasselbe begleiten soll, zu unterschei- den. Noch weniger sind mit ffo/m. (Schriftbew. II, 2 S. 164) die Par- ticipia flajtrl^oirueg und öcödoxovrsg im Verhältnis zum verb, ftn. f/ad7jTBVöaT£ als nebensächlich zu fassen, nur das Accidentelle, was zum fiad^r]TSV6cv hinzukommen soll, ausdrückend oder angebend, daß das fiaü^Tsveiv nicht ohne ßajtrl^siv und nicht ohne öcödöxscv blei- ben soll. Dadurch wird der Taufbefehl entleert und der sacrament- liche Charakter der Taufe beeinträchtigt; auch sprachlich läßt sich diese Auffassung nicht rechtfertigen, da für sie iiadTjrsvöavzBg ßajtxl- CsTB erfordert würde (Schott S. 18 u. Mey, z. St.). — ßccjirl^scp slgro 6vo[id Tivog heißt nicht in Beziehung auf eine Person taufen oder durch Taufen in Beziehung zu ihr setzen. Der Name steht nirgends für die zu nennende Person, sondern drükt die Kentlichmachung der Person aus, und von Gott ausgesagt, die Offenbarung des göttlichen Wesens. Zwar prägt sich in dem Namen meist nur eine Seite des We- sens einer Person in entsprechender Weise aus ; und dies gilt um so mehr von Gott, dessen unendliches Wesen bei der Beschränktheit menschlicher Rede nicht in einen Namen entsprechend gefaßt werden kann, weshalb auch in der Schrift von Gott viele Namen vorkommen, um die verschiedenen Seiten der göttlichen Wesensoffenbarung oder die verschiedenen Beziehungen, in welchen Gottes Wesen und Walten in der Welt sich den Menschen kundgibt, auszudrücken. — Die bei der Taufe in Betracht kommende Offenbarungsweise Gottes wird näher bestimt durch den „Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes", bezieht sich also auf das heilsgeschichtliche Verhältnis, wel- ches Gott als der Vater, von dem die Erlösung der Menschheit aus- geht,, durch die Sendung seines Sohnes, welcher dieselbe auf Erden ausführt, und mittelst des vom Vater und Sohne ausgehenden heiligen Geistes, welcher das Werk Christi den Gläubigen zueignet, sein ewig unsichtbares Wesen den Menschen kundgethan hat. Auf den Namen des dreieinigen Gottes taufen heißt also: den Täufling in die Gemein- schaft des dreieinigen Gottes setzen, nicht blos ,in die Abhängigkeit von ihm, daß durch die Taufe der Täufling in das neue Lebensverhält- nis eintreten soll, in welchem der ihm verkündigte Name des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes der Inhalt des Glaubens und des Bekentnisscs ist' iMey.). Hiernach würde die Taufe nichts weiter sein als ein Ritus der Aufnahme in die Gemeinschaft der Bekenner 1) Vgl. Theod. Schott, das Wesen der Taufe nach den Kinsetzüngsworten. in der Luth. Ztschr. von l^nd. u. (Juer. 1871. S. 1 ff. Matth. XXVm, 19. 20. 615 Jesu Christi oder in die christliche Gemeinde. Aber so wenig der Name des dreieinigen Gottes eine Benennung der christlichen Gemeinde ist, eben so wenig ist die Taufe nur eine Aufnahme in die christliche Gemeinde. Die Gemeinschaft des Menschen mit Gott komt nicht so zu Stande und besteht auch nicht blos darin, daß der Mensch Gott sucht und findet, sich von Gott abhängig weiß und fühlt und demgemäß sieb zu Gott verhält, sondern wird im allgemeinen dadurch begründet, daß Gott in dem Werke der Schöpfung und im Gewissen sich den Menschen als Schöpfer und Erhalter der Welt und aller Creaturen, und dem menschlichen Geiste sich als der unendliche Geist, in dem wir leben, weben und sind, kundgibt; im besonderen aber dadurch, daß Gott denen, welche durch ihre Schuld sich ihm entfremdet haben und in Sünde und Verderben gerathen sind, in besonderer Weise sich als Er- barmer, Retter und Erlöser vom Tode und Verderben bezeugt und sei- nen Gnadenrath durch Propheten verkündigt und durch die Sendung seines Sohnes ausgeführt hat, und dadurch den Menschen entgegenge- kommen ist und sie durch kräftige Erweisung seiner Liebe und Gnade zu sich zieht. In diese unser Heil wirkende Gemeinschaft des dreieini- gen Gottes werden wir durch die Taufe gesezt, daß wir der Gnadengü- ter der Erlösung teilhaftig, durch die Kraft des in Christo geoffenbar- ten Heils nach Seele und Geist erneuert oder neugeboren werden (Tit. 3, 5). •V. 20. Soll aber die Taufe diese Frucht des Geistes bleibend wir- ken, so muß sie von dem dcödoxeiv xtjqbZv ütdvra xrL begleitet sein. Das Particip öiödoxoPTsg ist nicht durch xal mit ßajcrl^otrtag ver- bunden, und die Annahme eines Asyndeton in dieser sehr bestirnten Instruction nicht warscheinlich. öiödoxovreg ist also dem ßajtri^, nicht coordinirt sondern subordinirt; vgl. für diese Construction 1 Kor. 11, 4. 1 Thess. 1, 2 f. diödöxsiv ist aber nicht, wie es vielfach gefaßt wird, vom ersten Unterrichte in den Heils warheiten, von der Verkün- digung der einfachen evangelischen Thatsachen zu verstehen. Die dxofj Jtlöxscoq (Gal. 3, 2) und die Jiloxiq fg dxoi]q (Rom. 10, 17) wird selbstverständlich als der Taufe vorangehend gedacht (vgl. Schott S. 34. Mey.)\ denn xrjQelv bezeichnet nicht die gläubige Aufnahme einer Ver- kündigung, sondern das Befolgen einer kvxoXrj vgl. 19, 17. Joh. 14, 15. 21. 15, 10 u. a ndvxa oöa svsT6cZdfii]v vfilv darf man aber nicht mit Schott S. 35 ff. auf die Befolgung der Weisungen Jesu in seinen Ab- schiedsreden (mit Einschluß der nach seiner Auferstehung bis zur Him- melfahrt erteilten Lehren) beschränken wollen — dagegen spricht schon jtdvza Oöa entscheidend; es geht vielmehr auf alle Lehren, welche Je- sus von der Bergpredigt an bis zu seinem Todesleiden den Jüngern er- teilt hatte, nicht blos auf die ,sittliche Lehranweisung' (Mey,\ sondern auch auf das Bekentnis in Wort und That, in Lehre und Leben. Auf die Kindertaufe ist hiebei nicht Rücksicht genommen-, sie ist auch in jidvxa xa eß^i^ weder inbegriffen, noch dabei ausgeschlossen. Der Be- fehl, alle Völker durch Taufe und Belehrung über die Gebote Jesu zu Jüngern zu machen, involvirt nicht eo ipso die Kindertaufe; aber die 616 MAtÜL XXYin, 20. für den von Segen begleiteten Empfang der Tanfe voransgesezte jtlcru; schließt dieselbe auch nicht aus, da für die Aufnahme der Taufgnade nicht ein durch entwickelte Erkentnis gewonnener Glaube gefordert wird, vielmehr der Herr selbst, indem er die Kindlein segnet und ihnen das Himmelreich zuspricht, in der Seele der Kinder den Keim des Glaubens voraussezt, welcher die Empfänglichkeit für die Aufiiahme der heilwirkenden Gnade Gottes in sich schließt. — Auch über den Kitus der Taufe gibt der Herr keine Anweisung, da derselbe von der Johannestaufe her bekant war und Jesus selbst in der ersten Zeit seines Auftretens das nach der Taufe verlangende Volk durch seine Jünger hatte taufen lassen (Joh. 3, 22. 4, 1. 2). Demohnerachtet ist aber das Taufen, welches der Herr hier nach seiner Auferstehung den Apostehi befiehlt, nicht für eine Fortsetzung oder Erneuerung der Johannestaofe und der früher von seinen Jüngern betriebenen Taufe zu halten, son- dern eine neue Stiftung, durch welche jene Bußtaufe zur christlichen Geistestaufe erhoben worden. Das ßajtrl^sip elq x6 ovofia zov na- xQoq TCvZ , mit welchem der Auferstandene, dem alle Gewalt im Him- mel und auf Erden gegeben war, seine Jünger betraut, ist von der Jo- hannestaufe slg [lerdvoLav oder dq äq)60iv afiagricov wesentlich ver- schieden, dem Täufling das Heilsgut der durch Christum vollbrachten Erlösung zueignend, auf welches die Johannestaufe nur prophetisch hinwies, indem Johannes die an seine Wassertaufe geknüpfte und durch dieselbe vermittelte fiBxavoia als Bedingung für den Eintritt in das von Christo zu gründende Himmelreich forderte. Die Stiftung der christlichen Heilstaufe hat die Vollendung des Werkes der Erlösung durch Jesu Tod und Auferstehung zur grundlegenden Voraussetzung, und bildet selbst wieder die Grundlegung für den Bau des Reiches Gottes auf Erden bis zur Vollendung desselben am Ende der Tage. — Dies liegt in der Vorschrift: dq t6 opofca rov jtaxQoq xal xov vlov xal xov aylov jcvtvfiaxoq zu taufen, mit der übrigens der Herr nicht eine stehende Taufformel geben will, die bei jeder Taufe gebraucht werden soll, sondern nur den Heilsgrund anzeigt, auf welchem das durch die Taufe zu gewährende Heilsgut beruht. Da aber dieses Heils- gut durch das von Jesu Christo vollbrachte Werk der Erlösung uns erworben ist und wir durch Christum in die Gemeinschaft des Vaters, des Sohnes und des heil. Geistes gesezt werden, so ist die Taufe auf den Namen Christi sachlich eine Taufe auf den Namen des dreieinigen Gottes. Im N. Test, sind daher ßajtxlC^uv elq xo ovofia Xqlöxov Act. 8, 16, oder elq x6 ovofia xov xvglov 'lr]öov Act. 19, 5, ßajtxl^, ijtl xcp ovofiaxi 'Ifjaov Xqlöxov Act. 2, 38, und noch kürzer ßccjtxl^. sie Xqlöxov Rom. 6, 3. Gal. 3, 27 die stehenden Bezeichnungen der christ- lichen Taufe, während die Taufe auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heil. Geistes schon bei Just. Apol. 1, dl, bei Origmes, Irenaeus, TertulUan erwähnt wird. Für die Vollziehung seines Auftrags verheißt der Herr den Jüngern seinen persönlichen Beistand mit der Zusage: „Siehe ich bin bei euch alle Tage bis zur Weltvollendung". Seine gnadenreiche Gegenwart ... •: f" ■ • ? M«fcth. xxvra, 2*. -^r Ifz hatte Jesus schon früher (18, 20) den Jflngern für die gedeihliche Ent- wickelang der Gemeinde zngesagt. Diese Verheißung erneuert er nun zur Zusage seiner hilfreichen Gegenwart für die Aufnahme aller Völ- ker in sein Reich, fisd-^ v(i(3v bI(iI mit euch bin ich {sliil sagt er, nicht töofiai), vermöge der mir verliehenen Gewalt im Himmel und auf Er- den (v. 18) euch heistehend und euer Wirken fördernd. Diese seine hilfreiche Gegenwart erweist er wirksam nicht nur durch seinen Geist, den er als jcagdxXijzog ihnen sendet (Joh. 14—16), sondern auch in Wandern und Zeichen (Mrc. 16, 20. Rom. 16, 19« 2 Kor. 12, 32) und in Gesichten und Offenbarungen (2 Kor. 12, 1. Act. 22, 17). vfitSv sind die eilf Jünger, die der Herr anredet (v. 16), aber die Jünger ,als der lebendige Anfang seiner Gemeinde, seine Gemeinde in ihrem an- fangenden Bestände gedacht' {Schott S. 40). ndöag ^(iigixg alle Tage — contintca praesentia, wie Beng. treffend sagt, bis zur owxiXsia xov alcovog der Vollendung der laufenden Weltzeit (s. zu 13, 29), die mit seiner Parusie, nachdem zuvor das Evangelium vom Reiche in der ganzen Welt den Völkern verkündigt sein wird (24, 14), mit dem jüngsten Gerichte eintreten soll, s. zu 24, 3. S. 458. Die von Matth. in den eben erläuterten Versen berichtete Offen* barung des Auferstandenen macht durchaus den Eindruck, daß es die lezte sichtbare Erscheinung des Herrn vor seiner Himmelfahrt war. Nachdem der Herr den Eilf den Auftrag erteilt hat, alle Völker durch Taufe und Unterweisung in allen seinen Geboten zu seinen Jüngern zu machen, und zur Ausführung seines Befehls ihnen seine beständige hilf- reiche Gegenwart zugesagt hat, ist eine nochmalige Erscheinung, sei es zu weiterer Befestigung ihres Glaubens an seine Auferstehung oder zu neuen Anweisungen für ihr Amt, kaum noch anzunehmen. Von diesem Eindrucke geleitet stelte schon August, (de consens. Evang. III, 25) die Behauptung auf: testimonium de omnipoientia sibi data etpraecep- tum de evangelio in toto orbe praedicando ad diem ascensionis refe- renda esse. Diese Zeitbestimmung ist jedoch nicht richtig. Die lezte Apparition des Auferstandenen kann sie schon deshalb nicht sein, weil der Herr nicht von einem Berge in Galiläa, sondern vom Oelberge gen Bethanien hin in den Himmel zurückgekehrt ist. Nur so viel steht außer Zweifel, daß ihr die Erscheinungen des Herrn in Jerusalem, welche Luk. u. Joh. berichten, vorangegangen sind, da erst nach diesen Erscheinungen, deren lezte acht Tage nach seiner AuferstehuDg er- folgte, die Apostel Jerusalem verlassen und sich nach Galiläa begeben haben, wo auch nach Joh. c. 21 sich Jesus etlichen vcgd ihnfen am Ufer des galiläischen Meeres offenbarte. Mit dieser kann aber die von Matth. dargestellte nicht identisch sein, teils wegen der Verschieden- heit der Oertlichkeit, teils weil am Ufer des galil. Meeres nur sieben Jünger anwesend waren. Gewöhnlich wird daher unsere Erzählung mit der 1 Kor. 15 erwähnten Erscheinung des Herrn combinirt, bei welcher Jesus von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal gesehen worden, da, obgleich der Ort dieser Apparition nicht angegeben ist, doch nur an eine Erscheinung in Galiläa gedacht werden kann, weil 618 Matth. XXYUI, 20. eine Zosammenkunft von so viel Brüdern an einem Orte in Jerusalem höchst unwarscheinlich ist. Da jedoch der Herr in unserer Erzähluilg nur den eilf Aposteln speciell Befehl erteilt, so ist die Anwesenheit von 500 Brüdern bei dieser Erscheinung auch nicht warscheinlich. Zwar hat man aus den ol 6h iölotaoav v. 17 geschlossen, daß außer den Eilf, welche anbeteten, noch andere Jünger zugegen waren, die noch an der Realität der Auferstehung Christi zweifelten; aber der Text gibt, wie wir schon bei Erklärung jenes Y. bemerkt haben, hiezu keine Be- rechtigung. — Ziehen wir außerdem noch in Betracht, daß Matth. gar nichts Näheros über die Art und Weise der Erscheinung bemerkt, son- dern nur sagt, daß die Jünger, als sie der erhaltenen Weisung gemäß auf den Berg nach Galiläa gegangen waren, dort Jesum sahen, so müs- sen wir uns der Ansicht von Steinmeyer (Auferstehungsgesch. S. 153 ff. vgl. S. 209 ff.) anschließen, daß Matth. ,nicht die Geschichte einer ein- zelnen, für sich bestehenden, scharf abgegrenzten Erscheinung referirt, sondern die Summa der Manifestationen Christi gezogen, daß er die Geschichte derselben — nicht epitomatorisch, wie der unechte Markus- schluß, sondern ihrem wesentlichen Gehalte nach zusammengefaßt hatS — Der Zweck aller Christophanien war ja zunächst der, sich seinen Jüngern als den Auferstandenen und Lebendigen zu manifestiren, so- dann der, die Apostel in das Amt einzuweisen, als seine Boten das Evangelium vom Reiche der ganzen Welt zu verkündigen und durch diese Verkündigung das Himmelreich auf Erden zu pflanzen. Jenem ersten Zwecke dienten die Offenbarungen am ersten Ostertage mit der acht Tage später dem Thomas samt den übrigen Aposteln zuteil gewor- denen. Erst nachdem die Apostel hiedurch von der Realität der Auf- erstehung des Herrn und der Identität dos ihnen Erschienenen mit dem Gekreuzigten, der sein Leben zur Versöhnung der Welt geopfert hatte, fest überzeugt worden waren, konto der Herr sie zu seinen Sendboten an die Völker ausrüsten, ihnen noch die lezten Befehle für ihre Mission crtheilen und sie mit der erforderlichen Vollmacht zur Ausrichtung ihres Amtes versehen. Zu diesem speciellen Zwecke hat er sie nach Galiläa beschieden. Darauf weist auch die im Anhange des vierten Evangeliums (Job. c. 21) erzählte Apparition hin, welche in der Wie- dereinsetzung des Petrus, der seinen Herrn verleugnet hatte, in das Apostelamt gipfelt. Und dies ist auch der Inhalt und Zweck der in dem vorliegenden Berichte des Matth. erzählten Erscheinung des Herrn. Alles was der Evangelist darüber referirt — ,die Eröffnung vonseiten des Herrn, der Auftrag, den er erteilt, die Weisung, welche er folgen läßt, das Gelöbnis, mit dem er schließt — es faßt sich, \\\q Sieinm. S. 154 treffend sagt, in nichts anderem zusammen, als in der Stiftung des Apostelamtes und in der Betrauung der Eilf mit diesem Amte'. — Mit dieser Auffassung unserer Erzählung stehen auch die ausführlicheren Mitteilungen des dritten und vierten Evangeliums über die Erscheinungen des Auferstandenen im Einklänge. Als der Herr nach Luc. 24, 36 ff. seine Jünger von der Realität seiner Auferstehung überzeugt hatte, spizt sich der Nachweis von der Notwendigkeit seines Matüi. XXVUI, 20. 619 Leidens and seiner Auferstehung dahin zu, daß er predigen lasse in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden unter allen Völkern und daß dieses Zeugnis durch der Jünger Mund ergehen werde. Daß nämlich in Luc. 24, 45—49 zusammengefaßt ist, was der Herr in der 40tägigen Zwischenzeit zwischen seiner Auferstehung und 'seiner Auf- fahrt verschiedentlich mit den Seinen geredet hat, das wird auch von Hofrn, (Schriftbew. II, 2 S. 5) anerkant. Und in dem Johanneischen Berichte c. 20 spricht der Herr am Osterabende zu den Aposteln: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch", worauf er durch Anhauchung ihnen den Empfang des heiligen Geistes zusichert und die Macht Sünde zu vergeben und zu behalten verleiht. Um seine von der Wirklichkeit seiner Auferstehung und seines Lebens überzeugten Jün- ger mit den Rechten und Pflichten des apostolischen Amtes zu be- trauen, dazu hat der Herr sich ihnen in Galiläa offenbart und — wie Steinm, S. 157 hinzufügt — offenbaren müssen. ,Denn nur dadurch, daß er leibhaftig vor ihren Augen erscheint, hat er das bezeichnete Ziel zu erreichen vermocht. Daß er überhaupt zur Neuheit des Lebens erstanden sei: das hätten die Jünger glauben können, auch ohne ihn zu sehen; ja es wäre ganz in der Ordnung gewesen, hätten sie der ein- fachen Botschaft Vertrauen geschenkt. Aber den Glauben predigen, den Mund zum apostolischen Eerygma aufthun: das hätten sie nicht gekont; sie hätten es nicht einmal gedurft, wären ihnen nicht vonseiten des Auferstandenen in realen, sinnenfälligen Manifestationen der aus- drückliche Auftrag gegeben worden'. Diese aus sorgfältiger Erwägung des Inhalts der Vv. 16—20 unsers Cap. gewonnene Auffassung der von Matth. berichteten Offenbarung des Auferstandenen stimt auch mit dem Charakter dieses Evangeliums, wie wir schon S. 602 gezeigt haben, überein und durch sie erledigen sich alle scheinbaren Differenzen mit den Berichten der drei anderen Evangelien über die Erscheinungen des Herrn einfach und vollständig, so daß von einer ,großen Zerfahrenheit der Ueberlieferung' (wie K^eim, Leben Jesu. 3. Bearb. S. 350 behauptet) nicht mehr die Rede sein kann. Uebrigens steht die Thatsache der Auferstehung Christi und der Erscheinungen des Auferstandenen schon durch das Zeugnis nicht allein des Apostels Paulus, welches die neuere Kritik allein noch gelten las- sen will, sondern auch der übrigen Apostel und durch die Thatsache der Gründung der christlichen Kirche auf dem Glauben an die Realität der Auferstehung des Herrn aus dem Grabe so unerschütterlich fest, daß auch Meyer bei allen Concessionen, die er der negativen Kritik gemacht hat, aus diesen Zeugnissen den Schluß gezogen hat: ,es schwinde in der That alles exegetische Recht, aus der Auferstehung aus dem Grabe, dessen Leichnam die Verwesung nicht erfahren hat (Act. 2, 31. 10, 41), irgend ein Ereignis zu machen, welches auf eine Auferstehung vom Kreuze hinauskäme, mithin auf einen Irrtum aller Apostel und der ganzen Kirche von Anfang her'. Und die Anstrengun- gen, welche nach Abweisung der Scheintodshypothese die neueste Kritik gemacht hat, um die evangelischen und apostolischen Zeugnisse von 620 Matüi. XXVm, 20. den Erscheinungen Jesu nach seiner Auferstehung als subjective Pro- ductionen entweder der Reflexion (Strauss, Schölten) zur Versöhnung des Messiastodes mit dem Messiasglauben, oder der ekstatischen Vision {Baur, Stratiss 1864, Höhten, Ewald), mithin als geistige SchauungM, die zu objectiven Vorgängen verkörpert wurden, zu erklären, haben tu keiner befriedigenden Lösung der unleugbaren Thatsache geführt, so daß Schenkel Txn^ Keim die Notwendigkeit einsahen, die Erscheinun- gen auf eine objective Einwirkung des nach dem Tode im Himmel un- sterblich fortlebenden Geistes Jesu zurückzufahren und als reale Mani- festationen seiner aus dem Tode (nicht aus dem Grabe) verklärt her- vorgegangenen Persönlichkeit anzuerkennen, um der ,in jeder Form absurden Folgerung^ avszaweichen, daß entweder das Christentum seine Existenz einem Zi^ll verdanke, oder Gott die Sinnestäuschung, Ge- bilde aufgeregter Phantasie für objective Erscheinungen eines geliebten und verehrten Todten zu halten, gewirkt habe, weil das Zeugnis der Apostel: wir haben den Herrn gesehen, mit seinen Wirkungen zu un- verwerflich sei (s Keim a. a. 0. S. 3G2 ff.). — Also eine Geisterge- schichte muß erdacht werden, wenn gleich ,nach dem Worte Lessing's und Kants, unserer schärfsten Denker, alle Geschichten wiedergekom- mener Geister, welche die Menschheitsgeschichte erzählt, als Aber- glaube zu Boden fallen mögen' — um nur nicht an das biblische Wun- der der Anferweckung Jesu von den Todten zu glauben! Aus der zusammenfassenden Weise, in welcher Matth. über die Er- scheinungen des Auferstandenen berichtet, erklärt sich endlich auch der Umstand, daß er, ebenso wie Johannes, über die Himmelfahrt Jesu schweigt; nicht aber daraus, daß beide einer Ueberlieferung folgten, welche davon nichts wußte (Met/.), wornach weder das erste noch das vierte Evangelium von Aposteln verfaßt sein könten. Wenn, wie Mey. nicht in Abrede stelt, ,die Himmelfahrt, die wirklich leibliche Erhe- bung in den Himmel dem Glauben der Apostel als geschehene That- sache feststand, ohne welche ihnen auch die Parusie undenkbar gewe- sen wäre (Phil. 2, 9. 3. 20. Eph. 4, 10. 1 Petr. 3, 22. Job. 20, 17), so kann das Schweigen über diese Thatsache seinen Grund weder in ün- kentnis derselben haben, noch darin, daß die Einkleidung dieser That- sache in einen sichtbaren Hergang vor den Augen der Apostel einer späteren Ueberlieferung angehöre. Denn waren Petrus und Johannes, wie aus den angeführten Stellen erhellt, davon überzeugt, daß Jesus in den Himmel aufgefahren {jtOQSvihslg elg ovgavov, 1 Petr. 3, 22; dva- ßalvw JCQÖg TÖv jcariga [lov Joh. 20, 17), und stand diese Thatsache dem Glauben der Apostel fest, so konten sie sich auch den Hergang nicht wol anders denken, als wie er Luc. 24, 21 mit den Worten «rf- (pigexo elg xbv ovgavov einfach beschrieben ist. Wer die Thatsache, ,daß der Herr einige Zeit nach seiner Auferstehung aus dem Grabe in den Himmel emporgestiegen, und zwar nicht blos dem Geiste nach, sondern nach seiner im Momente der Erhebung völlig verklärten Leib- lichkeit (Mey.)^ als einen im ganzen N. Test, verbürgten Glauben an- erkent, für den fehlt in der That jeder vernünftige Grund, den Luc. 24, Matth. XXV ni, 20. 621 t 50. 51 u. Act. 1, 9—11 beschriebenen Hergang der Himmelfahrt für Ik. eine spätere Ueberliefemng auszugeben (vgl. Sieinm, S. 223). Die ^ Nichterwähnung desselben im ersten und vierten Evangelium kann die ^ Sache eben so wenig zweifelhaft machen, als die leibliche Gebart da- ^T durch zweifelhaft wird, daß in denselben Evangelien der Hergang der- ' selben nicht näher erzählt wird, sondern Job. nur berichtet 6 Zoyog cdQ§ lyivsTO (1, 14) und Matth. sie in dem Satze: rov 6k ^ItjOov ys- VTjhivxoq BV Brjd-kesfi (2, 1) nur andeutend berührt. — Der wahre Grund des Schweigens des Matth. über die Himmelfahrt liegt in der Bedeutung, welche diese Thatsache für das von Jesu auf Erden voll- brachte Werk hat. Die Himmelfahrt bildet nicht die ,äu6erste Höhe der evangelischen Geschichte', wie Mey. siefaSt, sondern bezeichnet nur die Grenze oder das Aufhören der leiblich sichtbaren Erscheinun- gen des Auferstandenen. Das auf Erden äu vollbringende Werk der Erlösung hatte Jesus mit der Hingabe seines Lebens in den Tod voll- endet, aber sein Tod würde nicht als das Lösegeld für die Sünde der Welt erkant worden sein, wenn Gott ihn nicht durch die Auferweckung von den Todten zum Herrn und Christ gemacht hätte (Act. 2, 36). Mit der Auferweckung in verklärter Leiblichkeit war Christus schon der Erde entrükt und mit der Herrlichkeit bei dem Vater bekleidet, der er bei seiner Menschwerdung sich entäußert hatte. Vom Tage der Auf- erstehung an konte er mit seinen Jüngern nicht mehr in der früheren Weise verkehren, sondern nur noch in Erscheinungen sich ihnen als den Lebendigen kundgeben, und ihnen das Amt übergeben, für welches er sie erwählt und bis zu seinem Tode unterwiesen hatte. Die Erschei- nungen des Auferstandenen bilden daher den Schlußpunkt der voll- endeten evangelischen Geschichte. Mit der «Himmelfahrt begint das Wirken und Walten des zur Rechten des Vaters Erhöhten durch den heiligen Geist, welcher den durch die Verkündigung des Evangeliums zum Glauben Kommenden die Frucht der durch Jesum Christum auf Erden vollbrachten Erlösung zueignet. Die Himmelfahrt hat demnach ihre richtige Stelle nicht am Ende der Evangelien, sondern an der Spitze der Apostelgeschichte, wo Lukas auch ihren Hergang erzählt, während er sie am Schlüsse seines Evangeliums nur im Zusammen- hange mit der Weisung, welche der Herr vor seiner Auffahrt den Jün- gern erteilt, in Jerusalem die Sendung der Verheißung des Vaters d. i. den Empfang des heiligen Geistes abzuwarten, kurz erwähnt. Da nun Matth. schon die Erscheinungen des Auferstandenen nicht einzeln, son- dern nur nach ihrem wesentlichen Kerne mitteilt, so fehlte für ihn je- der Anlaß, den Hergang der Himmelfahrt zu beschreiben. -Die Ver- heißung des Auferstandenen: „Ich bin bei euch alle Tage bis zur Weltvollendung" sezt nicht nur die Himmelfahrt voraus, sondern deutet auch das mit derselben anhebende Walten des Herrn vom Him- mel herab in seiner Gemeinde auf Erden an. Mit dieser Verheißung hat demnach Matthäus sein Evangelium sachgemftS schließen können. DRUOK VON ACKERMANN A QLABEfl. LCIP;aa. Druckfehler und Berichtigungen. Seite 50 Z. 7 n. 6 v. ü. lies sich anzulehnen st. angeschlossen. „ 86 „ 4 V. u. lies Galiläa und Peräa st. Galiläa. „ 209 „ 22 „ 0. „ be kanten st. bekennten. „ 326 „ 3 „ 0. „ 323 st. 223. „ 409 „ 3 „ 0. „ von v. 12 an st. v. 12 an. >-. # M . -• ■■ • "j* .;■»'